Noch ein Doppel auf Solopfaden
Nachdem ich erst vor kurzem die wundervolle Runde über den Dientener Sattel auf einer meiner Solotouren entdeckt und meiner Rockerbraut davon vorgeschwärmt hatte, starten wir heute endlich als Doppel auf diese Tagesausfahrt. Über Reit im Winkl düsen wir hinüber nach Österreich, um dann über Erpfendorf und Waidring an den Pillersee zu fahren. Den lassen wir aber links liegen. Es geht gleich weiter nach Fieberbrunn und Richtung Saalfelden. Erst in Leogang legen wir eine Pause ein an einem Zufallsstopp.
Meine Rockerbraut hat mir signalisiert, dass ich mal rechts ranfahren soll. Das tue ich natürlich auch bei erster Gelegenheit - dummerweise an einer Automatentankstelle, an der es nicht die Möglichkeit gibt, dem dringenden Grund für diesen Halt nachzukommen. Aber gleich nebenan gibt es ein Lokal, das auf den ersten Blick nicht besonders einladend auf uns wirkt, aber immerhin mit Parkplätzen direkt vor dem Haus und einer Terrasse mit Blick auf die dort abgestellten Bikes punktet. Und das uns wieder einmal eine Lehrstunde in Sachen österreichischer Gastlichkeit erteilt. Das Personal ist supernett, bedient uns äußerst freundlich und zuvorkommend und serviert dazu noch einen vorzüglichen Kuchen und eine Mega-Portion Pommes. Das Tüpfelchen auf dem i ist aber - jetzt bitte nicht lachen - die Toilette im Keller. Die ist mit so viel Stilsicherheit aus Holz und Stein gebaut, dass sie eine Wohlfühlatmosphäre ausstrahlt, wie ich sie selten in einer halbwegs öffentlichen Toilette verspürt habe. Tatsächlich lädt dieses stille Örtchen zum Verweilen ein!
Aber natürlich wollen wir hier nicht dauerhaft verweilen. Schließlich möchten wir zum Dientener Sattel! Und so machen wir uns frisch gestärkt und angenehm erleichtert auf den Weg. Nachdem wir die Ortsdurchfahrt Saalfelden gemeistert haben, beginnt entlang der Urslau der Spaß. Sehr entspannt schwingen wir hier zunächst nach Maria Alm und Hinterthal, bevor es dann deutlich kurviger zum ersten Mal so richtig bergauf geht. Was für ein Vergnügen! Die Strecke über Dienten hinüber nach Bischofshofen macht heute im Doppel sogar noch ein kleines bisschen mehr Spaß als bei meiner Solotour.
Und selbst die danach folgende Bundesstraßenetappe von Bischofshofen über Werfen und durch die Salzachklamm zum Pass Lueg ist wegen des extrem starken Gegenwinds hier unten im Tal zwar fahrerisch nicht der absolute Hochgenuss, dafür aber in Sachen Aussichten und Atmosphäre. Hinter dem Pass Lueg lassen wir den Tourentag dann ganz entspannt ausklingen. Wir rollen auf dieser von unseren Faak-Touren wohlbekannten Strecke über Golling und Kuchl nach Hallein, dann hinauf nach Bad Dürrnberg und Berchtesgaden. Wegen der Sperrung bei Schneizlreuth fahren wir dann aber gleich über Bischofswiesen nach Bad Reichenhall und über Traunstein nach Hause. Was uns allerdings irritiert: Heute sind plötzlich die Umleitungsschilder für die Sperrung bei Schneizlreuth durchgeixt. Sollte diese schöne Strecke tatsächlich wieder frei sein?
Postalm-Duo
In den vergangenen Jahren war ich schon zwei Mal auf der Postalm - eine Tagesrunde, die ich sehr schätze. Aber immer alleine, nie im Doppel mit meiner Rockerbraut. Das wollen wir heute endlich ändern. Also starten wir wegen der immer noch bestehenden Sperrung der B305 bei Schneitzlreuth heute über Bad Reichenhall und Bischofswiesen nach Berchtesgaden. Von dort geht es über Bad Dürrnberg nach Hallein und durch das Salzachtal weiter nach Kuchl und Golling, wo wir nach Abtenau abzweigen und das kleine Sträßchen hinauf zur Postalm erklimmen. Schon allein bis hierher ist die Strecke für mich immer ein Genuss. Und auch meine Rockerbraut ist begeistert, vor allem von dem Abschnitt hinter Golling, den sie noch nicht kannte.
An der Mautstation zur Postalmstraße offenbart sich allerdings ein Denkfehler meinerseits. Schlaubär, der ich nun einmal glaube zu sein, habe ich die Mautgebühren für unsere beiden Bikes extra abgezählt dabei. Dumm nur, dass die Mautgebühr dieses Jahr erhöht wurde! Da nützen mir meine sorgfältig auf Heller und Pfennig parat gelegten Münzen für den Automaten schlicht und ergreifend gar nichts mehr. Stattdessen muss ich Wohl oder Übel mit einem 50-Euro-Schein zahlen. Wäre ja im Prinzip nicht so schlimm, schließlich wechselt der Automat ja auch. Allerdings spuckt er das komplette Wechselgeld in Münzen aus. 36 Euro in Hartgeld füllen meine Börse, und entsprechend hart und schief sitze ich auf der weiteren Fahrt erst einmal auf meinem Straßenkönig.
Bei der wohl verdienten Pause auf der Postalm stärkt sich meine Rockerbraut mit einer heißen Nudelsuppe, während ich mir den Stopp mit einem Kaiserschmarrn versüße. Und mich darüber freue, dass meine Rockerbraut meine Schwärmerei für diese Strecke teilt. So lässt sich auch verschmerzen, dass im Restaurant eine ganze Busladung älterer Damen und Herren die meisten Tische bevölkert und die ruhige Almatmosphäre lärmend und quasselnd mächtig dämpft.
Entsprechend zügig treten wir auch die Weiterfahrt an. Denn das eigentliche Schmankerl der Tour liegt noch vor uns: die Strecke hinunter zum Wolfgangsee, die wir dann auch herzlich und fast ohne andere Verkehrsteilnehmer ganz für uns allein genießen können. Am Wolfgangsee vorbei geht es dann zügig bis zum Salzburgring, wo wir wieder nach Hallein abbiegen, um eine Stadtdurchfahrt durch Salzburg zu vermeiden. Zwar ist diese wunderbare Strecke ein deutlicher Umweg, aber die herrliche Straßenführung bis Hallein lohnt jeden Kilometer. Damit wir nicht dieselbe Route wie am Morgen zurückfahren, nehmen wir jetzt die Strecke unterhalb des Untersbergs über Kaltenberg und Grödig bis nach Walserberg zurück, um dann klassisch über Bad Reichenhall, Teisendorf und Traunstein nach Hause zu rollen. Kann ein Urlaubstag perfekter sein?
Auf die Flasche kommt es an
Auch in diesem Jahr haben wir wieder eine Tour zum Nova Rock-Festival in Österreich unternommen. Und wie immer waren wir dorthin als Rocker ohne Bikes unterwegs. Eine gute Entscheidung, denn das Wetter war eher durchwachsen mit reichlich Regen und Gewitter - was der Partystimmung aber keinen Abbruch getan hat.
Wieder daheim und mit einer zweiten Urlaubswoche in der Hinterhand, erholen wir uns jetzt bei bestem Wetter von unserem Nova Rock-Besuch - natürlich mit unseren Bikes. Gestern stand erst einmal eine ordentliche Putzaktion für meinen Straßenkönig auf dem Programm. Der hatte eine Reinigung dringend nötig. Dreckig wie er war, konnte ich mit ihm nicht wieder auf die Straße.
Heute gab es dann noch einen Fototermin für meine neuen Oberschenkeltattoos. Und weil ganz in der Nähe des Fotografen ein nettes, kleines Haushaltswarengeschäft ist, haben wir auch gleich Ausschau nach einer Thermosflasche für die neuen Taschen der Sporty meiner Rockerbraut gehalten. Aber: Ohne ein Muster mitzunehmen oder ohne die Tasche dabei zu haben, ist die Entscheidung für die richtige Ggröße schier ummöglich. Zu groß ist die Auswahl an Flaschen und Formen.
Was ist also die naheliegende Lösung? Natürlich nach Hause zu fahren, noch eine Motorradrunde mit Shovelhead und Sporty in Angriff zu nehmen und dabei ganz zufällig einen Zwischenstopp im Haushaltswarenladen einzulegen samt Anprobe für die Auswahl der perfekten Flasche. Die ist auch tatsächlich schnell gefunden. Aber: Wie gut, dass wir getestet haben! Wir hätten sonst prompt die falsche Größe gekauft, soweit lagen unsere Vorstellungen von der passenden Flasche und die tatsächlichen Platzverhältnisse im Flaschenhalters auseinander!
Solotour
Pfingstmontag gehe ich noch einmal allein auf Tour. Aus dem vielen Verkehr bei unserer gestrigen Runde ziehe ich allerdings meine Schlüsse: Damit ich heute vor allem möglichst wenigen Auto- und Fahrradfahrern begegne, schlage ich den Lenker meines Straßenkönigs in Richtung der nördlichen Teile des Chiemgaus ein und fahre über Seebruck, Truchtlaching und Seeon nach Obing. Der hier fällige Tankstopp erweist sich wegen einer Baustelle als kleine Irrfahrt zur Tankstelle im Ort. Aber mit ein bisschen Instinkt und dank rudimentärer Ortskenntnisse finde ich den Weg zum brennbaren Nass für meinen V2 dann doch.
Mit frisch gefülltem Spritfass zwischen den Beinen geht es anschließend weiter nach Pittenhart, Höslwang, Sonnering und Amerang, von wo ich weiter nordwärts über Frabertsham und Schnaitsee nach Peterskirchen und Engelsberg rolle. Von Schörging geht es dann hinüber nach Wiesmühl und über Feichten und Kirchweidach Richtung Halsbach. Bevor ich dieses Örtchen erreiche, biege ich allerdings ab nach Asten. Die hier unweigerlich zu befahrende B20 verlasse ich schnell wieder und zweige lieber zum Tachinger und Waginger See ab, um dann über den Wonneberg, Lauter, Surberg, Neukirchen und Siegsdorf nach Hause zu fahren. Die Wahl dieser Route erweist sich als goldrichtig. Ich muss mir die Straßen mit ganz wenigen Ausnahmen kaum mit anderen Fahrzeugen teilen. Selbst Biker kann ich heute nur ganz selten grüßen. Und so ist es ein wohltuend entspannter Genuss, allein dahin zu rollen.
Zweite Lenkertestfahrt
Das Pfingstwochenende beschert uns herrliches Wetter. Also nichts wie rauf auf die Bikes. Und heute sogar als Duo. Denn meine Rockerbraut möchte auf ihr wohlbekannten, kurvigen Strecken in die Berge den neuen Lenker noch einmal intensiv testen. Deshalb machen wir uns auf den Weg und fahren über Marquartstein und Schleching nach Kössen. Auf dem weiteren Weg zum Walchsee bietet sich uns ein wahrlich lustiges Bild. Erst fahren wir an einer Radsportlerin vorbei, die auf ihrem Rennrad und im Rennstalldress kräftig schnaufend in die Pedale tritt - nicht gerade am Limit, aber ganz offensichtlich doch angestrengt angesichts der Temperaturen und der leichten Steigung. Gleich davor fährt eine ältere Dame auf ihrem E-Bike - völlig entspannt und in einem Outfit wie aus dem Bilderbuch: Sommerkleid, Hütchen, vorne am Lenker ein Weidenkörbchen mit einem Blumensträußchen. Ein wirklich seltsames Doppel! Denn die ältere E-Bikerin lässt der Rennradlerin hinter sich zumindest hier in der Steigung ganz offensichtlich keine Chance sie zu überholen.
Am Walchsee vorbei geht es dann nach Sebi, um die herrliche Kurvenstrecke hinauf und weiter bis Sachrang zu düsen. Von dort wedeln wir wieder runter nach Aschau, wo wir einen kurzen Zwischenstopp zum Tanken einlegen. Weil meiner Rockerbraut das Grinsen von einem Ohr zum anderen ins Gesicht geschrieben steht, fällt uns die Entscheidung nicht schwer, noch eine Zusatzschleife anzuhängen. Also fahren wir weiter nach Frasdorf und Richtung Achenmühle, um den Samerberg zu erklimmen und wieder hinunter ins Inntal zu schwingen. Über Rohrdorf schlagen wir dann den Rückweg ein, der uns erneut nach Frasdorf führt. Von dort schwenken wir jetzt allerdings nach Hittenkirchen ein. Schließlich wollen wir uns die fantastische Aussicht auf den Chiemsee gönnen. Und die ist heute wahrlich grandios. Auf dem Wasser sind unter strahlend blauem Himmel gefühlte tausend Segelboote unterwegs. Was für ein herrliches Bild, das wir an diesem tollen Tag nur zu gerne mit auf den Heimweg über Bernau, Rottau und Grassau nehmen!
Dort heißt es natürlich, Resümee zu ziehen zur heutigen Lenkertestfahrt. Und das fällt rundum positiv aus: Auch wenn meine Rockerbraut wegen des doch recht hohen Verkehrsaufkommens an diesem langen Wochenende und etlicher langsamer Fahrzeuge nicht alle Kurven perfekt auskosten konnte, ist sie wieder von ihrer Sporty und dem neuen Lenker begeistert. Und sie weiß noch eine lustige Anekdote zu berichten, die mir überhaupt nicht aufgefallen ist: Scheinbar haben wir auf unserer Tour drei Mal dieselben Radler überholt. Nein, nicht das lustige Rennrad-E-Bike-Gespann, das wir hinter Kössen überholt haben. Sondern eine Familie, an der wir wohl vor Aschau, dann nach dem Tanken auf dem Weg nach Frasdorf und - nach unserer Sonderschleife über den Samerberg und Hittenkirchen - auf dem Heimweg zwischen Prien und Bernau vorbeigefahren sind.
Spontanes Zickzack
Was tun an einem Samstag bei herrlichem Wetter? Natürlich Motorrad fahren! Meine Rockerbraut hat allerdings keine Lust mich zu begleiten, gibt mir aber frei, sodass ich gleich nach dem wie üblich späten Frühstück starten kann. Aber wohin? Ach, ich fahre einfach drauf los, auf jeden Fall in Richtung Berge. Und so rolle ich mit meinem Straßenkönig erst einmal nach Reit im Winkl und schwinge am Loferbach entlang hinüber nach Kössen. Begeistert vom Hin und Her auf diesem kurzen Abschnitt, erinnere ich mich an die tolle Straßenführung der gründlich sanierten Strecke über Schwendt nach St. Johann und schwenke entsprechend auf diese Strecke ein. Hei, was für ein Vergnügen!
In St. Johann steht aber schon die nächste Entscheidung an, wie es nun weitergehen könnte. Richtung Kitzbühel oder Richtung Pillersee, einem unserer Lieblingsziele für kurze Tagestouren? Lieblingsziele sind immer eine gute Entscheidung. Deshalb schlage ich den Lenker meiner Road King nach ganz kurzem Zögern Richtung Waidring ein. Die Bundesstraße dorthin hat zwar nicht die spannendste Straßenführung, bringt mich aber zügig zum Abzweig in das kleine Örtchen am Fuße der Steinplatte und der Loferer Steinberge, wo ich auf die wundervolle Straße zum Pillersee abbiege. Jetzt heißt es wieder Kurvenspaß genießen. Schwungvoll geht es hinauf zum Pillersee und an dessen Ufer vorbei, gemütlich durch St. Ulrich hindurch und weiter nach Fieberbrunn. Fahrspaß pur, den ich heute erleben darf!
Und der sollte nicht allzu schnell zu Ende gehen. Deshalb fahre ich in Fieberbrunn nicht wie auf unseren üblichen Runden wieder zurück nach St. Johann, sondern nach Saalfelden. Über Hochfilzen und Leogang erreiche ich zügig dieses Zwischenziel und will eigentlich eigentlich nach Norden Richtung Lofer und damit wieder nach Hause fahren. Aber dann elektrisiert mich ein Wegweiser am Straßenrand. Rechts ab geht es nach Dienten. „Dientener Sattel“ schießt es mir sofort durch den Kopf. Der steht schon seit Ewigkeiten auf meiner Liste der zu erfahrenden Pässe. Warum also warten? Der Tag ist noch jung, der Tank ist voll und die Sonne scheint. Kann es besser Voraussetzungen geben?
Die Wegweiser leiten mich schnell durch Saalfelden und schon bald geht es über eine herrlich geschwungene Straße durch eine wundervolle Landschaft mit stetigem Blick auf die Südseite der Berchtesgadener Alpen mit dem Hochkönig nach Maria Alm und Hinterthal. Wieder mal eine Straße, die ein Harley-Fahrer geplant und gebaut haben muss! Dann folgt Kurvenspaß hinauf zum Filzensattel, bevor es erst hinunter nach Berg geht, um anschließend wieder beschwingt hinauf zum Dientener Sattel zu düsen. Das Ganze begleitet immer eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge. Kein Wunder, dass diese Strecke, wenn auch nicht hochalpin und sonderlich anspruchsvoll, immer wieder als lohnenswertes Bikerziel genannt wird! Und die Tour bis hierher war noch nicht alles. Auch die letzten Kilometer vor Bischofshofen, auf denen sich die Straße entlang des Mühlbachs schlängelt, sind purer Genuss.
In Bischofshofen lege ich den ersten Stopp des Tages ein. Mich plagt meine Blase und gleichzeitig ordentlicher Durst. Beide Bedürfnisse kann ich schnell an einer Tankstelle befriedigen und mir dabei auch ein bisschen die Beine vertreten. Einen Ort für einen langen Aufenthalt brauche ich nicht. Heute geht’s ums Fahren. Deshalb starte ich den V2 meiner Harley auch bald wieder und mache mich auf den Heimweg. Über Werfen fahre ich durch die immer wieder beeindruckende Salzachklamm zum Pass Lueg und dann über Golling nach Hallein - alles wohlvertraute Wege von unseren Reisen zur European Bike Week nach Faak in den vergangenen Jahren. Dann steuere ich den Straßenkönig hinauf nach Bad Dürrnberg und über Berchtesgaden weiter nach Ramsau bis kurz vor Schneizlreuth, wo mich eine Umleitung zwingt, nach Bad Reichenhall abzuzweigen. Die direkte Strecke nach Inzell ist wegen Sanierungsarbeiten gesperrt. Egal, denke ich mir, dann geht es eben über Bad Reichenhall und den Thumsee nach Inzell und nach Hause. Aber auch die Route über den Thumsee nach Inzell ist gesperrt. Bleibt also nur die Fahrt über Anger und Teisendorf in heimische Gefilde. Damit das nicht allzu langweilig wird, schwenke ich allerdings in Oberteisendorf ab nach Achthal. Die wundervolle Kurvenstrecke bis Neukirchen muss ich mir als Tagesabschluss einfach noch gönnen, bevor ich nach einer Tour voll mit spontanen Entscheidungen und wildem Zickzackkurs vor der heimischen Garage ausrolle. What a wonderful day!
Erstes und hocherfreuliches Sonntagsdoppel
Der erste Sonntag im Mai und gleich allerbestes Wetter. Das ist die perfekte Gelegenheit für die erste gemeinsame Tour mit meiner Rockerbraut in dieser Saison. Und so starten wir nach einer ausführlichen Gassirunde mit dem Hund und nach einem entspannten Frühstück die Sporty und den Straßenkönig. Der erste Teil der heutigen Ausfahrt gleicht der Streckenführung meiner Shovel-Runde am Ostermontag bis zum Fotostopp bei St. Leonhard am Wonneberg auf den Meter.
Erst ein gutes Stück weiter weichen wir ab, indem wir nach Waging und dann über Tettenhausen nach Fridolfing fahren. Dort legen wir einen erfrischenden Zwischenstopp mit kühlen Getränken und einem Stück Kuchen ein. Ach, ist das herrlich, einfach so da zu sitzen, die Sonne im Gesicht zu spüren und den Frühling zu genießen! So gestärkt und entspannt rollen wir über kleine Nebenstraßen nach Kirchanschöring und Leobendorf, wo wir nach Schönram abzweigen, um dann über Teisendorf, Freidling und durch Achthal wieder nach Hause zu schwingen.
Diese wohlbekannte Strecke haben wir für heute ganz bewusst ausgewählt. So kann meine Rockerbraut nämlich ihren neuen Lenker noch einmal intensiv testen - mit großem Erfolg übrigens. Schon beim Zwischenstopp im Café ist das Strahlen in ihrem Gesicht unübersehbar. Die neue Sitzposition sorgt spürbar für Entspannung im Rücken und in den Armen. Nach den Kurvengeschlängeln hinauf nach Freidling und anschließend von Achthal bis Neukirchen herrscht dann pure Begeisterung. Zuhause beschreibt sie mir das tolle Fahrverhalten ihrer Sporty in den schillerndsten Metaphern. Vor allem das Einlenken hat sich laut ihrer Schilderungen in den durchzirkelten Kurven deutlich verbessert. Alle Bedenken zum neuen Lenker und der neuen Sitzposition sind weggewischt. Stattdessen gibt es unserer großen Freude pures Fahrvergnügen.
Schnellschuss am Abend
Der April macht dieses Jahr tatsächlich was er will, nur kalt und nass muss es scheinbar sein. Morgens Schnee? Kommt tatsächlich mehr als einmal vor. Dauerregen? Fast schon normal. Sonne? Die große Ausnahme. Genauso wie Temperaturen im zweistelligen Bereich. Deshalb sollte ich diesen Freitagnachmittag mit sonnigem und recht warmem Wetter unbedingt für eine kleine Runde mit dem Straßenkönig nutzen. Und so starte ich nach getaner Arbeit auf eine Chiemsee-Umrundung.
Die verläuft zu zwei Dritteln völlig unspektakulär - bis sich ab Prien immer dunklere Wolken über den Bergen zusammenballen. Trotzdem fahre ich weiter, denn ich möchte für meine Rockerbraut im Schokoladen-Outlet in Bernau unbedingt noch vegane Hasen und Eier im nachösterlichen Abverkauf abstauben. Das gelingt auch, vor allem Hasen stehen noch in rauen Mengen im Regal und werden zum Spottpreis verhökert.
Als ich mit meiner prallgefüllten Einkaufstasche zurück zum Motorrad stiefele, fallen die ersten dicken Tropfen vom Himmel. Was also tun? In die Regenkombi klettern und die Runde durch den Regen zu Ende bringen? Oder wieder um den See zurückfahren, so wie ich gekommen bin, weil nördlich blauer Himmel lockt? Als mir meine Rockerbraut bei einem kurzen Anruf zuhause bestätigt, dass es dort aus Kübeln schüttet und dazu auch noch blitzt und donnert, entscheide ich mich für die längere Variante zwei und tuckere also wieder los in Richtung Prien. Dort regnet es tatsächlich nicht. Aber gleich hinter Rimsting revidiere ich meine Entscheidung. Die dunklen Regenwolken ziehen jetzt nämlich nordwärts über den Chiemsee und damit genau auf meine weitere Route zu. Über den Bergen tun sich dagegen schon wieder erste kleine blaue Wolkenlücken auf. Also wende ich wieder und fahre zum dritten Mal an diesem Tag durch Prien.
In Bernau regnet es inzwischen tatsächlich nicht mehr, nur die Straßen sind noch nass. Und dann wird es wettertechnisch spannend: Hinter Bernau bei der Fahrt durch Rottau, Grassau und Staudach bis hin in den kleinen Weiler mit dem schönen Namen Klaus ist die Straße komplett trocken. Hier hat es offensichtlich nicht einen einzigen Tropfen geregnet. Was sich in Klaus jetzt aber schlagartig ändert. Erst wird die Straße immer feuchter, dann kommt der Regen auch von oben. Und so werde ich auf den letzten paar Kilometern bis nach Hause doch noch nass. Trotzdem: Die kleine Runde hat sehr, sehr gut getan. Den Straßenkönig kann ich irgendwann immer noch putzen. Und die Klamotten sind schnell wieder trocken.
Erste Runde der Saison
Nach den Transferfahrten am Karmittwoch war das Wetter über die Ostertage mehr als bescheiden. Aber der Ostermontag überrascht uns heute mit Sonnenschein und einigermaßen warmen Temperaturen. Deshalb gönne ich mir nach ein paar Stunden erfolgreicher Gartenarbeit, in denen wir unsere Hochbeete für die anstehende Bepflanzung vorbereitet haben, am späten Nachmittag eine Runde mit meiner Oldtimer-Harley. Unter die Räder nehme ich die klassische Feierabendrunde und fahre über Siegsdorf, Neukirchen, Surberg und Lauter auf den Wonneberg, wo ich zum wiederholten Male und wie in fast jedem Jahr einen Fotostopp vor dem grandiosen Panorama der Chiemgauer Alpen und einer Fernsicht bis hinein ins Salzburger Land einlege.
Nachdem die Bilder auf der SD-Karte meines Smartphones gespeichert sind, knattert die alte Electra Glide in Richtung Waging, bevor ich sie rechts weg nach Teisendorf und später dann über die Bundesstraße nach Traunstein lenke. Weitere Schleifen fahren möchte ich jetzt nicht mehr. Denn je länger die Tour dauert und je tiefer die Sonne sinkt, desto kühler und ungemütlicher wird es. Aber: Der frische Wind um die Nase tut richtig gut. Das liegt vielleicht auch daran, dass es für einen solchen Feiertag erstaunlich wenig Verkehr gibt und ich mit dem Oldtimerchen gemütlich meine Runde drehen kann.
Der Winter ist vorbei! Wirklich?
Seit ich unsere Bikes Mitte März von ihren leidigen Saisonkennzeichen erlöst habe, ist genau das eingetreten, was zu befürchten stand: Das Wetter war alles andere als motorradfreundlich, meist kalt-verregnet. Es gab zwar wenige fast sommerliche Tage. Aber natürlich immer nur dann, wenn ich keine Zeit hatte, die Maschinen von ihrer Überwinterung in der Werkstatt unseres Lieblings-Harley-Schraubers zurück in die heimische Garage zu holen oder gar eine Runde zu drehen. Aber so hatten wir es ja gewollt. Nicht die Monatszahlen auf dem Nummernschild, sondern das Wetter sollte Anfang und Ende einer Saison bestimmen. Und das tut es jetzt, ob es uns gefällt oder nicht.
Immerhin hat der Wettergott heute am Karmittwoch ein Einsehen mit uns. Es ist zwar verdammt kalt. Die Nachttemperaturen lagen deutlich unter Null und auch jetzt kurz nach Mittag zeigt das Thermometer nur einstellige Plusgrade an. Aber immerhin scheint die Sonne von einem blauen, fast wolkenlosen Himmel. Und ich habe Urlaub, also Zeit, um den Winterschlaf von Sportster, Road King und Electra Glide zu beenden.
Während ich mich schön warm in mehrere Lagen Motorradklamotten packe, ist meine Rockerbraut noch skeptisch, ob sie ihre Sporty schon selbst in die heimische Garage lenken soll. Denn das ist heute überhaupt nicht ihre Wohlfühltemperatur fürs Motorradfahren. Aber dazu später mehr. Jedenfalls bleibt sie erst einmal in Zivil und fährt mich mit dem Auto zu unserem Lieblings-Harley-Schrauber. Den Anfang der Heimfahrten macht heute mein Straßenkönig. An ihm ist tatsächlich im Winter nichts als der übliche Service gemacht worden plus einer geringfügigen Erhöhung der hinteren Sitzhalterung, sodass ich durch den nun stärker nach vorne geneigten Police-Seat hoffentlich einen etwas besseren Rückhalt bekomme. Zumindest auf der kurzen Heimfahrt fühlt sich die minimal veränderte Sitzposition auch schon sehr gut an, selbst wenn die Luftfederung nach der Winterpause noch nicht wieder optimal angepasst ist.
Und damit zur Sporty. Das Bike hat über Winter einen leichten Ape-Lenker bekommen. Denn der Standardlenker und die damit verbundene, leicht vorgebeugte Sitzhaltung verursachten meiner Rockerbraut zunehmend Probleme im Rücken und vor allem in den Schultern, Armen und Handgelenken. Die gerade, aufrechte Sitzposition soll das alles in Zukunft entlasten, damit längere Touren purer Spaß bleiben und nicht in schmerzhafter Quälerei enden. Aber: Obwohl sie schon einmal Probe gesessen hat, fremdelt sie noch mit dem neuen Lenker.
Sie ist vor allem unsicher, ob sie beim Rangieren, in engen Serpentinen und auf schlechten Straßen mit der neuen Sitzposition und Lenkerhaltung klar kommen wird. Und ob der neue Lenker schon perfekt für sie eingestellt ist. Deshalb will sie erst einmal eine Probefahrt machen, eine kleine Runde mit ein paar Abbiegern und einer Kreisverkehrumrundung fahren, bevor das Bike in die heimische Garage kommt und dann im Sommer über kleine Nebensträßchen in den Bergen gefahren wird.
Außer dem neuen Lenker wartet an der Sporty noch eine weitere Überraschung auf meine Rockerbraut. Denn zu Ostern und zu ihrem Geburtstag habe ich zwei neue Taschen für ihre Sporty organisiert. Bis zu beiden Festtagen ist zwar noch ein bisschen Zeit. Aber wenn die Taschen schon fertig sind, warum sollten sie dann nicht auch schon zum Saisonstart montiert sein?
Der erste Anblick der umgebauten Sporty bei der Abholung meines Straßenkönigs hat jedenfalls seine Wirkung getan: Den niedrigen Temperaturen zum Trotz hat sich meine Rockerbraut doch dazu entschieden, ihr Schätzchen heute selbst nach Hause zu fahren. Deshalb haben wir das übliche Gequatsche mit dem Lieblings-Harley-Schrauber bei der Abholung meines Straßenkönigs auch auf später verschoben, damit wir noch Zeit für die zweite Tour samt Sporty-Probefahrt haben. Und deshalb warten, als ich mit meiner Road King vor die Garage rolle, auch schon meine Rockerbraut mit ihrer dicksten, wärmsten Bikerinnenmontur über dem Arm und eine liebe Freundin auf mich. Die hat sich nämlich zum Glück kurzfristig bereit erklärt, uns beide jetzt zum Lieblings-Harley-Schrauber zu fahren, damit wir Sporty und Oldtimer-E-Glide gleich gemeinsam nach Hause fahren können.
Vor dem Werkstatttor des Lieblings-Harley-Schrauber glitzern bei unserer erneuten Ankunft die Sporty und mein Schäufelchen abholbereit in der Sonne. Und erst jetzt zeigt sich der neue Glanz der Sporty in seiner ganzen Pracht. Die Kabel sind im neuen Lenker verschwunden, die Züge laufen in neuen, hellen Ummantelungen und die Armaturen haben verchromte Schalter und Kappen bekommen, während die Gehäuse selbst schwarz geblieben sind. Außerdem sind mit dem neuen Lenker vorne auch neue Blinker oder besser gesagt: schicke, kleine LED-2-in-1-Leuchten mit Blink- und Positionslicht, an die Sporty gekommen. Und weil die natürlich hinten ihre entsprechenden Pendants brauchen, gibt es als Rück-Blink-Bremsleuchten die passenden 3-in-1-LED-Strahler am Heck. Und dann erst die neuen Taschen! Wie geplant, bleiben sie unscheinbar, was genau die Absicht war. Die Taschen sollten keine Hingucker sein sondern praktische Transportbehälter, die die Optik der Sporty nicht stören, sondern dezent unterstreichen. Trotzdem kommt das Leder im Used-Black-Look im Sonnenlicht so richtig zur Geltung.
Schnell ist meine Rockerbraut in ihre dicke Motorradjacke, Helm und Handschuhe geschlüpft und startet auf ihre Probefahrt. Das Losfahren sieht ziemlich unsicher aus. Die neue Sitzhaltung ist wohl noch zu ungewohnt. Aber sobald die Fuhre rollt, scheint die Unsicherheit wie weggeflogen und ich sehe nur noch ihren Rücken davonsausen. Eine Viertelstunde später hören wir auch schon wieder das Blubbern der Sporty und noch einmal ein paar Minuten später steht meine Rockerbraut neben unserem Lieblings-Harley-Schrauber, unserer lieben Fahrdienst-Freundin und mir wieder in der Werkstatt. Auf Ihrem Gesicht strahlt ein gewaltiges Grinsen - der neue Lenker scheint die Kurven- und Kreisverkehrtestfahrt mit Bravour bestanden zu haben. Das bestätigt sie uns dann auch in freudigen Worten. Der gemeinsamen Heimfahrt steht also nichts mehr im Weg. Und unsere Freundin muss den Heimweg alleine antreten.
Damit ist jetzt auch Zeit für das abschließende Schwätzchen mit unserem Lieblings-Harley-Schrauber. Und wir begleichen natürlich die letzten Rechnungen, bevor wir uns verabschieden. Denn schließlich ist es auch schon kurz vor Feierabend für den Werkstattmeister. Dann starte ich zum ersten Mal in diesem Jahr meine Oldtimer-E-Glide und tuckere hinter meine Rockerbraut her nach Hause. Das ist übrigens ein toller Anblick, wie sie jetzt aufrecht und gerade auf ihrer Sportster sitzt. Aber ist es Einbildung oder liegt es an den gegenüber dem Straßenkönig fehlenden beheizbaren Griffen? Mir kommt diese Heimfahrt am späteren Nachmittag jedenfalls deutlich kühler vor als die vorherige Tour. Umso mehr Respekt also für meine schnell frierende Rockerbraut! Aber nach einer guten halben Stunde ist es geschafft: Alle Harley Davidsons stehen endlich wieder in der heimischen Garage. Jetzt muss nur noch das Wetter etwas wärmer und freundlicher werden. Dann können wir wieder auf tolle Touren gehen!
Vorsatz umgesetzt
Heute ist es endlich soweit: Ich setze meinen Plan in die Tat um, unseren Fahrspaßzeitraum unabhängig von irgendwelchen Monatsvorgaben auf den Kennzeichen zu machen und den Saisonstart ausschließlich vom Wetter bestimmen zu lassen. Das Terminvereinbarungssystem der Zulassungsstelle funktioniert tatsächlich, ich komme pünktlich zur gebuchten Uhrzeit dran und lande am Schalter einer sehr netten Mitarbeiterin, die allergrößtes Verständnis für meinen Wunsch hat und die notwendigen Ummeldungen schnell abwickelt. Dann geht es zum Bezahlen, zur ebenso freundlichen und verständnisvollen Schildermacherin und zum Bekleben der neuen Kennzeichen mit den Siegeln für TÜV und Landkreis - keine halbe Stunde nach Betreten der Zulassungsstelle halte ich stolz die Ganzjahreskennzeichen für die Sporty meiner Rockerbraut und meinen Straßenkönig in den Händen. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen, dann steht der Abholung der Bikes bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber und der ersten Ausfahrt des Jahres nichts mehr im Wege.
Perfektes Finish
Zwei Wochen sind vergangen wie im Flug. Und ich darf heute wieder zum Tätowierer meines Vertrauens, um das Bild auf meinem rechten Oberschenkel fertig stechen zu lassen. Aus der geplanten Autofahrt nach Salzburg wird allerdings nichts. Heute Nacht hat es angefangen zu schneien und vor der Haustüre liegen locker 10 cm der weißen Pracht, während vom wolkenschweren Himmel immer mehr dicke Flocken trudeln. Also werde ich heute mit der Bahn fahren. Angesichts der ausklingenden Faschingsferien in Bayern ist das wahrscheinlich ohnehin die bessere Entscheidung, zumindest im Hinblick auf die Heimfahrt heute Nachmittag. Denn dann werden sich voraussichtlich die wegen des samstäglichen Bettenwechsels Heimreisenden über die Autobahn aus dem Ski-Urlaub Richtung München quälen.
Zuerst aber schnappe ich mir unseren Hund und stapfe mit ihm die morgendliche Gassirunde durch die weiße Pracht - inklusive eines Abstechers zum nahegelegenen Bahnhof, wo ich mir am Automaten gleich das Zugticket für meine heutige Reise ziehe. Dann komme ich meiner sportlichen Pflicht bei diesem Wetter nach: Schneeräumen vor der Garage und auf dem kurzen Weg zur Haustüre, bevor der weiße Zauber festgetrampelt und festgefahren ist und dadurch zu einer eisigen Rutschbahn werden kann.
Trotz der ungeplanten Schneeräumaktion geht mein Timing auf und ich stehe pünktlich am Bahnhof, wo zu meiner Überraschung genauso pünktlich der Zug einfährt und mich entspannt nach Freilassing bringt. Einmal umsteigen bitte! Wenige Stationen sowie einen kleinen Fußmarsch später stehe ich in der kleinen Patisserie direkt neben dem Tattoostudio. Anlässlich des letzten Termins am heutigen Samstag lasse ich als Dankeschön für die wieder einmal tolle Betreuung kalorienreiche Glücklichmacher für das gesamte Körperkünstlerteam in eine große Schachtel füllen. Und nicht nur das: Zu meiner großen Freude gibt es bei diesem Zuckerbäcker auch vegane Leckereien, sodass ich als Überraschung für meine milchallergische Rockerbraut vier der rein pflanzlichen Kunstwerke reserviere, um sie auf dem Heimweg mitzunehmen.
Das große Hallo, das durch das Tattoo-Studio schallt, als ich mit den liebevoll dekorierten Törtchen und Cremeschnitten auftauche, beweist mir, dass ich mit meinem Dankeschön goldrichtig liege und den Nerv der Belegschaft zu 100 Prozent getroffen habe. Aber: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Die Patisserie-Schachtel wird zwar eingehend begutachtet, aber - vielleicht liegt es auch an der vormittäglichen Stunde - noch nicht in Angriff genommen.
Ganz im Gegensatz zu meinem Bein. Darüber saust schon bald die Tätowiermaschine mit ihrem fröhlichen Summen, um meine Shovelhead zu vollenden, die neben unserer hauseigenen Zapfsäule - hoffentlich frisch vollgetankt - auf die nächste Ausfahrt wartet. Außerdem werden heute auch die letzten Schattierungen in Schwarz und Grau ausgearbeitet. Und in einem allerletzten Arbeitsgang blitzen mit Weiß Akzente auf. Wow, kann ich nur sagen, als ich das fertige Werk betrachte. Vor allem die wenigen weißen Striche geben dem ganzen Motiv noch einmal mehr Tiefe und lenken wie kleine Scheinwerferspots zusätzliche Aufmerksamkeit auf viele Details, die mir wichtig sind.
Nach einer herzlichen Verabschiedung für diesen Winter vom Tattoo-Team und ganz besonders vom Tätowierer meines Vertrauens hole ich noch schnell meine veganen Kalorienbomben aus der Patisserie und komme auf die Minute zum nächsten erreichbaren Zug am Bahnsteig an. Ohne lange Wartezeiten geht es nach Hause, wo ich meine Rockerbraut gleich zweimal begeistern kann: mit meinem neu gestalteten Oberschenkel und dem köstlichen Gebäck zum Nachmittagstee.
Aus tiefem Tal zum höchsten Hoch
Mein dritter Tattoo-Termin steht an. Aber ob es dazu heute kommen wird? Ach, wäre ich doch nur mit dem Zug nach Salzburg gefahren! Oder hätte zumindest vor der Abfahrt die Verkehrsnachrichten gehört! So bin ich voll in die Staufalle getappt. Bei uns vor der Haustür war die Autobahn leer, aber kurz hinter Teisendorf wartet der komplette Stillstand auf mich. Aus den Nachrichten erfahre ich jetzt erst, dass es wegen eines brennenden Fahrzeugs eine Vollsperrung gibt. Na sauber. Da werde ich nicht pünktlich im Studio ankommen.
Immerhin: Nach eine halben Stunde totalen Stillstands kommt zumindest minimale Bewegung in die Blechkarawane. Und eine weitere halbe Stunde später habe ich mich per Stop-and-Go zur kleinen Abfahrt in Anger vorgekämpft, sodass ich die Autobahn verlassen kann. Der zweite dumme Fehler an diesem Tag. Denn die Landstraße Richtung Piding ist natürlich genauso verstopft wie die Autobahn selbst, nur eben mit Autobahnflüchtigen und Stauumfahrern wie mir. Die Schleichfahrt auf den Nebenstraßen hat nur einen Vorteil gegenüber der Autobahn: Ich kann an einem kleinen Parkplatz ausscheren und einem überfälligen körperlichen Bedürfnis nachgehen, bevor meine Blase platzt.
Natürlich habe ich im Tattoo-Studio schon längst Bescheid gesagt, dass ich später kommen werde. Allerdings habe ich die Verzögerung total falsch eingeschätzt. Aus der angekündigten Verspätung von ca. einer Stunde sind schon eineinhalb Stunden geworden, als ich endlich bei Bad Reichenhall über die Landstraßen-Landesgrenze fahre - und prompt im nächsten Stau lande. Denn bis zur ersten Autobahnauffahrt in Österreich reihen sich auch hier die Autos von Walserberg bis Himmelreich Stoßstange an Stoßstange aneinander - alles vermeintliche Stillstandsvermeider, die hier ziemlich still stehen.
Als ich mit zwei Stunden Verspätung dann endlich beim Tätowierer meines Vertrauens eintreffe, befürchte ich schon, dass er mich unverrichteter Dinge wieder heimschicken wird. Lohnt es sich denn überhaupt noch, für die verbleibende Zeit anzufangen? Schließlich hat er nach meinem Bein noch einen weiteren Nachmittagstermin, der pünktlich gestochen werden will und einen fitten Tätowierer verdient hat.
Zu meiner großen Freude ist der Nadelkünstler aber total entspannt und will natürlich noch die Tätowiermaschine über meinen Oberschenkel sausen lassen. Und so darf ich noch gut eineinhalb sehr intensive Tattoo-Stunden genießen, in denen auf meinem Bein Bäume und Sträucher aufblühen, Holzbretter Maserungen und Struktur bekommen und ein paar der mehr oder weniger versteckten Hinweise auf die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben vollendet werden. So beweist sich heute mal wieder, dass es selbst aus dem tiefsten Tal des Ärgers und Frusts noch einen Weg hinauf auf die höchsten Höhe des Glücksgefühls gibt - wenn man nur das richtige tut und dabei auf die richtigen Menschen trifft.
Der zweite Termin
Gestern war ich zum zweiten Verschönerungstermin beim Tätowierer meines Vertrauens. Wie immer ging es darum, aus dem Liniengewusel unter meiner Haut ein echtes Gemälde mit Licht, Schatten und Tiefe zu machen. Und wieder einmal blieb mir nichts als Staunen, was der Künstler da nur mit schwarzer Tinte so alles auf mein Bein zaubert. Plötzlich wird der Schuppen, in dem die Sporty meiner Rockerbraut und mein Straßenkönig stehen, zu einem richtigen Raum. Das Dach des Schuppens hängt tatsächlich über, die Dachbalken kommen richtig zur Geltung, die Wände könnten nicht mehr aus irgendeinem Material bestehen, sondern sind eindeutig aus Holz. Die Zapfsäule mit unserem ganz persönlichen Spritvorrat ist kein flaches Strichgebilde mehr, sondern eine wohlgeformtes, dreidimensional wirkende Spritfass.
Als es aber nach über zwei Stunden Tätowierarbeit an das offene Tor zum Schuppen oder genauer gesagt: an den Schatten, den das Tor auf die dahinterliegende Wand geht, streike ich. Mein Schmerzpensum für heute ist offensichtlich erschöpft und ich stoße damit zum Glück auf das Verständnis meines Tätowierers. Der macht nur noch ein paar Stiche, um einen Abschluss zu finden, an den er bei unserer nächsten Sitzung anknüpfen kann. Dann geht es ans Abdecken, anschließend auf den Heimweg und zuhause nur noch auf die Couch. Schließlich muss ich in zwei Wochen ja wieder fit sein für den nächsten Termin.
Geduld lohnt sich und Aberglaube ist totaler Quatsch
Endlich ist die lange, lange Wartezeit auf meinen ersten Tattoo-Termin dieses Winters vorbei. Heute ist Freitag, der 13., und ich mache mich auf den Weg zum Tätowierer meines Vertrauens. Dem hatte ich schon vor Wochen meine Idee für das neue Unter-der-Haut-Gemälde und ein paar Bilder per E-Mail zugeschickt, seither aber nichts mehr gehört. Entsprechend gespannt bin ich auf seinen Entwurf. Oder hat er die Nachricht vielleicht gar nicht bekommen? Ich habe auf jeden Fall auch noch einen USB-Stick mit allen Daten dabei. Sicher ist sicher.
Nach ein paar Minuten Wartezeit im Vorraum und einer überaus herzlichen Begrüßung - schließlich haben wir uns fast ein Jahr nicht mehr gesehen - darf ich die heiligen Hallen des Studios betreten. Auf dem Skizzentisch liegt schon ein Blatt Papier, auf dem ich eindeutig mein neues Tattoo erkennen kann. Die E-Mail ist also angekommen. Und der Tattoo-Meister hat meine Idee nicht nur umgesetzt, sondern wieder einmal einmal optimiert, perfektioniert, besser als vollkommen gemacht. Denn er hat viele kleine, liebevolle Details hinzugefügt, die tatsächlich hervorragend zu mir und zum Motiv passen. Was mich am meisten begeistert: Dieses Tattoo wird zum ersten Mal ein paar persönliche Details aus meinem Leben enthalten. Die sind so geschickt und versteckt eingearbeitet, wie ich es mir zwar gewünscht hatte, aber selbst nicht vorstellen konnte.
Am Entwurf sind deshalb nur minimale Änderungen notwendig, bevor wir zur Tat und zur ersten Anprobe schreiten können. Aber irgendetwas gefällt meinem Lieblingstätowierer nicht. Während er den Entwurf an mein Bein hält, neigt und dreht er den Kopf, wiegt er sich vor und zurück, dreht und verschiebt er das Blatt. „Die Perspektive stimmt nicht“, murmelt er vor sich hin. „Damit die Hütte auf Deinem Oberschenkel nicht total verzerrt wirkt, muss ich sie total verzerrt vorzeichnen“, erklärt er mir weiter, nimmt das Blatt wieder von meinem Bein, geht zu seinem Tablet, modifiziert irgendetwas, lässt einen neuen Ausdruck aus dem Drucker und kehrt zurück, um das neue Blatt wieder anzuhalten.
Dieses Spielchen wiederholt sich noch ein weiteres Mal, bevor er zufrieden ist und mir die jetzt wohl fertige Zeichnung zeigt. Was darauf zu sehen ist, gleicht eher der Karikatur einer Hütte als dem ursprünglichen Entwurf: ein windschiefes, am Boden viel zu schmales und nach oben zum Dach hin widersinnig breit werdendes Etwas reckt sich mir entgegen. So sehen Hexenhäuschen und Zaubererburgen in Comics aus! Was macht der nur aus meinem schönen Harley-Schuppen? Aber tatsächlich: Sobald sich das Blatt an meinen Oberschenkel schmiegt, wird aus dem Zerrbild ein Kunstwerk mit passenden Proportionen.
Zufrieden mit seinem Werk kurbelt der Nadelkünstler die Vorlage durch sein Kopiergerät, um mir dann mit der Matrize das Motiv aufs Bein zu übertragen. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel muss ich allerdings intervenieren: „Auch wenn Du mir jetzt vielleicht böse bist“, setze ich vorsichtig an, „aber das Motiv sitzt zu weit außen. Das müsste für mich locker 5 cm weiter nach innen rücken.“ Wider Erwarten reagiert mein Tätowierer nach einem prüfenden Blick seinerseits total entspannt: „Kein Problem, dann wischen wir alles wieder weg und platzieren es noch einmal neu“, lautet die Antwort, bevor er zur großen Sprühflasche mit seinem Desinfektionsalkohol greift, das Bein einsprüht und mit reichlich Küchenkrepp alles wegwischt. Wobei: „Alles wegwischt“ ist irgendwie auch nicht richtig. Denn die Konturen verschwinden zwar, dafür ist mein ganzer Oberschenkel bläulich-lila eingefärbt. Ein bisschen sehe ich so aus wie die lila Kuh aus der Schokoladenwerbung.
Also nächster Versuch. Jetzt bin ich mit der neuen Position des Tattoos zufrieden. Aber mein Tätowierer nicht: „Die Hütte kippt optisch, die stürzenden Linien stimmen nicht. Ich muss die Senkrechte anders wählen“, murmelt er vor sich hin und - schwuppdiwupp - ist die Vorlage schon wieder weggewischt. Während ich mir Sorgen mache, ob auf dem blitzeblauen Bein ein dritter Abdruck der Vorlage überhaupt noch zu erkennen sein wird, landet die Matrize schon wieder auf dem Oberschenkel, wird noch einmal justiert und jetzt endlich zum letzten Mal übertragen. Zu meiner großen Verwunderung zeigt der Abdruck tatsächlich immer noch alle Details.
Nachdem das aufgetragene Fixiermittel getrocknet ist, darf ich es mir endlich auf der Tätowierliege bequem machen. Mit Kissen im Rücken und im richtigen Winkel eingestellter Lehne kann es jetzt losgehen. Allerdings hat sich das frühere Vorbereitungsprocedere für die Tätowiermaschine deutlich beschleunigt und vereinfacht. Da ist nix mehr zu verkabeln und mit Folie einzupacken. Es ist auch eigentlich gar keine Tätowiermaschine mehr, die diesen Namen verdienen würde. Auf das Ding würde wohl eher die Bezeichnung Tattoo-Pen passen. Das akkubetriebene Gerät sieht nur noch aus wie ein dicker Stift, an dessen Spitze statt einer Feder oder Mine eben die Nadeln sitzen.
Jedenfalls scheint das neue Maschinchen sehr gut in der Hand zu liegen. Denn der Tätowierer geht gleich schwungvoll und locker an die Arbeit. Linie um Linie verwandelt sich die blaue Vorlage auf der Haut in schwarze Konturen darunter. Nach zweieinhalb Stunden fleißiger Nadelstecherei ist die erste Sitzung vorüber. Total begeistert von dem, was ich auf meinem Oberschenkel sehe, kann ich mich kaum von meinem Spiegelbild losreißen. Aber das muss ich jetzt wohl. Denn erstens will das neue Tattoo noch versorgt und abgedeckt werden. Und zweitens muss ich jetzt natürlich schnell nach Hause, um das Werk meiner Rockerbraut zu präsentieren. Die ist genauso angetan von meinem neuen Kunstwerk wie ich, obwohl sie es erst einmal nur durch die darüber liegende Folie betrachten kann. Da sage doch noch mal jemand, dass ein Freitag, der 13., Unglück bringe!
Gute Nachrichten
Seit einer Woche sind die Bikes jetzt im Winterlager. Und das wundervolle Herbstwetter nagt an meiner guten Laune. Es bestätigt Tag für Tag meinen Entschluss, die Ära der Saisonkennzeichen im nächsten Jahr zu beenden. Denn nach dem sonnigen März haben wir jetzt auch noch das schöne Oktoberende auslassen müssen.
Immerhin gibt es heute gute Nachrichten, die meine Stimmung deutlich aufbessern. Meine Rockerbraut konnte neue Tattoo-Termine buchen und ich kann wieder meinem Wintervergnügen nachgehen. Schließlich soll auch noch mein rechter Oberschenkel mit einem schicken Motiv aufgehübscht werden. Aber ist Freitag, der 13., als Termin der ersten Sitzung wirklich so ein gutes Datum?
Winterlager
Eigentlich ist erst am Montag der 31. Oktober. Aber dann ist wegen Allerheiligen am Dienstag Brückentag. Den habe nicht nur ich frei, sondern auch unser Lieblings-Harley-Schrauber. Es sei ihm von Herzen gegönnt, aber: Für das Wochenende und sogar die Tage danach ist noch einmal herrliches Wetter vorhergesagt, dass wir jedenfalls nicht mit Motorradfahren nutzen können. Denn heute am Freitag ist wegen der besagten Urlaubstagekonstellation die letzte Möglichkeit, meinen Straßenkönig und die Oldtimer-Shovel ins Winterlager zur bringen. Aber egal. Schließlich können wir an diesem Wochenende ohnehin nicht mehr all die verpassten und ausgefallenen Touren dieses nicht nur in Sachen Motorradfahren eher durchwachsenen - um nicht zu sagen: verkorksten - Jahres nachholen.
Zuerst ist mein Oldtimerchen an der Reihe, dass ich nur schnell vor der Werkstatt abstelle, um dann sofort mit dem Shuttleservice meiner Rockerbraut zurück nach Hause zu fahren und den Straßenkönig zu holen. Danach geht es dann an die Besprechung der Arbeiten.
Den Plan, meiner Road King eine Fahrerrückenlehne zu verpassen, habe ich inzwischen schon wieder ad acta gelegt. Die Idee war aufgekommen, nachdem ich mit der Gepäckrolle auf dem Beifahrersitz aus Faak zurück gefahren bin und diese Stütze sehr angenehm für mein altes Kreuz war. Allerdings hatte ich dann die Touren zum Rossfeld und auf die Postalm sowie in den Ahornboden mit deutlich erhöhtem Luftdruck in der Federung meines Police-Seats genauso gut überstanden. Und eine schon vor der Werkstatt meines Lieblings-Harley-Schraubers auf die Wintereinlagerung wartende Road King eines anderen Kunden mit solch einer Rückenlehne bestätigt meine Entscheidung, auf diesen Anbau erst einmal zu verzichten: Das sieht - gelinde gesagt - sehr gewöhnungsbedürftig aus. Einfach schrecklich, könnte ich genauso gut formulieren. Ein optisches Highlight ist dieses Gestell auf jeden Fall nicht. Damit stehen für meinen Straßenkönig also tatsächlich auch nur die üblichen Wartungsarbeiten an.
Ganz anders sieht das bei der alten Electra Glide aus. Die wird eine umfassende Trockenlegung brauchen, damit sie im nächsten Jahr nicht nur in der Garage steht und inkontinent vor sich hin tröpfelt, während ich mich angesichts des Motor- und Getriebeölverlustes nicht traue, mit ihr zu fahren. Außerdem muss der Lenkanschlag gemacht werden. Denn bei Volleinschlag nach links kommen die Gabelrohrverkleidungen an den Tank. Da könnte ich zwar auch aufpassen. Aber die Erfahrung zeigt, dass ich beim Rangieren einfach nicht daran denke und immer wieder gegen den Lack lenke.
Mit diesen Arbeitsaufgaben und natürlich nach einem ausführlichen Benzingespräch verlassen wir irgendwann schweren Herzens die Werkstatt und nehmen Abschied für die nächsten fünf Monate von Sporty, Straßenkönig und Oldtimer-E-Glide. Dabei zementiert sich die schon im Frühjahr ausgesponnene Idee als stiller Beschluss: Die Saisonkennzeichen kommen für nächstes Jahr weg, alle Maschinen werden irgendwann im Februar ganzjährig zugelassen. Wann unsere Motorradsaison beginnt und endet, das will ich mir definitiv nicht mehr von irgendwelchen Zahlen auf dem Kennzeichen vorschreiben lassen. Es reicht, wenn uns da das Wetter seinen unbeeinflussbaren Rahmen steckt.
Jahresabschluss
Sonne, Sonne, Sonne - die zweite Oktoberhälfte verwöhnt uns einfach aufs Feinste. Gut dass ich die letzte Woche dieses Monats Urlaub genommen habe! So bleibt meiner Rockerbraut und mir tatsächlich noch die Zeit für eine gemeinsame Abschlussrunde, bevor die Harleys morgen in den Winterschlaf gehen.
Wir entscheiden uns für einen Klassiker unserer Hausrunden und fahren südlich des Chiemsees über Grassau nach Bernau und von dort Richtung Prien. Bevor wir das Städtchen erreichen, biegen wir aber links ab hinauf nach Hittenkirchen und düsen nach Frasdorf, um von dort über Törwang hinunter ins Inntal zu fahren. Ein wundervoll abwechslungsreicher Bikespaß, denn auf dieser Strecke ist wirklich alles geboten, was unsere Harleyfahrerherzen höher schlagen lässt.
Im Inntal biegen wir Richtung Süden ab und fahren über Erl nach Niederndorf und - für mich zum zweiten Mal binnen einer Woche - von Sebi über Sachrang und Aschau wieder an den Chiemsee. Weil wir noch recht früh unterwegs sind und die Bikes morgen ohnehin ins Winterlager gehen, bringen wir die Sporty ganz spontan heute schon bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber vorbei.
Etwas Besonderes ist für diesen Winter an diesem Bike nicht geplant, nur die üblichen Wartungsarbeiten stehen an. Aber auch meine Rockerbraut wird nicht jünger und hat ab und an ihre Probleme mit der Sitzhaltung, vor allem auf längeren Touren. Deshalb soll uns unser Lieblings-Harley-Schrauber mal einen Vorschlag für einen höheren Lenker unterbreiten. Vielleicht bringt den ja dann der Weihnachtsmann ... Aber bis dahin ist noch lange hin. Jetzt geht es erst einmal mit der Rockerbraut auf dem Sozius meines Straßenkönigs nach Hause.
Der Ahornboden lockt
Wettertechnisch schöpft der goldene Oktober in diesem Jahr aus dem Vollen. Und lockt mich an diesem Wochenende wieder aufs Bike. Mein Ziel: der Ahornboden, den ich am vergangenen Wochenende sozusagen verpennt hatte. Dafür bin ich heute extra rechtzeitig aus den Federn gekrochen, um die Tour an einem der merklich kürzer werdenden Tage überhaupt zu schaffen. Also starte ich nach einem schnellen Frühstück - erneut allein, denn auch heute möchte meine Rockerbraut keine so lange Runde mehr fahren. Schade, aber dafür ein umso herzlicheres Dankschön für diesen Freifahrtschein!
So geht es für mich erst einmal hinauf nach Kössen und von dort über Walchsee nach Kufstein. Nach der Inn-Überquerung biege ich gleich ab hinauf nach Thiersee, wo ich den Spritvorrat für den Tag auffülle, und fahre weiter nach Bayrischzell. Immer wieder herrlich, diese Strecke! Und heute noch extra garniert mit vielen wunderschönen Oldtimern, die mir ständig entgegenkommen, und massenhaft Motorradfahrern, die ich grüßen kann.
Vielleicht liegt es an mir oder es kommt mir nur so vor: Die anderen Verkehrsteilnehmer sind heute wesentlich entspannter als am vergangenen Sonntag unterwegs. Raser und Drängler begegnen mir praktisch nicht. Das macht das Vergnügen nur noch vollendeter - auch auf der eigentlich nicht so tollen Etappe von Bayerischzell an den Schliersee und dann über Hausham an den Tegernsee. Sogar die Ortsdurchfahrten durch Tegernsee und Rottach-Egern gestalten sich erstaunlich entspannt - trotz des unvermeidlichen Sonntagsstaus bei diesem tollen Wetter.
Nachdem ich das Ortsausgangsschild von Rottach-Egern hinter mir gelassen habe, starte ich durch in Richtung Kreuth und Achensee, biege allerdings vor der österreichischen Grenze ab in Richtung Sylvensteinsee. Was ich dort erlebe, lässt mich dann aber leider wieder ein kleines bisschen an der Menschheit und meinen lieben Bikerkolleginnen und -kollegen zweifeln. Auf den Parkplätzen auf der Staumauer ist - wie zu erwarten - großer Bikertreff, was natürlich überhaupt nichts Schlimmes ist und auch mich kurz über einen Stopp nachdenken lässt. Allerdings kommen einige Biker wohl mit dem anwesenden Publikum nicht so ganz klar. Sie meinen, hier und jetzt die große Schau abziehen zu müssen und malträtieren ihre Hinterreifen sowie die Umwelt mit Burn-outs und Donuts. So wabern eine bläuliche Rauchwolke und der Gestank von verbranntem Gummi über den Sylvensteinsee. Die nicht-motorradfahrenden Besucher dieses beliebten Ausflugsziels wandern oder radeln kopfschüttelnd vorbei. Na, vielen Dank, Ihr lieben Chaoten. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn hier bald die nächste Streckensperrung diskutiert wird und die Herrschaften mit den blau-silbernen Dienstfahrzeugen massiv und kompromisslos kontrollieren!
Ich verkneife mir jedenfalls die kurz in Erwägung gezogene Pause und fahre lieber meinem eigentlichen Ziel entgegen. Am Stausee und ein Stück weit die Isar entlang genieße ich die feine Straße, bis ich ins Risstal abzweige, in Hinterriss herzlich gerne die Mautgebühr zahle und zumindest in meiner Fahrtrichtung ziemlich einsam und allein in den Ahornboden fahre. Offensichtlich ist hier um diese Uhrzeit eher Abreise angesagt als Einfahrt.
Der Ahornboden ist dann leider eine Enttäuschung. Herrschte auf der Hinfahrt überall goldener Oktober mit bunten Blättern an den Laubbäumen, bin ich für einen Indian Summer in diesem Tal wohl schon zu spät dran. Die Ahornbäume stehen kahl und entblättert vor dem beeindruckenden Panorama des Karwendel. Auf eine Art ist das auch faszinierend, aber eben nicht das Schauspiel, das ich erhofft hatte. Trotzdem genieße ich den Ausblick und tanke Kraft an diesem besonderen Ort - nicht nur durch die einzigartige Atmosphäre, sondern auch durch ein Stück Kuchen und einen ordentlichen Schluck Wasser aus den Vorräten in den Seitentaschen meiner Road King Classic.
So gestärkt mache ich mich auch schon wieder auf den Heimweg. Schließlich würde ich gerne noch mit den letzten Sonnenstrahlen zuhause ankommen. Allerdings entscheide ich am Abzweig oberhalb des Sylvensteinsees, nicht dieselbe Route zurück zu nehmen, auf der ich schon gekommen bin. Ich biege lieber rechts ab und fahre hinauf zum Achensee, hinunter ins Inntal und über die kleine, liebgewonnene Nebenstrecke nördlich des Flusses über Kramsach, Breitenbach und Langkampfen superentspannt und auf ziemlich einsamen Straßen nach Kufstein. Zum Finale gönne ich mir dann noch die lustige, kurvenreiche Auffahrt von Sebi nach Sachrang und die nicht weniger spaßige Abfahrt wieder hinunter nach Aschau, bevor ich tatsächlich mit dem letzten Tageslicht den Straßenkönig in die Garage schiebe.
Rossfeld mit Zugabe
Über einen Monat stehen die Harleys jetzt schon wieder reglos in der Garage. Das scheint dieses Jahr irgendwie normal zu sein. Gesundheit, Wetter oder Arbeit ließen keine Gelegenheit, auch nur eine kurze Runde zu drehen. Bis mich heute, Mitte Oktober, der Hafer sticht. Bei dem herrlichen Wetter muss ich unbedingt noch einmal raus und einen meiner Lieblingsorte besuchen, bevor die Motorräder in die Winterruhe gehen. Zur Wahl stehen der Ahornboden oder die Rossfeld-Panoramastraße. Für ersteres Ziel habe ich leider zu lange im Bett gelegen, also geht es auf ins Berchtesgadener Land - leider allein, weil meine Rockerbraut sich nicht wirklich wohl fühlt und lieber im Garten herumkruschteln möchte.
Auf der Fahrt über Inzell in die Berge ärgere ich mich über einige Vollidioten sowohl auf zwei als auch auf vier Rädern, die offensichtlich die gut gefüllte Landstraße mit einer Bergrennstrecke verwechseln und rücksichtslos überholen, drängeln und schneiden, was das Zeug hält. Sollen sie doch fahren. Ich ziehe meine Bahnen, lasse mich nicht provozieren oder irritieren und genieße den herrlich Tag. Den Mautabschnitt der Rossfeldstraße fahre ich einmal hin und her, halte an den Aussichtspunkten und genieße den Blick über Berchtesgaden ebenso wie hinunter ins Salzachtal. Und während ich so hinein nach Österreich schaue, setzt sich eine Idee in meinem Kleinhirn fest: Wie wäre es mit einem Abstecher zur Postalm? Zeit genug dafür wäre noch, es ist erst früh am Nachmittag.
Also schwinge ich mich wieder auf den Sattel meines Straßenkönigs und fahre über Bad Dürrnberg hinunter nach Hallein, um dann der Straße nach Kuchl und Golling bis zum Abzweig nach Scheffau zu folgen. Von hieraus geht es entlang der Lammer bis nach Voglau, wo die etwas versteckte Zufahrt zur Postalmstraße beginnt. Im Gegensatz zum hektischen Verkehrsgewusel auf der Anfahrt zur Rossfeldstraße ist dieser Teil meiner heutigen Tour herrlich entspannt. Es herrscht deutlich weniger Verkehr. Und die Verkehrsteilnehmer auf den österreichischen Straßen sind offensichtlich viel mehr in einem sonntäglichen Ruhemodus als ihre deutschen Nachbarn.
So rolle ich also an die Mautstation zur Postalmstraße, zahle meinen Obulus und - schaue plötzlich ziemlich dumm. Denn während ich noch vor der geöffneten Schranke meine Geldbörse verstaue und meine Handschuhe wieder anziehe, surrt ein Rennradler an mir vorbei, durchfährt die offene Schranke und löst damit offensichtlich den Mechanismus zum automatischen Schließen aus. Schwups, ist die Schranke wieder unten. Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder dem Radler unflätige Schimpfworte hinterher rufen soll. Immerhin glaubt mir der nette Herr am anderen Ende der Sprechanlage meine aberwitzige Story und öffnet die Schranke noch einmal für mich. Vielleicht hat er die Nummer aber auch auf einem Monitor beobachtet und sich köstlich amüsiert - was ich ihm übrigens ausdrücklich gönne! Ich hoffe nur, dass es keine Aufzeichnung gibt. Sonst tauche ich noch in irgendeiner Pech-und-Pannen-Sendung auf.
Apropos gönnen: Mich selbst verwöhne ich nicht nur mit der herrlichen Strecke über die Postalmstraße, sondern im Gasthaus oberhalb des großen Parkplatzes auch mit einem vorzüglichen Stück Marillenkuchen, bevor es an den noch schöneren Streckenabschnitt entlang des Weißenbachs hinunter Richtung Wolfgangsee geht. Einfach wundervoll, dieses Sträßchen!
Leider ist es ab dem Wolfgangsee dann mit wundervoll sehr schnell vorbei und einfach nur noch voll. Dank des herrlichen Wetters waren wohl hunderte Ausflügler unterwegs im Salzkammergut, die jetzt alle auf dem Heimweg Richtung Salzburg und - den Kennzeichen nach zu urteilen - auch München sind. Nach St. Gilgen hinein staut sich der Verkehr zum ersten Mal so richtig, vorbei am Fuschlsee fließt er auch eher zäh bis gar nicht, die Ortsdurchfahrt durch Hof bei Salzburg ist eine echte Quälerei. Deshalb beschließe ich, mir die Fahrt quer durch Salzburg zu ersparen und stattdessen ab dem Abzweig Salzburgring lieber den Umweg über Hallein zu nehmen und von dort wieder über Berchtesgaden nach Hause zu fahren.
Eine gute Idee! Kaum habe ich die Hauptroute Richtung Salzburg verlassen, ist die Straße wie leer gefegt und ich kann genussvoll am Wiestalstausee vorbei nach Hallein schwingen. Dort mache ich allerdings einen folgenschweren Abbiegefehler. Denn ich zweige offenbar einen Kreisverkehr zu früh rechts ab und fahre östlich der Salzach nach Norden. So lande ich nicht an der Auffahrt Richtung Bad Dürrnberg und Berchtesgaden, sondern ... mitten in Salzburg.
So muss ich jetzt doch die Stadtdurchfahrt bewältigen, die ich eigentlich unbedingt vermeiden wollte. Und angesichts des lauen Herbstabends ist in der Stadt auch ordentlich was los. Überall flanieren Spaziergänger herum, die Straßencafés sind selbst zu dieser inzwischen abendlichen Stunde noch gut gefüllt - genauso wie die Straßen. Aber irgendwann habe ich es geschafft und fahre Richtung Freilassing aus Salzburg hinaus. Dort möchte ich eigentlich über die B304 nach Teisendorf und weiter nach Hause fahren. Aber daraus wird wohl nichts. Denn die Bundesstraße ist gesperrt - Bauarbeiten.
Also bleiben zwei Alternativen: Autobahn oder von Piding aus nach Teisendorf fahren. Weil der Weg erst einmal derselbe ist, verschiebe ich die Entscheidung bis zur Autobahnauffahrt. Wenn die Autobahn frei ist, nehme ich angesichts der hereinbrechenden Dunkelheit auf jeden Fall diese schnelle Option. Und weil von der Zufahrt zur Brücke über die A8 kein Stau zu sehen ist, treffe ich die nächste folgenschwere Fehlentscheidung des Tages: Ich fahre auf die Autobahn. Und stehe kaum einen Kilometer später im Stau. Weil keine drei Autos vor mir ein Polizeifahrzeug steht, verwerfe ich den Gedanken mich durchzuschlängeln sofort. Aber zum Glück ist die Abfahrt Anger nicht weit, sodass ich die Autobahn nach einer knappen halben Stunde Stop-and-go wieder verlassen kann - ziemlich viel Zeit für die paar Kilometer! Ab jetzt gibt es kein Halten mehr. Ich muss zwar erst noch hinter einem Lkw herfahren. Aber erstens gibt der ordentlich Gas und zweitens kann ich ihn kurz vor Teisendorf dann auch überholen. So komme ich um 20 Uhr abends endlich nach Hause - zwei Stunden später als geplant.
Urlaub ohne Bike
Erst am Montag sind wir nach unserem Verlängerungstag aus Faak zurückgekommen. Heute, nur fünf Tage später, geht es schon wieder in den Urlaub. Dieses Mal ins Zillertal in das von uns so heiß geliebte Biker-Hotel. Ursprünglich wollte ich eigentlich zwei Wochen Urlaub am Stück nehmen - eine Woche Kärnten, eine Woche daheim. Das ging aber aus beruflichen Gründen nicht, weshalb wir schon vor längerer Zeit den Urlaub aufgeteilt und statt zuhause zu bleiben lieber im Zillertal gebucht haben. Dass jetzt meine Darmgeschichte sowieso alles irgendwie über den Haufen geworfen hat, konnte damals ja noch niemand ahnen. Und so war ich die letzte Woche zuhause, statt wie geplant auf Messe zu fahren, habe immer wieder den Arzt besucht und auf grünes Licht gewartet, dass wir diese zweite Urlaubswoche überhaupt antreten können.
Dieses Okay kam gestern endlich auf den letzten Drücker. Die Blutwerte sind soweit in Ordnung, ich muss weiter Antibiotika nehmen, auf meine Ernährung achten und mich erholen. Na, das sollte im Urlaub wohl kein Problem werden. Und in Sachen Essen bin ich bei unseren Wirtsleuten im Zillertal ohnehin bestens aufgehoben. Der liebe Walter wird da notfalls extra etwas für mich zaubern, davon bin ich absolut überzeugt. Nur mein Straßenkönig, der wird wohl oder übel zuhause in der Garage bleiben müssen. Denn mein Bauch und sonstiger Zustand ist nicht wirklich so, dass ich einen Motorradurlaub machen möchte. Es wird eher auf Chillen und Spazierengehen mit dem Hund herauslaufen. Ich bin nicht mal sicher, ob ich fit genug für diese Aktivitäten bin, die nicht einmal die Bezeichnung „wandern“ verdienen werden.
Immerhin macht mir das Wetter die Entscheidung leicht. Es regnet heute in Strömen, für Höhenlagen über 1500 Meter ist Schnee vorhergesagt. Da würde mit dem Motorrad spätestens die Fahrt über den Gerlospass keinen echten Spaß mehr machen. Also setze ich mich neben meine Rockerbraut auf den Beifahrersitz unseres Autos und lasse mich nach Österreich chauffieren. Auch mal ganz schön, aber nicht wirklich das Gelbe vom Ei ...
Long way home
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wir müssen die Rückreise von Faak nach Hause antreten - auch wenn mir beim Gedanken an die vor uns liegenden 275 km ziemlich mulmig ist. Aber: Erstens können wir unsere Ferienwohnung nicht noch eine Nacht länger nutzen. Zweitens werden meine Tabletten, die ich vom Krankenhaus verschrieben bekommen habe, heute zur Neige gehen, sodass ich dringend noch zu unserem Hausarzt, zumindest aber in die heimische Apotheke muss. Und drittens brauche ich natürlich auch eine Krankschreibung, denn Arbeiten kann ich so sicherlich nicht.
Nachdem wir gefrühstückt und die paar Sachen, die wir für die Zusatznacht zurückbehalten hatten, auf meinem Straßenkönig verstaut haben, gibt es noch einen herzlichen und von meiner Seite sehr emotionalen Abschied von unseren Gastgebern. Denn als es ans Bezahlen geht, fehlt die zusätzliche Nacht auf der Rechnung. Von mir darauf hingewiesen, dass wir acht statt sieben Nächte da waren, winkt unser Wirt ab: „Die letzte Nacht braucht Ihr nicht zu zahlen, das ist unser Genesungsgruß für Dich. Kommt gut heim und nächstes Jahr wieder - dann ohne Krankheit und Besuch im Spital, sondern einfach nur um Party zu machen.“ Weil ich nervlich ohnehin schon ziemlich angekratzt bin von den letzten Tagen meiner persönlichen No-Bike-Week, muss ich die kleine Rezeption fluchtartig mit Tränen in den Augen verlassen, bis ich mich nach ein paar Minuten an der frischen Luft wieder fange. Was für ein Glück, dass wir gestern Abend beim Essen noch den Gutschein gekauft haben! So stehen wir jetzt nicht gänzlich ohne Dankeschön unsererseits da.
Jetzt aber auf nach Hause. Das Navi habe ich auf schnellste Strecke, aber „Autobahnen vermeiden“ programmiert. So kommen wir hoffentlich zügig voran. Gleichzeitig könnte ich auf der Landstraße immer irgendwo am Straßenrand anhalten, falls ich eine Pause brauche oder gar schlapp mache. Auf der Autobahn dagegen müsste ich bis zum nächsten Rastplatz durchhalten, um einen sicheren Stop einzulegen. So düsen wir bei herrlichem Sonnenschein durch Villach zur B100, die uns über Spittal und weiter durch das Drautal bis nach Lienz führt. Mit jedem gefahrenen Kilometer fühle ich mich etwas sicherer, achte nicht nur dauernd auf meinen Bauch und etwaiges Zwacken, Reißen oder Stechen, sondern kann tatsächlich irgendwann entspannen und die herrliche Strecke durch Kärnten und Osttirol ein bisschen genießen.
In Lienz ist dann aber endgültig Zeit für eine Pause. Schon erstaunlich, wie anstrengend Motorradfahren ist - auch wenn es nur in gemütlichem Tempo bei überschaubarem Verkehr über gut ausgebaute Landstraßen geht. Ich merke jedenfalls ziemlich deutlich, wie die Kräfte und die Konzentration nachlassen. Also schwenken wir kurz vor der Stadt von der direkten Route ab in Richtung Iselsberg, um dort im Biker-Treffpunkt eine Rast einzulegen. Eineinhalb Stunden sitzen wir vor dem Gasthaus in der Sonne, trinken reichlich und essen eine Kleinigkeit. Erst dann fühle ich mich wieder fit für die nächste Etappe. Gleichzeitig bin ich ziemlich stolz auf mich. Schließlich hätte ich nicht erwartet, dass ich die erste Pause erst nach mehr als einem Drittel der gesamten Strecke einlegen muss.
Die Durchfahrt durch Lienz unterbrechen wir nur für einen kurzen Tankstopp, dann geht es weiter Richtung Felbertauerntunnel. Die Fahrt verläuft weiterhin unproblematisch. Das Wetter verwöhnt uns nach wie vor - genauso wie die Verkehrslage. Und trotzdem: Nach der Tunneldurchfahrt muss ich wieder eine Pause einlegen. Noch einmal über 100 km packe ich offenbar nicht. Und so rollen wir nach 60 km auf den Parkplatz gleich hinter dem Nordportal. Allerdings halten wir hier nur gut 20 Minuten, trinken etwas und spazieren ein wenig umher. Dann starten wir unsere V2-Motoren wieder für die nächste Etappe.
Die führt uns nach Mittersil, dann den Pass Thurn hinauf und weiter über Kitzbühel bis nach St. Johann. Dort stoppen wir an einer Burgerbude - nicht um zu essen, sondern weil ich die nächste Pause brauche und meine Rockerbraut und ich außerdem einmal austreten müssen. Immerhin sind wir jetzt sozusagen schon in Sichtweite unseres Zuhauses. Entsprechend zuversichtlich bin ich, dass ich die Heimfahrt tatsächlich zu Ende bringen kann. Und dass wir früh genug daheim ankommen, um noch den notwendigen Arzt- und Apothekenbesuch zu erledigen. So ist es dann auch. Es ist zwar schon später Nachmittag, als wir vor der heimischen Garage von unseren Harleys steigen, aber noch früh genug, um in der späten Sprechstunde unseres Hausarztes vorstellig zu werden, das dringend notwendige Antibiotika-Rezept zu holen und in der örtlichen Apotheke vor Dienstschluss einzulösen. Und dann? Dann falle ich völlig erschöpft und fertig ins Bett.
Verschobene Abreise
Heute Morgen müssen wir früh aufstehen, obwohl wir noch nicht nach Hause fahren. Denn unser Lieblings-Harley-Schrauber nimmt unser Gepäck mit zurück in den Chiemgau. Deshalb haben wir gestern Abend auch noch unsere Koffer gepackt - bis auf die paar Dinge, die wir für unseren Verlängerungstag noch brauchen werden. Weil ich nicht in der Lage bin, das Gepäck zwei Etagen hinunter zum Auto zu schleppen, muss ich dabei zuschauen, wie mein Lieblings-Harley-Schrauber, der liebe Wirt unserer Ferienwohnung und meine Rockerbraut die schweren Taschen mit Klamotten, Schuhen und Einkäufen die Treppen hinunter schleppen. Ich selbst dackle mit einem leichten Kulturtäschchen hinterher. Mehr darf ich nicht tragen - und könnte ich wohl auch nicht. Trotzdem ist mir die ganze Aktion ziemlich peinlich. Der coole Biker muss dabei zuschauen, wie andere seine Dreckwäsche und Shopping-Taschen für ihn tragen. Frustrierend. Aber auch der Beweis dafür, dass die Entscheidung, unsere Heimreise um einen Tag zu verschieben, absolut richtig war.
Nachdem das Gepäck verstaut und unser Harley-Schrauber abgereist ist, gehen wir für ein kleines Frühstück zurück in unsere Ferienwohnung und beraten, wie wir den Tag jetzt verbringen wollen. Da es keinen Shuttle-Service mehr gibt, fällt eine Fahrt ins wohl noch geöffnete Village nach Faak flach. Immerhin dringt noch das Dröhnen der abreisenden Harley zu uns herauf. Deshalb beschließen wir kurzerhand, einen Spaziergang zur Seeblickstraße zu machen, um den vorbeirollenden Maschinen Lebewohl zu sagen.
Und so schleichen wir tatsächlich die Straße hinauf bis zum Abzweig nach Faak und dort noch ein wenig weiter bis zum Ortsende, wo wir uns auf eine kleine Treppe hocken und dem Treiben der vorbeirollenden Biker zuschauen. Weil wir in unmittelbarer Nähe zum beliebten Aussichts- und Fotopunkt auf den Faaker See sitzen, kommen wir auch immer wieder mit Bikern ins Gespräch, die hier einen Stopp einlegen und ein Abschiedsfoto von der Bike Week machen. So verbringen wir hier einen äußerst kurzweiligen Sonntagvormittag.
Irgendwann plagt uns der Durst und wir verlassen unseren Logenplatz, um hinunter zum Strandbad zu spazieren, wo wir uns bei herrlichstem Wetter in die Strandbar setzen und ein paar erfrischende Getränke zu uns nehmen. Während wir hier unter einem Sonnenschirm bei feinstem Spätsommerwetter sitzen, erreichen uns immer wieder Nachrichten von Heimreisenden: Spätestens ab Salzburg herrscht Starkregen, streckenweise geht es nur im Schritttempo voran, weil der Regen den Verkehr lahmlegt. Da haben wir wohl Glück im Unglück, dass uns dieses Wetter gerade erspart bleibt. Und ich bin doppelt froh, heute nicht fahren zu müssen.
Obwohl ich den ganzen Tag eigentlich nichts getan habe außer zu chillen, bin ich fix und fertig, sodass wir am Nachmittag noch einmal in die Ferienwohnung zurückkehren und ich mich für ein Nickerchen ins Bett lege. Am Abend gehen wir dann noch einmal los zum Essen. Irgendwie muss ich ja doch mal etwas anderes zu mir nehmen als Gemüsebrühe und ein bisschen Brot. Dazu hatten wir heute Morgen einen Tipp bekommen: Als wir unsere Spazierrunde angetreten haben, sind wir mit anderen Hausgästen aus unserer Unterkunft ins Gespräch bekommen, die sich wunderten, dass wir nicht wie alle anderen Harley-Fahrer abreisen. Nachdem ich meine Leidensgeschichte geschildert hatte, empfahlen sie uns ein Restaurant in Egg, wo es erstens eine herausragend leckere Rinderbrühe mit Gemüse gebe und zweitens auch sonst hervorragende vegetarische Gerichte, die meinem Darm wohl besser bekommen würden als eine fette Fleisch- und Pommes-Kost. Und so ist es dann auch in der Tat. Und nicht nur das: Wir speisen nicht nur vorzüglich, sondern werden auch noch auf herzlichste bewirtet. Deshalb fassen wir kurzerhand den Entschluss, für unsere lieben Wirtsleute einen Gutschein als kleines Dankeschön für die Krankenfahrten ins Villacher Spital und zur Apotheke mitzunehmen.
Blutwerte nicht besser, aber ausreichend
Pünktlich am Samstagmorgen um 8 Uhr stehe ich wieder in der Notaufnahme des Villacher Krankenhauses - sicherheitshalber stocknüchtern. Unser lieber Ferienwohnungsvermieter hat mich her gefahren zu dieser frühen Stunde. Nach einer kurzen Wartezeit geht es wieder zur Blutabnahme, es gibt wieder ein kurzes Gespräch in der Aufnahme, wie ich mich denn so fühle, dann geht die Warterei wieder los. „Tut mir leid“, sagt die liebe Krankenschwester in der Aufnahme, „aber es dauert mindestens drei Stunden, bis wir die Blutwerte aus dem Labor bekommen werden. So lange müssen Sie jetzt leider warten.“ Na, wenn’s sonst nichts ist. Über nur drei Stunden wäre ich gestern froh gewesen.
Also nehme ich wieder im Wartebereich Platz, wo heute zum Glück kein Fernseher mit Kochsendungen läuft. Das Ding ist einfach nur aus, bietet also überhaupt keine Ablenkung. Bevor ich mir jetzt das vorbeirauschende Krankenhaustreiben des Spitals Villach anschaue, zücke ich doch lieber das Smartphone und surfe durch alle möglichen Seiten rund um die Bike Week. So bekomme ich wenigstens ein bisschen vom Festival-Treiben mit. Denn ans Zuschauen bei der Parade brauche ich heute wohl nicht mehr zu denken. Und so lese ich eben die Nachrichten über das Event auf den einschlägigen Kanälen, plündere zwischendurch immer wieder den Vorrat im Wasserspender, damit mein leerer Magen irgendetwas zu tun hat, und warte geduldig, bis die Krankenschwester aus dem Aufnahmezimmerchen auf mich zukommt und mir die Neuigkeiten mitteilt: „ Die Blutwerte sind schlechter geworden, die Entzündung ist also noch aktiv“, beginnt sie ihre kleine Ansprache. Und mir wird ziemlich mulmig, was da jetzt noch kommen wird.
Viel Gutes erwarte ich jedenfalls nicht. „Aber“, setzt sie neu an: „Die könnten noch viel schlechter sein. Das Antibiotikum scheint zu wirken. Und weil der Ultraschall gestern keine Hinweise auf Komplikationen gegeben hat, dürfen Sie jetzt wieder nach Hause.“ So lerne ich heute noch, dass „nicht besser“ trotzdem gut genug sein kann. Die Krankenschwester hakt noch einmal nach, wie ich mich so fühle und ob ich stärkere Beschwerden hätte als gestern. Als ich das verneine, ermahnt sie mich noch einmal, fleißig und regelmäßig meine Tabletten zu nehmen und beim Essen darauf zu achten, nur leichte Kost zu mir zu nehmen: gedünstetes Gemüse, Brühe, Joghurt. Auf keinen Fall Fleisch, Vollkorn und Müsli. Das würde den Darm zu sehr belasten. Da für morgen eigentlich die Rückreise ansteht, frage ich auch danach: Kann ich die überhaupt antreten? „Wegen der Tabletten spricht nichts dagegen, die schränken Ihre Fahrtauglichkeit nicht ein“, lautet die knappe Antwort. Mehr will mir die nette Krankenschwester ganz offensichtlich nicht sagen. Das bleibt dann wohl meine Entscheidung.
Nach meinem kurzen Anruf in der Unterkunft holt mich keine 20 Minuten später unser lieber Wirt am Spital ab und freut sich sichtlich darüber, dass ich wieder gehen durfte. Ich erzähle ihm natürlich den ganzen Ablauf und deute an, dass ich mit der Heimreise morgen noch nicht so ganz glücklich bin. Nach zwei Tagen ganz ohne oder mit nur sehr wenig Essen fühle ich mich momentan ziemlich schlapp. Aber das müssen wir jetzt abwarten. Zurück in der Unterkunft freue ich mich auf jeden Fall erst einmal auf einen weiteren Teller Suppe und eine Scheibe Brot. Und weil die Sonne vom Himmel strahlt und von überall her die V2-Motoren bollern, sticht mich sogar ein wenig der Hafer und ich überrede meine Rockerbraut, mit mir ins Village zu fahren. Dort wollen wir ein bisschen bummeln und Harley-Treffen-Luft schnuppern, damit die Woche nicht nur trist und trostlos endet.
Schon die Busfahrt nach Faak gibt mir klar zu spüren, dass in meinem Bauch so gar nichts in Ordnung ist. Holpern und Poltern mag der Darm scheinbar gar nicht. Und auch beim Spazieren durch das Village mache ich mehr Pausen als dass wir gehen. Aber es ist ein großes Vergnügen nach zwei Tagen im Bett und im Krankenhaus. Sogar die trockene Semmel, die mir meine Rockerbraut an einem der Catering-Stände besorgt, ist plötzlich ein Hochgenuss - zumal sie wohl irgendwie in der Nähe des Grills gelegen hat und ein köstliches Aroma von gegrilltem Fleisch auf meine Zunge und an meinen Gaumen bringt.
So gestärkt komme ich sogar noch auf die verrückte Idee, nach Arneitz weiterzuziehen. Meine Rockerbraut stimmt zu, allerdings nur unter dem Versprechen, dass ich sofort abbreche, wenn es zu viel wird. Und so gibt es tatsächlich noch eine pausenreiche Wanderung an den zweiten Hauptort dieser Veranstaltung. Den Rundgang über den Markt ersparen wir uns aber. Dazu bin ich jetzt viel zu fertig. Wir entern lieber den nächsten Bus und fahren zurück nach Drobollach. Und während der Bus die kurze Strecke dahintuckert, beschließen wir in der Unterkunft zu fragen, ob wir einen Tag länger bleiben können. Vielleicht haben wir ja Glück und die Wohnung ist nicht sofort im Anschluss wieder vermietet.
In der Unterkunft läuft uns auch gleich der Wirt über den Weg, den wir sofort mit unserer Idee konfrontieren. „Die Planung macht meine Frau“, sagt er uns, „aber meines Wissens kommen die nächsten Gäste erst am Dienstag oder sogar Mittwoch. Dass Ihr eine Nacht länger bleibt, sollte kein Problem sein. Wir sagen Euch da noch Bescheid.“ Nach einer kleinen Ruhe- und Erfrischungspause machen wir uns noch auf in die Gartenwirtschaft, in der wir auch immer den ersten Faak-Abend verbringen. Auf dem Weg dorthin treffen wir im Treppenhaus durch Zufall unsere Wirtin, die uns gerne und von Herzen bestätigt, dass wir tatsächlich eine Nacht länger bleiben dürfen. Deutlich beruhigt treffen wir uns dann noch mit unserem Lieblings-Harley-Schrauber und seiner Frau, die natürlich darauf brennen zu erfahren, was genau los ist und wie es mir geht. Auch wenn es für mich an diesem Abend nur Wasser gibt und es nicht allzu spät wird, ist es doch herrlich unter Leuten zu sitzen und - ja - sich den Frust von der Seele zu quatschen.
Auf ins Spital
Trotz aller liebevollen Pflege und der Ruhe gestern war die Nacht die Hölle. Die Schmerzen im Bauch nahmen immer mehr zu, sodass in aller Früh feststeht: Eigentherapie und Hausmittel werden da nicht helfen. Da muss ein Fachmann ran, sonst kann die Geschichte böse enden. Also spurtet meine Rockerbraut zu unseren Wirtsleuten und fragt nach einem Arzt. „Die haben in dieser Woche entweder geschlossen oder sind total überlaufen. Da könnt Ihr nur ins Krankenhaus“, lautet die wenig erbauliche Antwort. Hilft aber wohl nix, dieser Weg muss jetzt wohl sein. Unser Lieblings-Harley-Schrauber, der ja während der Bike Week im selben Haus übernachtet, erklärt sich sofort bereit, mich dorthin zu fahren.
Und so geht es ins Spital nach Villach. Tja, eine lustige Motorradtour nach Spittal an der Drau wäre mir heute lieber gewesen. Erst schleppe ich mich aus unserer Ferienwohnung im zweiten Stock zum Sprinter meines Lieblings-Harley-Schraubers, verbringe ziemlich wortkarg und verbissen die Fahrt ins Krankenhaus auf dem Beifahrersitz und marschiere dort schnurstracks in die Notaufnahme. Dort setzt sich die Ambulanzmaschinerie auch sogleich in Gang: Anmelden. Warten. In die Erstaufnahme zum Blutdruckmessen, Blutabnehmen und für eine erste Befragung. Wieder warten. Zur ersten Untersuchung in ein Behandlungszimmer, abhorchen, abtasten, weitere Fragen, eine erste vorläufige Diagnose. Wieder warten, bis die Blutwerte vorliegen. Ins nächste Behandlungszimmer zur Oberärztin für die abschließende Untersuchung, wieder abtasten, abhorchen, jetzt auch noch ein Ultraschall, dann die finale Diagnose. Hohe Entzündungswerte, die eindeutige Symptomatik und ein typisches Erscheinungsbild in der Ultraschallaufnahme lassen nur einen Rückschluss zu: eine Bilderbuch-Divertikulitis, wie sich die Oberärztin ausdrückt.
Was hier in wenigen Zeilen beschrieben ist, dauert natürlich bis in den Nachmittag hinein. Aber: Alle im Villacher Krankenhaus sind supernett! Der Krankenpfleger bei der Erstaufnahme freut sich über die Bike Week-Gäste, weil die mal ein bisschen Abwechslung in den Alltag bringen: „Bei den Auto-Veranstaltungen mit den jungen Leuten gibt’s immer nur Besoffene. Aber bei Euch Harley-Fahrern ist das viel spannender. Weil Ihr Motorrad fahren wollt, haltet Ihr Euch beim Alkohol ziemlich zurück. Und weil Ihr meistens nicht mehr die Jüngsten seid, habt Ihr’s halt mal am Herzen, mal im Bauch, habt Rücken oder sonst irgendwelche Zipperlein. Da hat man viel mehr Abwechslung und muss auch besser hinhören, damit man nicht auf die falsche Fährte kommt. Und netter seid’s auch, dankbarer, wenn wir Euch helfen.“ Na, wenn das kein herzliches Willkommen in der Notaufnahme ist.
Später bei der ersten Untersuchung geht es nicht minder freundlich weiter. Hier erwartet mich nicht nur ein Arzt, sondern auch gleich eine Gruppe Assistenzärztinnen und -ärzte, die ihr Handwerk noch lernen müssen. Wieder gibt es eine muntere Fragerunde, bevor ich abgehört und abgeklopft werde. Das dürfen auch die Doktor-Azubis, die allerdings noch ein wenig rabiat zu Werke gehen und darauf auch vom Profi hingewiesen werden: „Sachte, sachte“, bremst er eine der jungen Medizinerinnen ein, die ein bisschen arg forsch auf meinem Bauch herumdrückt. „Der Patient hat wahrscheinlich eine Entzündung im Bauchraum. Das ist mit ordentlich Schmerzen verbunden.“ Und natürlich beantworte ich auch die Fragen der angehenden Ärzte geduldig - ich hab ja gerade eh nichts besseres zu tun und empfinde das schon fast als willkommene Ablenkung. Jedenfalls bestätigt die bisherige Untersuchung und Befragung weiter meinen Verdacht, dass mein Darm mir irgendetwas ziemlich übel genommen hat und sich mit einer Divertikelentzündung dafür rächt.
Eines muss ich allerdings doch noch kritisieren: Österreichische Krankenhäuser haben offensichtlich einen seltsamen Sinn für Humor. Denn im Wartebereich, in dem ich immerhin einige Stunden verbringen darf, läuft ein Fernseher mit Kochsendungen und einer Reportage über einen Kräuterexperten, der Interessierte auf Almen führt und ihnen dort die essbaren und schmackhaften Gewächse und ihre Anwendung zeigt. Toll anzuschauen, wenn man mit Bauchschmerzen da sitzt und sich Gedanken macht, ob und wann man überhaupt wieder etwas essen wird.
Die finale Diagnose stellt nach einer weiteren Warterunde die Oberärztin, der inzwischen die Laborwerte meiner Blutuntersuchung vorliegen und die noch ein Ultraschall meiner Innereien macht. Auch die Chefin vom Dienst für den heutigen Tag ist überaus freundlich bei ihrer Begrüßung und während der Untersuchung. Während sie mit dem Kopf des Sonographen auf meinem Bauch herumfährt, fragt sie immer wieder, ob das auch alles auszuhalten sei. Irgendwann stoppt sie dann mit ihrer Rundreise und fixiert mit dem Ultraschallgerät eine Stelle: „Eine Bilderbuch-Divertikulitis! Schöner kann man das auch im Lehrbuch nicht sehen“, freut sie sich und lässt von der ebenfalls anwesenden Krankenschwester geschwind die mir schon bekannten Nachwuchsärzte herbeiholen, um ihnen diese wunderschöne Ultraschallaufnahme zu zeigen.
Dass meine Entzündung im Darm so gut zu erkennen ist, erspart mir in Verbindung mit den eindeutig miserablen Entzündungswerten im Blut eine weitere Untersuchung: „Normalerweise gehört zur Anamnese noch ein CT. Aber bei Ihnen ist alles so offensichtlich, das können wir uns sparen“, erklärt mir die Oberärztin. „Zum Glück sind Sie früh genug zu uns gekommen. Es gibt noch keinen Abszess oder gar einen sich abzeichnenden Durchbruch, der Verlauf ist bisher unkompliziert“, führt sie weiter aus, „da reichen erst einmal hochdosierte Antibiotikagaben.“ Tja, und dann kommen die Worte, die ich überhaupt nicht hören mag: „Über Nacht würde ich Sie gerne zur Behandlung und Beobachtung hier behalten - nur um sicher zu gehen, dass nicht doch noch Komplikationen eintreten.“
Es entspannt sich eine kleine Diskussion, in der ich die nette Ärztin davon überzeugen kann, dass ich heute angesichts der schon fortgeschrittenen Uhrzeit und meines Zustandes ohnehin nichts mehr unternehmen werde außer Medikamente zu schlucken und ins Bett zu gehen, sodass sie mir auf meinen eigenen Wunsch die Nacht im Krankenhaus erspart, allerdings unter einen zwingenden Auflage: „Morgen um 8 Uhr sind Sie wieder hier zur Kontrolle.“ Für eine Nacht im beinahe eigenen Bett der Ferienwohnung nehme ich das liebend gerne in Kauf.
Also rufe ich meine Rockerbraut an, die meine Abholung organisiert - dieses Mal durch unseren Wirt, der sich liebend gerne bereit erklärt hat, diese Krankenfahrt zu übernehmen. Schließlich hat mein Lieblings-Harley-Schrauber während einer European Bike Week besseres zu tun, als darauf zu warten, mich aus der Klinik abzuholen. Und die Krankenfahrt durch einen ortskundigen Chauffeur hat natürlich auch noch einen anderen Vorteil: Er kann mich auf kürzestem Weg in eine Apotheke kutschieren, wo ich meine dringend benötigten Medikamente holen kann. Und so geht es mit dem kleinen Abstecher zur Tablettenabholung zurück nach Drobollach, wo ich völlig erschlagen noch einen Teller der leckeren Gemüsesuppe schlürfe, die meine Rockerbraut für mich gekocht hat, und meine Medikamente nehme, bevor ich ins Bett falle und sofort einschlafe. Immerhin: Meine Rockerbraut nutzt den freien Abend zu einem Ausflug ins Harley-Village und hat dort noch ein bisschen Spaß, statt für mich die Krankenschwester zu geben. Und das ist gut so!
Böses Erwachen
Ich hatte es eigentlich schon seit Montag im Gefühl: Mein Darm macht mir nach längerer Ruhephase mal wieder Ärger. Ich bekomme hin und wieder eine Entzündung - Divertikulitis heißt das Zauberwort. Aber weil Urlaub ist und dazu noch Bike Week wollte ich das natürlich auf gar keinen Fall wahrhaben. Jetzt ist schließlich absolut nicht die Zeit um krank zu werden. Tja, offensichtlich sieht mein Körper das total anders und fordert sein Recht auf Ruhe ein. Immerhin: Draußen regnet es, sodass ich mich nicht doppelt grämen muss, den Tag im Bett zu verbringen. Meine Rockerbraut sorgt derweil für meine - wenn auch sehr frugale - Versorgung: Tee, Gemüsebrühe, ein bisschen Brot bereitet sie mir nach einem Einkaufsgang in den nahegelegenen Supermarkt in kleinen Portionen über den Tag verteilt mit viel Liebe zu.
Speck und Alm
Seit wir den Erzeuger-Speckverkauf im Gailtal entdeckt haben, gehört ein Ausflug in den Hofladen zu unserem festen Ausflugsprogramm der Bike Week. Schon im Vorfeld hatten wir in diesem Jahr abgeklärt, wann der kleine Laden geöffnet hat, und haben entsprechend für den heutigen Mittwochmorgen unsere Tour geplant. Allerdings müssen wir bis 12 Uhr da sein, weshalb wir Langschläfer für die Hinfahrt die schnellste Strecke ins Navi programmiert haben.
Pünktlich um Viertel vor Zwölf stellen wir Straßenkönig und Sporty vor dem Ladengeschäft irgendwo zwischen Pressegger See und Hermagor ab. Der freundliche Metzger öffnet uns sogleich die Pforten zu seinem kleinen Schlaraffenland und wir stürzen uns in den Einkaufsrausch mit Schinken, Speck und Würsten. Stück um Stück und Paket um Paket wandert auf die Waage, wird - falls nicht ohnehin schon geschehen - fein säuberlich vakuumiert und so motorradtransportsicher verpackt. Schließlich wollen wir nicht nur für uns einen ordentlichen Vorrat mitnehmen, sondern auch ein paar Arbeitskollegen beliefern und unserem Housekeeper wieder ein kleines Dankeschön aus dem Urlaub mitbringen.
Garniert wird unser Einkauf von einem munteren Plausch übers Motorradfahren im Allgemeinen, Harleys und die Bike Week im Besonderen, über Kärnten, den Sommer und die Unwetter der vergangenen Monate. Außerdem gibt es Tourentipps aus erster Hand, auch gleich für den heutigen Tag. Auf die Egger Alm müssten wir unbedingt fahren und dort im gleichnamigen Gasthaus mit eigener Käserei einkehren. Das sei ein wundervoller kleiner Abstecher ganz in der Nähe mit einem kulinarisch lohnenswerten Ziel. Die Wegbeschreibung gibt es gleich dazu.
Nachdem die ganze Schweinerei, die wir gerade eingekauft haben, in der Gepäckrolle meiner Road King verstaut ist, machen wir uns auf den beschriebenen Weg. Tatsächlich führt uns die Streckenempfehlung über kleine und kleinste Sträßchen zunächst hinunter an das Flüsschen Gail und dann auf der südlichen Talseite hinauf zur Egger Alm. Der Straßenverlauf ist herrlich, ein wundervolles Geschlängel durch den Wald. Der Straßenzustand ist allerdings eher, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Eine geschlossene Asphaltdecke gab es sicherlich mal. Jetzt sind die Schlaglöcher aber deutlich in der Überzahl. Dazu kommen zahllose Aufwürfe in der Fahrbahndecke, wenn sich die Wurzeln der Bäume unter die Straße ausgestreckt haben und dort ihren Platz einfordern. Schnell geht es hier also nicht voran, sondern nur sehr behutsam und vorausschauend. Immerhin: Damit bleibt auch ein bisschen mehr Zeit, die wundervolle Landschaft zu genießen.
Oben an der Egger Alm erwartet uns ein kleines Almdorf mit hübschen Häuschen auf einer wundervollen, weiten Hochebene, die den Blick auf die umliegenden Berge freigibt. Und es gibt ein einladendes Gasthaus: die vom Speckhändler empfohlene Almkäserei. Trotz der ganzen Schinken- und Wurst-Probiererei kehren wir ein, um uns mit einer Portion Pommes für meine Rockerbraut und - was auch sonst - einer Käsebrotzeit für mich zu verwöhnen. So gestärkt machen wir uns im Schritttempo auf die Abfahrt hinunter ins Tal. Immerhin ist die viertklassige Straße jetzt keine böse Überraschung mehr, die kritischen Kehren kennen wir ja schon. Und so kommt tatsächlich ein wenig Fahrspaß auf.
Wieder zurück in der Sohle des Gailtals nehmen wir jetzt eine kurvenreiche Strecke zurück nach Drobollach. Die führt uns nicht nur über kleine Nebensträßchen und lustiger Weise auch wieder an unserem Speckbauern vorbei, sondern auch noch über Bad Bleiberg hinüber nach Villach und an den Faaker See. Dort rollen die beiden Harleys schnell in den Schuppen, denn heute Abend wollen wir noch zum Draupuls, um uns wieder die Rockshow der Wasserspiele anzuschauen. Und dafür müssen wir uns schnell frisch machen und umziehen, damit wir noch den Bus in die Stadt erwischen. Der kommt pünktlich an der Haltestelle vorgefahren und ist bis auf eine weitere Mitfahrerin komplett leer. Das wundert uns zwar etwas, aber diese Woche ist wohl eher der Faaker See das Ziel als Villach, sodass die Fahgastströme zumindest um diese Uhrzeit wahrscheinlich noch in die andere Richtung ziehen.
Uns kann es nur recht sein, dass wir so entspannt und ruhig unserem Abendvergnügen entgegen rollen. In Villach kommen wir früh genug an, sodass wir noch gemütlich durch die Innenstadt bummeln, etwas trinken und eine Kleinigkeit essen können. Pünktlich zum Start der Wassershow sind wir dann am Ufer und genießen zum zweiten Mal die tolle Show mit der bikerfreundlichen Auswahl an Rockmusikklassikern und der eindrucksvollen Licht- und Videoinstallation zu den Wasserspielen. Wieder ist es ein sehenswertes Erlebnis, für das sich der Ausflug weg vom zentralen Ort des Harley-Spektakels absolut gelohnt hat.
Nach der Draupuls-Show spazieren wir gemütlich zum Villacher Bahnhof, um von dort den Shuttlebus zurück nach Drobollach zu nehmen. Der Bus steht dort auch schon bereit - allerdings muss der Fahrer noch seine vorgeschriebene Ruhepause einlegen. Dafür entschuldigt er sich tausendfach, weil wir jetzt eine halbe Stunde bis zur Abfahrt warten müssen. Aber es gibt Schlimmeres, als an einem lauen Spätsommerabend eine halbe Stunde an der frischen Luft zu verbringen. Dafür ist der Bus auf unserer anschließenden Heimfahrt wieder ein exklusiver Service für meine Rockerbraut und mich. Das riesige Gefährt ist bis auf den Fahrer und uns schlicht und ergreifend leer. Aber, so bestätigt uns der nette Wagenlenker, das wird sich dann auf der Rückfahrt von Faak nach Villach wieder ändern.
Vor zwei Jahren hatten wir an unserem letzten Back-to-the-Roads-Tag in Kärnten am Nordrand der Karawanken die wundervolle Gegend zwischen Bad Eisenkappel und Zell mit dem Schaidasattel entdeckt. Damals waren wir nichtsahnend an der Trögener Klamm vorbeigefahren, von der ich erst vor kurzem irgendwo im Web gelesen habe. Dieses Versäumnis wollen wir in diesem Jahr nachholen - natürlich auf einer etwas anderen Route als vor zwei Jahren.
So starten wir nach dem Frühstück auf unsere kleine Tour und drehen erst einmal eine Runde um den Faaker See. Schließlich ist heute Dienstag und damit der erste Bike Week-Tag samt Einbahnstraßenregelung rund um den See. In Egg verlassen wir den Rundkurs, um über Rossegg Richtung Wörthersee zu fahren, aber vorher nach St. Egyden und ins Rosental abzubiegen. Wir genießen die Strecke, die uns oberhalb der Drau über Ludmannsdorf nach Köttmannsdorf und dann irgendwann auf die Hauptstraße Richtung Süden führt.
Bevor wir die Drau erreichen, biegen wir nach Maria Rain ab und ziehen von dort über Göltschach eine große, herrliche Schleife nach Ebenthal in Kärnten. Hier legen wir an einer Tankstelle einen kurzen Halt ein, betanken die Bikes und erfrischen unsere Kehlen mit kühlem Nass. Dann geht es nicht minder schön weiter über die Miegerer Landesstraße an die Drau, die wir bei Moos überqueren, um über Galizien nach Süden Richtung Bad Eisenkappel zu fahren. Dort schwenken wir ein nach Ebriach und machen nach ein paar Kilometern halt an einem Gasthaus direkt an der Straße, wo wir aufs vorzüglichste von der herzlichen Bedienung verwöhnt werden.
Mit vollem Bauch geht es jetzt weiter zu unserem eigentlichen Ziel, in die Trögener Klamm. Von unserer Rast sind es nur ein paar Minuten, bis die kleine Straße in das Seitental abzweigt und wir in die wild-romantische Schlucht eintauchen, die der Trögernbach hier in den Fels gewaschen hat. Wir folgen dem Sträßchen langsam tuckernd um die vielen Biegungen und Windungen, immer auf der Hut vor herabgefallenen Steinen auf dem Asphalt und dem Gegenverkehr. Denn die meist nur einspurige Fahrbahn ist auf der einen Seite von überhängenden Felswänden, auf der anderen vom steilen Abhang hinunter ins etwas tiefer liegenden Bachbett gesäumt. Zum Glück ist heute praktisch kein Verkehr in diesem verwunschenen Teil Kärntens und wir können die Fahrt bis zum Ende der Straße genießen. Nur ganz wenige Wanderer und ein paar motorisierte Ausflügler begegnen uns. Bei einem Fotostopp sind meine Rockerbraut und ich uns einig: Dieser Abstecher ist zwar kurz, aber absolut lohnenswert - nicht aus fahrerischer, aber uneingeschränkt aus landschaftlich-atmosphärischer Sicht.
Die Fahrt zum Schaidasattel hält eine weitere erfreuliche Überraschung für uns bereit: War die Straße vor zwei Jahren noch die reinste Holper- und Schlaglochstrecke, so ist sie jetzt in weiten Teilen frisch asphaltiert. So bereitet die Auffahrt zur Passhöhe das reinste Vergnügen! Und das lässt auch auf der weiteren Fahrt nicht nach. In Terkl zweigen wir in Richtung Stausee Freibach ab und freuen uns wieder über eine wunderbare Streckenführung. Nur der Anblick des Stausees lässt uns zusammenzucken. Der niedrige Wasserstand ist selbst im Vorbeifahren nicht zu übersehen, an vielen Stellen ist sogar der Grund des Sees zu sehen - folgen des heißen, regenarmen Sommers. Da wird es etliche Tage Regen und Schnee brauchen, um das Reservoir wieder zu füllen.
Im Ort Freibach schwenken wir wieder ein ins Rosental und fahren über St. Margareten, Ferlach, Feistritz und St. Jakob zurück zum Faaker See. Schließlich ist heute der erste Tag, an dem das Harley Village nach zwei Null- oder Minimal-Bike-Week-Jahren wieder in vollem Umfang geöffnet ist: Mit Fressbuden, Verkaufsständen, Bierzelten und Musik. Da müssen wir natürlich noch hin! So parken wir die Road King und die Sporty an unserer Unterkunft, machen uns ein bisschen frisch und nehmen den Bus ins Village.
Endlich wieder echtes Bike Week-Feeling! Während der Busfahrt donnern Harleys an uns vorbei, sogar das seltsame Surren einiger Live Wire-Maschinen ist zu hören. In Faak ist die linke Fahrbahn wieder als Bike-Parkplatz gesperrt, an der Bushaltestelle Bahnhof stehen schon die ersten Cateringstände genauso wie gegenüber am Eingang zum Harley Village. Dann kommt die berüchtigte Fressmeile mit all ihren Leckereien vom Grill, aus der Friteuse, dem Wok, der Pfanne und zahllosen Töpfen. Und natürlich die Harley-Ausstellung mit dem unvermeidlichen Merchandising-Zelt und dem roten Partybus, der Vida Loca Bar. Es gibt wieder große Bierzelte und natürlich die Verkaufszelte der Harley-Dealer aus ganz Europa. Dazu gesellt sich noch die Schleife mit den freien Händlern für Klamotten, Helme, Schuhe, Lederwaren und Schmuck.
Allerdings kann das muntere Treiben nicht darüber hinweg täuschen, dass es auch erhebliche Lücken gegenüber der letzten richtigen Bike Week 2019 gibt. Die Fläche gleich nach der Tourist-Info gegenüber den Pkw-Parkplätzen am Abzweig nach Finkenstein ist leer, hier steht kein Getränkepavillon mit Bierbänken mehr und lädt zu einem ersten Erfrischungshalt ein. Auf der Harley-Fläche muss scheinbar Event-Partner Ford mit seiner Auto-Ausstellung dafür sorgen, dass es nicht allzu leer aussieht. Am Ende der Budengasse enttäuscht der große Platz, der in der Vergangenheit rundum gesäumt war mit Buden, Zelten und Ständen, mit nicht einmal mehr halber Besetzung - und die scheint auch eher künstlich herbeigeführt durch das überdimensionale Zelt eines Auspuff-Herstellers und - ich traue meinen Augen kaum - das Zelt einer Kärntner „Wellnessoase für Männer“ samt der für die Entspannung zuständigen Damen. Immerhin sind hier auch die netten holländischen Biker-Boots-Händler untergekommen, bei denen wir in der Vergangenheit unsere superbequemen und absolut motorrad-, wander- und alltagstauglichen Stiefel gekauft haben. Große Leere herrscht dann auch neben der Tankstelle, wo in diesem Jahr einsam und allein das Notfall-Werkstattzelt des Klagenfurter Harley-Händlers die Stellung hält. Keine Festzelte, kein Verkaufszelt der Klagenfurter - nichts deutet hier mehr auf die Partys der vergangenen Jahre hin.
Aber davon wollen wir uns die Stimmung nicht verderben lassen. Und stürzen uns lieber da in den Trubel, wo auch tatsächlich was los ist. So müssen natürlich das diesjährige Bike-Week-T-Shirt und der Jahres-PIN in unsere Taschen wandern. Dann schlendern wir durch die Zelte der Harley-Händler, allerdings ohne den großen Wow-Effekt. So hält sich das Shopping-Aufkommen durchaus in überschaubaren Grenzen - ganz im Gegensatz zum Hunger, der sich inzwischen überdeutlich bemerkbar macht. Aber was soll es sein? Nach meiner Schnitzel- und Cordon Bleu-Fresserei der letzten beiden Tage plus Brotzeiten auf unseren Touren steht mir der Sinn heute nicht mehr nach monströsen Fleischbergen vom Grill, so verlockend die Rindfleischseiten, Spareribs, Bratwürste, Schweine am Spieß, Haxen und Hendl auch duften. Da fällt mir das Angebot der Carinthian Corner ein: Hier kocht jeden Abend ein Kärntner Spitzenkoch. Das könnte doch eine spannende Alternative zum sonstigen Einerlei der Fressstände sein.
Tatsächlich verspricht die Speisekarte eine echte Leckerei nach meinem Geschmack: Hirschgulasch mit Serviettenknödel! Was jetzt folgt, ist ein weiteres Lehrstück in Sachen österreichischer Gastfreundschaft und Serviceorientierung. Ich frage nämlich eine der Damen am Stand, ob ich eine Portion zum Mitnehmen haben könnte, weil wir mit Freunden in einer der etwas abseits gelegeneren Sitzgelegenheiten verabredet sind, wo ich dann auch gerne essen würde. Das ist aber im Konzept des Kärnten-Stands wohl bisher nicht vorgesehen. Hier wird an liebevoll gedeckten Tischen von richtigem Geschirr und mit richtigem Besteck gegessen, was nicht nur stilvoll, sondern natürlich auch ökologisch absolut sinnvoll und somit zusätzlich bewunderns- und bemerkenswert ist. Für Banausen wie mich, die die edlen Speisen als Take-away mitnehmen möchten, gibt es aber kein Geschirr.
Während ich andernorts wahrscheinlich einfach mit einem Schulterzucken und dem Hinweis auf das ausreichende Alternativangebot weggeschickt worden wäre, löst meine Frage hier wuselige Aktivitäten des Standpersonals aus. Die junge Dame, die ich angesprochen habe, rennt davon, um irgendein geeignetes Behältnis für mein Essen zu organisieren. Und kommt nach wenigen Minuten nicht mit irgendeinem ordinären Plastikteller zurück, sondern mit einem dem Ambiente am Stand angemessenen Schälchen aus kompostierbarem Bambus oder Holz. Während der Chefkoch darin schon meine Portion anrichtet, taucht eine andere Kollegin auf, die offensichtlich auf der Suche nach Besteck unterwegs war und die eine Packung Holzlöffel besorgt hat, aus der sie mir sofort einen überreicht. Unter herzlichem Dankeschön und natürlich nicht ohne meine Bestellung plus einem angemessenen Trinkgeld zu bezahlen, verabschieden wir uns und machen uns auf zum verabredeten Treffpunkt, wo ich mir mein vorzügliches Abendessen in bester Gesellschaft schmecken lasse.
Danach geht es noch einmal auf eine Bummelrunde durch die Verkaufszelte der Harley-Händler - allerdings mit sehr überschaubarer Ausbeute. So richtig fündig werden wir dieses Mal einfach nicht, schon gar nicht beim eigentlichen Ziel unserer Schnäppchensuche, einer neuen Lederjacke für meine Rockerbraut. Macht nichts, es gibt ja noch genug andere Tage, um noch einmal zu stöbern und zu shoppen. Vielleicht springen uns dann ja Sachen nach unserem Geschmack an.
Biken, Kultur und Shoppen
Weil uns der gestrige Anreisetag an den Faaker See noch in den Knochen steckt, wollen wir es heute ruhiger angehen lassen. Aber so ganz ohne kleine Tour soll der Tag angesichts des herrlichen Wetters dann doch nicht vorüberziehen. Deshalb starten wir nach unserem morgendlichen Spaziergang zum nahegelegenen Supermarkt für den rituellen Füll-den-Kühlschrank-in-der-Ferienwohnung-fürs-Frühstück-Einkauf und natürlich einem stärkenden Frühstück zur Skulputurenalm. Davon hatte ich in einem Reisebericht in irgendeiner der zahllosen Motorradzeitschriften gelesen, die ich immer wieder verschlinge. Weil sich die Beschreibung der Strecke dorthin, des Gasthauses und natürlich der Alm mit den ausgestellten Kunstwerken sich ziemlich verlockend anhörte, habe ich sie als Kurztrip in die Tourenplanung für unseren diesjährigen European-Bike-Week-Urlaub aufgenommen. Schließlich liegt sie irgendwo oberhalb von Afritz und damit nur einen Katzensprung von unserem Urlaubsstandort Drobollach entfernt.
Die Fahrt verläuft wieder auf der Strecke unserer gestrigen Anreise: Erst geht es nach Villach, dann nach Treffen und weiter nach Afritz. Die Zerstörung entlang des Afritzer Bachs hat auch heute bei der zweiten Begegnung nichts von ihrem Schrecken verloren. In der Gegenrichtung sehen die Schäden an Landschaft, Ortschaften und Straßen genauso verheerend aus. Und bieten manch widersprüchliches Bild. So steht an einem völlig zerstörten Gebäude mitten in einem schlammigen Überschwemmungsbereich ein Kletterrosenstock in voller Blüte - ein freundlich-farbiger Blickfang inmitten von traurig-tristem Grau-Braun.
Gleich am Ortseingang von Afritz führt uns der Weg links ab zu unserem Ziel. Wir fahren über ein wundervolles, schmales Bergsträßchen hinauf, bis wir das Kunst-Hotel oben am Hang erreichen. Leider sind das Restaurant und vielleicht sogar das ganze Haus geschlossen. Also bleibt uns hier oben nur die Verpflegung aus unseren Satteltaschen. Aber die Aussicht ist grandios und bietet einerseits noch einmal einen Überblick über das Chaos, das im Juni weit unten im Tal vom Unwetter angerichtet wurde, andererseits aber auch den fantastischen Blick auf die unbeschadet gebliebenen Hänge, Hügel und Berge in Richtung Gerlitzen und Ossiacher See. Dann spazieren wir noch zur etwas höher gelegenen Skulpturenalm - und müssen feststellen, dass wir offensichtlich ziemliche Kulturbanausen sind. Jedenfalls laden uns die in Sichtweite stehenden Werke überhaupt nicht zum Rundgang über die Almwiese ein, um uns alle Skulpturen anzusehen. Wir drehen lieber ab und noch ein paar weitere Runden auf unseren Bikes. Aber wohin? Da fällt uns prompt die Goldeck-Panoramastraße ein. Also nichts wie hin!
Während der Abfahrt von der Skulpturenalm genießen wir noch einmal die tollen Aussichten, die sich nach Kehren und Kurven mit immer wieder neuen Blickwinkeln auftun. Wieder in Afritz fahren wir in Richtung Radentheim, um von dort über Döbriach am Millstätter See rüber ins Drautal zu wechseln und auf der anderen Talseite das Goldeck zu erobern. Aber in Radentheim überholt meiner Rockerbraut mich plötzlich - ein untrügliches Zeichen, dass irgendetwas nicht in Ordnung oder sonst irgendwie ein Stop notwendig ist.
Ein kurzer Halt am Straßenrand sorgt für Aufklärung: Gestern auf der Anreise hatte meine Rockerbraut bei der Fahrt durch Radentheim einen Laden mit Dekoartikeln gesehen. Dort würde sie jetzt gerne mal anhalten und ein bisschen shoppen. Na klar, kein Problem. Warum auch nicht mal was anderes als nur Harley-Devotionalien kaufen? Also fahren wir auf den Parkplatz am Laden und tauchen ein in eine Welt aus Shabby Chic-Möbeln, Tischdekoration, Sprücheschildern, Süßigkeiten, Kärntner Spezereien und alternativer Mode. Natürlich wandert dort auch ein Mitbringsel in die Gepäckrolle meines Straßenkönigs: ein verrostetes Schild mit der Aufschrift „Ab hier bitte lächeln“, das zukünftig neben unserer Haustür hängen soll.
Nach diesem kleinen Einkaufsstopp setzen wir unsere kleine, spontan geplante Tour fort und fahren nach Döbriach, dann hinauf nach Glanz und von dort über ein wundervolles kleines Sträßchen hinunter nach St. Jakob und Ferndorf an die Drau. Mit einem Schlenker auf die Drautal Straße wechseln wir auf die andere Talseite und fahren nach Zlan, um in die Goldeck-Panoramastraße einzuschwenken. Was für ein Vergnügen! Es gibt fast keinen Verkehr auf der Strecke, auch der Parkplatz Seetal oben am Ende der Straße ist erstaunlich leer. Unsere beiden Harleys sind zeitweilig sogar die einzigen Motorräder auf der Fläche, während wir in der oberhalb gelegenen Wieser Hütte eine Pause einlegen, die wundervolle Aussicht genießen, uns mit kühlen Getränken erfrischen und mit einer Brotzeit stärken.
Auf dem Heimweg möchte ich eigentlich über die Windische Höhe und Bad Bleiberg nach Villach und an den Faaker See fahren, weil ich diese tolle Strecke noch aus dem vergangenen Jahr in so guter Erinnerung habe. Weil ich mir einbilde, mich hier in Kärnten inzwischen so gut auszukennen, dass ich dafür das Navi nicht brauche, verpasse ich natürlich prompt den richtigen Abzweig. Aber nicht schlimm. Wir rollen stattdessen über eine ebenfalls schöne Strecke nach Feistritz. Und nehmen dann die Strecke entlang der Drau nach Villach - nicht die schlechteste Alternative.
Viel später als geplant sind wir zurück in Drobollach. Da müssen wir uns jetzt aber sputen. Denn wir haben für den Abend noch einen Tisch in unserem Lieblingsrestaurant direkt an der Seeblickstraße reserviert und sind dort mit Freunden verabredet um zu schlemmen, zu quatschen und den vorbeifahrenden Bikes zuzuschauen und zu lauschen. Wir schaffen es trotz unserer späten Rückkehr pünktlich und genießen einen wundervollen Abend, was nicht nur an meinem heiß geliebten Cordon Bleu aus dieser Küche liegt.
Auf zum Höhepunkt des Jahres
Heute ist der erste Sonntag im September. Was das bedeutet? Es geht auf nach Kärnten an den Faaker See zur European Bike Week, zu unserem alljährlichen Urlaubshöhepunkt! In diesem Jahr sollen dort wieder Party und Event ohne Einschränkungen stattfinden. Was die Vorfreude noch einmal deutlich hebt. Und so steigen wir voller Vorfreude auf eine tolle Touren- und Feierwoche auf unsere Harleys und starten in Richtung Süden. Das Wetter ist perfekt für so einen Reisetag: nicht zu heiß, leicht bewölkt, aber ohne Regenrisiko.
Als Reiseroute haben wir uns für den Klassiker entschieden: Wir fahren über Inzell nach Berchtesgaden, dann über Bad Dürrnberg hinunter nach Hallein und bis Kuchl, wo wir einen kurzen Tankstopp einlegen. Dann folgen wir der Salzach immer weiter vorbei an Golling und über den Pass Lueg hinein ins Salzachtal, genießen die Fahrt durch das enge Tal bis Werfen, um uns dann kurz vor Bischofshofen von der Salzach zu verabschieden und ein paar herrliche Kilometer später den Pongau zu begrüßen. Ab Radstad geht es dann auf die erste Bergetappe des Tages hinauf nach Obertauern, wo wir auch die erste richtige Pause für heute einlegen. Auf der Terrasse eines der wenigen geöffneten Restaurants in diesem reinen Wintersportort genießen wir einen schönen heißen Tee. Denn hier oben auf über 1600 m Höhe ist es ordentlich frisch.
Nach unserer Erfrischungspause geht es wieder hinunter ins Tal nach Tweng und weiter bis Mauterndorf, wo wir Richtung Lungau und Katschberg abzweigen. Von St. Michael nehmen wir Anlauf für die zweite Bergetappe des Tages und erklimmen mit ordentlich Schwung den Katschberg. Da wir fast allein unterwegs sind, ist die Fahrt hinauf das reinste Vergnügen - genauso wie die Abfahrt auf der anderen Seite der Katschberghöhe über Rennweg und Kremsbrücke bis nach Gmünd in Kärnten. Nur eines scheint uns am Katschberg immer wieder zu erwischen: Regen. Obwohl der heute gar nicht als solcher zu bezeichnen ist. Aber immerhin treffen eine Handvoll Tropfen auf unsere Visiere, als wir uns von der Katschberghöhe hinab schlängeln.
In Gmünd fahren wir auf einen kleinen Parkplatz und legen eine weitere Pause ein. Wasser und Kuchen aus den Satteltaschen meiner Road King sollen uns für den restlichen Weg bis Drobollach noch einmal stärken. Dann geht es weiter an den Millstätter See, an dessen Nordufer wir entlang fahren - leider im Schlepptau einer Boss Hoss, die zwar schön anzuhören, deren Spritverbrennung aber nicht optimal geregelt ist. So sehen wir von diesem Bike nicht nur den fetten Hinterreifen, sondern auch eine ordentliche blau-graue Abgasfahne. Und spüren einen eklig-öligen Belag auf der Zunge. Lieber Boss Hoss-Fahrer: Hoffentlich hat Deine Maschine die Bike Week-Woche unbeschadet überstanden und sich nicht mit einem kapitalen Motorschaden verabschiedet!
Am Ostende des Millstätter Sees biegen wir nach Radentheim ab, von dort geht es nach Afritz mit immer weiter steigender Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub. Doch dann kommt die Ernüchterung: Kurz vor dem Abzweig nach Arriach stoppt uns eine Baustellenampel. Nachdem wir sie passiert haben, sind wir plötzlich in eine andere Welt versetzt. Der Blick nach links in Richtung Arriach und die Teuchener Landesstraße zeigt nichts als Verwüstung. Eine Straße gibt es nicht mehr - das sind wohl die Auswirkungen des Unwetters vom Juni dieses Jahres. Auch die weitere Strecke zeigt auf beängstigende Weise, welche Zerstörungskraft der kleine Afritzer Bach hier entwickelt hat. Überall Schlamm, weggeschwemmte Straßenabschnitte und Brücken, halb weggerissene Häuser - bis nach Treffen hinein wiederholt sich immer wieder dasselbe verheerende Bild, unterbrochen nur von Baustellen, aufgehäuften Schutt-, Fels- und Geröllhaufen oder Resten bereits abgerissener Gebäude.
Und genauso plötzlich, wie dieses zerstörte Stück Kärnten nach einer Baustellenampel begonnen hat, so schlagartig hört es hinter Treffen auch wieder auf. In Villach und am Faaker See ist von irgendeinem Unwetter mit derartiger Urgewalt nichts zu sehen. Dafür sind hier die Anzeichen des Harley-Treffens allgegenwärtig. Überall fahren oder parken Harleys in der Stadt und auf bzw. entlang der Verbindungsstraße nach Drobollach. Überall spazieren Bikerinnen und Biker in den typischen Klamotten herum oder stehen und sitzen vor Restaurants und Cafés. Überall erklingt das charakteristische Bollern der V2-Motoren. Das kann ja eine Wahnsinnswoche werden!
Die herzliche Begrüßung durch die Wirtsleute unserer Ferienwohnung hebt unsere Stimmung noch einmal weiter. Und das Abendessen in der nahegelegenen Gartenwirtschaft, voll besetzt mit Harley-Fahrerinnen und -Fahrern, bei dem wir auch den Ölgeschmack unseres Boss Hoss-Vorausfahrers aus dem Mund spülen können, ist der perfekte Ausklang für diesen Anreisetag nach Faak.
Verlockendes Angebot
Mein Lieblings-Harley-Schrauber hat mich heute in Versuchung geführt. Früh am Morgen klingelte mein Telefon und er machte mir das verlockende Angebot, meine Shovelhead mit nach Faak zu nehmen. Er hätte in seinem Transporter oder Anhänger, mit denen er seine Bikes zur European Bike Week trailert, noch einen Platz frei für eine betagte alte E-Glide. Dann könnten wir gemeinsam eine Oldtimer-Runde um den See und durch Kärnten drehen - er auf seiner Panhead, ich auf meiner Shovel. Das wäre doch sicherlich eine riesige Gaudi.
Aber der Blick heute Abend unter das Bike lässt leider nur eine Antwort auf seine tolle Offerte zu: nein! In den Schalen unter dem Motor stehen Getriebe- und Motoröl in einer Menge, dass ich mit der E-Glide nicht mehr fahren mag. Ich hätte zu viel Angst, dass am Motor oder Getriebe etwas passiert. Oder dass Öl auf dem Hinterrad landet und ich einen Abflug mache. Und außerdem möchte ich nicht, dass sich das Öl meines Schäufelchens in den Laderaum des Transporters oder in den Anhänger meines Lieblings-Harley-Schraubers ergiesst. Trotzdem, lieber Lieblings-Harley-Schrauber: Vielen Dank für dieses verlockende Angebot, dass ich nur zu gerne angenommen hätte! Es bleibt dabei, dass Du nur unser Gepäck wie in den vergangenen Jahren mitnehmen kannst, damit wir uns in modischen Dingen nicht allzu sehr einschränken müssen.
Shovelrunde mit üblem Ende
Zum Glück ist Mariä Himmelfahrt bei uns in der Region ein Feiertag. So kann ich nach dem gestrigen Sonntagsausflug zum Treffen am Jailhouse in Bad Tölz heute noch eine Tour mit meinem Oldtimerchen nachlegen. Es geht über den Samerberg ins Inntal, dann über Erl zum Walchsee, nach Kössen und anschließend noch über Reit im Winkl nach Ruhpolding und Inzell, bevor ich die alte E-Glide wieder in die Garage stelle. Was für einen Spaß hat mir der Oldtimer heute wieder gemacht!
Allerdings erwartet mich nach dem Abstellen der Shovelhead eine ziemlich böse Überraschung: Unter dem Bike auf dem Garagenboden steht schon nach wenigen Minuten eine kleine, aber nicht zu übersehende Öllache mit Getriebeöl auf der einen Seite der Maschine. Und auf der anderen Seite tropft an mehreren Stellen Motoröl hinunter. Auch der Auspuff ist ölverschmiert. Da heißt es, schnell irgendetwas zum Auffangen unterzustellen. Zum Glück dient unsere Garage auch als Zwischensammelstelle für den Plastikmüll, sodass schnell ein paar leere Schalen zur Hand sind, um das schmierende Nass aufzufangen. Allerdings ist die in der Kürze der Zeit austretende Menge für mich durchaus besorgniserregend. Das muss ich beobachten!
Auf zum Knast
An diesem Wochenende ist Harley-Treffen in Bad Tölz am Jailhouse. Also starte ich am Sonntag meinen Straßenkönig und lenke ihn in Richtung Westen zum Veranstaltungsgelände an der Isar. Für die Anreise wähle ich die Route über Grassau, Bernau, Aschau und Sachrang hinüber nach Österreich, um dann von Kufstein über Thiersee nach Bayrischzell zu fahren. Ab da will ich eigentlich zum Schliersee - aber die Strecke ist zurzeit gesperrt. Deshalb muss ich über Fischbachau ausweichen und dann über Miesbach und die Bundesstraße nach Bad Tölz fahren - eine Strecke, die ich eigentlich unbedingt meiden wollte wegen des üblicherweise hier rollenden Verkehrs.
Und tatsächlich bestätigt sich mein Vorurteil. Es herrscht reges Treiben auf der Straße, gespickt mit zahllosen Chaoten auf zwei oder vier Rädern, die glauben, dass Verkehrsregeln nur für andere gelten, Überholen auch bei Gegenverkehr oder vor Kurven und Kuppen gefahrlos möglich ist oder alle anderen Verkehrsteilnehmer aus Jux und Tollerei im Stau stehen, man selbst aber nicht warten muss, sondern einfach an der Warteschlange vorbeifahren kann. Irgendeiner wird sie schon reinlassen, wenn sie sich bei Gegenverkehr wieder einreihen müssen.
Trotz einiger dieser unschönen Begegnungen erreiche ich dann doch noch entspannt den Festplatz am Moraltpark und stürze mich in das Festival-Treiben. Leider ist es heute sehr heiß und die Sonne knallt unbarmherzig auf den Schotterplatz, auf dem die Bikes parken. Das macht den von mir so geliebten Spaziergang vorbei an den parkenden Bikes zu einer echten Tortur. Immerhin gibt es Schatten am Rand des Geländes. Deshalb schlendere ich ziemlich schnell zu den dort aufgebauten Buden und entdecke zu meiner Freude den Ledermacher, bei dem ich vor zwei Jahren die schicke Gepäckrolle für mein Schäufelchen erstanden habe. Schade, dass ich heute mit der Road King hier bin. Die perfekte Kombi der roten Tasche mit meiner Oldtimer-E-Glide hätte ich ihm allzu gerne einmal live gezeigt.
Die übrigen Buden bieten den üblichen Treffen-Angebotsmix aus Schmuck, Airbrush-Künstlern und inzwischen leider auch immer mehr billigem Klamottenzeugs, das mit Motorrad absolut gar nichts zu tun hat. Da widme ich mich doch lieber noch einmal dem Cateringbereich. Die Hitze macht natürlich durstig. Außerdem kann ich ein Harley-Treffen am Jailhouse nicht verlassen, ohne dort einen Burger gegessen zu haben. Der ist wieder einmal vorzüglich. Und das eiskalte Spezi ist die dringend notwendige Erfrischung vor der Heimfahrt.
Für die fasse ich den Entschluss, dem Verkehrstrubel der Hinfahrt ein Schnippchen zu schlagen und stattdessen einen wundervollen Umweg in Kauf zu nehmen. Und so treibe ich meine Road King über Lenggries zum Sylvenstein-Stausee und dann weiter an den Achensee, von dem ich mich hinunter ins Inntal schwinge, um dann über Nebenstrecken nach Kufstein zu fahren. Dann geht es über den Walchsee, an dem ich noch eine letzte kleine Pause einlege, und Kössen wieder nach Hause, wo ein fast perfekter Tag ausklingt.
Endlich schmerzfrei an den Pillersee
Ende Mai war der Pillersee der schmerzhafte Endpunkt unserer abgebrochenen Tour nach Saalbach-Hinterglemm. Ob der Helm meiner Rockerbraut jetzt tatsächlich keinen unerträglichen Druck mehr auf den Kopf ausübt, wollen wir mit einer neuen Tour dorthin testen. Also geht es rauf nach Kössen und dann über Erpfendorf an den Pillersee, wo wir im Restaurant am Ufer eine entspannte Pause einlegen. Dann geht es weiter nach Fieberbrunn und St. Johann in Tirol, von wo aus wir wieder nach Kössen einschwenken. Was für ein Spaß ist das auf der frisch sanierten Schwendter Straße! Die neu asphaltierte Strecke ist die perfekte Harley-Rennstrecke mit ihren weit geschwungenen Kurven. Und weil der Helm meiner Rockerbraut die ganze Zeit keine Probleme macht, wollen wir dieses Vergnügen weiter ausdehnen und schwenken von Kössen aus noch ein auf die herrliche Strecke rüber nach Reit im Winkl, vorbei an den drei Seen bis kurz vor Ruhpolding, wo wir in Richtung Inzell abzweigen, bevor wir von dort nach Hause fahren. Endlich hat die Helm-Katastrophe ein Ende!
Die hoffentlich letzte Testfahrt
War die gestrige Reise nach München und das dort vorgenommene Helmtuning erfolgreich? Das muss meine Rockerbraut heute am darauffolgenden Sonntag sofort ausprobieren. Und so gehen wir auf ihre übliche Helmtestrunde, die sie in den letzten Wochen so oft absolviert hat. Und wie sieht das Ergebnis aus? Grandios! Wegen einer Baustelle müssen wir schon auf der ersten Hälfte eine ungeplante Umleitung in Kauf nehmen. Und kurz vor Ende der eigentlichen Runde winkt meine Rockerbraut mich auch noch auf eine Zusatzschleife. Wenn das kein gutes Zeichen ist! Und tatsächlich bestätigt mir ihr strahlendes Gesicht, dass jetzt offenbar alles gut ist. Am Kopf gibt es nur eine minimale Druckstelle, die sich wahrscheinlich auch noch verabschieden wird, wenn der Helm häufiger getragen wird. Vielen Dank nach München an den Helmtuner, der offensichtlich seinen Lehrmeister in Sachen Know-how inzwischen überholt hat!
Ist das die Lösung?
Seit unserer letzten gemeinsamen Ausfahrt und den immer noch bestehenden Helmproblemen meiner Rockerbraut ist das Telefon mit dem Experten des Herstellers, der die Anpassungen vorgenommen hatte, heiß gelaufen. Der Händler, bei dem wir den Helm gekauft haben, hat leider keine Möglichkeiten für weitere Anpassungen. Der Fachmann selbst betreut ein riesiges Außendienstgebiet und kommt auf absehbare Zeit nicht mehr in unsere Gegend. Aber: Er hat einen Tipp für uns! In München gibt es einen Laden für Motorradbekleidung, -helme und -zubehör, dessen Inhaber er selbst für die Helmanpassungen geschult hat. Zu diesem Laden stellt er den Kontakt her und klärt auch, dass wir mit dem anderswo gekauften Helm vorbeikommen dürfen. Er schickt sogar seine Messdaten zu diesem Münchner Laden.
An diesem Samstag ist es also soweit: Wir fahren mit dem Auto und dem Helm nach München und sind sehr gespannt darauf, was uns dort erwartet. Ehrlich gesagt, habe ich mich insgeheim schon darauf eingestellt, dass wir diesen Helm abschreiben können und ein ganz anderes Modell neu kaufen müssen. Aber in dem bis unter die Decke mit Klamotten und Helmen vollgestopften kleinen Laden erwartet uns eine wundervolle, positive Überraschung. Der supernette Inhaber kümmert sich trotz des samstäglichen Trubels im Geschäft intensiv um uns und erkennt die Probleme meiner Rockerbraut sofort.
Im Handumdrehen hat er das Innenfutter und die Wangenpolster aus dem Helm herausgerupft, Unterfütterungen des vorherigen Tunings als falsch entlarvt und entfernt, an anderen Stellen zurecht gedrückt oder unterlegt. Natürlich heißt es zwischendurch immer wieder Helm auf und Helm ab für meine Rockerbraut. Aber nach eine knappen Stunde sitzt der Helm ganz anders, es ist Zeit für einen Dauertest. Was das bedeutet? Bei sommerlichen Juli-Temperaturen in München eine Stunde mit einem Helm auf dem Kopf vor dem Motorrad-Klamotten-Laden spazieren zu gehen! Das ist nicht nur eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit, sondern natürlich für die Außenstehenden auch ein sehr schräges Bild.
Aber meine Rockerbraut hält tapfer durch, nicht zuletzt auch dank der kühlen Getränke, die uns im Laden als Erfrischung kredenzt werden. Und der Lohn der Mühen? Ein fast druckstellenloser Kopf und ein - zumindest in dieser Testphase - schmerzfreies Tragegefühl! Das ist ja alles sehr vielversprechend für den Rest einer Saison, in der dann hoffentlich auch wieder längere Touren möglich werden. Tja, und dann entdecke ich in der Auslage noch ein brandneues Cargo-Motorrad-Kevlarhosen-Modell. Ich kann meine Rockerbraut tatsächlich noch zu einer Anprobe überreden. Und so wandert die schicke Hose noch in eine Einkaufstüte und geht als Belohnung für die Mühen mit nach Hause.
Auf ins Zillertal
Auf der Fahrt nach Kitzbühel am Freitag ist die verrückte Idee in mir gekeimt, dass ich unbedingt wieder einmal ins Zillertal fahren muss. Vor allem in den Zillergrund, diesen Kraftort, der mich immer wieder in seinen Bann zieht. Leider muss ich diesen Plan alleine in die Tat umsetzen, weil das Helm-Problem meiner Rockerbraut immer noch nicht gelöst ist. Dankenswerter Weise gibt sie mir aber grünes Licht für mein Vorhaben. So starte ich also nach einem schnellen Frühstück bei feinstem Bike-Wetter auf meine Solo-Tour.
Zuerst fahre ich wieder über Kössen und St. Johann nach Kitzbühel - heute mit meinem Straßenkönig. Dann treibe ich die Road King über den Pass Thurn nach Mittersill. Dort zweige ich ab in den Pinzgau und fahre Richtung Gerlos. Allerdings biege in Wald auf die alte Gerlosstraße ab, die ich wesentlich spannender finde als die gut ausgebaute Strecke, die auch an den Krimmler Wasserfällen vorbei führt. Ich genieße das schmale Sträßchen und die Aussichten auf das Naturschauspiel der Wasserfälle von dieser Seite des Tales aus - ganz im Gegensatz zum Straßenbelag, der einer wahren Buckelpiste gleicht, einer Landesstraße keineswegs würdig ist und dringend eine Erneuerung bräuchte, um wieder für Genuss zu sorgen.
Kurz vor dem Durlaßboden stoße ich wieder auf die gut ausgebaute Straße, fahre am Stausee vorbei weiter nach Gerlos und dann die wundervolle Strecke hinunter ins Zillertal nach Zell. Hier lege ich erst einmal einen Tankstopp ein, bevor ich Richtung Mayrhofen weiterfahre. Kurz vor dem Ort biege ich aber links ab, bollere durch den Brandbergtunnel und fahre in den Zillergrund hinein. Wieder packt mich dieser magische Ort schon nach den ersten Metern. Mit offenem Visier und knapp über Schritttempo tuckere ich im Standgas die Mautstraße entlang bis zu dem kleinen Gasthaus knapp vor Ende der befahrbaren Strecke, wo ich meine heutige Pause einlege und mich für den Heimweg stärke.
Der führt mich wieder im Schleichgang aus dem Zillergrund hinaus und durch den Tunnel zurück ins eigentliche Zillertal, dann über die Zillertalstraße Richtung Norden, bevor ich in Schlitters die kleine Schleife über Bruck auf die Tiroler Straße nach Brixlegg ziehe. Hier kehre ich der vielbefahrenen Hauptstraße allerdings schnell den Rücken und wechsle auf die linke Inn-Seite, um über kleine Nebenstraßen nach Kufstein zu rollen. Den Abschluss dieses grandiosen Tages bildet die Schlussetappe von Sebi hinauf nach Sachrang und wieder hinunter nach Aschau, von wo ich dann entspannt zurück nach Hause rolle. Was für ein toller Tag!
Shoveltour nach Kitzbühel
Freitagnachmittag, die Sonne lacht vom Himmel und ich bin einigermaßen zeitig aus dem Büro nach Hause gekommen. Was also tun zum Start ins Wochenende? In Kitzbühel findet schon die ganze Woche Kitz on Wheels statt. Das wäre doch ein naheliegendes Ziel - im doppelten Sinne. Also starte ich mit meiner Shovelhead auf einen kleinen Ausflug in die Berge. Über Kössen und St. Johann bin ich nach knapp einer Stunde vor Ort und tuckere mit meinem Oldtimer auf das Festival-Gelände, dem Parkplatz gleich an der Talstation der Hahnenkamm-Bergbahn.
Hier ist leider noch nicht besonders viel los, ich bin wohl zu früh unterwegs. Jedenfalls tummeln sich zwischen den Verkaufsständen und Fressbuden nur eine Handvoll Harley-Fans. Ein Blick auf das Programm für diesen Freitagabend bestätigt meine Ahnung. Die Party steigt tatsächlich erst viel später, jetzt sind die meisten Gäste wohl noch auf einer der organisierten Ausfahrten unterwegs oder bereiten sich auf die Abendveranstaltungen vor. Macht aber nichts. So kann ich in Ruhe an den Verkaufsständen gucken, die bereits parkenden Bikes anschauen, die ausgestellten Custom Bikes bestaunen und auch eine Kleinigkeit essen.
Auf das Abendprogramm warte ich indessen nicht mehr. Da mache ich mir lieber meine eigene kleine Show mit der Oldtimer-E-Glide und tuckere entspannt wieder nach Hause. Die Fahrt durch Kitzbühel bestätigt dabei meine Theorie: Während ich abfahre, spazieren überall auf den Gehwegen an ihren Klamotten eindeutig dem Harley-Event zuzuordnende Besucherscharen Richtung Hahnenkamm-Parkplatz. Ich war also definitiv zu früh da für die große Party. Aber genau richtig zum Bummeln und als Einstimmung ins Wochenende.
Endlich wieder mal on the road
Die Standardwangenpolster haben sich zwar bei einer weiteren Testfahrt meiner Rockerbraut schon bald als Rückschritt für die Stirn herausgestellt. Der Druck von den Seiten ist wieder rauf auf den Kopf gewandert - immerhin nicht mehr so arg wie vor dem Helmtuning. Trotzdem starten wir heute endlich mal wieder auf eine gemeinsame Ausfahrt. Nix Großartiges. Eine mittlere Runde über Frasdorf, den Samerberg und durch das Inntal nach Erl. Dann wieder über Sebi, Sachrang und Aschau zurück - eine Strecke, die meine Rockerbraut zumindest abschnittsweise auf ihren Helmtestfahrten schon ausgiebig unter die Reifen genommen hat. Es ist bewölkt und für beinahe Mitte Juli erstaunlich frisch, was mir sehr entgegenkommt, meiner Rockerbraut aber schon fast zu kühl ist. Tja, und dann ist da noch ihr Helm. Der zwingt uns nach der Hälfte der Strecke zu einer Pause, weil der Druck wieder sehr unangenehm wird. Längere Touren sind so auf jeden Fall nicht zu machen. Da muss noch irgendetwas passieren ...
Rockerbrauts Testfahrt
Ob der getunte Helme auch in der Praxis auf der Sporty hält, was wir uns von den Änderungen erhoffen, hat meine Rockerbraut heute auf einer Runde über Kössen, den Walchsee, Sebi, Sachrang, Aschau, Bernau zurück nach Hause getestet. Mit eher durchschnittlichem Erfolg. Der Druck an der Stirn ist zwar weniger und erträglicher. Aber die dickeren Wangenpolster drücken jetzt dermaßen auf Ohren und Kiefergelenke, dass wohl der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wurde. Deshalb rüsten wir wieder auf die Standardwangenpolster zurück. Ob das etwas bringt? Dazu müssen wir wohl die nächste Testfahrt abwarten.
Das Helm-Tuning
Seit unserer abgebrochenen Tour nach Saalbach-Hinterglemm war in Sachen Motorradfahren einen Monat lang totale Flaute - zum zweiten Mal seit der nachösterlichen Ruhephase. Dafür gab es sehr schöne, aber auch weniger tolle Gründe: Wir waren nach zwei Jahren Pause auf dem Nova Rock-Festival in Österreich und haben ordentlich Party gemacht. Meine Rockerbraut und ich hatten zwischenzeitlich aber auch Corona, nachdem wir zwei Jahre Glück hatten und um eine Infektion herumgekommen waren. Und das leidige Helmthema ist immer noch nicht gelöst - bis heute, hoffentlich. Da ist nämlich ein Vertreter des Helmherstellers bei unserem Helmhändler und nimmt individuelle Anpassungen vor.
Zuerst vermisst der Experte den Kopf. Mit einem ziemlich verrückten Ergebnis: Meine Rockerbraut bräuchte eigentlich drei verschiedene Helmgrößen für ihren Kopf. Die Kopflänge wäre ein Helm der Größe M, bei der Höhe würde S passen und in der Breite sogar nur XS. Entsprechend aufwendig sind natürlich die Anpassungen am Helm. Über vier Stunden polstert der Helmvirtuose hier ab und dort auf, tauscht Wangen- und Kopfpolster, unterfüttert an einigen Stellen und nimmt dann wieder zu viel des Guten heraus. Zwischendurch heißt es für meine Rockerbraut immer wieder: Probetragen. Mit dem Helm herumlaufen. Helm auf- und wieder absetzen. Bis sich dann - zumindest bei den Trockenübungen - ein gutes Passgefühl einstellt. Bleibt nur zu hoffen, dass das Helmtuning auch beim Fahren anhält.
Die Helm-Katastrophe
Letzte Woche ist tatsächlich der langersehnte neue Helm meiner Rockerbraut geliefert worden. Den hat sie natürlich sofort abgeholt. Und nachdem ich gestern meine Runde nach Pullman City alleine gedreht habe, ist heute bei wieder herrlichem Wetter die Jungfernfahrt der neuen Mütze an der Reihe - und nicht nur das: Es ist tatsächlich auch die erste Ausfahrt der Saison für meine Rockerbraut mit ihrer Sportster.
Wir starten rauf nach Kössen und wollen eigentlich nach Saalbach-Hinterglemm zum Harley-Treffen, das dieses Jahr schon Ende Mai stattfindet. Aber schon in Kössen fängt meine Rockerbraut an, ihren neuen Helm herauf- und herumzuschieben. Am Pillersee ist dann endgültig Schluss mit lustig. Auf dem Parkplatz des leider noch geschlossenen Restaurants direkt am See müssen wir eine gute halbe Stunde Pause einlegen, weil das Styropor-Innenleben des Helms durch das weiche Futter so stark auf den Kopf drückt, dass meine Rockerbraut oberhalb der Stirn eine regelrechte Delle im Schädel hat. Das geht natürlich überhaupt nicht. Aber irgendwie müssen wir jetzt wieder nach Hause. Und so brechen wir die Tour ab und fahren auf kürzestem Wege und mit zahllosen Helm-ab-Pausen zurück. Was für ein Debakel mit dem neuen Helm!
American Way of Life in Niederbayern
Es juckt mir in den Fingern: Ich muss unbedingt mal wieder unter gleichgesinnte Verrückte und endlich auch mal mehr als nur die wohlbekannten, durchaus heißgeliebten Hausrunden unter die Räder nehmen. Aber wo? Da kommt mir das US-Car-Treffen in Pullman City in Eging an diesem Wochenende gerade recht. Der Schwerpunkt liegt zwar auf amerikanischen Autos, aber Motorräder aus den Staaten sind auch willkommen. Und so starte ich heute gleich nach dem Frühstück bei herrlichem Wetter Richtung Niederbayern. Über kleine Nebenstraßen tuckere ich los auf meine herrliche Tour. Und muss bald feststellen, dass es immer noch reichlich Baustellen und dadurch bedingte Straßensperrungen und Umleitungen gibt. So werden aus den ursprünglich vom Navi angezeigten 140 km am Ende 170 km, die bei der Zufahrt zur Westernstadt auf dem Tacho stehen.
Und da ist ordentlich was los. Vor dem Einlass hat sich eine kleine Schlange ziemlich geiler US-Cars gebildet, in die ich mich einreihe, bis ich mein Armbändchen für den freien Eintritt und die Zufahrtsmarke für meinen Straßenkönig in die Main Street habe. Einfahren ins Gelände darf ich dann allerdings nicht - zumindest nicht mit meinem Bike. Das Gelände ist so voll, dass auch Motorräder draußen auf den Parkflächen abgestellt werden müssen. Also stelle ich meine Road King irgendwo auf dem Parkplatz ab und spaziere auf Schusters Rappen hinein ist Geschehen. Und lande mitten in der Fahrzeugpräsentation, für die sich vor allem Oldtimer aufgestellt haben. Entsprechend dicht gedrängt tummeln sich jetzt auch die Zuschauer in der Westernstadt. Ich laufe einmal die Main Street hinauf, schaue ein wenig an den Verkaufsständen, die alle am Ende der Hauptstraße aufgebaut sind, und schlendere dann noch einmal gemütlich zurück. Den Gedanken, hier etwas zu essen, lege ich schnell ad acta. Dafür ist es einfach viel zu voll. Draußen gibt es keine freien Plätze an den Tischen mehr - und drinnen möchte ich bei diesem Wetter und den Aussichten, die sich mir draußen auf die Fahrzeuge und Zuschauer bieten, auf keinen Fall sitzen. Stattdessen drehe ich lieber noch eine Runde über den Parkplatz. Denn da stehen auch spannende Gefährte - sowohl mit vier und mehr als auch mit nur zwei Rädern.
Dann geht’s auch schon wieder auf nach Hause. Und obwohl ich von Eging aus auch wieder das Navi mit kurvenreicher Strecke programmiere, führt es mich über eine völlig andere Route wieder in den Chiemgau. Mir soll’s recht sein! So habe ich reichlich Abwechslung an diesem wundervollen Biker-Tag!
Frühlingshauch weht unter den Helm
Habe ich eigentlich schon erzählt, dass ich mir im Winter einen neuen Helm zugelegt habe? Während für meine Rockerbraut keine passende Mütze auf Lager war und wir auf die bestellte Kopfbedeckung immer noch warten, hatte ich bei unserem Ausflug zum Biker-Klamotten-Händler mehr Glück. Mein Objekt der Begierde war in der richtigen Größe und in einem akzeptablen Design auf Lager. Und so schützt meinen Schädel nicht mehr der alte Klapphelm, sondern Harley-gerecht ein Jet-Helm - allerdings in der Luxusvariante mit Visier plus Sonnenblende und allen Gütesiegeln, die irgendeine Prüfkommission für Sicherheit vergeben kann. Der sieht zudem nicht nur viel cooler aus, sondern kommt auch noch meinem Frischluftbedürfnis deutlich besser entgegen. Schließlich bin ich den alten Klapphelm fast nur mit offenem Visier gefahren, damit mir auch genügend Fahrtwind um die Nase wehen konnte.
Warum ich das alles jetzt erzähle? Weil heute ein herrlicher Frühlings-, eigentlich schon Frühsommertag ist, an dem ich die Frischluft so richtig unter meinen neuen Helm strömen lassen kann. Auf der ausgiebigen Runde hinauf nach Törwang und wieder runter ins Inntal, zurück über Rohrdorf nach Achenmühle, dann weiter nach Riedering, Bad Endorf, Halfing, Seeon und über Truchtlaching wieder nach Hause. Mein Straßenkönig blubbert unter mir fröhlich vor sich hin und der neue Helm bestätigt, dass meine Entscheidung für dieses Modell goldrichtig war: Sicherheit, Passform und Frischluft sind perfekt für meine Ansprüche kombiniert.
Ein ganzer Monat ohne Ausfahrt
Was ist denn dieses Jahr los? Von Ostermontag bis heute, Mitte Mai, haben unsere Bikes in der Garage geschlummert. Meine Rockerbraut ist noch gar nicht gefahren, meine Shovelhead hat bisher auch nur die Fahrt aus dem Winterlager auf dem Tacho. Das werde ich heute aber ändern - leider wieder allein, denn meine Rockerbraut wartet noch immer auf ihren neuen Helm, der irgendwo in der Lieferung stecken geblieben ist. Und mit der alten Mütze möchte sie nicht mehr auf die Straße - zu ausgeleiert ist das gute Stück inzwischen, als dass von Sitz und Passform noch die Rede sein könnte. So treibe ich mein Schäufelchen hinauf nach Kössen, vorbei am Walchsee, dann weiter nach Sachrang und über Aschau wieder nach Hause. Der Oldtimer läuft wie ein Uhrwerk, die Kupplung trennt wieder, wie man es von ihr erwartet - es ist die reine Freude, die 50 Jahre alte Technik über die Straße zu fahren.
Kleine Ostermontagsausfahrt
Für die erste große Osterrundfahrt hat das Wetter nicht gepasst. Ganz im Gegenteil. Karfreitag und Karsamstag waren eher durchwachsen: Immer wieder Regen und auch ziemlich frisch. Den Ostersonntag haben wir als Hunde-Spaß-und-Wander-Tag genutzt. Damit bleibt aber heute noch der Ostermontag für eine kleine Solorunde mit meinem Straßenkönig in den Rupertiwinkel. In die Berge traue ich mich angesichts der letzten frostigen Nächste nicht. Die eigentlich wohlbekannte Runde wird heute zu einem abwechslungsreichen Erlebnis. Denn überall auf der Strecke sind Straßen gesperrt, sodass ich mir die eine oder andere kreative Umleitung suchen darf - ein spaßiges Vergnügen, irgendwie passend zu Ostern.
Danke, lieber Osterhase
14 lange Tage ist der April jetzt schon alt. Und das Osterwochenende steht vor der Tür - der klassische Termin für eine erste größere Ausfahrt. Nur: Bisher haben wir unsere Harleys noch nicht mal aus dem Winterschlaf wecken können, so bescheiden war das Wetter. Offensichtlich hat der Osterhase aber Mitleid mit uns. Denn der heutige Gründonnerstag ist sonnig, trocken und recht warm. Und ich konnte mir frei nehmen. Also machen wir uns an den großen Pendelverkehr zwischen unserem Zuhause und der Werkstatt unseres Lieblings-Harley-Schraubers.
Als erstes Bike rollt die Sporty meiner Rockerbraut in die heimische Garage. Sie hatte diesen Winter einen vergleichsweise ruhigen Aufenthalt in der Werkstatt. Die jährliche Durchsicht ergab keine besonderen Arbeiten. Der Seitendeckel ist wieder fest. Und auch die Heizgriffe funktionieren wieder. Letztendlich war die Ursache für beide Probleme das zu große Elektronik- und Elektrikgedränge hinterm Seitendeckel. Das hat den Seitendeckel regelrecht weggedrückt und für einen Kabelbruch an der Stromversorgung der Griffe gesorgt - vermutlich bei einem der Versuche, den Deckel wieder aufzustecken. Da hat unser Lieblings-Harley-Schrauber einfach mal aufgeräumt, natürlich das defekte Kabel erneuert und das eine oder andere Kabel und den einen oder anderen Stecker an andere Orte verlegt. Jetzt herrschen also wieder Platz und Ordnung hinter dem Seitendeckel und hoffentlich auch Ruhe in Sachen Elektronikschäden.
Als nächste Maschine tritt meine Oldtimer-E-Glide die Fahrt in die heimische Garage an. Nicht jedoch, ohne vorher eine ausführliche Inspektion und Durchsprache der winterlichen Arbeiten vorzunehmen. Tank und Heckfender sehen tatsächlich aus, als wären sie nicht erneuert worden. Die Lackierung ist einfach perfekt abgestimmt auf die Farben der alten Teile. Mit dem Austausch der Kupplung hat die alte Dame, die in diesem Jahr übrigens ihren 50. Geburtstag feiert, dann auch gleich einen anderen Deckel aus dem Zubehör spendiert bekommen, der steifer als das Original ist, damit besser schließt und dem Ölverlust entgegenwirken soll, der den wunderschönen Shovelmotor immer wieder verunstaltet hat. Alles in allem hoffentlich lohnende Investitionen und angemessene Jubiläumsgeschenke, die mir das betagte Schätzchen mit viel Fahrspaß und Freude zurückzahlen wird! Zumindest die kurze Rückfahrt von der Werkstatt lässt da so Einiges erwarten.
Mein Straßenkönig ist als letztes Bike an der Reihe, denn mit ihm möchte ich noch auf eine kleine Runde um den Chiemsee gehen, um mir ein bisschen mehr Fahrtwind um die Nase und den Winter aus den Knochen wehen zu lassen. Aber natürlich steht auch hier erst noch eine ausführliche Besprechung der ausgeführten Arbeiten an. Schnell abgehandelt sind die Inspektion und der neue Hinterreifen, da gibt es nichts Besonderes zu berichten. Allerdings hat die Road King im Zuge des vorsorglichen Austauschs der Kurbelwellenlager auch gleich noch einmal neue Steuerkettenspanner verpasst bekommen. „Die waren zwar noch nicht wirklich fällig“, erklärt mir mein Lieblings-Harley-Schrauber. „Aber wenn der Motor sowieso schon mal offen ist, bietet sich dieser Tausch einfach an, bevor ich nächsten Winter wieder alles aufmache.“ Recht hat er, auch wenn sich damit die ungeplanten Zusatzkosten für die winterliche Wellness-Kur meiner Bikes noch einmal in die Höhe schrauben. Aber was soll’s? Zum seinem 10-jährigen Jubiläum als mein Straßenkönig hat sich die Road King das sicherlich verdient - zumal sie ja auch noch ein 20-, 25- oder sogar 30-jähriges Jubiläum unter meinem Allerwertesten erleben soll. Und die Investition ist ja nur vorgezogen. Fällig geworden wäre sie ja ohnehin in naher Zukunft.
April, April, der macht was er will
Das Wetter meint es zum diesjährigen Saisonstart nicht gut mit uns. Im Bike-freien März gab es reichlich Sonnenschein und auch recht warme Tage. Doch damit war genau am 30. Schluss. Pünktlich zum Monatswechsel hinein in den April ist es kalt und regnerisch geworden. Sogar ein bisschen Schnee ist aus den dichten grauen Wolken gerieselt. Daran, die Bikes heute pünktlich zum Gültigkeitstag der Saisonkennzeichen aus der Werkstatt zu holen, brauchen wir also gar keinen Gedanken zu verschwenden. Bei meiner Oldtimer-Harley kommt noch ein anderer Grund hinzu: Bei der Überprüfung der Kupplung hat sich herausgestellt, dass sie komplett getauscht werden muss. Deshalb ist die alte E-Glide nicht wie geplant fertig. Ob das Wetter das gewusst hat und es mir ersparen wollte, heute nicht alle Bikes gleichzeitig pünktlich aus dem Winterschlaf zu wecken?
Nachrichten aus der Werkstatt
Inzwischen ist es März geworden - übrigens mit herrlichem Wetter, das wir leider noch nicht zum Motorradfahren nutzen können. Road King und Sporty haben Zwangspause wegen ihrer Saisonkennzeichen, die Shovel-E-Glide liegt noch zerlegt in der Werkstatt, weil der neue Tank und der neue Heckfender noch beim Lackierer sind - oder besser gesagt: waren. Denn heute kam der Anruf von meinem Lieblings-Harley-Schrauber, dass er die Teile endlich abholen konnte. Und er hat noch mehr gute Nachrichten für mich: Der Lackierer - übrigens dasselbe Genie, das auch schon das Airbrush auf die Sporty meiner Rockerbraut zauberte - habe die Farbtöne der alten Teile perfekt getroffen. Der neue Tank und der neue Heckfender fügten sich nahtlos in das gewohnte Erscheinungsbild des Oldtimers ein. Zwischen den neuen Teilen und dem verbliebenen Frontfender sei absolut kein Unterschied zu erkennen - weder bei den Flächen noch den feinen Linien. Und: Er könne mein Schäufelchen natürlich jetzt auch fertig machen, damit es pünktlich zum Saisonstart startklar ist. Wenn das mal keine guten Nachrichten sind!
Das Shovel-Leg ist fertig
Heute ist unsere dritte Sitzung. Beim vorherigen Termin hatte die alte Shovel auf meinem Bein ihre Schattierungen, ihre Struktur, ihre Tiefe bekommen. Und obwohl mein Tattoo wieder nur in Schwarz und Weiß gehalten ist, wirkt das Bild meines Oldtimerchens so echt, so realistisch, als stünde das Bike tatsächlich vor mir - mit funkelndem Chrom und glänzender Lackierung.
Jetzt bekommt auch die Welt, die die Maschine umgibt, ihr Finish. Auf den kahlen Hängen der Berge wachsen plötzlich dichte Wälder, im See plätschert Wasser und der Steg am Ufer bekommt eine Holzstruktur, als wäre er gerade aus frischen Brettern und Balken zusammengezimmert. Am Himmel lugt die Sonne hinter Wolken hervor, die zwar eine dramatische, aber keineswegs bedrohliche Stimmung erzeugen. Einfach genial. Besser kann man den für mich perfekten Motorradtag nicht als Tattoo unter die Haut stechen.
Shovel-Leg
Da schon die Sporty meiner Rockerbraut und mein Straßenkönig als Tattoos unter meiner Haut verewigt sind, darf meine Shovelhead natürlich nicht fehlen. Deshalb geht es heute, kurz vor Weihnachten, wieder zum Tätowierer meines Vertrauens. Zum Glück ist der Lockdown in Österreich vor einer Woche aufgehoben worden und die Einreise mit Booster-Impfung wieder problemlos möglich - ein kleines Déjà-vu zu unserem Urlaub im Zillertal Ende Mai/Anfang Juni dieses Jahres, den wir ja auch nur antreten konnten, weil kurz zuvor die Grenzen geöffnet und die Rückreiseregeln gelockert wurden.
Zur Begrüßung im Tattoostudio gibt es erst einmal ein großes Hallo und ein herzliches Willkommen. Denn schließlich haben wir uns fast zwei Jahre nicht gesehen. Corona-bedingt war im letzten Winter ja Tattoo-Pause. Dann geht es aber schnell daran, meine Wünsche und Vorstellungen rüberzubringen. Der Oldtimer soll auf meinen linken Oberschenkel, der Hintergrund soll einen Bergsee zeigen. Was für ein Glück: Die Chemie zwischen meinem Lieblingstätowierer und mir passt immer noch perfekt. Aus meinen kruden Beschreibungen und den mitgebrachten Fotos zaubert er eine Skizze, die die alte Electra Glide auf einen Steg am Weißensee in Kärnten vor das Bergpanorama des Pillersees in Tirol stellt - grandios! Damit verbindet er gleich zwei meiner Lieblingsorte als Szenerie für den großen Auftritt meiner Shovel.
Zwei Stunden später sind die Konturen von Bike, Bergen und See in die Haut gestochen, die eben noch auf dem Tablet als Idee Gestalt angenommen hatten. Schon diese Linien machen Vorfreude auf mehr: auf die Tiefe und die Lebendigkeit, die das Bild mit den kommenden Sitzungen durch die Schattierungen bekommen wird.
Das Winterlager ruft
Freitag, der letzte Arbeitstag unseres Lieblings-Harley-Schraubers im Oktober und damit auch die letzte Gelegenheit, die heiß geliebten Harleys in den Winterschlaf zu schicken. Der wird allerdings für meinen Straßenkönig und die Oldtimer-E-Glide eher unruhig. Während an der Sporty meiner Rockerbraut nur der seit Faak provisorisch mit Kabelbindern befestigte Seitendeckel, die defekten Heizgriffe und die turnusmäßige Wartung auf der Aufgabenliste stehen, müssen an der Road King angesichts ihrer inzwischen erfahrenen Kilometerleistung die Nockenwellenlager vorsichtshalber ausgetauscht werden. Außerdem ist ein neuer Hinterradreifen fällig. Und an meinem Schäufelchen steht natürlich der Austausch der Kupplung an - also zweimal Eingriffe ins Innerste des Maschinenlebens.
Reif auf den morgendlichen Wiesen zeugt noch vom nächtlichen Frost. Die Temperaturen sind inzwischen tatsächlich im Keller. Deshalb verzichtet meine Rockerbraut darauf, ihre Sporty selbst ins Winterlager zu fahren. Sie nimmt lieber hinter dem Lenkrad im beheizten Auto Platz und spielt Chauffeur für den notwendigen Pendelverkehr. Und ich spare bei meinen Fahrten die schattigen Passagen an den Nordflanken der Berge bewusst aus, um hier nicht noch auf rutschige Überraschungen zu stoßen.
Als erstes schnappe ich mir mein Oldtimerchen, weil ich es angesichts der defekten Kupplung lieber früh und entspannt in die Werkstatt bringen möchten als spät und unter Zeitdruck am Abend. Die Fahrt verläuft unspektakulär, den Gasgriff drehe ich mit äußerster Vorsicht und nehme sofort wieder Gas weg, wenn ich auch nur das kleinste Durchrutschen spüre. Das ist alles in allem wenig dynamisch, ärgert an der einen oder anderen Kreuzung auch den hinter mir her fahrenden Verkehr, aber ich komme doch gut ans Ziel. Kurz zuvor noch ordentlich vollgetankt, so kann mein Schäufelchen den Winter gut überstehen.
Denkste! Kaum habe ich die alte E-Glide vor der Werkstatt abgestellt und eine kurze Übergabebesprechung gemacht, schaut mich mein Lieblings-Harley-Schrauber mit einem alles andere als fröhlichen, aber durchaus vielsagenden Blick an und deutet auf den Tank: „Hast Du die Blasen da unter dem Lack schon länger?“, lautet seine Frage. Nö, die sehe ich zum ersten Mal. Hab ich da was beim Tanken versaut? „Ne, viel schlimmer: Dein Tank ist undicht, da kriecht Sprit unter den Lack“, spricht der Meister und verschwindet flugs in seiner Werkstatt, um nach wenigen Augenblicken mit zwei großen Kanistern und einer Handpumpe wieder durch das große Tor zu meinem Oldtimer zu eilen: „Den Tank pumpen wir mal schnell wieder leer, bevor sich noch das edle Nass über den Boden ergießt und Deine frische Tankaktion komplett überflüssig war. Deine beiden anderen Maschinen brauchst Du erst mal nicht volltanken. Das mach´ ich dann mit dem Sprit hier.“ Ich bin erst einmal konsterniert und sprachlos. „Eh, ja, oh, ich hol´ dann erst mal die anderen Bikes. Dann können wir ja weiter reden“, stammele ich, steige zu meiner Rockerbraut ins Auto und berichte ihr während der ersten Heimfahrt die schlechten Nachrichten.
Die Überführungsfahrten der Sporty und der Road King laufen völlig problemlos und unspektulär, auch bei den Übergaben tun sich nicht plötzlich und unerwartet weitere Reparaturen auf. Und so konzentriert sich das abschließende Gespräch zu den winterlichen Arbeiten auf meinen Oldtimer. Da ist auf jeden Fall ein neuer Spritbehälter fällig. Plus Lackierung. Und weil wir gerade dabei sind zu lackieren, beschließen wir auch den durchaus rostbepickelten Heckfender zu erneuern. Das wird wohl ein ordentliches und völlig ungeplantes Loch in unsere Finanzen reißen. Aber darum mache ich mir später sorgen. Jetzt schiebe ich erst einmal ordentlich Frust.
Good bye 2021
Wer hätte das gedacht! Sogar das definitiv letzte Oktoberwochenende, an dem wir unsere Bikes noch einmal vor Ablauf der Saisonkennzeichen bewegen können, verwöhnt uns mit trockenem , sonnigen, aber auch sehr frischem Wetter. Das ist meiner Rockerbraut zu kalt, aber mich können die Temperaturen nicht schrecken. Also schwinge ich mich auf mein Schäufelchen zu einer letzten Oldtimerausfahrt in diesem Jahr. Die muss ich allerdings schon nach wenigen Kilometern abbrechen. Die durchrutschende Kupplung macht das Fahren praktisch unmöglich. Und ich will die alte E-Glide ja auch nicht unnötig quälen. Also kehre ich um, schleiche mit vorsichtig dosiertem Gas nach Hause und steige auf meinen Straßenkönig um. Den treibe ich dann aber umso schwungvoller durch den Rupertiwinkel für eine wundervolle Abschiedsrunde.
Zeitschleife
Der Wetterbericht hatte zwar recht damit, dass nach meiner tollen Sonntagstour am letzten Wochenende das Wetter schlecht würde. Aber das galt zum Glück nur für die Woche, die ich ohnehin im Büro verbringen durfte. Die Oktober-Wochenenden verwöhnen uns dagegen in diesem Jahr mit feinstem Wetter. Und so schwingt sich sogar meine Rockerbraut heute noch einmal in den Sattel ihrer Sporty, um ein bisschen Asphalt unter die Räder zu nehmen und sich frischen Wind um die Nase wehen zu lassen.
Die Route ist schnell gewählt. Nach meinen Schwärmereien vom letzten Sonntag möchte meiner Rockerbraut auch auf diesen Spuren cruisen. In die Berge trauen wir uns nicht mehr. Nachtfrost und weiß bepuderte Gipfel senden eindeutige Signale, dass Motorradfahren dort nicht mehr die optimale Form der Fortbewegung ist. Und obwohl ich diese Runde erst vor einer Woche gefahren bin, habe ich wieder großen Spaß - und freue mich über die Begeisterung meiner Rockerbraut, die ebenfalls sichtlich Freude an dieser Runde und den Aussichten hat.
Letzte Runde?
Für heute hat der Wetterbericht nach Auflösung des morgendlichen Nebels einen kalten, aber sonnigen Oktobertag vorhergesagt - perfekte Voraussetzungen für mich, um eine Herbstrunde zu drehen. Allerdings spannt mich der Nebel ganz schön auf die Folter. Erst gegen 14 Uhr reißt der graue Vorhang auf, der sich über den Chiemgau gelegt hat. Jetzt aber schnell in die Biker-Klamotten und rauf auf meine Road King. Denn bis zum Sonnenuntergang ist angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit nicht mehr allzu lange Zeit!
Weil in den Bergen immer noch trübes Grau an den Hänge und um die Gipfel wabert, schlage ich den altbewährten Weg auf die große Chiemsee-Runde ein, bei der ich den See in größtmöglichen Schleifen umfahre. Ein erstes Highlight meiner heutigen Tour entdecke ich gleich in Siegsdorf. Dort ist der Kreisverkehr kurz vor dem Ortsausgang mit viel Liebe herbstlich dekoriert. Vogelscheuchen, Heumanderl, Kürbisse und ein buntes Herbstblumenmeer geben mir einen farbenfrohen Gruß mit auf den Weg. Der führt mich nach Neukirchen und von dort über das kleine Sträßchen mit der heute leider nicht ganz so tollen Bergsicht nach Surberg. Über Lauter und den Wonneberg rolle ich nach Waging und Taching, dann nach Palling und Trostberg, wo ich Richtung Altenmarkt einschwenke, aber gleich hinter dem Tunnel nach Seeon abbiege.
Hui, ist das heute frisch! Zum Glück hat mein Straßenkönig Heizgriffe, die ich jetzt tatsächlich auch mal einschalte. Und ich beschließe, doch nicht die ganz große Schleife zu ziehen. Stattdessen fahre ich an den Chiemsee nach Seebruck und folge der Uferstraße über Gstadt, Breitbrunn und Rimsting nach Prien - wo mich allerdings noch einmal der Hafer sticht und ich vom direkten Weg nach Hause abzweige. Gleich am Kreisverkehr nach der Ortseinfahrt zweige ich rechts ab hinauf in Richtung Wildenwart. Dort fahre ich das kleine, verwunschene Sträßchen am Schloß vorbei hinunter bis Vachendorf und weiter durch Schörging, bis ich auf die Landstraße nach Hittenkirchen stoße und links einschwenke.
Obwohl ich diese Strecke schon ein Dutzend Mal und öfter gefahren bin, hat der jetzt folgende Straßenabschnitt absolut nichts von seinem Wow-Effekt verloren. Die Straße führt mit leichter Steigung durch eine wenig aufregende, leicht hügelige Landschaft mit Wiesen, ein paar Bäumen oder kleinen Waldstückchen. Sie ist auch nicht besonders spektakulär in Sachen Kurven und Straßenführung. So eingelullt, tuckert der tiefenentspannte Harley-Fahrer dem Scheitelpunkt der Steigung entgegen - und wird dort mit einem schlagartigen Panoramenwechsel aus seinem Flow herausgerissen.
Vor mir breitet sich nämlich von einer auf die andere Sekunde der Chiemsee aus, dahinter nichts als Fernsicht bis weit über das gegenüberliegende Ufer hinaus. Dieser Anblick steht der Aussicht auf Kufstein und ins Inntal, die ich vor wenigen Tagen noch genießen durfte, in überhaupt nichts nach und rangiert unter den Top-Panoramen meiner Haustouren ebenfalls ganz weit oben. Und es gibt noch eine Gemeinsamkeit der beiden Strecken: Auch hier folgt auf den Wahnsinnsausblick noch einmal ein durchaus spaßiges Kurvengeschlängel hinab ins Tal, hier leider nicht ganz so lang und reich an Kehren wie beim österreichischen Pendant.
Jetzt aber zügig nach Hause. Es ist schon verdammt frisch, die wärmende Sonne ist verschwunden. Ob das die letzte Runde für dieses Jahr war? Der Wetterbericht sagt für die nächsten Tage zumindest kein Bikerwetter vorher.
Vertauschte Rollen
Nach einem Besuch mit ihrer Sporty bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber schon vor einiger Zeit hatte meine Rockerbraut noch eine kleine Runde durch das Inntal gedreht, die sie mir schon lange zeigen möchte. Na, dann machen wir uns heute doch einfach mal auf den Weg! Und das unter umgekehrten Vorzeichen: Meine Rockerbraut donnert ausnahmsweise mal voraus, ich knattere heute auf meiner alten E-Glide hinterher - eine Konstellation, in der wir doch eher selten unterwegs sind. Schließlich bevorzugt es meine Rockerbraut, entspannt hinter mir herzuzuckeln und sich lieber die Gegend anzuschauen, als auf die Fahrtstrecke achten zu müssen. Und ich muss gestehen: Ich kann sie schon nach den ersten Kilometern sehr gut verstehen!
Zuerst rollen wir um den Chiemsee, dann rauf auf den Samerberg und wieder hinunter ins Inntal. Wo ich aber nach der Abfahrt vom Samerberg immer nach rechts abbiege, schwenkt meine Rockerbraut nach links ab und nimmt Kurs auf Erl in Tirol. Tatsächlich ist das ein wundervolles Sträßchen, das ich bisher immer ignoriert habe und auf dem ich meiner Rockerbraut jetzt nur zu gerne folge. Hinzu kommt heute eine hohe Dichte an Oldtimern auf der Straße. Irgendwo scheint hier ein Treffen oder zumindest eine Tagesausfahrt stattzufinden - eine Sache, die mich für mein Schäufelchen auch noch interessieren würde. Aber darum werde ich wohl erst im nächsten Jahr kümmern.
Vorbei am Festspielhaus in Erl geht es nach Niederndorf und dann mit ordentlich Schwung über eine unserer Lieblingsstrecken von Sebi hinauf nach Sachrang, weiter nach Aschau und dann nach Hause. Was für eine tolle Runde! Und was für ein Spaß, mit meinem Oldtimer hinter meiner Rockerbraut auf ihrer Sporty herzufahren. Da muss ich in der Tat manchmal ordentlich Gas geben, um den Anschluss nicht zu verlieren. Und manchmal auch ganz schön Abstand halten, damit ich genügend Bremsweg habe.
Rappelkiste
Meine Rockerbraut fühlt sich heute ein wenig schlapp und hat keine Lust selbst zu fahren. Also bleibt ihre Sporty in der Garage. Dafür darf sich der Soziusplatz meines Straßenkönigs über einen Fahrgast freuen. Als Ziel haben wir den Pillersee auserkoren. Aber schon in Reit im Winkl fordert meine Beifahrerin vehement eine Pause ein. Ihre Füße und Beine sind eingeschlafen, sie beklagt sich über massive Vibrationen in den Trittbrettern. Was ist denn da los? Ist die Dame nichts Gutes wie meinen Straßenkönig mehr gewöhnt?
Natürlich ist es auf meinem Sozius nicht so bequem wie auf der eigenen Sporty. Aber gleich so schlimm? Oder ist das jetzt die objektive Bestätigung meines schon länger sehr subjektiv empfundenen Gefühls, dass die Road King durchaus recht ruppig unterwegs ist was Vibrationen angeht? Nun, Merkmal unserer heutigen Pillersee-Runde bleiben zahllose Stopps zur Erweckung der Rockerbraut-Extremitäten. Etwa alle halbe Stunde müssen wir anhalten, damit meine Rockerbraut ihre Füße und Beine bewegen und beleben kann. Bleibt zu hoffen, dass diese starken Vibrationen, die es laut Aussage meiner Rockerbraut früher nicht gab, keine schlimmere Ursache haben. Aber das wir unser Lieblings-Harley-Schrauber im Winter klären. Denn in einem Monat heißt es schließlich schon wieder: Winterruhe!
Immer der Nase nach
Nach der gestrigen Bergtour starte ich heute mit meinem Straßenkönig noch eine Runde Richtung Norden in die flacheren Gefilde des Chiemgaus und des Inntals. Ohne wirkliches Ziel vor Augen rolle ich einfach erst einmal vorbei am östlichen Chiemseeufer und dann nach Truchtlaching, weiter über Seeon bis zur B304, deren neuem Verlauf ich ein Stückweit bis zum Kreisverkehr vor Obing folge.
Weil Bundesstraßen meistens nicht wirklich für Spaß sorgen, folge ich dort dem Abzweig Richtung Golfplatz und schlage mich über kleinere Sträßchen durch bis nach Mühldorf am Inn, dem nördlichsten Punkt meiner heutigen Tour, die ich über weite Strecken auf völlig leeren Wegen genießen kann. Dann versuche ich, dem Inn wieder in Richtung Süden zu folgen und tuckere unter anderem durch Kraiburg am Inn, Gars am Inn und Soyen, bis mich die immer dunkleren Wolken am Himmel mahnen, meine Fahr-ich-hierhin-fahr-ich-dorthin-Tour aufzugeben und lieber auf direktem Wege das trockene Zuhause anzusteuern. Macht aber nichts. Denn auch der direkte Weg nach Hause über Wasserburg, Bad Endorf und Prien hat durchaus seine Reize!
Gegen die Uhr
Die Strecke über Kössen, den Walchsee, Sebi, Sachrang und Aschau zurück nach Hause ist eines meiner Lieblings-Feierabend-Ruckzuck-Entspannungsründchen. Und weil meine Shovelhead während unseres Bike Week-Aufenthalts einsam und allein in der Garage ausharren musste, hat sie sich heute endlich wieder eine Ausfahrt verdient. Allerdings ist mir die Schnellentschleunigerrunde für heute zu kurz, da muss noch eine Extraschleife dazu. Deshalb beschließe ich, die Route einfach umzukehren und gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. Dadurch kann ich nämlich von Kössen aus noch über Reit im Winkl und dann vorbei am Weitsee nach Ruhpolding und Inzell fahren.
Geplant, getan: Bei herrlichem Wetter starte ich am frühen Nachmittag und genieße jeden Kilometer meiner Fahrt. Zügig geht es unterhalb des Hochfelln und des Hochgern entlang nach Grassau, dann umrunde ich die Kampenwand über Rottau, Bernau und Aschau, bevor es irgendwann schwungvoll hinauf nach Sachrang geht. Den nächsten Abschnitt nach der österreichischen Grenze genieße ich total entspannt, bevor es mich - wie eigentlich jedes Mal an dieser Stelle - am Aussichtspunkt auf Kufstein schier aus dem Sattel haut.
Was für ein Panorama! Das Städtchen, die Burg, der Inn, der Blick hinein ins Tal, die umliegenden Berge vom Wilden Kaiser bis hinüber zum Pendling - von hier aus gibt es für mich einen der schönsten Ausblicke meiner Hausstrecken. Entsprechend langsam tuckere ich mit meinem Oldtimer weiter. Das gibt mir nicht nur Zeit, die Landschaft zu genießen, sondern kommt in den folgenden Bergabpassagen auch der Bremswirkung meiner Trommelbremsen entgegen. Die eignen sich nämlich nicht für spätes Anbremsen vor Kurven im Gefälle, sondern eher für vorausschauendes Anrollen, damit am Bremspunkt moderner Bikes das gewünschte Kurvendurchfahrttempo schon erreicht ist. Nichtsdestotrotz: Die Abfahrt nach Sebi ist ein wahres Kurvenvergnügen mit meinem Schäufelchen, denn dessen Straßenlage und Agilität in Kehren verhält sich ziemlich genau entgegengesetzt zu seiner Bremsleistung.
Nach der Fahrt vorbei am Walchsee nach Kössen erwartet mein Schäufelchen und mich dann der nächste kleine Kurvenspaß: das kurze Geschlängel hinüber nach Reit im Winkl - was für ein Vergnügen! Und dann folgt wieder ein Relax-Abschnitt: Die Strecke durch das Drei-Seen-Gebiet ist fahrerisch wenig anspruchsvoll, begeistert dafür aber mit einer wundervollen Landschaft und wird mit einem feinen Kuchen im Alm-Gasthaus am Ruhpoldinger Biathlon-Stadion gekrönt.
Hier ist dann auch der Zeitpunkt gekommen, den mitgeführten Pullover überzuziehen. Denn inzwischen wird es nicht nur in den schattigen Passagen ganz schön frisch. Auch die bereits sinkende Septembersonne verliert mit fortschreitender Uhr spürbar an Kraft und schenkt kaum noch Wärme. Das kann mich aber natürlich nicht schrecken. Mit der zusätzlichen Stoffschicht unter der Lederjacke geht es vor Ruhpolding noch hinüber nach Inzell, bevor ich endgültig den Heimweg antrete und die gute, alte E-Glide in die Garage stelle.
Besser geht nicht
Auch der Abreisetag unserer diesjährigen Bike Week verwöhnt uns mit perfektem Wetter. Das macht uns den Abschied vom Faaker See nicht gerade leicht - genauso wenig wie die herzliche Verabschiedung durch unsere lieben Wirtsleute und das Verstauen unseres Gepäcks. Denn wir haben offensichtlich zu viel geshoppt.
Nach dem Frühstück schleppen wir erst einmal unsere deutlich mehr als sieben Sachen zu den Bikes. Eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit, die beim Beladen der Harleys nicht besser wird. Immerhin, die Sporty meiner Rockerbraut ist schnell bepackt: Gepäckträger samt vorbefülltem Beauty-Case aufgesteckt - fertig. Auch bei meinem Straßenkönig geht es zunächst gut los: Packsack in die Gepäckrolle, dazu noch ein bisschen Kleinkram - das wäre erledigt. Der Plan, die alte, mittelgroße und gepackte Sissybar-Tasche in die neue, supergroße leere Sissybar-Tasche zu stecken, noch ein bisschen Zeug drum herum zu stopfen und dieses Arrangement mit der neuen Packrolle zu krönen, schlägt allerdings grandios fehl. Die Beladeöffnung der neuen Tasche ist zu klein, um die alte Tasche hindurch zu stecken. Also kommt die alte Tasche wie schon auf der Hinfahrt auf den Soziussitz.
Aber wie dann die neuen Taschen und das überschüssige Gepäck verstauen? Stapeln ist angesagt! Eine kleinere Tasche bekommt meine Rockerbraut noch on top auf ihr Beauty-Case geschnallt. Den Rest drapiere ich kunstvoll bis in luftige Höhen auf meinem Straßenkönig. Nach diesem Turmbau auf einem Fundament aus Soziussitz, Sissybar und Lederpackrolle auf dem Gepäckträger meiner Road King könnte ich noch eine Dusche brauchen. Aber dazu bräuchte ich ja wieder Sachen aus dem Gepäck. Also lassen wir das lieber. Immerhin: Eine ordentliche Hand kaltes, erfrischendes Wasser kann ich mir noch einmal in der ansonsten schon geräumten Ferienwohnung gönnen.
Dann starten wir Richtung Heimat. Auch wenn es der Gepäckturm auf meinem Straßenkönig auf den ersten Blick nicht erwarten lässt, verschafft mir das Konstrukt eine durchaus komfortable Sitzposition. Zur Sissybar-Tasche als wohlbekannter Rückenlehne gesellen sich die weiteren Gepäckstücke als Schulter- und Kopfstützen, sodass ich ein kleines bisschen wie in Opas Ohrensessel auf meinem Straßenkönig throne.
Weil die Anfahrt über den Weißensee und durch das Gailtal so wundervoll waren, beschließen wir, auch heute für die Rückfahrt diese Route zumindest in groben Zügen in umgekehrter Reihenfolge wieder einzuschlagen. Allerdings fahren wir nicht über Bad Bleiberg. Stattdessen geht es zum Abschied erst noch einmal zumindest halb um den Faaker See und über Finkenstein und Arnoldstein ins Gailtal. Eine gute und sehr richtige Entscheidung. Denn fast auf der ganzen Strecke begleitet uns eine durchaus ansehnliche Gruppe Harley-Fahrer aus der Schweiz, sodass sich fast ein bisschen Paradenfeeling einstellt. Erst als wir auf einem Parkplatz an der Weißensee Straße eine kleine Pause einlegen, rollt der Tross mit viel Gewinke und Gehupe zum Abschied an uns vorbei. Gute Fahrt und ein herzliches Grüezi, liebe Eidgenossen!
Weiter geht es die steile, kurvenspaßige Abfahrt hinunter nach Greifenburg und dann über die Bundesstraße nach Lienz. Ein Schlagloch wie auf der Anreise und ein daraus resultierender Schaden bleibt uns heute bei der Stadtdurchfahrt erspart. Das und der überaus übersichtliche Verkehr geben mir die Zeit, der Stadt ein bisschen Aufmerksamkeit zu widmen. Die fesselt alsbald eine Hendlbraterei an der Durchgangsstraße. Dieses Schnellrestaurant muss eine wahre Goldgrube für seine Besitzer sein, dann am Straßenverkauf wartet eine lange Schlange hungriger Mäuler auf das goldbraun gegrillte Geflügel. Das war mir tatsächlich auch schon bei meiner Großglockner-Tour Anfang Juni aufgefallen - oder besser: in die Nase gestiegen. Denn der Hähnchen-Grill-Duft begrüßt den heranfahrenden Biker schon weit vor dem Laden und begleitet ihn dann noch ein beträchtliches Stück bei der Fahrt durch die Osttiroler Metropole. Und er sorgt für: Hunger!
Diesem leeren Gefühl im Bauch muss ich nach einigen Kilometern Tribut zollen. Deshalb kehren wir hinter Matrei noch vor der Tunneldurchfahrt in einem Rasthaus an der Felbertauernstraße ein. An unserem Sitzplatz auf der Terrasse können wir uns nicht entscheiden, was wir gerade mehr genießen: die Aussicht das Iseltal hinunter oder das leckere Essen. Die für meine Rockerbraut so typische Portion Pommes ist qualitativ und quantitativ sehr ordentlich, meine zweierlei Tiroler Klöße sind eine Wucht und genau die richtige Stärkung für den weiteren Weg.
Als wir das Rasthaus verlassen und zu unseren Harleys marschieren, treffen wir auf ein älteres Pärchen, das vor meiner Road King steht und sich ganz offensichtlich über deren Beladung wundert. Als die beiden uns näher kommen sehen, sprechen sie uns auch sofort an. Wie ich denn da noch aufsteigen könne? Und wie ich mit dem so bepackten Bike überhaupt fahren könne? Nun, das Aufsteigen demonstriere ich schwungvoll durch einen mit langgestrecktem Bein eingesprungenen Ausfallschritt, durch den ich mich auf den Police Seat schwinge. Dann wuchte ich die Fuhre in die Senkrechte, klappe den Seitenständer ein, rolle vorsichtig ein Stückchen zurück aus unserer Parkposition, starte den V2 und fahre mit einem coolen Winken davon. Meine Rockerbraut folgt mir auf den Fersen und kriegt sich ein paar Minuten später an der Mautstation für den Felbertauerntunnel vor Lachen immer noch nicht ein.
Während wir in der kleinen Schlange vor dem Zahlhäuschen darauf warten, an der Reihe zu sein, erzählt sie mir von den Gründen für ihre großen Heiterkeit: von den verblüfften Blicken der beiden Herrschaften, als ich auf meinen Straßenkönig gehüpft bin; vom sorgenvollen Mienenspiel, als ich angefangen habe zu rangieren; vom erschrockenen Zurückweichen, als ich praktisch unmittelbar vor ihnen meinen TwinCam-Motor zum Leben erweckt habe; vom Erstaunen in den Gesichtern, als meine Rockerbraut ihre Sporty gestartet hat und deren Aggregat um einige Dezibel lauter und herzlicher als mein Straßenkönig losbollerte; und vom zögerlich-ängstlich-faszinierten Winken, mit dem unsere Abschiedsgrüße erwidert wurden.
Die Tunneldurchfahrt verläuft unspektakulär, auch die Abfahrt ins Salzachtal auf der wundervoll ausgebauten Felbertauernstraße können wir entspannt genießen. In Mittersill legen wir dann noch einen Tankstopp ein, bevor wir über den Pass Thurn hinauf nach Kitzbühel und weiter über St. Johann in Tirol und Kössen nach Hause in den Chiemgau fahren. Was für eine Wahnsinnswoche liegt hinter uns! Wetter, Touren, Leute und auch das - ja, okay, reduzierte, aber für uns völlig ausreichende - Programm waren einfach nur perfekt. Und was könnte für so eine Woche den würdigen Schlusspunkt setzen? Ein Biker-Steak im Motorradhotel auf dem Samerberg. Hmmmm, lecker!
Ein Meerauge in den Bergen
Unser letzter Tag am Faaker See in dieser herrlichen Woche voller Sonnenschein und geiler Touren, die - ja, es ist eine abgegriffene Phrase, aber sie muss trotzdem sein - nie zu Ende gehen dürfte. Aber das wird sie natürlich unweigerlich. Morgen ist definitiv und unverrückbar unser Abreisetag aus Kärnten. So ist dieser letzte Urlaubstag ein sehr zwiespältiger Tag voller Gegensätze. Zum einen möchten wir heute unbedingt noch eine würdige, nicht zu lange Abschlusstour fahren, noch ein wenig Bike Week-Feeling tanken und den Abend zünftig ausklingen lassen. Zum anderen müssen wir unsere sieben Sachen sowie die Einkäufe in unsere Taschen oder Koffer packen und die Ferienwohnung aufräumen.
Beim Frühstück überlegen wir also, wohin wir unsere Harleys heute noch lenken könnten, ohne gleich eine Mammuttour unter die Pneus zu nehmen. Uns fällt die nette Begegnung mit den Wohnmobilreisenden vom Goldeck in dieser Woche ein und deren Tipp: das Meerauge im Bodental. Das Navi gibt schnell grünes Licht, selbst über kurvenreiche Strecken und die dazugehörigen Zusatzschleifen sind es nicht einmal 50 km bis dorthin. Der Ausflug ist also locker an einem halben Tag zu machen. Dann bleibt mehr als genug Zeit für die Pflichtaufgaben und das Urlaubswoche-Abschlussessen.
Im vollsten Vertrauen auf die Routenplanungssoftware des Navis starten wir also zu diesem sagenumwobenen Ort irgendwo kurz vor der slowenischen Grenze. Denn so wirklich wissen wir nicht, wo genau es hingeht und was uns an diesem Meerauge erwartet. Erst einmal führt uns das Navi Richtung Rosegg, also auf wohlbekannten Pfaden, bis es uns kurz vor Velden rechts ab nach St. Egyden lotst. Oberhalb der Drau fahren wir durch das wundervolle Rosental und müssen an einem Parkplatz einfach anhalten, um ein paar Fotos von dieser phantastischen Aussicht zu aufzunehmen.
Irgendwann stoßen wir auf die Bundesstraße von Klagenfurt nach Slowenien, auf die wir Richtung Süden einbiegen, um die Drau zu überqueren und an Ferlach vorbei in Richtung Loiblpass zu fahren. Plötzlich und völlig unerwartet ganz kurz hinter einer der tollen Kurven auf der Strecke führt uns der Weg rechts ab auf eine kleine Landstraße nach Windisch Bleiberg. Wir folgen einem Sträßchen, dass mit jedem Kilometer schmaler zu werden scheint, bis wir vor einem großen Gasthaus stehen, an dem weder das Navi weiter zu wissen scheint, noch die Beschilderung uns den rechten Weg weisen will. Egal, dann kehren wir hier erst einmal im einladenden Biergarten ein, stärken uns und können dann ja auch nach dem weiteren Weg zum Meerauge fragen.
Da wir eigentlich erst vor Kurzem gefrühstückt haben und auch noch gar nicht so lange unterwegs sind, bestellen wir nur eine Kleinigkeit: eine Portion Pommes für meine Rockerbraut und eine kleine Portion Kaiserschmarrn für mich. Aber irgendwie habe die Kärntner in dieser Woche völlig andere Vorstellung von kleinen und großen Portionen als wir. Die Pommes meiner Rockerbraut liegen nicht auf einem Teller, sondern eigentlich auf einer Platte. Und sie liegen auch nicht einfach nur darauf. Nein, sie türmen sich als riesiger Berg von Plattenrand zu Plattenrand. Familienportion würde diese Ladung frittierter Kartoffelstäbchen andernorts wohl heißen. Und dann meine ausdrücklich als klein bestellte Portion Kaiserschmarrn. Nun, der zerrupfte Teig füllt eine ganze gusseiserne Pfanne, die auf einem Holzbrett ruht, das auch den Namen Baumscheibe tragen könnte, und würde locker zwei Personen satt machen. Zu allem Überfluss: Sowohl die Pommes als auch der Kaiserschmarrn sind perfekt zubereitet. Ein wahrer Genuss, den offensichtlich ein Koch zubereitet hat, der selbst Standardgerichten sehr viel Liebe widmet, damit seine Gäste nicht nur satt, sondern auch glücklich und zufrieden das Restaurant verlassen. Und erst die Rechnung: Die für Essen und Getränke aufgerufene Zeche ist angesichts der Portionen ein Witz.
Natürlich gibt es von der freundlichen Bedienung auch noch die Beschreibung für unseren weiteren Weg. Tatsächlich müssen wir nur dem winzigen Sträßchen folgen, das vor dem Gasthof vorbei führt und das wir für eine reine Anliegerstraße zu den in der Ferne sichtbaren Häusern gehalten hatten. So tuckern wir also vollgefuttert, satt und glücklich weiter, bis tatsächlich schon nach ein paar hundert Metern ein kleiner Parkplatz mit einem großen Hinweisschild Meerauge auftaucht. Sporty und Road King nehmen hier in der ersten Reihe Platz, wir verstauen alle Klamotten, bis wir einigermaßen wandertauglich entkleidet sind, und schreiten durch das Tor zum Meerauge in die so wärmstens empfohlene Zauberwelt hinein.
Über einen Holzbohlenweg spazieren wir zu dem sagenumwobenen Wasserloch und sind auf dem Hinweg schon begeistert von den Aussichten auf die umliegende Bergwelt und in das Bodental hinein. Und dann erst das Meerauge selbst, das wir nach wenigen, sehr bikerfreundlichen Metern erreichen: Es hat in der Tat etwas Magisches. Aus jeder Perspektive eröffnen sich neue Eindrücke, ein Schritt nach links oder rechts verändert alles von der Farbe des Wassers bis hin zu den Einblicken in die wirre Welt der wie von einem Mikado spielenden Riesen hinein geworfenen Baumstämme und Äste. Und so halten wir tatsächlich alle paar Schritten beim Rundgang um das Meerauge inne, schauen in das klare Wasser hinab und auf die umliegende Landschaft dahinter, versinken in Tagträumereien oder Suchen nach Namen für die ständig aufs Neue irgendwo zwischen Grün und Blau changierenden Farben.
Außerdem fragen wir uns immer wieder, ob das hier nicht doch der Zugang zu einer anderen Welt ist. Es muss ja nicht gleich ein mystisches Reich sein. Aber vielleicht verbirgt sich dahinter ein unterirdisches Höhlenlabyrinth, wie wir es vom Blautopf auf der Schwäbischen Alb her kennen. Dieses Meerauge jedenfalls erinnert uns sehr an das Wasserloch nahe Ulm. Allerdings, das erklären zahlreiche Infotafeln rund um die Wasserstelle, hat das Meerauge einen ganz anderen Ursprung, es ist eine Senke, die während der Eiszeit entstand und durch Grundwasser gespeist wird. Immerhin: Die ebenfalls auf Infotafeln beschriebene, sich um das Meerauge rankende Sage passt zu unserer Idee. Demnach verschwand hier einst ein Ochsenkarren samt Zugtieren und Ladung, dessen Joch dann Wochen später im Bleder See - also auf der anderen Seite der Karawanken in Slowenien - wieder auftauchte. Das spräche doch unweigerlich für ein unterirdisches Höhlensystem, oder?
Dafür, dass das Meerauge eigentlich recht klein und der Weg vom Parkplatz zum Wasser recht kurz ist, halten wir uns an diesem verwunschenen Ort doch sehr lange auf. Irgendwann spazieren wir aber doch wieder zurück zu den Harleys, schwingen uns in die Sättel und treten den Heimweg an den Faaker See an. Erst einmal geht es auf derselben Strecke wie auf dem Hinweg zurück nach Ferlach, wo wir jetzt aber diesseits der Drau und damit an deren Südufer über Feistritz im Rosental und Maria Elend bis nach Finkenstein fahren, um dem stählernen Harley-Fahrer-Pärchen noch Good-bye zu sagen, bevor es zum Kofferpacken in die Ferienwohnung geht.
Unsere Klamotten sind so schnell verpackt, dass bis zu unserem geplanten Abendessen reichlich Zeit bleibt. Was machen? Meine Rockerbraut möchte sich für ein Nickerchen hinlegen, mich zieht es dagegen noch einmal nach Faak und Arneitz ins samstägliche Festivalleben. Und so kuschelt sich meine Frau ins Bettchen und ich nehme den Bus, der in diesem Jahr auch im Uhrzeigersinn und damit entgegen der üblichen Bike Week-Fahrtrichtung um den See nach Arneitz fährt. Hier ist tatsächlich fast so viel los wie in früheren Jahren. Menschenmassen stehen entlang der Straße, auf der sich Motorräder stauen, beim Arneitz wartet eine lange Schlange an den Corona-Kontrollen auf den Einlass, auf dem Parkplatz müssen Biker tatsächlich nach einem Stellplatz für ihre Maschine suchen und können ihre Harley nicht gleich nach der Einfahrt an einer freien Stelle parken. So muss das sein. Sein muss auch ein bisschen Bewegung für mich. Deshalb wandere ich von Arneitz nach Faak und wieder zurück, genieße das Dröhnen und Bollern der vorbeirollenden Motorräder, beobachte die mir entgegenkommenden oder an mir vorbeigehenden Menschen und betrachte ein paar Minuten mit reichlich Wehmut die leeren Wiesen in Faak, die in vergangenen Jahren mit Verkaufszelten und Menschen belebt waren.
Zurück in Drobollach müssen meine Rockerbraut und ich dieser wundervollen Bike Week natürlich noch einen würdigen Abschluss bescheren. Und wo könnte das besser geschehen als in unserem Lieblingsrestaurant, in dem wir ja auch schon in diese Wahnsinnswoche gestartet sind? So kehren wir hier noch einmal ein, sitzen an einem Tisch ganz vorne auf der Terrasse mit Blick auf die vorbeifahrenden Motorräder und genießen ein köstliches Abschlussmahl zur Abrundung eines makellosen Urlaubs. Und irgendwann geht es dann zurück in unsere Ferienwohnung für die letzte Nacht am Faaker See in diesem Jahr.
Nockalm und Hochrindl
Von unserer Österreichrunde über den Großglockner vor zwei Jahren und meiner Glocknerfahrt in diesem Jahr haben wir die Nockalm-Maut der Kombi-Tickets übrig. Was läge also näher, als sie in diesem Jahr einzulösen - wenn die alte Karte überhaupt noch gültig ist. Nockalmstraße geht schließlich immer. Und erst recht bei dem sensationellen Wetter dieses Jahres.
Damit wir auf der Hinfahrt nicht schon zu viel Zeit verlieren, gehen wir die Tour zügig über die Bundesstraße vorbei an Treffen und Afritz zum Millstätter See an. Hier halten wir irgendwo am Nordufer auf einem kleinen Parkplatz an, um eine kurze Pause einzulegen und die tolle Aussicht über den See zu genießen. Während wir so über den See schauen, tauchen plötzlich unter großem Geblubber und Geplansche zwei Taucher vor uns aus dem Gewässer auf und klettern an Land. Da müssen wir doch gleich mal nachfragen, was die beiden da treiben. Es sind tatsächlich Hobbytaucher, die hier ihr Revier haben und uns von den faszinierenden Unterwasserwelten des Millstätter Sees erzählen. „Im Prinzip geht es hier unter Wasser genauso weiter wie darüber: steile, felsige Hänge, an denen überall alte Baumstämme und Äste hängen, dazwischen eine spannende Unterwasserflora und -fauna“, klärt uns einer der Taucher auf. „Natürlich sind das nicht die Malediven, aber zum Tauchen absolut anspruchsvoll und abwechslungsreich.“
Nach diesem interessanten Stopp mit einer völlig überraschenden und lehrreichen Begegnung fahren wir weiter am Millstätter See entlang und zweigen an seinem westlichen Ende in Seeboden ab hinauf in die Berge. Wir möchten nämlich nicht der vielbefahrenen Katschbergstraße folgen, sondern lieber parallel dazu auf dem kleinen Nebensträßchen fahren. Auf halber Höhe legen wir aber erst einmal einen Fotostopp ein, um ein paar Aufnahmen von Burg Sommeregg zu machen, die am Wegesrand thront. Dann geht es auch schon weiter nach Treffling und über das schmale Sträßchen am Hang mit den tollen Aussichten auf die umliegende Bergwelt weiter nach nach Gmünd in Kärnten.
In Gmünd fahren wir in den herrlichen Ortskern hinein und legen in einem der Straßencafés eine Erfrischungspause ein. Lange stoppen wir hier aber nicht, die Nockalmstraße zieht uns magisch an. So geht es mangels Alternativen nun doch zügig über die Katschberg-Bundesstraße weiter nach Kremsbrücke, wo wir den Abzweig nach Innerkrems und zum nördlichen Einstieg in die Mautstraße nehmen. Zu unserer großen Freude bestätigt uns die nette Dame an der Zahlstelle, dass unsere Tickets tatsächlich noch gültig sind, und so starten wir beschwingt die Auffahrt zur Eisentalhöhe. Auf dem gut mit Bikes gefüllten Parkplatz stellen wir unsere Harleys gleich gegenüber dem Murmeltier ab. Hier muss ich im Bauernladen unbedingt wieder die leckere Nockfleischwurst als Mitbringsel für daheim kaufen. Aber nicht nur zum Mitnehmen shoppe ich in dem kleinen Laden. Auch für jetzt gleich muss eine deftige Stärkung her. Und so gibt’s für mich eine vorzüglich und überaus reichliche Brettljause. Für meine Rockerbraut - nun, das muss ich länger ausführen, weshalb ich hier auch tatsächlich entgegen der guten Sitten mich selbst zuerst genannt habe.
Die Wahl meiner Rockerbraut ist auf eine frisch geräucherte Forelle gefallen. Die wird auf einer der Tafeln an der Hütte angepriesen und wäre gerade so recht nach ihrem Geschmack. Als ich sie bei der netten Verkäuferin in der Hütte bestelle, wird die regelrecht verlegen: „Eine Forelle? Ja, ich hätte da noch eine, die allerletzte, aber die ist sehr klein, also - das ist gar keine ganze Forelle, die kann ich Ihnen eigentlich gar nicht verkaufen.“ Auf meine Einwände, dass die kleine Forelle als Zwischenmahlzeit perfekt passen würde, mag sie zunächst nicht recht eingehen. Aber dann ringt sie sich dazu durch, mir das Schmankerl doch zu überlassen - zum halben Preis.
Bis dato habe ich das Tier noch gar nicht zu Gesicht bekommen, die Verkäuferin hielt es hinter ihrer Theke wohl verborgen. Als sie mir die Forelle jetzt auf einem Holzbrett herüberreicht, muss ich mir das Lachen mit aller Macht verkneifen. Die Forelle hängt mit Kopf und Schwanzflosse über ihre Unterlage hinaus. Im Supermarkt würde dieses Mordsviech wahrscheinlich in zwei Portionen als Filet von zwei Tieren verkauft. Entsprechend ist auch die Reaktion meiner Rockerbraut, als ich die Forelle vor ihr auf dem Holztisch in der Sonne hinter der Eisentalhütte abstelle. „Wer soll das denn alles essen? Ist das eine Forelle oder ein kleiner Walfisch?“, sprudelt es aus ihr heraus. Und in der Tat hat sie ordentlich zu kämpfen, um das zu allem Überfluss auch noch vorzügliche Fischlein zu verputzen. Und schüttelt bei jedem Bissen den Kopf mehr über meinen Bericht über den schwierigen Einkauf. Bleibt für uns beide nur die Frage, wie die normalen Forellen hier auf der Hütte aussehen, wenn dieses Exemplar sehr klein ist?
Gut gestärkt und wohl gerüstet machen wir uns auf die weitere Fahrt über die Nockberge. Es ist die reinste Freude. Jede einzelne Kehre macht Spaß ohne Ende bei diesem herrlichen Wetter und dem wenigen Verkehr, der zu unserer großen Überraschung und Freude herrscht. Und so schwingen wir uns auf unseren Moppeds bestens gelaunt hinunter bis nach Ebene Reichenau. Beim dortigen Tankstopp beschließen wir, auch noch über die Hochrindl zu fahren. Eine gute Entscheidung! Ein paar Meter weiter im Ort nehmen wir das kleine Sträßchen hinauf auf die Passhöhe und haben das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Keine Autos, keine Biker, keine Radler - nichts und niemand begegnet uns während der Fahrt hinauf auf die Passhöhe.
Kurz vor dem Berggasthof legen wir noch einen kleinen Fotostopp ein, dann geht es auch schon weiter hinüber nach Deutsch Griffen und auf die wohlbekannte Bundesstraße im Gurktal, der wir, wie schon so oft bei unseren Bike Week-Anreisen und -Aufenthalten, nach Feldkirchen folgen. Weil uns diese Strecke so sehr an den misslungenen Dienstagabend erinnert, beschließen wir, dem Projekt Steakessen in Treffen und anschließendem Besuch der Draupuls-Wassershow noch eine zweite Chance zu geben. Schließlich ist heute Freitag, das Lokal sollte also geöffnet haben und das Event stattfinden.
Beim Steakessen werden wir nicht nur mit einem perfekt gebratenen Stück Fleisch und leckeren Beilagen verwöhnt. Es gibt auch noch einen Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch, der mich mehrmals vom Stuhl reißt und zum Fotografieren auf die naheliegende Wiese treibt. Mit hereinbrechender Dunkelheit machen wir uns dann auf den Weg nach Villach. Unsere Maschinen stellen wir wieder mitten in Villach auf demselben Bike-Parkplatz wie am Dienstag ab, der dieses Mal allerdings wesentlich besser besetzt ist. Und der Ort am Drau-Ufer, wo die Wasserspiele gleich stattfinden werden, ist angesichts der sich schon versammelnden Zuschauer auch sofort zu erkennen.
Was dann folgt, fesselt und begeistert uns mit einer fantastischen Mischung aus Sound, Licht und Effekten. Erst einmal unterhalten uns die Macher des Draupuls mit der Rock-it-Show. Zu allem, was des Bikers Herz in Sachen Musik höher schlagen lässt, werden Video-Clips von Bike Weeks der vergangenen Jahre - z. B. von der Parade, Impressionen aus dem Harley Village oder von den geführten Touren durch Kärnten - und Licht-Laser-Shows auf die Fontänen der Wasserspiele in der Drau projiziert. Durch das fließende, spritzende, pulsierende Wasser bekommen die Projektionen eine ganz eigene Lebendigkeit und Plastizität. In manchen Szenen ist es trotz der Unschärfe der Bilder auf der Wasserleinwand so, als wären wir gerade live dabei: beim Konzert, bei der Parade, bei der Tour.
Nach der Rock-it-Show bringen die Veranstalter an diesem Abend auch noch die Darbietung mit den größten Hits österreichischer Musik - von Mozart über Falco bis Conchita Wurst ist alles dabei, ein wilder Ritt durch alle musikalischen Genres. Und ein beeindruckendes Zeugnis der musikalischen Kreativität und Schaffenskraft der Österreicher. Entsprechend beschwingt wedeln wir nach dem Ende dieser tollen Shows aus der Villacher Innenstadt zurück nach Drobollach.
Goldeck und Weißensee
Auf dem Markt in Arneitz und beim Harley-Händler in Klagenfurt am Montag haben wir Babysachen für den Nachwuchs einer lieben Freundin gekauft: ein lustiges Mützchen und schicke Söckchen. Schließlich müssen wir die frühkindliche Prägung auf ein vernünftiges Hobby und coole Klamotten so früh wie möglich in Gang bringen. Damit die Kleine nicht schon aus den Sachen herausgewachsen ist, bis wir uns mal wieder treffen, schicken wir sie heute aus dem Postamt in Faak mit vielen Grüßen von der Bike Week ab. Danach geht es über Finkenstein nach Villach und von dort über die Bundesstraße durchs Drautal bis zum Abzweig nach Zlan und damit zur Goldeck-Panoramastraße. Soweit, so unspektakulär. Aber flott.
Die kleine Straße begeistert uns schon lange vor der Zahlstelle für den Mautteil mit ihrer herrlichen Streckenführung und trägt ihren goldigen Namen völlig zu recht. Wir genießen jeden Kilometer und jede Kehre bis hinauf zum Parkplatz am Ende der Straße. Nur schade, dass es vorher so wenige Aussichtspunkte und Parkplätze gibt, an denen wir den einen oder anderen Stopp hätten einlegen können. Dafür machen wir jetzt in der Hütte oberhalb des Parkplatzes mit toller Aussicht auf Bikes und Landschaft umso ausgiebiger Pause. Wir finden noch ein Plätzchen auf der sonnigen Terrasse und teilen uns den Tisch mit einem netten Weltenbummlerpärchen, dass mit seinem Wohnmobil auf großer Reise ist.
Während ich meine vorzügliche Käsejause verputze, erzählen sie uns von ihrer bisherigen Reise und geben uns den Tipp, zum Meerauge zu fahren. Das müssten wir uns unbedingt anschauen, ein wundervolles Plätzchen kurz vor dem Loiblpass und der slowenischen Grenze mit einer für Motorradfahrer sicherlich lohnenden Anfahrt. Vielen Dank für die Empfehlung! Das werden wir uns merken, zumal es nach einem Ziel ganz nach unserem Geschmack klingt.
Frisch gestärkt und bestens gelaunt spazieren wir in einer kleinen Schleife wieder zurück zu unseren Bikes, nicht ohne ein paar Dutzend Fotos von der phantastischen Aussicht auf die südlich gelegene Bergwelt zu machen. Dort muss irgendwo der Weißensee schlummern - womit unser nächstes Ziel für diesen noch jungen Tag feststeht. Aber vorher gibt es noch einen Plausch auf dem Parkplatz. Neben unseren Bikes steht ein ziemlich großes SUV, aus dem ein Pärchen klettert, dass vom Outfit her hier und jetzt eigentlich besser auf Harleys als in solch eine rollende Schrankwand gehören würde. Und so stürmt der Fahrer auch gleich auf mich zu, als er meine Zugehörigkeit zum Straßenkönig erkennt, und zeigt auf den Sattel: „Schön isser ja nich´, aber bequem sieht er aus. Wat is dat?“, lautet die in feinstem westfälisch-ruhrpottlerischem Akzent und mit der rau-herzlichen Ehrlichkeit der Menschen aus diesem Landstrich direkt auf den Punkt formulierte Frage.
Meine Erklärungen zum US-Police-Seat, zur Luftfederung, zum Kauf im Internet und zum Aufpolstern mit Geleinlagen sowie zum neuen Beziehen beim Sattler hört er sich mit wachsendem Interesse an. Wie sich im Gespräch herausstellt, würden die beiden eigentlich auch gerne mit dem Bike unterwegs sein. Wenn da nicht sein Rücken wäre, der lange Urlaubsreisen mit dem Motorrad unmöglich und an manchen Tagen schon kurze Touren zur Tortur macht. Lieber Kollege, hoffentlich haben Dir meine Tipps bei Deinen Problemen geholfen und Du kannst mit Deiner Maschine in Zukunft wieder auf schmerzarme Touren gehen - auch wenn Dein Bike dann vielleicht nicht mehr so schön ist. Aber gut auszusehen ist manchmal nicht alles im Leben. Schöne Dinge unternehmen dagegen schon! Und: Wenn Du auf dem Sattel sitzt, siehst ihn niemand. Aber Du fühlst ihn (nicht)!
Jetzt geht es aber erst einmal zum Ostufer des Weißensees. Die Abfahrt über die Goldeckstraße ist wieder ein Genuss, die Anfahrt zum See dagegen eine straßentechnische Katastrophe. Das eigentlich wundervolle Sträßchen befindet sich nämlich in einem grauenhaften Zustand. Es stellt sich nicht die Frage, wie wir die Schlaglöcher und Aufwerfungen am besten umfahren. Wir können uns eigentlich nur das flachste Schlagloch und die niedrigste Asphaltfalte aussuchen, um vorsichtig hindurch oder darüber weg zu schleichen. Die Einkehr im kleinen Cafe am Schiffsanleger entschädigt allerdings für jede Unbill der Anfahrt. Wir sitzen auf der Terrasse über dem Wasser, genießen die Aussicht auf den unwirklich blauen See samt der umliegenden Berge, erfrischen uns mit einem kühlen Getränk und ich konnte - einmal mehr - den Verlockungen des Kuchenangebots nicht widerstehen. Was für ein herrliches Stückchen Erde, was für ein unglaublich toller Tag!
Die Rückfahrt an den Faaker See treten wir irgendwann mit einer Schleife vorbei am Farchtensee an. Die Strecke haben wir vom letzten Besuch noch in bester Erinnerung. Und hoffen auf bessere Straßenverhältnisse als auf der Hinfahrt. Tja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber ... Auf dieser Strecke sorgen die österreichischen Straßenbaubehörden gerade für Abhilfe in Sachen Schlaglöcher und Frostschäden. Der Asphalt ist auf mehreren Kilometern Länge komplett abgetragen, wir tuckern über puren Schotter und legen eine kleine Off-Road-Etappe hin. Immerhin: Der blanke Unterbau der Straße ist letztlich besser und ebener als die restasphaltierte Straße auf der Hinfahrt zum Weißensee.
Am Ende der Farchtenseestraße biegen wir rechts in Richtung Windische Höhe ab und wundern uns, dass wir auf dieser doch recht gut ausgebauten und breiten Landstraße über Viehgatter rollen. Den Grund dafür sehen wir ein paar Kurven später: Vor uns breitet sich eine große Wiese aus, über die Pferde und Rinder genüsslich grasend dahin ziehen. Zum Glück gibt es hier auch einen Parkplatz, den wir sofort ansteuern, um uns dieses Schauspiel anzuschauen. Spannend wird es sogar auch noch. Denn entlang der Straße kommt eine Gruppe Rinder neu auf die Wiese, die offensichtlich nicht wirklich willkommen ist. Jedenfalls teilen die schon anwesenden Hornviecher den Neuankömmlingen unmissverständlich und durchaus körperbetont mit, wie weit sie sich ihrer Gruppe nähern dürfen. Nach dieser beeindruckenden Vorstellung sind wir uns sicher, dass Kühe bei Weitem nicht immer so lieb sind wie sie schauen.
Für uns geht die Fahrt weiter über die Windische Höhe hinunter ins Gailtal. Von dort wollen wir eigentlich über Bad Bleiberg und Villach an den Faaker See zurück. Aber das Navi hat offensichtlich irgendetwas gegen diese Route einzuwenden und lotst uns über Finkenstein an unser Ziel. Auch nicht schlimm. Schön ist diese Strecke ja auch, wenn auch nicht so kurvenreich. Und sie beschert uns wahnsinnig tolle Aussichten auf den Dobratsch, den Villacher Hausberg, und die Karawanken im Süden.
Zurück in der Ferienwohnung in Drobollach machen wir uns schnell frisch und schwingen uns in einen der Shuttle-Busse zum Arneitz. Dort wollen wir dem für heute Abend angesetzten Live-Konzert lauschen. Das erweist sich allerdings für unseren Geschmack als völlige Fehlentscheidung, die Band reißt uns in keinster Weise von den Stühlen. Und so nehmen wir alsbald wieder einen der Shuttle-Busse, um zurück nach Drobollach zu fahren. Der Bus nimmt allerdings eine völlig unerwartete Route und spendiert uns eine lustige Sightseeing-Rundfahrt durch die südlich des Faaker Sees gelegenen Ortschaften. So entdecken wir heute auch noch Ecken, die wir in der Region bisher noch nie gesehen haben.
Ran an den Speck
Nach der Mammutrunde und den Fehlschlägen des gestrigen Tages wollen wir es heute deutlich ruhiger angehen lassen. Deshalb fahren wir nur ins Gailtal, um bei dem netten Direktvermarkter den leckeren Speck und die phantastischen Würste zu kaufen, die wir im vergangenen Jahr schon so genossen haben. Für dieses Jahr habe ich allerdings eine alternative Route über besonders kleine Nebensträßchen geplant. Schließlich führen ja viele Wege ans Ziel - auch wenn es nicht Rom, sondern nur ein Bauernhof irgendwo zwischen Pressegger See und Hermagor ist. Und zwei Mal dieselbe Route wäre ja langweilig.
Leider sind die ausgewählten Nebensträßchen nicht nur klein, sondern auch ziemlich schlecht. Das nimmt der vorgeschädigte Seitendeckel an der Sporty meiner Rockerbraut uns leider übel und springt immer wieder aus seiner Halterung. Beim dritten Stopp, mangels Parkmöglichkeiten oder Seitenstreifen wieder mitten auf der Straße, kommen deshalb die genau für diesen Fall immer mitgeführten Kabelbinder zum Einsatz. Mit ihnen bastle ich eine Notbefestigung, indem ich sie durch einen Spalt im Seitendeckel ziehe und dann das komplette Teil rund um das Rahmenrohr unter dem Sitz festzurre. Das hält bombenfest. Ein bisschen Bammel habe ich allerdings, dass die Airbrush-Lackierung Schaden nehmen könnte. Aber das würde ja erst recht passieren, wenn der Seitendeckel komplett herunterfallen und über den Boden purzeln würde.
So gesichert, nehmen wir die Weiterfahrt wieder auf und rollen auch alsbald auf den Hof des Speckbauern, wo wir uns mit Speck und Würsten eindecken, dass es eine wahre Freude ist. Im Gespräch erfahren wir dann auch, dass wir mit unserer Entscheidung für den heutigen Speckeinkauf Glück hatten. Denn der Hofladen hat diese Woche tatsächlich nur mittwochs geöffnet. An allen anderen Tagen sind die Bauersleut auf den Wochenmärkten der Region unterwegs. Das müssen wir uns merken, denn nächstes Jahr kommen wir mit Sicherheit wieder und werden dann sicherheitshalber vorher anrufen, wann das schweinische Schlaraffenland geöffnet hat. Oder wo wir auf einem Wochenmarkt unsere fleischigen Gelüste befriedigen können.
Mit der vollen Ladung aus dem Hofladen in der Gepäckrolle machen wir uns auf den direkten Weg zurück nach Drobollach. Denn statt großer Touren wollen wir uns heute noch mit dem Bus auf den Weg nach Faak machen, um uns dort das diesjährige Corona-Harley-Village anzuschauen. Und so spazieren wir, nachdem der Einkauf im Kühlschrank verstaut ist und wir uns in bequemere Klamotten für unseren nachmittäglichen Ausflug gekleidet haben, zur Bushaltestelle. Tatsächlich kommt im kleinen Shuttlebus bei der Fahrt um den See wieder so etwas wie das Bike Week-Feeling vergangener Jahre auf. Das wird noch verstärkt, als wir in Faak am Bahnhof aussteigen, die Harley-Fahnen und -Banner wehen sehen und uns auf den Weg zum Bauernmarktgelände machen.
Der Eintrittscheck ins Harley-Village ist schnell erledigt, und so machen wir uns sehr gespannt auf den Rundgang über das abgesperrte Areal. Meine Rockerbraut kann dabei eine gewisse Begeisterung für die neue Pan America nicht verbergen. Gleich mehrfach nimmt sie Platz auf der Reiseenduro und lässt sich das Bike genau erklären. Begeistert sind wir auch von der neuen Art der Bike-Präsentation. Statt des engen, stickigen Expo-Zelts der vergangenen Jahren, durch das sich die Bikermassen quälen mussten, verteilen sich jetzt coronakonforme Expo-Pavillons über ein großzügiges Areal, das wir entspannt erschlendern können. Und in diesen Pavillons kommen die Bikes auch noch phantastisch zur Geltung. Bitte, liebes Harley-Bike Week-Expo-Team: Behaltet diese Art der Präsentation für die Zukunft bei! Das wäre ein echter Gewinn!
Überhaupt nicht gefällt uns dagegen die neue Sportster. Trotzdem nehme ich einmal Platz auf diesem Bike. Und fühle mich weder wohl noch cool noch sportlich. Sondern eher wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein. Die Sitzposition zwingt mich in eine seltsam verkrümmte Haltung, die ziemlich unwürdig für einen dicken, alten Mann ist. Tja, diese neue Bike-Generation wendet sich offensichtlich an ein gänzliches anderes Publikum als an die typische Harley Tourer- und Chopper-Klientel. Das gilt wohl auch für die Harley-E-Bikes. Und so ist das Gelände, auf dem die Bike Week-Besucher diese Zweiräder testradeln können, zumindest befremdlich ist für uns.
Stattdessen besuchen wir lieber den Catering-Bereich, um uns zu erfrischen und zu stärken. Allerdings, und hier geht noch einmal ein Gruß an die Harley-Verantwortlichen, hat hier wohl jemand bei der Kalkulation in der Excel-Tabelle ein paar falsche Faktoren einprogrammiert. Jedenfalls erinnern die Preise für Speis und Trank eher an die überzogenen Tarife herbstlicher süddeutscher Volksfeste als an geldbörsenfreundliche Entgelte auf Bikertreffen. Und so bleibt es bei einem schnellen Getränk, einem kleinen Snack und dem Beschluss, noch nach Arneitz zu spazieren. Aber erst legen wir natürlich noch einen Stopp am Merchandisingstand ein. Schließlich müssen das unvermeidliche Bike Week-T-Shirt und ein Pin her, als Beweis dabei gewesen zu sein. Die kleine Wanderung nach Arneitz dient indes nur der Bewegung und dem Beineverteten. Wir drehen keine großartigen Runden mehr über den Markt und kehren auch nicht ein, sondern nehmen den nächsten Bus, um nach Drobollach zurückzufahren und dort noch ein schönes Abendessen zu genießen.
Auf ein Neues
Nachdem wir die große Kärntenrunde im vergangenen Jahr wegen des gebrochenen Riemenschutzes an der Sporty meiner Rockerbraut abbrechen mussten, nehmen wir sie dieses Jahr einfach noch einmal unter die Räder. Schließlich fehlte aus meiner Sicht eines der schönsten Teilstücke von Straßburg im Gurktal nach Metnitz und Flattnitz. Also starten wir recht früh auf den schon bekannten Teil der Strecke: durch Villach nach Treffen und weiter nach Arriach und Innerteuchen. Irgendwo auf dieser Strecke müssen wir allerdings einen kurzen Zwischenstopp am Straßenrand einlegen. Nur ein T-Shirt unter der Jacke und die leichten Sommerhandschuhe sind zu frisch für meine Rockerbraut. Da müssen ein Langarmpulli und dickere Handschuhe her. Denn trotz des herrlichen Wetters, das uns in diesem Jahr verwöhnt, lässt sich doch nicht leugnen, dass es schon September und damit früh morgens und nach Sonnenuntergang empfindlich kühl ist.
Besser und wärmer eingepackt geht es weiter nach Himmelberg und Feldkirchen, vorbei am Goggausee und über die uns schon bekannte, wundervolle Landstraße hinüber nach Weitensfeld im Gurktal. Dort gibt es - eine weitere Wiederholung zum vergangenen Jahr - eine kleine Erfrischungspause im Gasthaus am Marktplatz. Dann fahren wir nach Gurk, vorbei am Dom und über die Wimitzer Landesstraße hinauf nach Pisweg, Finsterwald und durch die wundervolle Äußere Wimitz wieder hinab nach St. Veit an der Glan. Hier machen wir an einer Tankstelle einen kleinen Halt, um die Spritvorräte unserer beiden Harleys für den Rest der Tour aufzufüllen. Wir selbst wollen uns jetzt noch nicht stärken, das heben wir uns für später auf - wir wissen auch schon ganz genau, wo.
Zielpunkt für unseren Pausenstopp ist nämlich die grandiose Burg Hochostertwitz, auf die wir über St. Donat zusteuern und die mich auch bei dieser dritten Zufahrt mit ihrem Anblick begeistert. Am Parkplatz zu Füßen der Burg halten wir wie geplant an und machen unsere Stärkungspause mit kühlem Wasser aus der Thermoskanne und leckerem, selbstgebackenem Kuchen. Trinkend und kauend können wir den Blick nicht von dem imposanten Bauwerk wenden, das dort oben auf dem Felsen thront. Allzu lange können wir aber nicht pausieren. Schließlich haben wir von unserer Tour bis hierher nur etwa ein Drittel geschafft. Da kommen wir lieber irgendwann noch einmal wieder, um die Burg selbst zu besuchen.
Und so starten wir frisch gestärkt nach Brückl, ziehen die herrliche Schleife über Diex wieder zurück nach Brückl, von wo wir über die Bundesstraße einfach nur Strecke machen bis Mösel. Dann wird es streckentechnisch wieder schöner. Denn wir biegen ab in Richtung Guttaring, fahren weiter bis Althofen, wo unsere Tour im vergangenen Jahr so abrupt ihr Ende fand, und von dort weiter über die Friesacher Straße nach Norden, bis wir wieder auf eine Bundesstraße stoßen, der wir kurz in Richtung Süden folgen. An Schloss Pöckstein geht es dann aber auch schon wieder hinein ins Gurktal Richtung Westen bis nach Straßburg.
So schön die Strecke seit dem Abzweig in Mösel auch war - offenbar ist hier in der Gegend dienstags der Standard-Ruhetag der Gastronomen. Schon seit einiger Zeit plagen uns Hunger und vor allem Durst, die wir nicht aus unseren mitgeführten Thermoskannen und Brotdosen am Straßenrand, sondern lieber in einem netten Biergarten stillen möchten. Aber überall, wo wir ein Gasthaus an der Strecke entdecken, ist es zumindest jetzt am Nachmittag, wenn nicht sogar ganztags geschlossen. Erst in Straßburg sehen wir gegenüber dem Hauptplatz eine geöffnete Wirtschaft, wo wir auch sofort einkehren. Das auf dem Gehweg eingerichtete kleine Straßencafé macht dieser Bezeichnung indes alle Ehre: Der Verkehr auf der Durchgangsstraße rauscht mit Armeslänge Abstand an uns vorbei, immerhin steht eine kleine Abtrennung in Form eines hüfthohen Bretterzauns zwischen uns und den vorbeisausenden Autos. Gemütlich ist anders. Aber unser Durst wird gestillt und wir können auch die anderen bei einem solchen Stopp notwendigen Verrichtungen erledigen. Länger als unbedingt erforderlich bleiben wir allerdings nicht. Wir starten lieber auf den von mir in meinen Erzählungen so gepriesenen letzten Streckenabschnitt von Straßburg hinauf nach Metnitz und weiter nach Flattnitz.
Obwohl ich meine Rockerbraut vorgewarnt hatte, winkt sie mich nach dem plötzlichen Rechtsabbiegen mitten in Straßburg - keine 200 m von unserem Halt entfernt - erst einmal zu einem Stopp an den Straßenrand. „Bist Du sicher, dass wir hier gerade richtig sind?“, höre ich sie herüberfragen. „Das ist doch keine Straße, die noch irgendwo hin führt.“ Doch, tut sie, auch wenn es hier unten im Ort überhaupt nicht danach aussieht. Aber mit jedem Meter, den wir weiterfahren, verliert sich das Ortskern- und Wohngebietfeeling. Die Gasse geht in eine wundervolle kleine Landstraßenidylle über, auf der wir uns zügig zu den hügeligen Höhen hinaufschwingen, von denen ich so geschwärmt habe. Und in der Tat: Nach ein paar Kilometern winkt meine Rockerbraut zu einem weiteren Stopp am Wegesrand, um die Aussicht einfach nur zu genießen und meine Begeisterung für dieses Fleckchen Erde und die Strecke zu teilen.
Nachdem wir auf die Landesstraße Richtung Metnitz und weiter nach Flattnitz gewechselt sind, gibt es gleich das nächste Highlight für uns. Diese Strecke ist kein wildes Kurvenkarussell mit endlosen Kehren. Aber mit ihrem geschwungenen Verlauf ist sie wie gebaut für unsere Harleys. Wir grooven uns in einen lockeren Swing hinein, der einfach nur riesigen Fahrspaß macht und uns ein breites Biker-Grinsen ins Gesicht zaubert. Das geht auch nicht weg, nachdem wir bei Flattnitz Richtung Süden und damit zurück ins Gurktal abbiegen. Diesen Streckenabschnitt kennen wir zwar schon von den Anreisen zur European Bike Week in vergangenen Jahren, als wir noch in Velden unsere Unterkunft hatten. Das macht ihn aber heute nicht weniger attraktiv. Sogar die Bundesstraße, der wir bald nach Feldkirchen folgen und die ein gutes Stück weit dem Verlauf der Gurk folgt, ist reines fahrerisches Vergnügen und ein würdiger Streckenabschluss für diesen Tag.
Um dem Tag auch noch einen kulinarisch würdevollen Abschluss zu geben, beschließen wir in Feldkirchen, von der geplanten, direkten Route nach Drobollach abzuweichen und am Ossiacher See entlang nach Treffen zu fahren. Dort hing nämlich heute Morgen beim Vorbeifahren ein großes Banner „Steakwochen“ am Biker-Wirtshaus direkt an der Ortsdurchfahrt - eine wohlklingende Einladung, der wir heute Abend nur zu gerne Folge leisten wollen. Allerdings erweist sich diese zusätzliche Schleife nach dem langen und anstrengenden Tag als totaler Flop. Heute ist im Hotelrestaurant nämlich Ruhetag, Speis und Trank gibt’s nur für die Hausgäste - so steht’s auf einem großen Schild am Eingang zum Biergarten. Und wir stehen hungrig, durstig und kopfschüttelnd ob dieser schlechten Nachricht davor.
Was also jetzt? Laut der Back-to-the-Roots-Broschüre finden während der diesjährigen Bike Week in Villach jeden Abend extra rockige Draupuls-Wasserspiele statt, immer um 21:30 Uhr. Das würde zeitlich wunderbar passen: Jetzt ist halb acht, da haben wir zwei Stunden Zeit, um nach Villach zu fahren, irgendwo in der City eine Kleinigkeit zu essen, an die Drau zu spazieren und uns dann die Licht-Musik-Wasser-Show anzusehen. Und da wir tatsächlich während all unserer Bike Week-Aufenthalte hier in Kärnten noch nie in der Villacher Innenstadt waren, beschließen wir kurzer Hand, diesen Plan trotz des langen Fahrtags in die Tat umzusetzen.
Bei unserer Ankunft auf einem der vielen, extra für diese Woche ausgewiesenen Bike-Parkplätze mitten in der Villacher Innenstadt sind wir allerdings überrascht, wie wenig Motorräder hier herumstehen. Und beim anschließenden Stadtrundgang bietet sich uns ein ziemlich widersprüchliches Bild: Während die Restaurants, Straßencafés und Biergärten rappelvoll sind und - wie wir immer wieder beobachten - sogar Gäste abweisen müssen, ist ansonsten völlig tote Hose. Okay, die Geschäfte haben jetzt natürlich schon geschlossen, das hatten wir auch nicht anders erwartet. Aber es gibt kaum umherflanierende Schaufensterbummler, die Innenstadt ist abseits der Gastronomie wie ausgestorben, selbst an den Drauterrassen, wo die Wassershow stattfinden soll, ist noch kein Publikum versammelt.
Als sich das auch bis ca. 21 Uhr nicht ändert, ziehen wir doch einmal unsere Smartphones zu Rate, warum hier nicht mehr los ist. Und stellen auf der Webseite des Draupuls-Veranstalters fest, dass die Wassershow gar nicht täglich stattfindet. Da hat sich wohl ein Fehler ins Back-to-the-roads-Programmheftchen eingeschlichen. Denn tatsächlich steht das Spektakel nur Mittwoch, Freitag und Samstag auf dem Programm. Und heute ist Dienstag - scheinbar kein Tag, an dem uns außer unserer wundervollen Kärnten-Tour viel geboten werden soll. Diese Erkenntnis, kombiniert mit einem immer drängenderen Hunger- und Durstgefühl im Bauch, führt durchaus zu einer gewissen Grantigkeit bei meiner Rockerbraut und mir. Wahrscheinlich war es doch keine so gute Idee, nach einem langen, wahnsinnig schönen Tourentag immer noch ein neues Highlight oben drauf satteln zu wollen. Irgendwann muss halt auch mal genug sein.
Deshalb beschließen wir, für heute keine Experimente mehr zu machen, sondern einfach auf Nummer sicher zu gehen und in dem wohlbekannten Steak- und Burgerladen zu essen, der sowieso an unserer weiteren Strecke nach Drobollach im Villacher Industriegebiet liegt. Dort ist tatsächlich ordentlich was los, wie die vielen Harleys auf dem Parkplatz schon bei der Anfahrt versprechen. Aber es gibt noch einen schönen Tisch für uns zwei im Wintergarten, an dem wir es uns bequem machen. Und mit jedem Bissen meiner Rockerbraut von ihrem perfekt gegrillt Steak und jedem Happen, den ich von meinen Spare Ribs nehme, steigt unsere Laune wieder in höchste Höhen.
Shopping an zwei Seen
Der erste Morgen am Faaker See nach unserer sonntäglichen Anreise steht immer im Zeichen meines Einkaufsbummels zum örtlichen Supermarkt. So ist es auch heute an diesem wundervollen Montag. Schließlich muss so ein liebgewonnenes und sinnvolles Ritual gepflegt werden. Und die gähnende Leere im Kühl- und Vorratsschrank unserer Ferienwohnung ein Ende haben. Während meine Rockerbraut also in süßen Träumen einen ausgiebigen, entspannten Schönheitsschlaf halten darf, ziehe ich mit irgendeiner bereits leer geräumten großen Tasche los und kaufe alles ein, was wir für die Bike Week brauchen werden. Das sind vor allem Zutaten fürs Frühstück. Und ein paar Getränke. Denn alle anderen Mahlzeiten nehmen wir normalerweise unterwegs bei unseren Touren oder abends im Harley-Village bzw. in einem der Restaurants rund um den See ein.
Schwer bepackt komme ich irgendwann von meiner Shopping-Tour zurück, wecke meine Rockerbraut, verstaue den Einkauf und bereite das erste Morgenmahl in diesem Urlaub für uns beide vor. Während wir dann gemütlich beieinander sitzen, unseren Tee schlürfen, dazu Brote und Müsli futtern, sind wir uns darin einig, dass wir heute trotz des herrlichen Wetters keine große Tour in Angriff nehmen wollen. Stattdessen beschließen wir, gleich am ersten Tag unser Pflichtprogramm für diese Woche abzuarbeiten: Checken, was wir von unserer kleinen Bike Week-Einkaufsliste in diesem Jahr trotz reduziertem Angebot ergattern können. Und so starten wir nach dem Frühstück, das zeitlich eher die Bezeichnung Brunch verdient hätte, nach Arneitz, um die dort aufgebauten Verkaufsstände zu besuchen. Und weil die Straße rund um den Faaker See auch in diesem Jahr keine Einbahnregelung hat, nehmen wir den direkten Weg entgegen der sonst erlaubten Fahrtrichtung über Egg und Neuegg.
Auf dem Parkplatz beim Arneitz ist schon einiges los, allein sind wir hier beileibe nicht - das ist schon einmal ein gutes Zeichen. Nach dem ersten Rundgang über den Markt sind wir noch einmal positiv überrascht. Natürlich: Hier ist nicht die Masse an Ständen wie in den normalen Bike Week-Jahren. Es gibt kein großes Festzelt und auch keine Brücke über die Straße vom Arneitz herüber zum Parkplatz und zum Markt. Aber es gibt - zumindest für unseren Geschmack - ein durchaus lohnendes Angebot an Klamotten, Schmuck, Zubehör und sonstigen Bike- und Biker-Accessoires, meistens sogar in alternativer Auswahl bei verschiedenen Händlern.
Diese erste Runde nutzen wir vor allem, um uns erst einmal einen Überblick zu verschaffen und zu schauen, was wir von unserer Einkaufsliste wo am besten erwerben können. So suche ich zum Beispiel eine größere Sissybar-Tasche für meine Road King. Die aktuelle ist zwar ein echtes Schmuckstück und tut uns bei unseren Reisen gute Dienste. Aber schon für einwöchige Urlaube müssen wir unsere Klamottenauswahl sehr genau treffen. Und für so manches Mitbringsel bei der Rückfahrt kreative Transportlösungen finden. Mehr Stauraum kann also nie schaden!
Außerdem fahre ich seit meinem Lenkerumbau meistens ohne Scheibe, weil mein Straßenkönig so einfach besser aussieht und mir noch mehr frischer Wind um die Nase weht. Verzichten muss ich seitdem aber auf die praktische Scheibentasche. Deshalb suche ich nach einer Tasche, die ich irgendwie an meinem Apelenker befestigen und in der ich dann Sonnenbrille, Fotoapparat sowie ein paar andere Kleinigkeiten verstauen kann. Tatsächlich können wir uns bei verschiedenen Ausstellern ein paar sehr interessante Sachen anschauen.
Eine Entscheidung wollen wir jetzt aber noch nicht treffen. Dafür plagen meine Rockerbraut und mich Hunger und vor allem Durst zu sehr. Wir spazieren erst einmal rüber zum Arneitz, checken bei den Corona-Kontrollen ein, besorgen Trank für uns beide und dazu noch Speis für mich. Nachdem meine Rockerbraut ihren mitgebrachten Kuchen und ich meinen sehr ordentlichen Burger verspeist haben, sprechen wir noch einmal das in Augenschein genommene Angebot durch und treffen auch einstimmig die Entscheidungen, welche Sissybar-Tasche plus Gepäckrolle und welche Lenkertasche es denn werden sollen. Dann geht es frisch gestärkt zurück auf den Markt.
Doch bevor wir uns an den Kauf der großen Sachen machen, gibt es erst noch etwas Kleines, Warmes: dicke Socken aus Yak-Wolle für meine Rockerbraut. Die braucht sie nämlich für ihre dauerkalten Füße selbst an manchen Sommertagen. Dann geht es weiter zur Sissybar-Tasche und der Gepäckrolle. Beide lassen wir uns noch einmal ganz genau zeigen und erklären - wie wird die Tasche auf dem Rücksitz und an der Sissybar befestigt, wie variabel ist sie, wenn sie mal nicht vollgepackt ist, wie kann ich die Gepäckrolle auf der Sissybar-Tasche oder auch sonst am Bike festmachen -, feilschen noch ein bisschen um den Preis und schließen den Kauf dann per Handschlag ab. Dass das ganze Gespräch auf Englisch läuft, macht die Sache noch einmal extra spannend - und sehr lustig. Denn meine letzte Konversation auf Englisch ist schon länger her, entsprechend eingerostet ist der Wortschatz. Verhandlungssicheres Englisch klänge sicher anders, was aber gar nichts macht. Denn die gemeinsame Suche nach den richtigen Worten sorgt auf beiden Seiten für jede Menge Spaß.
Solange der Verkäufer die original verpackten Taschen aus seinem Lager holt, hüpfen wir einmal über den Gang zwischen den Verkaufsreihen zu dem Lederhändler, bei dem wir die Lenkertasche unserer Wahl gesehen haben. Wir beschreiben den angedachten Einsatzzweck und unsere Zweifel, ob die ausgesuchte Tasche tatsächlich zwischen die Lenkerstangen passt. „Ja holt doch das Bike mal her, dann wissen wir gleich, ob’s passt“, sagt die nette Verkäuferin. Und wischt unseren Hinweis, dass die Einfahrt auf den Markt doch verboten sei, gleich weg: „Wennst´ hinten rum fährst, dann kommst´ gleich hier vorne am Gang aus, da kontrolliert heut keiner.“ Und so spurte ich flugs zum Parkplatz und hole meine Straßenkönig, den ich tatsächlich ungehindert bis vor den Stand mit den Ledertaschen fahren kann.
Während ich so im Schritttempo die letzten Meter bis zu meinem Ziel rolle, gibt es den Seelenschmeichler des Tages für mich: Wieder einmal, wie schon der Harley-Fahrer an der Tankstelle in Villach bei einem unserer früheren Faak-Besuche und dann etwas später der nette Oldtimer-Cabriofahrer am Chiemsee, zeigen mir zwei begeisterte Marktbummler ein unübersehbares Daumenhoch und rufen mir ein „geiler Luftfilter“ zu, als ich an ihnen vorbeituckere. „Guck mal, wie sich das Turbinenrad dreht!“, höre ich noch. Dann bin ich leider schon wieder außer Hörweite - aber einen ganzen Kopf größer. Kann dieser Tag noch besser werden?
Bei der Anprobe meiner Lenkertasche stellt sich schnell heraus, dass die favorisierte Tasche tatsächlich perfekt passt - die Tasche selbst zwischen die Lenkerstangen, in die Tasche der Fotoapparat, die Sonnenbrille und noch ein paar andere Utensilien, die ich gerne griffbereit vor mir habe. Aber: Diese Tasche ist, wie alle anderen auch, dafür gemacht, sie mit ihrer Längsseite an einer Querstrebe zu befestigen. Seitlich, für eine Montage zwischen den vertikalen Schenkeln meines Apehangers, sind keine Lederschlaufen oder andere Befestigungen vorgesehen. Die nette Lederverkäuferin weiß aber Rat: „Wir schlagen einfach in die Seitenteile der Taschen Schlitze, ziehen Lederriemen durch und außen um die Lenkerrohre, die Du dann innen in der Tasche schließt. Das sitzt bombenfest, selbst mit der schweren Kamera in der Tasche.“
Aber wie kommen die Schlitze ins Leder? Der Ledermacher ist heute nicht auf dem Stand, die Verkäuferin traut sich nicht so recht an die Sache heran. Und so heißt es: Selbst ist der Mann! Das nötige Werkzeug ist natürlich da, also nehme ich in der kleinen Werkstattecke im Verkaufszelt Hammer und Stecheisen zu Hand und schlage die notwendigen Schlitze in die Seitenwände meiner neuerworbenen Lederlenkertasche. Die ist dann auch im Handumdrehen befestigt und sieht einfach nur klasse aus.
Während dieses Ledertaschenkaufs hat der Verkäufer meiner neuen Sissybar-Tasche und Gepäckrolle, dessen Stand genau vis-à-vis liegt, die Zeit und Gelegenheit genutzt, die Taschen, die er aus dem Lager geholt hat, gleich auf meinem Straßenkönig festzuschnallen. So steht meine Road King nun in vollem Reiseornat auf dem Gang des Arneitzer Marktes. Und auf den ersten Blick ist klar: Stauraum sollte bei zukünftigen Reisen wahrlich kein Problem mehr sein.
Und nun? Es ist noch sehr früh an diesem Montag, erst recht in dieser Woche, und wir waren schon so erfolgreiche Shopping-Freaks! Sollen wir unserem Einkaufsrausch also noch weiter frönen? Ein paar Kleinigkeiten stehen immerhin noch auf unserer Liste. Wir beschließen, es nicht gleich am ersten Tag total zu übertreiben und lieber noch ein bisschen Straße unter die Räder zu nehmen. Aber nicht mit all diesen leeren, herumflatternden Taschen auf meiner Maschine. Deshalb geht es erst einmal zurück in unsere Ferienwohnung, wo wir den überflüssigen Ballast abladen. Dann machen wir uns noch auf eine Runde um den Wörthersee.
Von Drobollach geht es zuerst nach Rosegg und von dort am Südufer des Wörthersees entlang bis nach Klagenfurt. Dort stehen wir um kurz vor 5 am Nachmittag an der Kreuzung der Wörthersee-Südufer-Straße zum Südring. Und treffen eine verrückte Entscheidung: Wann, wenn nicht heute, sollten wir noch zum örtlichen Harley-Händler fahren? Leerer als an diesem Montag wird es die nächsten Tage sicher nicht werden. Und so biegen wir rechts anstatt links ab und stürzen uns entgegen aller guten Vorsätze noch einmal in die Shopping-Freuden der Bike Week. Leider sind alle T-Shirts, die mir gefallen, nicht in meiner Größe da. Aber immerhin gibt es für meine Rockerbraut eine schicke Softshell-Jacke und einen nicht minder tollen Rollkragenpullover. Und wir erstehen noch Hosenträger. Ja, ja, alte Leute brauchen Hosenträger, ich höre schon das Frotzeln. Aber weil auf die Hosen unserer Funktionskombis keine Gürtel gezogen werden können und wir das ewige Hochziehen satt haben, wenn wir auch nur ein paar Schritte in diesen Hosen gehen müssen, ohne dass sie mit den Jacken verbunden sind, haben wir uns jetzt nach langem Hin und Her schweren Herzens zum Kauf dieser nicht gerade stylischen Accessoires entschlossen.
Außer der Befriedigung unserer Einkaufsgelüste gibt es noch ein weiteres Highlight beim Besuch des Klagenfurter Harley-Händlers. Hier stehen nämlich die supernetten Holländer, bei denen wir in den vergangenen Jahren unsere genialen Biker Boots gekauft haben. Die beiden sind heilfroh, dass sie nach der Absage des Marktgeschehens in Faak doch noch einen Platz zum Verkauf ihres Schuhwerks gefunden haben, und hoffen für die nächsten Tage wenigstens auf ein bisschen Geschäft. Dass wir so überglücklich mit unseren Stiefeln sind und sie nicht nur zum Motorradfahren, sondern auch für die zwischendurch immer wieder eingelegten kleinen Spaziergänge sehr schätzen, freut die beiden ungemein.
Über das ganze Shoppen und Quatschen ist die Uhr unbemerkt so weit vorangeschritten, dass die Harley-Händler-Mannschaft schon mit dem Auf- und Einräumen für den Feierabend begonnen hat - die freundliche Version des Rausschmisses der sich sonst wohl endlos festbeißenden Kundschaft. Wir erkennen die Zeichen der Zeit und verabschieden uns, gut bepackt mit den unverwechselbaren Tüten aus dem Store. Den Heimweg treten wir jetzt über die Bundesstraße am Nordufer des Wörthersees an, fahren der untergehenden Sonne entgegen und landen bei dieser Streckenwahl mit eintretender Dunkelheit unweigerlich in Velden, wo in diesem Jahr auch wieder eine Harley-Sause steigt. Eigentlich wollten wir hier ja heute Abend nicht mehr anhalten. Aber als wir an zwei freien Parkplätzen in bester Lage und in Sichtweite des Casinos vorbeifahren, ist auch dieser Vorsatz über den Haufen geworfen. Flugs schwenken wir in die Lücke ein und starten eine Erkundungstour durch das Veldener Bike Week-Treiben.
Der Schicki-Micki-Trubel in dieser Touri-Hochburg ist allerdings nicht so richtig nach unserem Geschmack. Ja, natürlich stehen hier wieder geile Bikes herum, manche davon wahrscheinlich kaum fahrbar, dafür aber umso spannender anzuschauen. An den Verkaufsständen ist nichts besonders Tolles geboten, aber das könnte auch daran liegen, dass wir unser Shoppingbedarf für heute absolut gedeckt ist. Immerhin: Schauen ist ja nicht verboten. Während wir so an einem Stand für Bikerschmuck die Auslage in Augenschein nehmen, sehen wir, wie sich ein Mann - der Inhaber des Geschäfts, wie wir später erfahren - und eine Frau - seine angestellte Verkäuferin - mit einem riesigen bemalten Totenkopf abmühen, um ihn aufmerksamkeitsstark auf einem Podest zu platzieren. Das überdimensionale Ding ist ganz offensichtlich viel zu schwer für die beiden allein. Also drücke ich meiner Frau meine Jacke in die Hände und packe kurz mit an. Schnell steht der Schädel auf seinem Platz. Während ich ihn noch einen Moment halte, richten die beiden Schmuckhändler das Podest und den darauf thronenden Totenkopf aus, damit er absolut sicher und fest steht.
Jetzt habe ich mir aber eine Stärkung verdient! Und meine Rockerbraut natürlich auch. Wie schon beim Parken der Bikes haben wir bei der Suche nach einem aussichtsreichen Plätzchen für ein Abendmahl wieder Glück. Wir finden einen Tisch in bester Zuschauerlage direkt an der Hauptflaniermeile unweit des Casinos, genießen ein kleines, sehr leckeres Abendschmankerl und bestaunen und bewundern dabei die vorbeischlendernden Bike Week-Gäste sowie so manchen Urlaubsgast, der sich in dieser Woche hierher verirrt zu haben scheint.
Irgendwann ist es dann aber auch Zeit aufzubrechen und zurück nach Drobollach zu fahren. Dabei hat die Heimfahrt allerdings noch eine wenig erfreuliche Überraschung für uns oder besser gesagt für meine Rockerbraut parat: Weil es mit der hereinbrechenden Dunkelheit merklich abgekühlt hat, will sie die Griffheizung an ihrer Sporty einschalten und muss feststellen, dass die nicht mehr funktioniert. Ob das mit dem Schlagloch gestern in Lienz zusammenhängt, nach dessen Durchfahren der Seitendeckel heruntergefallen war? Ist da vielleicht auch irgendetwas an der Elektrik auseinandergegangen? Das muss ich mir morgen im Hellen einmal anschauen. Vielleicht ist ja nur ein Stecker locker. Für heute Abend heißt es jetzt aber erst einmal: mit eiskalten Fingern irgendwie die paar Kilometer von Velden an den Faaker See zu fahren. Und obwohl die Fahrt gerade einmal eine Viertelstunde dauert, müssen wir zweimal kurz Pause machen, damit meine Rockerbraut ihre völlig gefühllosen Hände aufwärmen und weiterfahren kann.
Kärnten ruft
Im Laufe der Woche haben wir unsere Koffer und Taschen gepackt, gestern unseren Hund zu seinem liebevollen Sitter gebracht und die Bikes beladen, heute geht es ab nach Faak. Der Wetterbericht verheißt allerbestes Wetter für die kommenden acht Tage: Sonnenschein ohne Ende und kein Tropfen Regen vom An- bis zum Abreisesonntag der Bike Week. Damit ist die wichtigste Voraussetzung für genialen Motorrad-Spaß in Kärnten schon einmal gegeben. Außerdem soll es in diesem Jahr ja wieder ein - wenn auch reduziertes - Programm geben: Harley Bike-Show in Faak, Markt und Konzerte in Arneitz, zahllose Veranstaltungen in Gaststätten und Hotels in der Region, insbesondere in Villach.
So starten wir voller Vorfreude auf eine perfekte Motorradurlaubswoche nach Drobollach zu unserer Ferienwohnung in Sichtweite des Faaker Sees. Dieses Jahr haben wir für die Anreise wieder die Strecke über die Felbertauernstraße ausgewählt. Die bildet für unseren Geschmack einen ansprechenden Kompromiss aus recht zügig befahrbaren Bundesstraßen, reizvollen Landschaften und ein bisschen Fahrvergnügen bei der Anreise in den Süden Österreichs. Außerdem konnten wir diese Route im letzten Jahr wegen des durchwachsenen Wetters bei der Anreise nicht wirklich genießen, da gibt es also auch noch ein kleines bisschen Nachholbedarf. So geht es denn nun voll bepackt nach Kössen und St. Johann in Tirol, wo wir einen kleinen Tankstopp einlegen. Dann rollen wir mit mehr als genug Sprit im Tank für den Rest der Tour über Kitzbühel zum Pass Thurn, hinab nach Mittersill und weiter Richtung Felbertauerntunnel.
Bevor es in die lange Röhre geht, legen wir am Rastplatz Elisabethensee eine kleine Stärkungspause ein. Und haben eine durchaus bemerkenswerte Begegnung: Ein VW-Bus rollt auf den Parkplatz - mit einer kompletten Touring-Harley im Heck. Das muss ich mir natürlich aus der Nähe ansehen. Und tatsächlich bestätigt mir der stolze Besitzer, dass er aus seinem Bulli nur die hinteren beiden Sitzbänke heraus bauen und an seiner Maschine nur eine einzige Modifikation vornehmen muss: Die Scheibe muss ab. Dann passt das Ungetüm samt Verkleidung, Spiegeln und Koffern in den Bus. Maßarbeit, kann ich da nur sagen! Und eine praktische Lösung, die einen Anhänger und damit verbundene Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Parkplatzprobleme spart - wenn man denn nicht lieber, so wie wir, schon die Anreise als Teil des Vergnügens genießen möchte und auf Achse dem Ziel seiner Träume entgegen rollt.
Diesem Spaß widmen wir uns nach der bemerkenswerten Begegnung wieder und starten auf Achse weiter Richtung Süden. Die Durchfahrt durch den Felbertauerntunnel verläuft gewohnt unspektakulär und langweilig, sodass wir froh sind, als wir am anderen Ende der Röhre wieder Tageslicht statt blendender Scheinwerfer des Gegenverkehrs erblicken. Der Obulus für die Passage durch den Berg ist schnell entrichtet - heute ist erstaunlich wenig Verkehr unterwegs, auch wenn die Harley-Dichte auf der Straße oder auf Trailern mit jedem Kilometer Richtung Faak durchaus merklich zunimmt - und so geht es zügig weiter durch das Tauerntal über Matrei bis nach Lienz. Wir genießen jeden Kilometer!
In Lienz lotst mich meine Rockerbraut dann plötzlich auf den Parkplatz einer Tankstelle. Sie hat eine querverlaufende Senke in der - für eine Bundesstraße und Stadtdurchfahrt durchaus als katastrophal zu bezeichnenden - Fahrbahndecke falsch eingeschätzt und nicht umfahren, sondern voll mitgenommen. Resultat: Der linke Seitendeckel ihrer Sporty hat sich aus den Halterungen gelöst und baumelt neben dem Motorrad herunter. Außerdem hat sie sich ihren Steiß ordentlich angeschlagen. Da ist erst einmal eine kleine Pause angesagt.
Während meine Rockerbraut den Schreck und den Schmerz in ihrem verlängerten Rücken lindert, versuche ich, den Seitendeckel wieder ans Halten zu bekommen. Das will aber nicht so recht gelingen. Das Elektronik- und Kabelwirrwarr hinter dem Deckel hat es offensichtlich aus seiner ausgeklügelten Verschlungenheit gerüttelt, sodass ich nicht alles wieder so passgenau unterbringe, wie es vorher wohl einmal war. Immerhin: Nach dem dritten oder vierten Anlauf bekomme ich den Deckel wieder einigermaßen angebaut. Aus technischer Sicht können wir also weiterfahren. Und zum Glück hat sich auch der Schmerz bei meiner Rockerbraut so weit gelegt, dass wir uns auf die zweite Hälfte dieser Anreise machen können.
Ab Lienz folgen wir dem Drautal über Oberdrauburg nach Dellach, wo wir in einem Gasthaus an der Straße eine Rast mit Speis und Trank einlegen, bis Greifenburg. Weil das Wetter so sensationell schön ist und wir die Tour mit jedem Kilometer und jeder Minute mehr genießen, zweigen wir hier ab in Richtung Weißensee, um ein paar richtige Kurven unter die Reifen zunehmen. Dann geht es nach Hermagor, vorbei am Pressegger See und weiter durch das Gailtal bis Nötsch. Dort nehmen wir den Abzweig hinauf nach Bad Bleiberg, um uns eine weitere ordentliche Portion Kurvenspaß zu gönnen und bei der Abfahrt hinab ins Drautal die herrliche Aussicht auf Villach in uns aufzusaugen.
Villach ist dann schnell passiert und unsere Ferienwohnung eigentlich schon fast erreicht. Aber trotz der fast 300 km, die wir heute schon zurückgelegt haben, treibt uns die Neugier doch auf eine Runde um den Faaker See: Was wird dieses Jahr tatsächlich in Faak und Arneitz geboten? Sind viele Biker unterwegs? In Faak sehen wir im Vorüberfahren ein großes abgezäuntes Areal mit mehreren kleineren Zelten und einem Cateringbereich. Das ist einerseits schon alles, wie wir beim Tankstopp feststellen müssen. Links, rechts und gegenüber der Tankstelle in Faak herrscht gähnende Leere statt regem Treiben. Keine Festzelte, keine Verkaufsstände, keine Dealer-Meile. Andererseits ist es deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als die Bike Week hier in Faak ein Totalausfall war.
Das sieht dann ein paar Kilometer weiter in Arneitz zum Glück noch einmal besser aus. Auf dem Parkplatz steht eine durchaus nennenswerte Anzahl Motorräder, dahinter leuchten ein paar Verkaufszelte, zwischen denen sich sogar schon ein Besucher tummeln. Gegenüber herrscht vor der Bühne bereits Partystimmung, obwohl es erst später Nachmittag und noch gar keine Zeit für Live-Musik ist. Da scheint ja was zu gehen in den nächsten Tagen! Und unsere kleine Einkaufsliste können wir vielleicht auch abarbeiten.
Jetzt aber erst einmal in die Unterkunft. Die Begrüßung durch unsere Gastgeber Manu und Hans ist ein einziges großes, herzliches Hallo, die Freude des Wiedersehens nach einem Jahr riesig. Aber so gerne wir mit den beiden jetzt stundenlang plaudern würden: Langsam machen sich Müdigkeit und Hunger breit. Bevor wir Letzteren stillen können, müssen wir erst die Bikes abladen, das Gepäck in den zweiten Stock in unsere Ferienwohnung schleppen, zumindest Klamotten für heute Abend auspacken und uns frisch machen, damit wir zum Essen gehen können.
Nachdem das alles erledigt ist, machen wir uns auf zu einem kleinen Bummel durch Drobollach, um uns die Beine ein wenig zu vertreten und die durchgeschüttelten Glieder zu recken und zu strecken. Dabei landen wir - ganz zufällig natürlich - in unserem heißgeliebten Restaurant direkt an der Rundstraße, wo wir auf der Terrasse mit Blick auf den Faaker See, das Bergpanorama im Süden und den vorbeirollenden Verkehr mit durchaus nennenswerte Harley-Dichte vorzüglich speisen. Für meine Rockerbraut gibt es eine der veganen Leckereien auf der Karte, ich starte mit meinem heiß geliebten Cordon bleu, das hier so besonders schmackhaft mit einem herzhaften Käse und regionalem Speck gefüllt ist, und einer frischen, heißen Waffel mit Honig und Schokoladeneis als Nachtisch in die diesjährige European Bike Week. Wenn das kein phantastischer Auftakt ist!
Hausrunde zu zweit
Zwei motorradfreie Wochen liegen schon wieder hinter uns. Jetzt müssen Straßenkönig und Sporty endlich mal wieder auf die Piste. Und so starten meine Rockerbraut und ich auf eine Hausrunde. Über Neukirchen, Surberg und Lauter geht es auf den Wonneberg. Dort legen wir an der wundervoll gelegenen Bank eine Pause ein und saugen zum wohl hundertsten Mal das prachtvolle Panorama der Chiemgauer Alpen auf, das sich klar und sonnenbeschienen vor uns ausbreitet.
Bevor wir endgültig in Tagträumereien versinken, starten wir wieder die V2-Motoren unserer Harleys und fahren vorbei am Waginger See nach Petting und Kirchanschöring, um von dort über kleine Nebenstraßen nach Leobendorf zu bummeln. Dann geht es weiter nach Schönram, Teisendorf und Achthal, bevor wir wieder zurück nach Hause rollen. Wie schnell und effektiv kann doch so eine kleine Hausrunde für totale Entspannung und Zufriedenheit sorgen!
Shovel in der Werkstatt
Nach unserem tollen Tirol-Urlaub habe ich noch ein paar Tage frei. Leider spielt das Wetter überhaupt nicht mit, um die eine oder andere Tour in unserer Heimatregion zu drehen. Immerhin ist es heute Nachmittag, am letzten Freitag meines Urlaubs, trocken. Da kann ich wenigstens mit meiner alten Shovelhead wegen der Kupplungs- und Vergaserprobleme einen kleinen Ausflug zu meinem Lieblings-Harley-Schrauber machen. Der zückt Schraubendreher und Schraubenschlüssel, justiert hier ein wenig und dort ein wenig nach, fährt eine kleine Runde und übergibt mir mein Oldtimerchen wieder. Nach so einer Reparatur im Handumdrehen bleibt also glatt noch Zeit für eine längere Proberunde um den Chiemsee.
Bevor ich auf diese Strecke starte, muss ich noch ein bisschen Seelennahrung aufsaugen. Zusammen mit mir sind nämlich noch andere Kunden bei meinem Lieblings-Harley-Schrauber, die total begeistert um meine alte E-Glide kreisen und das Bike in den höchsten Tönen loben. Das muss ich natürlich in vollen Zügen auskosten und genießen! Aber irgendwann tuckere doch weiter. Und stelle zufrieden fest, dass die Kupplung wieder einwandfrei funktioniert. Nur der Vergaser ist noch nicht perfekt. Die alte E-Glide geht beim Anhalten immer noch aus - allerdings nicht mehr so oft wie vorher.
Ab nach Hause
Ausgeschlafen, ausgezeichnet gefrühstückt, die restlichen Koffer gepackt - pünktlich zum Check-out-Termin stehen wir vor der Rezeption, um unsere Rechnung zu begleichen und uns zu verabschieden. Dazu gehören ein ganz herzliches Dankeschön für die wundervolle Woche an das ganze Hotelteam von unserer Seite und die besten Wünsche für die Heimreise an uns seitens der Wirtin des Hotels. Dann geht es im Schweiße unserer Bikerklamotten ans Beladen der Maschinen. Tatsächlich: Wir haben sogar noch Platz für den geplanten Einkauf beim örtlichen Metzger. Bevor wir aber endgültig aufbrechen, geht es ein letztes Mal an die Hotelbar, wir brauchen dringend ein kaltes Getränk, um uns zu erfrischen und die leer geschwitzten Flüssigkeitsvorräte aufzufüllen.
Dann geht es los - allerdings kaum 500 m weit bis zum Halt beim Metzger, bei dem wir uns mit Tiroler Speck und den leckeren Boxerl-Würstchen eindecken. Dazu gehört natürlich auch wieder ein Mitbringsel für unserer Housesitter. Jetzt starten wir aber endgültig ab nach Hause. Dabei steht das Navi auf „schnellste Strecke“ und „Autobahnen vermeiden“, weil wir doch recht zügig unterwegs sein möchten - auch angesichts der dunklen Wolken, die das Inntal gemeinsam mit uns hinunterziehen.
Die Fahrt verläuft entsprechend unspektakulär, außer einem kleinen Baustellenstau in Innsbruck kommen wir bis zum Zillertal gut durch. In Brixlegg legen wir einen kurzen Stopp ein, weil wir den vorauseilenden Regenwolken doch bedenklich nah gekommen sind. Wir würden dieser Front gerne wieder einen größeren Vorsprung geben. Bei dieser Pause treffen wir allerdings auch eine kleine Fehlentscheidung: Bei der Überlegung, auf der Bundesstraße diesseits des Inns zu bleiben oder die schöne Nebenstrecke auf der anderen Innseite zu nehmen, entscheiden wir uns für die Bundesstraße. Das bremst uns in den Ortsdurchfahrten von Kundl, Wörgl und vor allem Kufstein mit Stopp-and-Go-Verkehr und roten Ampelphasen mehr als erwartet aus. Aber nachher ist man halt immer schlauer ...
Trotzdem kommen wir noch genau vor dem abendlichen Regen wohlbehalten und bestens erholt zuhause an. Außer ein paar Wassertropfen, die als Gischt von nassen Straßen auf unseren Bikerboots gelandet sind, haben wir wieder kein Nass abbekommen und sind trotz der immer wieder drohenden Regenwolken trocken angekommen.
Auf Entdeckertour
Weil uns das Kühtai schon im vergangenen Jahr bei der Rückfahrt aus dem Urlaub so gut gefallen hat, habe ich für dieses Jahr eine Rundtour über diese wunderschöne Strecke geplant. Und dabei wegen eines Tipps aus einer Motorradzeitschrift einen Abstecher ins Lüsenstal eingeplant.
Sicherheitshalber frage ich morgens nach dem Frühstück unseren bikenden Wirt, ob ein Ausflug in dieses Seitental auch wirklich hält, was der Artikel in der Zeitschrift verspricht. Die Reaktion ist für mich völlig überraschend: „Wie heißt das? Lüsenstal? Noch nie gehört. Wo soll das sein?“, fragt er mit staunendem Blick zurück. Und zuckt auch nach meiner Ortsbeschreibung mit den Schultern. „Davon habe ich noch nie gehört. Aber berichtet heute Abend mal, wie’s war. Dann kann ich es ja auch mal in meine Tourenliste aufnehmen.“
So starten wir also mit einem kleinen, inoffiziellen Scouting-Auftrag in unseren heutigen Tourentag. Für die Anreise zum Kühtai wählen wir dieses Mal aber statt der Auffahrt von Oetz aus die Strecke von Haiming über Haimingerberg nach Ochsengarten. Leider fährt auf dieser tollen Strecke und dann sogar noch weiter bis zum Speicher Längental kurz vor dem Örtchen Kühtai ein Lkw vor uns, voll beladen mit Mist und ohne irgendeine Chance, ihn zu überholen. Immerhin stinkt die Ladung erstaunlich wenig; es gibt auch wenig Verluste, die die Straße vor uns einsauen und in einen schlüpfrigen Mistparcours verwandeln könnten. Deshalb können wir der Verfolgungsfahrt in respektvollem Abstand auch etwas Gutes abgewinnen: Wir haben gemütlich Zeit, die vorbeiziehende Landschaft und die Aussicht auf die tiefenentspannten Kühe, Pferde und Esel zu genießen, die überall am Wegesrand oder auch schon mal mitten auf der Fahrbahn stehen oder gehen und ihre Gelassenheit scheinbar direkt auf uns übertragen. Das macht so viel Freude, dass trotz - oder vielleicht doch gerade wegen - des Schneckentempos die Glückshormone mit jedem Kilometer stärker ausgeschüttet werden.
Nach einem kurzen Stopp in Kühtai geht es gleich weiter nach Gries im Sellrain, wo wir trotz des einsetzenden leichten Nieselregens auf unbekanntes Terrain abzweigen und das ominöse Lüsenstal entdecken. Was für eine gute Entscheidung! Und was für ein Kontrast zum Skiort Kühtai! Hierher ist zumindest der alpine Skizirkus offensichtlich noch nicht vorgedrungen. Das Tal, die Hänge und die Berge kommen ohne Lift- und Seilbahnverschandelungen aus. Stattdessen stürzen überall die von uns so sehr geliebten Wasserfälle und Bäche herab. Einfach herrlich!
Am Ende des Tals erwarten uns ein einladender Berggasthof und - perfekt für die geplante Pause - blauer Himmel samt Sonnenschein. Der junge Wirt begrüßt uns mit ausgesprochener Gastfreundlichkeit, und während wir an einem Tisch auf der Terrasse Platz nehmen, erzählt er uns, dass er erst vor Kurzem hier als neuer Pächter angetreten ist. Mitten in der Pandemie ein denkbar schlechter Zeitpunkt, aber er ist zuversichtlich, dass er hier auf Dauer ein solides Geschäft etablieren kann. Das Panorama von seiner Terrasse aus steht dem sicherlich nicht im Weg. Wir bestaunen mit Blickrichtung Süden die Stubaier Alpen und ihre Gletscher sozusagen von der Rückseite, wie uns der Wirt erklärt. Auch das kulinarische Angebot kann sich sehen lassen. Die Karte bietet alles, was ein hungriger Biker und sicherlich auch hungrige Wandersleut´ sich in einem Tiroler Berggasthof wünschen. Wir bestellen zwar nur eine Portion Pommes für meine Rockerbraut und ein Stück Kuchen für mich, aber beides kann sich absolut sehen lassen. Der hausgemachte Kuchen ist ein Gedicht und die frittierten Kartoffelstäbchen gehören zu den besten, die meine Rockerbraut bei unseren zahllosen Pausen genießen durfte. Denn gute Pommes sind durchaus nicht jeder Köchin und jedes Kochs Sache!
Wir wünschen dem netten Wirt und seinen Mitarbeiterinnen im Service und in der Küche viel Erfolg mit diesem herrlich gelegenen Gasthaus. Dann starten wir bei immer weiter aufbrechender Wolkendecke und immer mehr hervorscheinenden Sonnenstrahlen zurück nach Gries im Sellrain. Fahrerisch ist das Lüsenstal natürlich keine Offenbarung. Da gibt es mit dem Kühtaisattel selbst und den vielen Pässen in der Nähe für Kurvensüchtige weitaus Spannenderes und Anspruchsvolleres zu entdecken. Trotzdem nehmen wir diesen Geheimtipp nur zu gerne mit auf den Heimweg. Denn für eine tolle Pause und entspanntes Cruisen ist dieses Tal allemal einen Abstecher wert!
Zurück im Sellraintal gehen wir wieder auf unsere ursprüngliche Runde und fahren hinunter nach Kematen, überqueren den Inn und nehmen dann noch eine Schleife hinauf nach Seefeld in Angriff. Von dort geht es in einem herrlichen Bogen über Leutasch wieder zurück ins Inntal nach Telfs und dann wieder weg vom Inn über die B189 bis kurz vor Nassereith. Die letzte Etappe über Imst und Mils können wir schon fast blind zurücklegen, so gut kennen wir diesen Streckenabschnitt inzwischen.
An der Tankstelle neben dem Hotel füllen wir noch schnell unsere leeren Spritbehälter für die morgige Heimfahrt. Dann geht es unter eine erfrischende Dusche und leider auch zum Packen der ersten Koffer aufs Zimmer. Bei unserem letzten Abendessen auf der Hotelterrasse berichten wir unserem Wirt noch aus dem Lüsenstal. Er ist tatsächlich baff erstaunt, dass zwei dahergelaufene Gäste ihm als Einheimischem und altgedientem Motorradguide noch ein neues Ausflugsziel aus seinem angestammten Tourenrevier empfehlen können. Für seine Pässetour über das Kühtai, den Brenner, den Jaufenpass und das Timmelsjoch ist das Lüsenstal natürlich keine passende Ergänzung. Aber vielleicht kann er den Abstecher in eine ruhigere Halbtagestour einbauen. Nach dem Abendessen entspannt sich außerdem noch ein gemütlicher Biker-Plausch mit anderen zweiradaffinen Gästen, bis wir irgendwann wegen der morgigen Abreise abbrechen und uns die nötige Mütze Schlaf holen.
Regenpausentag
Auch wenn der Regen nicht mehr ganz so heftig ist wie beim Gewitter gestern Abend: Motorradfahren werden wir uns heute definitiv verkneifen. Es tröpfelt und nieselt unentwegt. Da machen wir nach einem ausgiebigen Frühstück lieber einen gut beschirmten Spaziergang durch den Ort und schauen beim Metzger wegen seiner Öffnungszeiten vorbei. Denn wir möchten übermorgen vor der Heimfahrt - wie schon im vergangenen Jahr - wieder bei ihm einfallen und uns mit Tiroler Speck und leckeren Boxerl-Würsten versorgen. Das Öffnungszeitenschild an der Tür gibt uns grünes Licht für diesen Stopp: kein Ruhetag und auch keine Mittagspause. Da können wir ganz nach unserem Belieben einfallen - solange noch Platz für den Einkauf in unseren Taschen ist. Den Rest des Tages verbringen wir nach dieser Ortserkundung, wie es sich für echte Harley-Biker gehört: Mit einem Spielenachmittag auf der Hotelterrasse bei heißem Tee und anderen leckeren Getränken.
Eine andere Art von Bergfahrt
Als Hotelgäste haben wir freie Fahrt mit der Seilbahn auf den Venet. Das wollen wir uns bei diesem Aufenthalt nicht entgehen lassen. Deshalb haben wir beschlossen, unsere heutige Bergtour statt auf Motorrädern und kurvigen Straßen mit einer schaukelnden Gondel an einem fetten Stahlseil zu absolvieren. Schließlich kann biketaugliches Wetter ja auch für so einen Gipfelsturm nicht schaden.
Nach unserer Ankunft auf dem Venet bieten uns die Alpen bei unserem kleinen Spaziergang rund um die Bergstation allerdings einen echten Exkurs in Sachen Wetterumschwünge. Sonne und Wolken wechseln in Sekundenschnelle, die Aussichten ins Tal sind in der einen Minute noch klar und weit, im nächsten Augenblick aber schon von vorbeiziehenden Nebelschwaden verhangen. Eine besonders dunkle und schnell heranziehende Wolke lässt uns unsere Erkundungsrunde abbrechen und treibt uns in das Panorama-Restaurant an der Bergstation. Das erreichen wir gerade noch rechtzeitig vor dem einsetzenden Regen. Und während meine Rockerbraut ein Getränk und ich einen ausgezeichneten Kaiserschmarrn genießen, wohnen wir einem wirklich faszinierenden Wetterphänomen bei: Auf der Bergseite des Panoramarestaurants regnet es in Strömen, Blitze zucken über der Kapelle am Gipfelhaus hin und her, Donner grollt vernehmbar die Bergflanken von Süden herauf. Als Kontrast dazu blicken wir an der Talseite, wo wir an einem der großen, bodentiefen Fenster sitzen, hinab auf den sonnenbeschienenen Inn. Nur ganz selten saust ein verirrter Regentropfen durch unser Sichtfeld. Zwischen Regen- und Sonnenseite liegen hier vielleicht 20 oder 25 Meter.
Leider macht das Unwetter einem weiteren Vorhaben meiner Rockerbraut einen Strich durch die Rechnung. Nachdem sich der schlimmste Regen, Blitz und Donner verzogen haben, juckt es meine Frau, eine Runde mit dem Venet-Bob, einer Sommerrodelbahn, zu drehen. Doch die ist leider nach dem Unwetter auf nicht absehbare Zeit außer Betrieb. Auf’s Geratewohl zu warten, wann der Bob wieder seinen Betrieb aufnimmt, ist uns der Spaß allerdings auch nicht wert. Dann kommen wir lieber noch einmal wieder hier hoch - die Fahrt können wir ja während unseres Aufenthalts beliebig oft kostenfrei genießen.
Auf ins Pitztal und weg vom schlechten Wetter
Der Wetterbericht sagt für heute im Tagesverlauf eine zunehmende Regen- und sogar Gewitterwahrscheinlichkeit vorher. Da wir insbesondere keine Lust darauf haben, in ein Berggewitter zu kommen, entscheiden wir uns beim Frühstück, nur auf eine kurze Tour zu gehen, von der wir jederzeit schnell wieder ins sichere und trockene Hotel zurückkehren können. Die Wahl fällt auf das Pitztal, das wir gestern auf dem Rückweg zwar kurz gestreift, aber noch nicht wirklich erkundet haben.
Weil wir die schönen Stunden dieses Tages möglichst im Pitztal genießen wollen, starten wir über die Bundesstraße auf schnellstem Weg nach Mils und Imst, wo wir nach Arzl abbiegen. Dann geht es deutlich gemütlicher weiter nach Jerzens und St. Leonhard bis ans (befahrbare) Ende des Pitztals in Mittelberg. Hier kehren wir für eine Erfrischung in einem der Gasthöfe ein und lassen die bisherige Tour Revue passieren.
Das Pitztal gefällt meiner Rockerbraut und mir ausgesprochen gut. Es bietet zwar kein hochalpines Kurvenkarussell, dafür aber ein wundervolles Dahingleiten auf herrlich geschwungenen Sträßchen - wie gemacht für unsere Harleys. Dazu gesellen sich faszinierende Ausblicke auf die umliegende Bergwelt mit ihren verschneiten Gipfeln und - damit können uns die Bergtäler in den Alpen immer wieder begeistern - zahllosen Wasserfällen und Bergbächen, die von den Talwänden herunterstürzen und herabrauschen.
Nach der kurzen Pause machen wir uns auf die Rückfahrt. Dabei wollen wir noch einmal über Piller hinüber ins Oberinntal fahren. So nehmen wir die Route über Wenns, wo wir einen kurzen Tankstopp einlegen, und zweigen dann ab nach Piller, um die herrliche Strecke von gestern noch einmal in umgekehrter Richtung unter die Pneus zu nehmen. Aber kaum haben wir den ersten Anstieg von Wenns hinauf nach Piller erklommen, ballt sich am Horizont vor uns eine tiefschwarze Wolkenwand auf. Sie droht unmissverständlich Regen und Gewitter an und liegt unzweifelhaft genau auf unserer Route. Wenn wir hier weiterfahren, werden wir nass - und wahrscheinlich nicht nur das.
Da machen wir lieber eine Kehrtwende und fahren zurück ins Pitztal. Denn darüber liegt noch blauer Himmel. Und aus dem Pitztal sehen wir dann auch blauen Himmel über dem Inntal, während rechts und links über den Bergen schwere, regennasse Wolken hängen. So geht unser Plan tatsächlich auf. Bis ins Hotel fahren wir trocken genau unter einem himmelblauen Schönwetterstreifen dahin, während wir den Regen in den Bergen regelrecht sehen und auch riechen können. Erst als meine Rockerbraut ihr erstes Getränk und ich einen erfrischenden Eisbecher auf der überdachten Hotelterrasse serviert bekommen, bricht auch im Tal der Regen los. Und was jetzt als leichtes Tröpfeln beginnt, bildet sich im Laufe des Abends zu einem kurzen, aber heftigen Gewittersturm aus, der uns und alle anderen Hotelgäste von der Terrasse vertreibt.
Gut erholt zum Gipfelsturm
Nach der trockenen Anfahrt vorgestern war der gestrige Tag komplett verregnet. Macht nichts, so konnten wir ruhigen Gewissens dem süßen Nichtstun fröhnen, ein bisschen spazieren gehen, wieder faulenzen und uns für die anstehenden Touren ausruhen. Und natürlich die tolle Gastfreundschaft in unserem Hotel genießen.
Aber nach so einem motorradlosen Tag müssen wir heute natürlich ein echtes Highlight unter die Räder nehmen: die Kaunertaler Gletscherstraße. Leider erfahren wir von unserem selbstfahrenden Wirt, dass die Landstraße von Landeck in Richtung Süden, über die wir eigentlich ins Kaunertal fahren wollten, wie schon im Vorjahr immer noch gesperrt ist. So müssen wir die wenig attraktive Umleitung durch den Landecker Tunnel nehmen. Sei’s drum, wir werden es überleben, auch wenn Tunnelfahren in der Regel keinen wirklichen Spaß macht.
Der Spaß beginnt aber gleich nach der Tunnelausfahrt, denn das Navi lotst uns alsbald von der Reschenstraße über eine Holzbrücke weg auf eine kleine Nebenstraße bis Prutz. Hier überqueren wir wieder den Inn und die Reschenstraße, bevor wir ins Kaunertal einbiegen. Dort führt uns die Straße immer am Faggenbach entlang durch das wundervolle Tal, das schon lange vor der Mautstation in Feichten absolut sehenswert ist mit seiner Bergwelt und den zahllosen Wasserfällen, die rechts und links die Talwände herabstürzen. Aber auch die tiefenentspannten Kühe entlang der Strecke begeistern uns immer wieder, wie sie am Straßenrand oder gerne auch mitten auf der Straße stehen und völlig ungerührt dem vorbeirollenden Verkehr zuschauen. Der hält sich übrigens in sehr überschaubaren Grenzen. Trotz Ferienzeit sind die Straßen wie leer gefegt.
Am Gepatsch Stausee legen wir eine kleine Pause ein und parken neben einer echten Rarität: einer Yamaha RD 350. Diesen Zweitakter habe ich seit Jahren nicht mehr auf der Straße als Daily-Rider gesehen. Wenn überhaupt, tauchte er mal als wohlgepflegtes Einzelexemplar bei irgendwelchen Treffen auf. Und als dann auch noch ein Pärchen an das Bike herantritt, er die Fahrerposition einnimmt, das Bike ankickt, sie schwungvoll den Soziussitz erklimmt und die beiden dann mit dem typischen Räng-Däng-Däng und dem leicht blauen Auspufffähnchen Richtung Gletscher davonsausen, fährt mein vollster Respekt mit den beiden davon. Das muss echte Begeisterung sein, zu zweit mit dem hochdrehenden Bike, das sicherlich seine 35 oder 40 Jahre auf dem Buckel hat, auf Pässetour zu gehen!
Nach einem kurzen Spaziergang auf den Staudamm hinaus und nach einem Besuch der Toiletten im Café am Stausee starten auch wieder und nehmen die letzten kurvenreichen Kilometer bis zum Ende der Straße am Kaunertaler Gletscher in Angriff. Was für eine wundervolle Strecke! Was für ein erhebendes Gefühl, nach 29 Kehren und ungezählten Kurven, die zwar nicht zur Kehre geadelt sind, deshalb aber nicht unbedingt weniger Spaß machen, in 2750 m Höhe vom Bike zu steigen und die Aussicht zurück ins Tal und auf die gefahrene Strecke zu genießen! Und was für eine Vorfreude, das alles auch wieder zurückfahren zu dürfen!
Wir vertreten uns die Beine mit einer kleinen Rundwanderung um den Parkplatz herum, auf dem wir übrigens neben vielen anderen Bikes auch wieder die RD 350 sehen, und saugen die immer neuen Panoramen und Perspektiven in uns auf, die sich mit jedem Schritt und jeder Drehung auftun. Dann kehren wir für eine Stärkung und Erfrischung auf der sonnenbeschienenen, erstaunlich warmen Terrasse des Gletscherrestaurants ein, das - neben den Standards einer solchen Touristen-Abfütterungsstation - eine erstaunlich gute, allerdings auch ordentlich bepreiste Auswahl an leckeren Tiroler Spezialitäten bietet.
Total begeistert von diesem Ziel, das als zweithöchste asphaltierte Alpenstraße in Österreich nicht nur für die Diese-Pässe-bin-ich-schon-gefahren-Liste Punkte bringt, sondern auch als Motorradstrecke zum Genießen lohnt, rollen wir wieder hinab ins Tal und freuen uns zum zweiten Mal an jeder einzelnen Kehre. Und sehen zum dritten Mal das RD-Pärchen, jetzt an einer Tankstelle, an der wir vorbeifahren.
Weil noch Zeit ist und wir nicht dieselbe Strecke - vor allem nicht den Landecker Tunnel - zurück ins Hotel nehmen möchten, entscheiden wir uns für eine Zusatzschleife die Straße rauf nach Kaunerberg und dann zum Naturparkhaus Kaunergrat. Dort versinken wir für ein paar Minuten in die tolle Aussicht hinunter ins Inntal. Kein Wunder, dass genau hier diese Besucherplattform in den Hang gebaut wurde!
Nach diesem aussichtsreichen Stop geht’s weiter zum Örtchen Piller, dessen Name uns natürlich unweigerlich an den geliebten Pillersee erinnert. Auch ohne See können Landschaft und Streckenführung hinüber ins Pitztal überzeugen. Zurück ins Hotel geht es dann aus dem Pitztal nach Imst und über Imsterberg. Was für ein toller Motorrad-Touren-und-Erlebnis-Tag!
Auf geht’s mit gemischten Gefühlen
Das Gewitter gestern Abend war noch einmal ein ordentlicher Paukenschlag nach diesem ohnehin schon von Regen und Unwettern gebeutelten Juli. Allerdings signalisierte uns das Regenradar der Wetter-App noch in der Nacht gleich nach Ende von Blitz und Donner, dass es heute bis zum späteren Nachmittag zwar starke Bewölkung, aber nur wenig bis gar keinen Niederschlag geben würde. Wir müssen es nur bis 17 Uhr, besser noch 16 Uhr, ins Hotel schaffen. Dann sollten wir dem Regen davongefahren sein.
Also sind wir heute Morgen tatsächlich zu einer für uns unanständig frühen Uhrzeit aus den Betten gekrochen und können schon um 10:15 Uhr die V2-Motoren unserer fertig beladenen Harleys starten. Damit haben wir gut sechs Stunden Zeit bis zum avisierten schlechten Wetter. Das sollte locker reichen für die 212 km, die das Navi als zu fahrende Strecke anzeigt - auch wenn wir den Kurvenreiche-Strecke-Modus mit Land- und Nebenstraßen ausgewählt haben und noch die eine oder andere Pause machen wollen. Trotzdem haben wir uns, nicht zuletzt auch wegen der doch für Juli recht frischen Temperaturen, in unsere Funktionskombis gehüllt und sind damit gegen alle Wetterunbillen gewappnet. Ein Blick gen Himmel bestätigt zusätzlich, dass das die richtige Kleiderwahl ist. Denn über uns gibt es alle Nuancen von Grau zu sehen, aber kein bisschen Blau oder Sonnengelb.
Zunächst geht es über wohl bekannte Straßen nach Kössen, dann am Walchsee vorbei und weiter nach Kufstein. Dort verlassen wir aber kurz nach der Inn-Überquerung die Bundesstraße und fahren über Langkampfen, Niederbreitenbach und Schönau nach Breitenbach am Inn, wo wir eine kurze Pause mit einem Snack aus unseren Brotdosen und einer Erfrischung aus unseren Thermosflaschen einlegen. Dabei diskutieren meine Rockerbraut und ich auch kurz die weitere Fahrtstrecke: Wollen wir auf den zeitraubenden, aber schönen Nebenstrecken bleiben oder doch lieber auf die Bundesstraße oder sogar die Autobahn wechseln und einfach nur schnell ankommen? Die Autobahn schließen wir sofort aus. Weil das Wetter tatsächlich stabil, sprich: trocken, zu bleiben verspricht, sind wir uns auch schnell einig, solange es nur geht auf den Nebenstraßen zu bleiben. Schließlich sind wir auch dabei nie so weit von den schnelleren Hauptstraßen weg, als dass wir nicht kurzfristig umdisponieren könnten.
So geht es also weiter über das herrliche Sträßchen am Reintaler See vorbei und dann nach Kramsach, wo wir die Inn-Seite erneut wechseln. Wir fahren kurz über die Bundesstraße von Brixlegg nach Strass im Zillertal, um von dort über die alte Landstraße Schwaz zu erreichen. Bis Wattens nehmen wir dann wieder die Bundesstraße, biegen aber gleich hinter Volders noch vor der Inn-Brücke ab auf eine kleine Landstraße, die uns nach Volderwald und schließlich nach Aldrans führt.
Die folgende Fahrt durch Innsbruck verläuft zum Glück völlig problemlos ohne große Ampelstopps oder starken Stadtverkehr. Schnell sind wir auf der Ausfallstraße am Flughafen vorbei und fahren weiter auf der Bundesstraße bis Zirl. Hier führt uns das Navi links weg, zuerst durch das Städtchen, dann über den Inn und unter der Autobahn hindurch in ein großes Industriegebiet. Naja, schöne Streckenführung ist anders ... Aber schon nach ein paar Kilometern ist die Industrieansammlung vergessen. Wir fahren parallel zum Inn, bis uns das Navi plötzlich weg von der schon nicht großen Landstraße auf eine kleine Bergstrecke lotst, der wir nur zu gerne folgen.
Leider hat dieser Abstecher zwei recht unerfreuliche Überraschungen für uns parat: Irgendwo im steilsten Anstieg der Strecke gibt es plötzlich eine Ampelschaltung, weil hier die Straße bei den Unwettern der vergangenen Wochen offensichtlich stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es geht nur einspurig über einen ziemlich stark unterspülten und notdürftig geflickten Straßenrest weiter, der immer weniger aus Asphalt und immer mehr aus Schotter und Geröll besteht. Kaum haben wir diese Passage gemeistert, attackiert mich bei der Vorbeifahrt an einem Bauernhof der Hofhund mit lautem Gebell. Eigentlich habe ich bei diesem Angriff weniger Angst um mich und meinen Straßenkönig als um den Hund. Und so versuche ich ihn vor allem durch lautes Aufheulen meines Harley-Motors zu vertreiben - eine Strategie, die tatsächlich erfolgreich ist, denn der kläffende Geselle lässt von mir ab und auch meine hinterherfahrende Rockerbraut in Ruhe. Loud pipes safe lives - in diesem Fall aber wohl eher das des Hundes als mein eigenes.
Wieder zurück auf der Hauptstraße beschließen wir, ab jetzt keinen Sondereinlagen des Navis mehr zu folgen, sondern mehr oder weniger direkt, aber natürlich weiterhin auf Nebenstraßen, ins Hotel zu fahren. Und so rollen wir jetzt zügig am Ötztal vorbei bis Imst, dann südlich des Inns über Imsterau und Imsterberg in unser Hotel am Fuße des Venet. Dort sind nach einem herzlichen Willkommensgruß die Sporty meiner Rockerbraut und mein Straßenkönig schnell abgepackt und gut geschützt in der geräumigen Bike-Garage verstaut, damit wir alsbald einen gemütlichen Abend auf der großen Terrasse bei einem vorzüglichen Abendessen genießen können. Nach einer komplett trockenen Anreise hören wir dem einsetzenden Regen völlig entspannt unter der Überdachung der Terrasse zu. Und amüsieren uns köstlich über eine Ingwer-Limonade, die zwar sehr gut und erfrischend schmeckt, aber laut Zutatenliste tatsächlich überhaupt keinen Ingwer enthält - nur irgendein naturidentisches Aroma.
Kofferpacken für den nächsten Urlaub
Irgendwie ist es schizophren: Einerseits möchte ich vom Alltag und dem Arbeitsstress komplett abschalten und im Urlaub mit meinem Straßenkönig nichts wie weg von zuhause. Andererseits schwingt bei dem Gedanken an eine Reise die Angst mit: vor mangelnder Einhaltung der AHA-Regeln, vor stickigen, schlecht belüfteten Frühstücks- und Speiseräumen und letztendlich natürlich vor einer Infektion. Deshalb haben wir nach unserem Zillertalurlaub Ende Mai/Anfang Juni lange mit unseren weiteren Urlaubsplanungen für dieses Jahr gezögert. Die Tour nach Faak im September ist unumstößlich im Kalender eingeplant. Aber für meine zwei Urlaubswochen Ende Juli/Anfang August haben wir lange zwischen einem Urlaub daheim und einer Reise geschwankt. Erst recht spät haben wir uns dann doch entschieden, eine Woche wegzufahren - aber nur unter der Prämisse, dass wir ein wohlbekanntes Ziel ansteuern, wo wir die Lage schon im Vorhinein kennen und gut einschätzen können. Zum Glück hatte das Hotel im oberen Inntal, in dem wir schon letztes Jahr so einen tollen Bikerurlaub verbringen durften und uns wohl und sicher gefühlt hatten, trotz unserer kurzfristigen Anfrage noch ein Doppelzimmer frei. Dorthin werden wir morgen noch einmal starten.
Unsere sieben Sachen haben wir schon am letzten Wochenende zusammengesammelt. Unter der Woche habe ich noch schnell Touren für eine Woche Motorradfahren in Tirol geplant. Einige Ziele in der Region waren aus dem vergangenen Jahr noch offen, ein paar zusätzliche Runden sind dank der Tourentipps von der Hotel-Homepage und einschlägiger Internetportale schnell gefunden. Heute Morgen haben wir außerdem schon unseren Hund für seine ganz persönliche Wellness-Woche in der liebevollen Hundepension abgegeben. Jetzt muss für die perfekte Bikewoche nur noch das Wetter mitspielen.
Aber dessen Vorhersage sieht zumindest für den morgigen Anreise-Dienstag und den darauffolgenden Mittwoch noch sehr bescheiden aus. Entsprechend verpacken wir alle Klamotten sehr sorgfältig - entweder in ohnehin schon gut geschützte Behältnisse wie meine Sissybar-Tasche oder in wasserdichte Packsäcke, die wir dann wiederum ruhigen Gewissens in die Gepäckrolle meines Straßenkönigs oder die Hecktasche der Sporty meiner Rockerbraut stecken können. Und auch die guten alten Müllsäcke kommen zum Einsatz, z. B. als Sicherheitsumhüllung für die Innentaschen der Seitenkoffer meine Road King Classic. Kaum haben wir das alles gut auf unseren Bikes verstaut, bricht ein schweres Gewitter los - als wollten die Wettergötter die schlechten Vorhersagen noch einmal bekräftigen.
Unwetter-Inspektion
Ahrtal, Berchtesgaden - die Unwetter der vergangenen Woche haben vielerorts schreckliche Verwüstungen hinterlassen. Außer ein bisschen Wasser im Keller, das wir mit dem Aufnehmer wegwischen konnten, und infolgedessen feuchten Wänden, denen wir jetzt und wohl auch noch einige Woche lang mit kräftigem Lüften und laufenden Ventilatoren auf den Leib rücken müssen, haben wir selbst keine Schäden zu verzeichnen. Deshalb nutze ich das endlich wieder schöne Wetter am heutigen Nachmittag für eine kleine Hausrunde.
Die Wetterschäden, die ich dabei am Straßenrand zu sehen bekomme, sind zwar durchaus beeindruckend, aber wohl nichts im Vergleich zu den Verwüstungen andernorts. Zwischen Reit im Winkl und Ruhpolding gibt es starke Überflutungen und Murenabgänge rechts und links der Straße, umgeknickte oder entwurzelte Bäume sind überall an den Hängen und im Wald zu erkennen, an manchen Stellen stehen auch noch Bau- und Forstmaschinen von den Aufräumarbeiten. Aber es gibt keine nennenswerten Schäden an der Straße selbst oder an den Gebäuden, an denen ich vorbeifahre. Was haben wir doch für ein Glück gehabt! Keine 40 km Luftlinie entfernt liegt die Rodelbahn am Königssee in Schutt und Geröll begraben.
Pillersee und Burger-Essen mit Sozia
Seit anderthalb Jahren haben wir zum ersten Mal wieder Besuch. Eine liebe Freundin macht ein paar Tage Urlaub bei uns. Eigentlich wollten wir in dieser Zeit die eine oder andere Motorradrunde mit unserem Gast auf dem Sozius meines Straßenkönigs durch den Chiemgau und in die Berge drehen. Aber leider hat uns das Wetter in den ersten Tagen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bis heute. Heute soll es trocken und sonnig bleiben - ideales Wetter also für eine abwechslungsreiche Runde über Kössen zum Pillersee. Hier wollen wir für einen kleinen Erfrischungsstopp anhalten, bevor es dann zum Burger-Essen nach Scheffau weiter und über Kufstein, Sachrang und Aschau wieder nach Hause geht. Wir nehmen also auf dieselbe Runde in Angriff, die wir auch schon vor zwei Wochen gefahren sind, und hoffen, dass das Gasthaus am Pillersee mit dem schönen Biergarten direkt am Wasser heute endlich geöffnet hat.
Und so ist es zum Glück auch, wir können uns mit herrlicher Aussicht auf den See, Tretboote, Spaziergänger, Radfahrer, Sonnenanbeter und Badegäste erfrischen. Meine Gastsozia ist begeistert von der bisher gefahrenen Strecke und der herrlichen Landschaft. Und diese Begeisterung bleibt auch auf der weiteren Strecke nach unserer Erfrischungspause erhalten. Vor allem die Aussicht auf den Wilden Kaiser hinterlässt einen tiefen Eindruck, als wir von Fieberbrunn nach St. Jakob fahren und uns dem Bergmassiv nähern.
Beim nächsten Stopp in der urigen Bikerkneipe in Scheffau lassen wir uns dann die ordentlichen Burger, die uns hier wieder einmal serviert werden, vor der gewaltigen Kaiser-Kulisse schmecken. Schade, dass dieser herrliche Tag damit schon fast seinen Höhepunkt erreicht hat. Immerhin gibt es auf der Heimfahrt noch die tolle Aussicht von Noppenberg aus zurück ins Inntal und auf Kufstein mit seiner Festung, die meine Sozia vom Rücksitz meines Straßenkönigs natürlich völlig unbeschwert genießen kann.
Sorgenvolle Ausfahrt
Die heutige Ausfahrt mit meinem Oldtimerchen stimmt mich etwas sorgenvoll. Die Kupplung rutscht mittlerweile schon im dritten Gang bei leichten Steigungen und zu viel Gas durch. Deshalb starte ich mit der Shovelhead auch nicht, wie geplant, in die Berge, sondern auf eine möglichst flache Runde durch den Chiemgau und den Rupertiwinkel. Mit vorsichtiger Gashand dirigiere ich die alte Electra Glide über Surberg und den Wonneberg zum Waginger See, dann nach Kirchanschöring und Leobendorf, am Abtsee vorbei, weiter nach Teisendorf und durch Achthal nach Hause. Weil auch der Vergaser wieder ein wenig spinnt und der Motor bei so manchem Halt abstirbt, aber nach einem kurzen Druck auf den Startknopf immerhin sofort wieder anspringt, ist da wohl bald ein Besuch bei meinem Lieblings-Harley-Schrauber fällig.
Pillersee mit Zugabe
Heute wollen wir mal wieder eine unserer Lieblingsrunden unter die Räder nehmen und den Pillersee nebst dem netten Gasthaus an seinem Ufer besuchen. Und so starten wir über Schleching und Kössen zu unserem Ziel in den Loferer Steinbergen. Doch leider hat das Gasthaus noch geschlossen - und das, obwohl die Sommerferienzeit schon begonnen hat. Damit hatten wir nicht gerechnet. So beschließen wir kurzerhand, die für die Einkehr eingeplante Zeit für eine erweiterte Runde zu nutzen, und starten durch in Richtung St. Johann in Tirol, um von dort entlang der Südseite des Wilden Kaisers nach Kufstein zu fahren.
Gesagt, getan. Allerdings legen wir in Ellmau noch einen Zwischenstopp ein. Wir brauchen eine kleine Erfrischung und Stärkung. Dann geht es wie geplant weiter, von Kufstein über Sebi und Sachrang nach Aschau und dann nach Hause. Mein Straßenkönig macht mir wieder einen Riesenspaß, kann ich doch auf dieser wohlvertrauten Strecke die beruhigende Wirkung des neu eingebauten Stabilisators noch einmal richtig gut beurteilen. Und meine Rockerbraut freut sich nach einer Vollbremsung, die ich vor ihr hingelegt habe, und einer ersten Schrecksekunde ob dieses Fahrmanövers, dass ein kleines Kätzchen unbeschadet die Straße überquert hat.
Da trifft man sich ja doch mal wieder
Kaum zu glauben, aber wahr: Jetzt, Mitte Juni, findet endlich und zum ersten Mal in diesem Jahr wieder ein Treffen statt. US-Cars, Oldtimer und Harleys sind eingeladen! Also nichts wie rauf auf die Motorräder - in meinem Fall auf die Shovelhead, denn mit der erfülle ich schließlich gleich zwei Voraussetzungen aus der Einladung - und ab ins Vergnügen! Das Wetter passt. Es ist schon fast zu heiß an diesem Tag, um später in Biker-Montur über das Festgelände zu bummeln. Aber jetzt genießen wir erst einmal die Anfahrt nach Kolbermoor mit einer Schleife südlich über den Samerberg und Bad Feilnbach.
Während der ganzen Fahrt habe ich schon dieses erwartungsvolle Hochgefühl, endlich wieder ein bisschen Festivalstimmung zu inhalieren - auch wenn es nur ein kleines Treffen sein wird. Trotzdem: Für Live-Musik, Essen und Trinken sowie ein paar Verkaufsstände ist laut Vorankündigung gesorgt. Dazu noch ein paar Motorradverrückte wie wir, was soll da noch schief gehen?
Bereits die Einfahrt auf das Festgelände ist ein erhebendes Erlebnis nach der langen Treffen-Abstinenz. Die Zufahrt säumen Bikes und ziemlich abgedrehte US-Cars, dazwischen flanieren echte, lebende Besucher, die uns Platz machen, damit wir zum Parkplatz im hinteren Teil des Areals fahren können. Dabei bleibt auch durchaus der eine oder andere bewundernde Blick an der Sporty meiner Rockerbraut und meinem Schäufelchen hängen - verdammt gut für unser beider Ego!
Trotzdem: Nachdem wir unsere beiden Harleys standesgemäß abgestellt haben, ist beim anschließenden Spaziergang über das Gelände und beim Anstehen am Getränkestand irgendwie immer ein komisches Gefühl dabei. Die Abstandsregeln haben sich inzwischen so tief eingegraben, dass ein bisschen Gedränge wie hier und heute schon zu einem gewissen Unwohlsein führt. Unbeschwertes Beisammensein müssen wir wohl erst wieder lernen, wenn diese Pandemie vorbei ist.
Schwertransport
Zu meinem Geburtstag bringe ich traditionell immer etwas mit ins Büro für meine Kolleginnen und Kollegen. In diesem Jahr haben wir bei unserem Bäcker im Ort kleine süße und herzhafte Plunder als Fingerfood bestellt - 50 an der Zahl. Da kann sich dann jeder selbst bedienen und seine Happen an den Platz oder wohin auch immer mitnehmen. Gemütlich zusammensitzen ist ja derzeit nicht möglich.
Dumm nur, dass meine Rockerbraut heute das Auto braucht und ich mit dem Straßenkönig ins Büro fahren muss. Aber zum Glück habe ich ja Koffer und Gepäckrolle an meiner Road King montiert, da werde ich ja wohl ein bisschen Backwerk unterbringen. Und so rolle ich morgens in aller Herrgottsfrühe vor dem kleinen Bäckerladen vor, stelle mein Bike ab und stiefele in den Verkaufsraum.
Dort warten drei große Kuchenschachteln auf mich, wohlgefüllt mit den noch warmen Leckereien aus der Backstube - und eine freundliche Verkäuferin, die immer skeptischer werdende Blicke von den drei Kartons zu mir, zu meinem Bike und wieder zurück zu den Kartons wandern lässt. Ob ich das alles wirklich auf dem Motorrad transportieren wolle, fragt sie schließlich. Und ergänzt: „Also, die Obstplunder dürfen auf keinen Fall verrutschen, kippen oder fallen. Dann sind die kaputt!“
Wenn die wüsste, was ich schon alles auf dem Motorrad transportiert habe und was für ein Ladevolumen so ein Bike bietet! Sogar sechs Spalierobstbäumchen waren in meinen frühen Bikertagen schon dabei, die allerdings nach der Fahrt von der Baumschule in den elterlichen Garten ziemlich entblättert waren, aber trotzdem irgendwann reiche Ernte trugen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte aus einer ganz anderen Zeit ...
Während ich meine Bestellung bezahle, beruhige ich die besorgte Dame, dass ich die Obstplunder schön waagrecht hinten in der Rolle verstauen werde, wo sie gut geschützt den Weg zur Arbeit überstehen werden. Und die weniger empfindlichen Käseplunder kommen in den Seitenkoffer, was sie sicherlich auch überleben werden. Während ich dann mit meinen drei Kuchenschachteln aus der Bäckerei marschiere, mache ich mir ehrlich gesagt mehr sorgen darum, wie ich das Gebäck plus Helm und Tasche später vom Motorrad in die Büroküche bekomme. Aber eines nach dem anderen. Jetzt geht es erst einmal darum, alles an meinem Straßenkönig zu verstauen. Was auch tatsächlich klappt wie geplant.
So kommt schließlich alles heil und unversehrt im Büro an, auch den Jonglage-Akt vom Motorradstellplatz durch das Drehkreuz aufs Firmengelände und dann rauf in den dritten Stock in unsere Kaffeeküche meistere ich irgendwie. Am Abend belohne ich mich für diesen Schwertransport samt Zirkuseinlage mit einer Feierabendrunde nach Waging, über den Wonneberg, Achthal und Surberg nach Hause. Ach ja, und meine Kolleginnen und Kollegen haben es sich ordentlich schmecken lassen!
Es qualmt und stinkt
Einen Monat ist es jetzt schon fast wieder her, dass ich mein Schäufelchen bewegt habe. Okay, da war unsere Urlaubswoche mit der Road King dazwischen. Aber trotzdem freue ich mich wie Bolle darauf, das Oldtimerchen wieder einmal über die Straßen zu hetzen. So machen meine Rockerbraut und ich uns auf die Hausrunde über Reit im Winkl, die drei Seen, Ruhpolding, Inzell, Surberg und Traunstein wieder zurück nach Hause. Aber so richtige Freude kommt auf der Fahrt nicht auf. Beim Schalten hakt das Getriebe der alten E-Glide, vor allem wenn es hoch in den vierten Gang geht. Und auch der Vergaser ist scheinbar nicht mehr perfekt eingestellt. Während der Fahrt hatte ich schon gemerkt, dass sich der Shovelhead-Motor bei Gaswechseln verschluckt und schlecht Gas annimmt, beim Halt an Kreuzungen geht er manchmal auch aus.
Beim Tankstopp, der ungelogen beim mystischen Kilometerstand 6666 km nötig ist, beklagt sich meine Rockerbraut dann über Rauchfahnen aus dem Auspuff und einen ziemlich sprittigen Geschmack auf der Zunge, der ihr das Hinterherfahren etwas vergällt. Und als wollte mein Schäufelchen mir die Wahrheit dieser Aussagen beweisen, dampft es beim Starten nach unserer kurzen Pause sogar aus dem Vergaser selbst. Da ist wohl ein Besuch bei meinem Lieblings-Harley-Schrauber fällig, um der Spritzufuhr wieder das nötige Feintuning angedeihen zu lassen. Aber kann sich so ein Vergaser einfach von selbst verstellen? Schließlich war er ja nach der Winterpause perfekt eingestellt und das alte Triebwerk entsprechend sauber gelaufen. Außerdem: So viel bin ich mit der E-Glide seit der Winterpause doch auch wieder nicht gefahren.
Reinemachen
Eigentlich ist heute mein Geburtstag. Meine Rockerbraut hält mich entsprechend für völlig verrückt, weil ich unbedingt meinen Straßenkönig putzen will. Aber die ganze Woche war dafür entweder keine Zeit oder kein Wetter. Und vor allem die letzte Baustellendurchfahrt vor Kössen hat ordentliche Schmutzspuren auf der Road King hinterlassen - zusätzlich zu den üblichen Insekten- und Dreckflecken, die eine einwöchige Urlaubsreise mit reichlich Touren nun einmal mit sich bringt. Also feier ich meine ganz persönliche, kleine Schaumparty und freue mich, dass der Straßenkönig am Ende des Tages wieder glänzt und glitzert.
Das Wetter macht den Abschied leicht
Was sich gestern Abend mit einem Wahnsinns-Wolken-und-Sonnenuntergangs-Lichterspiel über den Bergen rund um unser Hotel angedeutet hatte, ist heute Morgen an unserem Abreisetag grau-in-graue Realität. Es regnet zwar nicht, aber die Wolken schweben als permanent drohende Mahnung am Himmel über uns vorbei. Weil wir es nicht weit nach Hause haben und auch die superlieben Wirtsleute in unserem hochgeschätzten kleinen Bikerhotel keine Eile haben, können wir unser Frühstück noch in aller Ruhe genießen und dann ganz entspannt unsere sieben Sachen packen, bevor meine Rockerbraut mit Hund und Gepäck im Auto und ich auf meiner Road King den Heimweg antreten.
Von meinem Plan, die schon mehrfach gefahrene 5-Seen-Runde über den Achensee, den Tegernsee, den Schliersee, den Thiersee und den Walchsee unter die Räder zu nehmen, habe ich mich angesichts des Wetters schon längst verabschiedet. Ich bleibe lieber dicht an der kürzesten Strecke und fahre durch das Inntal Richtung Kufstein. Allerdings verlasse ich hinter Brixlegg die Bundesstraße und nehme die schöne Nebenstrecke via Kramsach und Breitenbach auf der nördlichen Flussseite. Eigensinnig wie ich bin, verzichte ich beim Start auch erst einmal auf Regenklamotten und vertraue eisern auf das Glück des Tapferen (oder Dummen), das mir hoffentlich Regen ersparen wird.
Je weiter ich allerdings das Inntal hinab fahre, desto dunkler und bedrohlicher werden die Wolken. Weiter östlich über den Bergen sieht es allerdings besser aus. Und so wechsle ich in Breitenbach die Innseite, fahre hinüber nach Kundl, dann weiter nach Wörgl und biege dort ab, um durch das Brixental nach Kitzbühel und von dort weiter nach St. Johann in Tirol zu fahren. Obwohl die Wolken in dieser Richtung - im Vergleich zur Aussicht gen Kufstein - relativ hell sind, fängt es bei irgendwo vor Hopfgarten dann doch an zu tröpfeln. Also nichts wie rechts ran und rein in die Regenkombi. Und was soll ich sagen: Kaum habe ich die lästige Gummihaut übergezogen und bin gefühlt nicht mal einen Kilometer weiter gefahren, hört der Regen auch schon wieder auf und die Straße ist trocken. Ist wahrscheinlich mit der Regenkombi dasselbe wie mit dem Regenschirm: Wenn Du an hast, regnet es nicht. Hast Du sie zuhause vergessen, schüttet es irgendwann in Strömen. Mir kann’s nur recht sein!
Tatsächlich wird das Wetter hinter Kitzbühel immer besser, in St. Johann blitzen sogar blauer Himmel und ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Dafür hat die Strecke eine andere üble Überraschung für mich parat: Die Straße von St. Johann über Schwendt nach Kössen wird gerade umfassend saniert. Während sie unter der Woche scheinbar voll gesperrt ist, darf sie heute am Sonntag zwar befahren werden. Allerdings ist ein ordentlicher Abschnitt seiner komplette Asphaltdecke beraubt und reine Schotterpiste. Da werden irgendwie Erinnerungen an unseren letztjährigen Urlaub in Zams wach, bei dem wir ja auch so viele Baustellen mit Erneuerung der Fahrbahndecke auf den geplanten Touren zu bewältigen hatten.
Magischer Magnetismus
Kennt Ihr das auch: Orte, die Euch magisch und magnetisch immer wieder anziehen? Die nie langweilig werden, so oft Ihr sie auch besucht? An denen Ihr Euch einfach nicht satt sehen, riechen, schmecken, hören und fühlen könnt? Die Ihr schon tausend Mal fotografiert habt und bei deren Besuch Ihr trotzdem jedes Mal wieder die Kamera zückt, um dutzende Bilder zu machen? Für mich ist einer dieser Ort der Zillergrund. Seit ich mich zum ersten Mal in dieses Tal verirrt habe, muss ich immer wieder dorthin - erst recht, wenn ich mich sowieso schon in seiner Nähe befinde. Also natürlich auch in diesem Zillertalurlaub.
Gespürt habe ich seine Anziehungskraft schon die ganze Woche, aber seit gestern kann ich nicht mehr widerstehen. Nach unserem Ausflug zum Berglsteiner See hatten wir nämlich der Erlebnissennerei Zillertal noch einen Besuch abgestattet, um für meine Rockerbraut ein paar Schafs- und Ziegenmilchspezialitäten einzukaufen. Und diese Sennerei liegt unmittelbar vor der Zufahrt zum Brandbergtunnel, der auch zum Zillergrund führt.
Also habe ich meiner Rockerbraut einen halben Urlaubstag abgeschwatzt, um dem Ruf dieses magischen Ortes nachzugeben und in den Zillergrund zu fahren. Nachmittags, so der Deal, machen wir dann noch eine gemeinsame Wanderung. So rolle ich nun sehr zügig vom Hotel ins Zillertal hinein in Richtung Mayrhofen, biege vor dem Ort aber ab und fahre flugs durch den Tunnel, um an dem kleinen Mauthäuschen meinen Obolus zu verrichten und dann in Schleichfahrt in das Tal zu kriechen.
Sollen mich doch die rasenden Radler überholen, die - ohne einen Blick für die Landschaft übrig zu haben - keuchend und schnaufend dem Talende entgegen strampeln, als gäbe es dort einen Preis für den Schnellsten und Abgekämpftesten oder als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Ich genieße es, dass ich meinen großvolumigen V2 auch im dritten Gang selbst bei leichten Steigungen noch im Standgas einfach so dahin tuckern lassen kann. Dass ich Zeit habe, dem Bächlein entlang der Straße, den Wasserfällen an den Talflanken und den Kühen auf ihren Weiden zuzuschauen. Dass ich einfach so jederzeit und überall - zur Not auch mitten auf der Straße - anhalten kann, um noch ein Foto zu machen, und dass es mir dabei herzlich egal ist, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer mit verständnislosem Kopfschütteln an mir vorbeifahren oder auch kurz einmal anhalten müssen. Ich bin hier unterwegs und meditiere auf meinem Straßenkönig. Und verstehe mit jedem Meter mehr, warum sich oben hinter dem Stausee jemand sein eigenes Klein-Tibet angelegt hat.
Irgendwann hat aber auch das entspannteste Harley-Yoga sein Ende. Schließlich ist das Sträßchen hinein ins Tal gerade mal 18 km lang und selbst im Schneckentempo irgendwann hin und zurück vollständig abgefahren. Weil mir aber noch ein bisschen Zeit bis zur verabredeten Nachmittagswanderung bleibt und nach all der Bummelei die Gashand nun doch ein wenig juckt, treibe ich meine Road King noch einmal hinauf nach Brandberg, bevor ich den Rückweg ins Hotel antrete. Wie entspannend Motorradfahren doch sein kann!
Wandertag an einem verwunschenen Ort
So, jetzt ist aber mal genug mit dem Harley-Fahren. Heute steht ein Wandertag mit Rockerbraut und Hund auf dem Programm. Auch dafür haben unsere Wirtsleute einen heißen Tipp: den Berglsteiner See an der Nordseite des Inntals. Also steigen wir nach dem Frühstück zuerst in unsere Wanderstiefel und dann ins Auto, um über das Örtchen Haus hinauf zum Parkplatz am See zu fahren. Schon auf den ersten Metern zu dem kleinen Gewässer sind wir hin und weg von den Aussichten, die sich uns hier bieten.
Der See liegt eingebettet in einen herrlichen Wald, nach Norden hin steigen die Felswände der Brandenberger Alpen auf und spiegeln sich vom Südufer aus gesehen auf der ruhigen Wasseroberfläche. Besonders fesseln uns aber die Felsen, die aus dem Wasser ragen. Auf ihnen sprießt ein wenig Gras oder Gebüsch, einer bietet sogar einer Tanne genug Halt und Nahrung, um auf ihm Wurzeln zu schlagen und zu gedeihen. Das ganze Szenario hat etwas absolut romantisch-mystisches, das uns sofort in seinen Bann zieht. Alle paar Schritte bezaubert uns dieses verwunschene Fleckchen Tirol mit immer neuen Ansichten des eigentlich doch stets gleichen Motivs, sodass wir für die Umrundung des Sees statt der wahrscheinlich bei normalem Wandertempo völlig ausreichenden 20 Minuten weit über eine Stunde benötigen - die Einkehr im Gasthaus am See nicht eingerechnet!
Ein bisschen Schuld an der Verzögerung ist aber auch eine lustige Begegnung mit einem anderen hundewandernden Pärchen. Beim ersten Treffen bleibt es zunächst bei der üblichen freundlichen Begrüßung unter Hundehaltern. Aber wir laufen uns später noch einmal über den Weg und kommen dann doch ein bisschen ins Plaudern: über das Alter unserer Hunde, ihre Macken und Eigenheiten - der übliche Smalltalk eben zwischen Menschen, die die Begeisterung für dasselbe Hobby und dieselbe Leidenschaft teilen. Dabei stellt sich dann auch irgendwann heraus, dass die beiden aus dem Nachbarort unserer früheren Heimat auf der Schwäbischen Alb stammen und er der Jagdpächter eines Waldstücks ist, in dem wir früher mit unserem Hund oft und gerne spazieren gegangen sind. Da haben wir uns allerdings nie getroffen. Das passiert erst Jahre später im Urlaub hier am Berglsteiner See, diesem herrlichen, verwunschenen Ort!
Zurück am Auto und auf der Rückfahrt ins Zillertal sind meine Rockerbraut und ich uns einig: Dieser kleine, zauberhafte See wäre glatt auch ein Ziel für einen Motorradausflug. Das Sträßchen hier herauf würde auch auf zwei Rädern Spaß machen. Und weil wir so nah am See parken können, wäre auch eine Runde um das Gewässer in Motorradklamotten kein unmögliches Unterfangen. Zumal der bis dicht ans Ufer heranwachsende Wald fast den ganzen Weg lang angenehmen Schatten spendet.
Unserer Wirtsleut´ Hausrunde
Ob ich nach der Wahnsinns-Großglockner-Runde gestern die Biker-Nase erst einmal voll davon habe im Sattel meines Straßenkönigs zu sitzen? Natürlich nicht! Und weil der Wetterbericht für die nächsten Tage immer weniger Sonne und eine immer höhere Regenwahrscheinlichkeit prophezeit, bequatsche ich meine Rockerbraut, mir heute einen weiteren Bikertag zu gewähren. Gemeinsamen Wander- und Hundeurlaub können wir ja immer noch machen, wenn das Wetter nicht mehr so motorradtauglich ist. Meine Rockerbraut hat als Bikerin zum Glück vollstes Verständnis für mich und scheucht mich liebevoll mit meiner Road King auf die Piste.
Meine Wahl für die heutige Tour fällt auf die Hausrunde unserer Hotelwirte. Die verspricht Kurvenspaß ohne große Kilometerfresserei, die habe ich ja schließlich gestern hinter mich gebracht. Und so rolle ich nach einem ausgiebigen Frühstück mit meinem Bike aus der Hotelgarage. Schon 500 m weiter zweigt die kleine Seitenstraße hinauf zum Brucker Berg ab. Die Auffahrt lasse ich allerdings noch sehr ruhig angehen. Schließlich muss der V2 unter mir ja erst einmal eine Chance haben, auf Betriebstemperatur zu kommen. Und so tuckere ich bis zum Kerschbaumsattel sehr gemütlich das kleine Sträßchen hinauf. Das gibt mir die entspannte Gelegenheit, die tollen Aussichten auf die gegenüberliegenden Fügener Berge und hinein ins Zillertal oder auch ins Inntal zu genießen.
Etwas sportlicher geht es dann hinunter ins Alpbachtal. Dort folge ich zunächst nicht der eigentlichen Streckenempfehlung weiter nach Brixlegg, sondern unternehme vorher einen Abstecher ins Tal hinein bis zum Ende der Straße in Inneralpbach. Nett, mal hier gewesen zu sein. Aber auch wenn ich gegen Sackgassen prinzipiell nichts einzuwenden habe: Wiederholungstäter werde ich für diese Strecke wohl nicht. Sie ist recht nett zu fahren, aber ziemlich unspektakulär. Und auch das Alpbachtal hat auf mich nicht die Wirkung wie manch anderer Ort, den wir auf unseren Touren entdeckt haben - ich sage nur Eng oder Zillergrund. Also geht es zurück Richtung Talausgang.
Bei Reith im Alpbachtal schwenke ich wieder auf die ursprüngliche Route ein und fahre nach Brixlegg - und stehe auf der Ortsdurchfahrt Richtung Rattenberg prompt im Stau. Was ist denn hier los - heute, mitten in der Woche und für meine Verhältnisse noch relativ früh am Vormittag? Die Antwort auf diese Frage bekomme ich am Kreisverkehr beim Ortsausgang und staune nicht schlecht: Menschenmassen strömen über die Zebrastreifen rund um den Kreisel und sorgen für die lange Schlange wartender Fahrzeuge. Denn auf den Parkplätzen der hier ansässigen Supermärkte findet ein Flohmarkt statt! Und der ist überaus gut besucht. Gleichzeitig macht mir der Flohmarkt auch klar, dass heute gar kein normaler Wochentag ist. An diesem Donnerstag ist Feiertag. Das hatte ich als Urlauber völlig vergessen.
Um gleich zwei Erkenntnisse reicher, fahre ich über den Inn hinüber nach Kramsach und holpere und poltere dann entlang an der Tiefenbachklamm in Richtung Aschau im Brandenberger Tal. Die Straße könnte wahrlich eine neue Teerdecke vertragen. Schlaglöcher, Aufwerfungen, Ausbrüche zum Straßenrand hin - es ist alles dabei, was die Stoßdämpfer vor Herausforderungen stellt. Immerhin ist großartiges Rasen so für keinen Verkehrsteilnehmer möglich und ich kann meine Aufmerksamkeit außer der Straße auch der wundervollen Landschaft widmen. Und die entschädigt allemal für den miserablen Straßenzustand.
An der Jausenstation Stegerstall fülle ich meinen Flüssigkeitsbedarf mit einem kühlen Spezi wieder auf, bevor ich weiter in Richtung Pinegg rolle, um dann den Bogen über Brandenberg zurück nach Kramsach zu schlagen. Was mich auf dieser Strecke erwartet, hätte ich mir nie träumen lassen! Für dieses Sträßchen fällt mir wirklich nichts besseres als die Bezeichnung Kleinod ein: nicht allzu lang, aber mit einer Streckenführung, die mich einfach nur jubilieren lässt, wie sie hier durch den Wald und an den Felswänden entlang führt. Da kann manch hochgelobte Passstrecke nicht mithalten, was hier auf wenigen Kilometern geboten ist!
Von dieser Euphorie getragen, fasse ich den Entschluss, ins Stubaital zu fahren. Schließlich ist der Tag noch jung, die Zeit würde für die Tour locker reichen. So mache ich mich über die Bundesstraße auf in Richtung Innsbruck. Aber schon in Schwaz verabschiede ich mich von meinem Vorhaben. Zu viel Feiertagsverkehr lässt mich doch nicht so schnell vorankommen, wie ich es mir gewünscht hätte. Und zunehmend schwarze Wolken in Richtung Westen dämpfen die Motivation zusätzlich. So fahre ich über kleine Nebensträßchen zurück ins Hotel im Zillertal. Und starte zum zweiten Mal an diesem Tag hinauf auf den Kerschbaumsattel - dieses Mal aber gemeinsam mit meiner Rockerbraut und unserem Hund im Auto, um dort oben eine kleine Nachmittagswanderung zu absolvieren. So kommen an diesem Tag alle zu ihrem Vergnügen und ich sogar noch zu ein bisschen Bewegung meiner alten Knochen.
Was soll ich sagen: Der Floh in meinem Ohr gibt keine Ruhe. Seit ich am Montag beim Abendessen im Hotel den Schwärmereien unseres Tischnachbarn über seine tolle Großglockner-Tour lauschen durfte, höre ich dauernd ein Geflüster: „Da musst Du auch hin, da musst Du auch hin ...“ Und warum nicht? Das Wetter heute ist perfekt für solch eine Ausfahrt und meine Rockerbraut gibt mir ebenfalls grünes Licht. Sie wird unserem Hund und sich selbst währenddessen den Tag mit einer schönen Wanderung versüßen.
Also starte ich gleich nach dem Frühstück meinen Straßenkönig, rolle zuerst ein Stück weit hinein ins Zillertal und dann hinauf zum Gerlospass, den ich damit zum dritten Mal in dieser Woche in der einen oder anderen Richtung überquere. An der Mautstelle kaufe ich heute gleich das Pässe-Kombi-Ticket für Gerlospass, Großglockner und Nockalmstraße. Die beiden ersten Mautstraßen werde ich schließlich heute noch befahren. Und für das Nockalm-Ticket wird es bei irgendeinem unserer Faak- und Bike Week-Aufenthalte ohnehin wieder Verwendung geben.
Die Abfahrt über die Gerlosstraße hinunter nach Krimml mit meiner Road King ist ein genauso wundervolles Vergnügen wie die Auffahrt am Sonntag bei der Anreise. Und auch die Ausblicke auf die Wasserfälle begeistern mich wieder, obwohl ich hier ja erst vor zwei Tagen als Wanderer unterwegs war. Aber für lange Pausen ist heute keine Zeit. Schließlich wartet mit über 300 Landstraßen-Kilometern ein durchaus tagesfüllendes Tourenprogramm auf mich. Und der Großglockner, an dem ich viel lieber den einen oder anderen Stopp einlegen möchte.
Die Strecke von Krimml nach Mittersill lege ich deshalb schön zügig zurück. Die Straße ist nämlich fahrerisch ziemlich langweilig und die Aussicht auf die tolle Landschaft kann ich auch bei Tempo 100 durchaus genießen. Eine Baustelle in Mittersill und ziemlich viel zäher Verkehr bis Zell am See wirbeln meinen Zeitplan jetzt schon bei der Anfahrt gehörig durcheinander. Kaum habe ich aber Zell am See ganz hinter mir gelassen und bin Richtung Großglockner unterwegs, leert sich die Straße zu meiner großen Überraschung schlagartig. Plötzlich bin ich mit meinem Straßenkönig fast allein unterwegs. An der Mautstelle kann ich sofort ein freies Kassenhäuschen ansteuern und mein bereits erworbenes Ticket vorzeigen. Und auch die Auffahrt hinauf zur Passhöhe ist ein weitestgehend ungestörtes Vergnügen. Damit das so bleibt, lasse ich einen eiligen Ferrari-Fahrer passieren, der offenkundig gewaltigen Spaß daran hat, seinen Boliden sehr dynamisch die Passstraße hinaufzutreiben, und der sich überschwänglich bei mir bedankt, als ich ihn vorbeiwinke und ungestört seinem Vergnügen nachgehen lasse. Was nicht heißen soll, dass ich die Straße hinaufkrieche. Allerdings halte ich immer wieder an, um zu fotografieren, die Landschaft zu genießen oder einzukehren.
So wie auf dem Parkplatz an der kleinen Jausenstation in Kehre 4. Hier muss ich anhalten, weil einerseits der Tee vom Frühstück entsorgt werden will und sich andererseits wieder Durst in meiner Kehle bemerkbar macht. Die Jausenstation ist zwar noch nicht geöffnet, die Wirtin ist allerdings da und richtet alles für den wohl bald zu erwartenden Besucheransturm her. Jetzt bin ich aber weit und breit der einzige mögliche Gast. Auf meine Frage hin darf selbstverständlich die Toilette benutzen. Und ein Fläschchen Wasser, um meinen Durst zu stillen, bekomme ich auch. Revanchieren kann ich mich für diese Freundlichkeit sofort - nicht nur durch die selbstverständliche Bezahlung des Wassers, sondern durch eine gute Tat. Die Wirtin kämpft nämlich mit dem Aufstellen ihres kleinen Ofens, in dem sie demnächst den Leberkäs und die anderen heißen Leckereien zubereiten wird, die jetzt schon auf einer Tafel vor dem Häuschen angepriesen werden. Die Bitte, ihr zur Hand zu gehen, kann ich natürlich nicht ausschlagen. Gemeinsam bringen wir das erstaunlich schwere Gerät an seinen Platz. Der Verköstigung der kommenden Gäste steht also nichts mehr im Wege.
Wieder zurück auf dem Parkplatz erwartet mich das nächste absolut beeindruckende Erlebnis dieses Tages. Während ich mein Wasser trinke und die umliegende Bergwelt beobachte, höre ich plötzlich ein dumpfes Grollen. Und während ich noch überlege, ob da gerade eine Gruppe Harley-Fahrer oder irgendein Schwertransport die Großglocknerstraße heraufkommt, sehe ich den Ursprung des ungewohnten Tosens: In den Bergen direkt gegenüber von meinem Pausenplatz geht eine Lawine ab. Es ist ein erschreckendes und zugleich fesselndes Schauspiel, wie die weißen Schneemassen den Berg hinab ins Tal stürzen - selbst aus dieser Entfernung!
Aber jetzt muss ich weiter. Hinauf zum Fuschertörl mit einem Fotostopp auf dem Parkplatz unterhalb des Kiosks, weiter Richtung Süden mit einem weiteren Halt vor den beeindruckenden Schneewänden am Parkplatz einer der vielen Infostationen und dann zum Hochtortunnel, dessen Zufahrt von mächtigen Schneewänden gesäumt wird. Und vor dem Stau herrscht. Die Durchfahrt ist gesperrt, ein freundlicher Straßenwartmann stimmt die sich einfindenden Auto- und Motorradfahrer auf ca. 30 Minuten Wartezeit ein. Auf der anderen Seite des Tunnels ist eine Lawine abgegangen, die die Durchfahrt blockiert.
Einige wenige Ungeduldige wenden und fahren zurück. Wir Wartenden richten uns rechts und links auf den Parkplätzen vor der Tunnelzufahrt häuslich ein, bewundern die Natur und die Schneemassen, die hier Anfang Juni noch liegen, und machen Fotos. Die Parkplätze füllen sich zunehmend, eine kleine Bikergruppe mit großen, vollverkleideten Tourern rollt heran. Aber offensichtlich haben die Jungs wenig Bergerfahrung. Schon beim Ansteuern ihrer Parkpositionen wird absehbar, dass dieses Manöver nicht ohne Probleme ablaufen wird. Und so ist dann auch: Beim Parken quer zum Gefälle tritt einer der Fahrer auf der abfallenden Hangseite ins Leere, seine Maschine kippt zur Seite weg und rutscht mit einem hässlichen kreischenden Geräusch auf seiner schicken Verkleidung ein gutes Stück den Asphalt hinunter.
Dem Fahrer ist zum Glück nichts passiert, außer dass ihm der Schrecken gewaltig in den Knochen steckt. Um das Bike wieder auf die Pneus zu stellen, sind allerdings fünf tatkräftige Helfer für das Anheben nötig und ein weiterer, der das Überkippen verhindert. Der Anblick, den die zerschundene Seite der Maschine bietet, ist wirklich herzerweichend. Der schicke Metallic-Lack ist hinüber, das Blinkerglas zerdeppert, Spiegelgehäuse und Spiegelglas haben ordentliche Sprünge. Aber immerhin sind keine wesentlichen Schäden an Teilen zu erkennen, die die Weiterfahrt ernsthaft gefährden würden. Lenker, Bremshebel, das Pedalwerk und alle Deckel an Motor und Getriebe sind optisch angekratzt, aber voll funktionsfähig. Und so überlassen wir den armen Bikerkollegen mit einigen aufmunternden Worten seinen Kumpeln. Denn die Durchfahrt durch den Tunnel ist inzwischen wieder frei.
Der Straßenwartmann winkt zuerst die Biker zur Tunneleinfahrt und gibt uns den warnenden Hinweis mit auf den Weg, sehr langsam und ganz links auf der Gegenfahrbahn zu fahren und auf der anderen Seite doch bitte nicht anzuhalten. So rolle ich mit einem mittelgroßen Fragezeichen im Gesicht in den Tunnel hinein und im Schneckentempo vom Salzburger Land hinüber nach Kärnten. Je näher ich dem Tunnelausgang komme, desto mehr Klarheit bekommen die Anweisungen von der Einfahrt. Die rechte Tunnelhälfte bleibt dunkel, auch wenn ich näher komme, sie ist komplett mit Schnee verschüttet. Links ist eine Durchfahrt frei, durch die wir Motorradfahrer tatsächlich passen, die für einen Pkw aber ziemlich schmal wäre. Ein Transporter oder ein Wohnmobil hätten aber gar keine Chance.
Nach der Ausfahrt aus dem Tunnel gibt es für mich das persönliche Highlight des Tages: Eine der alten Schneefräsen ist tatsächlich in Aktion und arbeitet sich laut stampfend und dampfend durch die auf der rechten Fahrbahn liegenden Schneemassen. Deshalb sollten wir also nicht anhalten! Dieses Schauspiel würde ich nur zu gerne fotografieren oder filmen - so wie wahrscheinlich alle Biker vor und hinter mir auch. Und dann wäre das Verkehrschaos vorprogrammiert. So bleibt also nur der Blick im Vorbeifahren auf das stählerne Ungetüm. Und die Erinnerung an die herausschießende Schneefontäne, das Rasseln und Dröhnen, die bis aufs Motorrad spürbaren Vibrationen dieses mechanischen Monsters.
Stand gestern im Internet noch der Hinweis, dass die Zufahrt zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe wegen Lawinengefahr und Schnee gesperrt sei, zeigen die Hinweisschilder am Kreisverkehr mit dem Abzweig zur Pasterze jetzt freie Fahrt an. Also nichts wie hinauf! Erstens weil die Strecke einfach nur riesigen Spaß macht, zweitens begeistert mich der Anblick des Großglockners jedes Mal wieder. Aber warum steht jetzt hier dieser bekloppte Autofahrer mitten in der Serpinentinenstrecke gleich hinter einer Kurve halb auf der Straße und unterbricht meinen schwungvollen Flow? Als ich an ihm vorbeifahre und gerade die Schimpfefaust recken will, sehe ich den Grund: Ein paar Meter vor dem Wagen liegt ein Murmeltier auf der Straße - eines der ersten und leider nicht letzten Verkehrsopfer dieser Saison auf der Hochalpenstraße. Es hatte wohl nicht mitbekommen, dass dieser Straßenabschnitt wieder offen ist. Schnell ziehe ich den Arm wieder zurück und fahre im Gedenken an den possierlichen Nager mit einem Kloß im Hals weiter.
An der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe mache ich nur kurz Halt, vertrete mir die Beine und genieße einmal mehr das tolle Panorama und die Aussicht. Dann geht es weiter Richtung Lienz. Einen richtigen Stopp möchte nämlich lieber dort in der tollen Biker-Gaststätte einlegen, in der wir vor zwei Jahren bei unserer kleinen Alpen-Rundtour einen lustigen Abend und eine ruhige Nacht verbracht hatten. So schwinge ich also die Südrampe des Großglockner hinunter nach Heiligenblut und weiter über die Bundesstraße Richtung Osttirol. Am Pass Iselsberg erwischen mich ein paar Regentropfen, aber das Wölkchen, aus dem sie herausfallen, ist ein Solitär am ansonsten nach Süden schon wieder blauen Himmel. Sie lohnen nicht einmal den Gedanken daran, die Regenkombi überzuziehen. Und so sitze ich wenig später bei einem Stück Kuchen und einem großen Spezi vor dem Bikertreffpunkt in der Sonne.
Frisch gestärkt geht es weiter nach Lienz. Allerdings rolle ich genau in den Berufsverkehr und komme nicht so schnell voran, wie ich es mir erhofft hatte. Sobald ich das Städtchen hinter mir habe und auf die Felbertauernstraße eingebogen bin, ist die Straße schlagartig wie leergefegt. Und ich kann zügig den Heimweg ins Hotel antreten. Die komplette Strecke bis Mittersill und weiter Richtung Zillertal verläuft völlig unspektakulär, bis sich kurz vor Neukirchen am Großvenediger die Wolkenwand vor mir über dem Gerlospass soweit verdichtet, dass ich mich doch entschließe, vorsichtshalber die Regenkombi überzuziehen. Und das ist gut so. Kaum habe ich die wasserdichte Gummihaut angelegt und bin wieder losgefahren, zerplatzen die ersten vereinzelten Tropfen auf meinem Visier. Vorbei an den Krimmler Wasserfällen und über den Gerlospass regnet es dann tatsächlich kräftig. Aber genauso schnell, wie die Regenfront aufgetaucht ist, habe ich sie durchfahren. Und der Regen hat auch sein Gutes: Das verdreckte Visier an meinem Helm ist wieder sauber und eventuelle Salzreste von der Großglocknerstraße sind von meinem Straßenkönig weggespült.
Im Örtchen Gerlos hört der Regen auf, wenig später ist die Straße schon wieder trocken, bei der Abfahrt hinunter nach Zell am Ziller scheint die Sonne. So kann ich meinen Straßenkönig und mich selbst auf den letzten Kilometern bis zum Hotel an der frischen Luft trocknen. Beim Abendessen habe ich meiner Rockerbraut natürlich viel zu erzählen. Und ordentlichen Hunger habe ich nach diesem perfekten und erlebnisreichen Tourentag auch.
Auf in die Eng
Seit meinem ersten Besuch vor etwa anderthalb Jahren ist die Eng - auch als Risstal, Rissbachtal oder Ahornboden bekannt - einer meiner Lieblingsorte, der auf mich eine immense Kraft und Ruhe ausstrahlt. Weil meine Rockerbraut noch nie dort war, starten wir am zweiten Tag dieses Zillertal-Urlaubs eine Paralleltour zu diesem herrlichen Plätzchen Erde. Rockerbraut und Hund fahren mit dem Auto, ich starte meinen Straßenkönig und rolle hinauf zum Achensee, hinunter zum Sylvensteinspeicher und dann das kleine Sträßchen immer weiter in das Tal hinein.
Irgendwann ist die Straße plötzlich gesperrt. Ein junger Mann bittet uns um ein wenig Geduld, auf dem folgenden Abschnitt würden gerade Filmarbeiten stattfinden. Offenbar finde also nicht nur ich dieses Fleckchen faszinierend und schön. Der kurze Stopp ist kein Problem für mich, habe ich doch mehr Zeit, mir die herrliche Landschaft anzusehen. Ein Autofahrer hinter mir sieht das scheinbar etwas anders. Lauthals zetert er über die Zwangspause, fordert eine ungestörte Weiterfahrt, schließlich habe er hier Maut fürs Fahren und nicht fürs Warten bezahlt, und so weiter und so fort. Traurig, aber manche Leute werden es nie kapieren, solche Orte und den Weg dorthin zu genießen. Immerhin erntet er von allen anderen Wartenden ein verständnisloses Kopfschütteln. Und wird von ebenfalls wartenden Radlern auch noch aufgefordert, endlich - wie die Fahrer aller anderen wartenden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch - den Motor abzustellen und die wundervolle Luft nicht unnütz zu verpesten.
Nach ein paar Minuten geht es dann auch schon weiter - und wohlweislich lasse ich den ungeduldigen Autofahrer vorbeifahren, bevor er mich in seiner Hektik von meiner Road King schießt. Da tuckere ich lieber entspannt weiter und nehme mir auch ein bisschen Zeit, die am Straßenrand stehende Filmcrew und das an verschiedene Fahrzeuge montierte Kameraequipment zu betrachten. Ganz schön aufwendig, was die hier treiben! Dreharbeiten für einen Werbefilm, wie ich vermute. Neben mehreren Sportwagen mit und ohne angebaute Kameras stehen Wohnmobile und ein ganzes Zelt am Straßenrand, in dem offensichtlich an den Fahrzeugen gewerkelt werden kann. Selbst an Catering scheint es nicht zu fehlen.
In der Eng angekommen, warte ich auf der Terrasse des Gasthauses auf meine Rockerbraut, trinke etwas und genieße den herrlich sonnigen Tag und die Aussicht auf die Berge. Auf den Gipfeln und Graten des Karwendel türmt sich noch der Schnee, an vielen Stellen scheinen die Schneemassen regelrecht über die Felskanten herüberzuhängen. Ab und zu rollt auch ein anderer Motorradfahrer auf dem Parkplatz vor meinem Logenplatz vorbei, mal ist es auch eine kleine Gruppe, die meine Aufmerksamkeit kurz von der faszinierenden Bergwelt ablenken. Aber alles in allem gilt: Im Vergleich zu normalen Jahren ist hier nichts los, vor allem keine Busgruppen, die lärmend die Gastronomie und die Andenkenstände überrennen.
Irgendwann taucht auch meine Rockerbraut mit unserem Hund auf und wir treten nach einer kleinen Erfrischung für die beiden einen Spaziergang hinaus zur Engalm an. Auch wenn ich Lederjacke, Helm und Kleinkram im Auto deponiert habe: In der Bikerjeans und bei diesem sonnigen Wetter ist das ein eingeschränktes Vergnügen. Immerhin: Meine Biker-Boots bewähren sich einmal mehr auch als bequeme Wanderschuhe.
Trotzdem trete ich kurz hinter der Engalm den Rückweg an, während meine Rockerbraut mit unserem Hund noch eine Wanderrunde anhängt und in einer Schleife durch den Wald am Hang zurück zum Parkplatz marschiert. Und obwohl ich noch in der Almhütte an der Engalm auf ein Fläschchen Wasser einkehre und bei der Almkäserei ein Stück Ziegenkäse für meine Rockerbraut kaufe, muss ich doch noch eine satte halbe Stunde am Parkplatz warten, bis mein Wanderduo wieder auftaucht. Die hatten einen ziemlich aufregenden Marsch, denn nach einem ersten wohlgepflegten Wanderweg hatten Regen und Sturm den letzten Abschnitt des Weges völlig weggespült, sodass die beiden eine regelrechte Kletter-, Kraxel- und Rutschpartie absolvieren mussten, um wieder hinunter ins Tal und zum Gasthaus zurückzukommen.
Noch eine letzte kleine Erfrischungseinkehr, dann starten wir beide wieder zurück ins Zillertal. Auch auf der Rückfahrt gibt es wieder den kleinen Stopp wegen der Filmaufnahmen. Außerdem halte ich auch noch das eine oder andere Mal an, um Fotos zu machen. Ich kann mich an diesem magischen Ort einfach nicht satt sehen und möchte diese Eindrücke am liebsten in unendlichen Fotos festhalten und mit nach Hause nehmen. Entsprechend komme ich deutlich später als meine Rockerbraut und unser Hund mit dem Auto zurück im Hotel an. Aber natürlich immer noch rechtzeitig für ein weiteres leckeres Abendessen.
Heute mal auf Schusters Rappen
Da ich gestern ja schon die Anfahrt ins Zillertal als grandiose Motorradtour mit meinem Straßenkönig absolvieren durfte, steht für unseren ersten richtigen Urlaubstag eine Wandertour mit Hund auf dem Programm. Ziel sind die Krimmler Wasserfälle. Die kann ich heute nicht nur von der Straße und den Aussichtspunkten entlang des Gerlospasses bewundern, sondern hautnah aus nächster Nähe bestaunen.
Für die Anfahrt mit dem Auto wählen wir die alte Krimmler Landesstraße - ein durchaus empfehlenswertes Vergnügen nicht nur für Sparfüchse, die für die Gerlosstraße die anfallende Maut nicht berappen möchten. Wenn auch die Qualität des Straßenbelags arg zu wünschen übrig lässt: Die Streckenführung hat durchaus ihre Reize.
In Krimml finden wir gleich gegenüber den Wasserfällen einen Parkplatz. Dass Urlaub in Österreich wieder möglich ist, scheint sich noch nicht rund gesprochen zu haben. Jedenfalls ist dieser Touristen-Hotspot heute so leer, wie wir ihn bei früheren Vorbeifahrten noch nie erlebt haben. Was für ein Erlebnis! Keine Busladungen mit Urlaubern verstopfen den Zugang und den Aufstieg zu den Wasserfällen. Wir steigen total entspannt ganz hinauf zum oberen Wasserfall und können an jedem Aussichtspunkt verweilen, wie wir möchten. Kein Gedrängel, kein Geschiebe. Sind die Wasserfälle aus der Ferne schon beeindruckend, so rauben die herabstürzenden Wassermassen einem schier den Atem, wenn man direkt bis an sie heran wandern kann und in der Gischt steht.
Am Abend im Hotel berichten wir begeistert von unserem herrlichen Wandertag. Und lauschen gespannt den Berichten anderer Gäste über deren heutige Touren: Sie sind über den gerade erst eröffneten Großglockner oder das Timmelsjoch gefahren und schwärmen in den höchsten Tönen von ihren Runden.
Auf ins Zillertal
Die vergangenen zwei Wochen herrschte großer Trubel, nur beim Motorradfahren gab es totalen Stillstand - einerseits wegen des äußerst bescheidenen Wetters, andererseits wegen unendlicher beruflicher und privater Termine. Aber das ändert sich heute: Auf geht’s zum Urlaub ins Zillertal. Pünktlich zu unserem Reisetag verwöhnen uns die Wettergötter mit feinstem Urlaubswetter. Und ab heute sollen uns eine Woche lang Ruhe und Entspannung vom Alltagsstress der vergangenen Wochen befreien. Weil wir keinen Hundesitter für diese Woche haben, darf ich - wie schon im Herbsturlaub vor eineinhalb Jahren - mit dem Motorrad fahren, während meine Rockerbraut und Hund mit dem Auto anreisen. Der Urlaub soll dann wieder ein bunter Mix aus Wandern auf Schusters Rappen und im Motorradsattel werden.
Für mich geht es am späten Vormittag los. Über Reit im Winkl und Kössen mache ich noch einen kleinen Umweg zum Pillersee, dann geht es nach St. Johann, Kitzbühel und über den Pass Thurn hinab nach Mittersill. Von dort nehme ich den Weg durch das Pinzgau zu den Krimmler Wasserfällen, fahre den Gerlospass hinauf und hinunter ins Zillertal in jenes tolle Bikerhotel, das uns schon vor zwei Jahren mehrfach so herzlich aufgenommen und bewirtet hatte.
Die Fahrt ist grandios, die Straßen sind trotz Sonntag, Wochenende und Pfingstferien erfreulich leer. Und das sonnige, angenehm kühle Wetter ist ganz nach meinem Geschmack. Kein Schwitzen, sondern stets eine frische Brise, die um die Nase und durch die Lüftungsschlitze meiner Lederjacke fegt. Auch mein Straßenkönig macht mir einen riesengroßen Spaß. Durch die Kurven fegt er wie eine Rennmaschine - sowohl hinauf nach Reit im Winkl als auch durch das Pillerseetal und über den Pass Thurn und den Gerlospass. Das ist dann wohl die endgültige Bestätigung, dass der im Winter verbaute Stabilisator seine Arbeit ordentlich verrichtet. So wird diese Anreise nicht nur zu einer Tour, die mehr Kilometer auf den Tacho meines Straßenkönigs zaubert als die ganze bisherige Saison, sondern auch zu einem riesigen Vergnügen.
Eines wird an diesem Anreisetag aber auch klar: Es gibt offenbar in Österreich zurzeit keine Straße, in deren Verlauf nicht irgendwo an einer größeren Baustelle die Fahrbahndecke saniert wird. So rolle ich zwischen Mittersill und Krimml gefühlte endlose Kilometer über eine abgefräste Straße, die scheinbar nur wegen des Sonntags in beide Richtungen befahrbar ist, wie die entlang der Straße stehenden, abgeschalteten Wechselampeln zeigen, die offenbar nur auf ihren erneuten Einsatz warten. Und auch am Gerlospass wird fleißig an der Straße gearbeitet.
Abends im Hotel gibt es dann ein großes Hallo - Rockerbraut und Hund freuen sich genauso über meine Ankunft wie die Wirtsleute im Hotel, die es kaum erwarten konnten, endlich wieder Gäste im Haus zu haben.
Unerwartete Freude
Das lange Christi-Himmelfahrt-Wochenende fällt in diesem Jahr genau auf die Eisheiligen. Ob wir da wohl einen Tag Motorrad fahren können? Ja, die heilige Sophia hat ein Einsehen mit mir und straft die schlechten Vorhersagen Lügen. Also starte ich auf eine Shovel-Runde. In weiten Schleifen kurve ich zum Waginger See, nach Palling und weiter nach Tacherting. Weil am Horizont immer bedrohlichere Wolken aufziehen, breche ich dort die weitere Tour allerdings ab und schlage den direkten Weg nach Hause ein. Trotzdem: Die kleine Runde war die reinste Wohltat für Leib und Seele, sie hat jede Menge Glückshormone freigesetzt.
Zurück daheim erwartet mich eine heißersehnte, gute Nachricht: Österreich will schon in den nächsten Tagen die Grenzen für Touristen öffnen und Deutschland will bei Vorlage eines negativen Coronatests auf die Quarantäne nach der Rückreise verzichten. Damit könnte unsere schon länger geplante Urlaubswoche im Zillertal Ende Mai/Anfang Juni tatsächlich stattfinden. Ein kurzer Anruf im Hotel bestätigt die Ankündigungen. Und nicht nur das: Das Hotel will tatsächlich an unserem geplanten Anreisetag, dem 30. Mai, nach monatelanger Pause wiedereröffnen.
Ende einer Durststrecke
Nach unserer Ostermontagsrunde herrschte über einen Monat lang Stillstand. Den ganzen April gab es entweder schlechtes Wetter oder meine Gesundheit fesselte mich ans Bett und an die Couch. Mich in den Sattel meines Straßenkönigs zu schwingen, daran war entweder wegen Regens und Schnees oder wegen Schmerzen nicht zu denken. Aber jetzt hat diese Durststrecke ein Ende. Heute, an diesem zweiten Mai-Wochenende, passen Wetter, Zeit und Gesundheit zusammen und wir starten endlich wieder auf eine längere Runde. Als Ziel für meine Rockerbraut und mich habe ich den Rupertiwinkel auserkoren, eine Revivaltour der Strecke, die ich Ende März mit meinem Schäufelchen alleine gefahren bin. Die Berge locken uns noch nicht, dafür liegt einfach noch zu viel Schnee auf den Gipfeln vor unserer Haustür. Immerhin: Das beschert uns auf unserer Tour immer wieder neue fantastische Aussichten auf das Alpenpanorama.
Weniger fantastisch sind allerdings die Aussichten auf die leerstehenden Biergärten entlang der Strecke. Die wirken schon sehr deprimierend und trostlos, wie sie trotz herrlichem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen entweder gänzlich unbestuhlt oder mit hochgestelltem Inventar im Winter- und Coronaschlaf verharren und wie Dornröschen auf den erweckenden Kuss warten. Wirten und Gästen bleibt da nur zu wünschen, dass sich die Biergärten bald wieder füllen dürfen!
In die Streckenführung für den heutigen Tag habe ich bewusst drei Kurven eingebaut, die ich sehr gut kenne und die ich bisher immer nur mit reduziertem Tempo durchfahren konnte, weil sie meinen Straßenkönig zu Unruhe und Schwingungen verleitet haben. Heute sieht das aber ganz anders aus. So schnell, so entspannt und so sauber auf Linie haben mein Straßenkönig und ich diese Kurven noch nie gemeistert. Stabilisator wirkt, würde ich da wohl mal sagen.
Osterfahrt
Die Kartage waren trüb und regnerisch, nachts gab es sogar Schneefall, nachdem ich an den Tagen zuvor nur mit einem T-Shirt unter der Lederjacke auf meinem Oldtimer unterwegs war. Ostersonntag war dann als Hunde-Spaß-und-Müdemach-Tag eingeplant. Aber heute, am Ostermontag, geht es nun endlich und zum ersten Mal in diesem Jahr mit 2 x 2 Rädern auf die Piste. Meine Rockerbraut und ich fahren die Premierenrunde der Saison. Leider haben wir nicht viel Zeit und es bläst auch ein ordentlicher, zu allem Übel sehr böiger Wind, sodass wir uns mit einer Runde um den Chiemsee begnügen. Aber es macht trotzdem riesigen Spaß, uns endlich wieder zu zweit den frischen Bike-Wind um die Nase wehen zu lassen. Meine Rockerbraut freut sich über ihre neuen Skeletthandspiegel, das schicke Chrompulley und die verchromte Riemenabdeckung, die ihre Sporty noch mehr glänzen lassen. Und ich habe auch heute wieder das Gefühl, dass das Fahrwerkstuning an meinem Straßenkönig tatsächlich etwas gebracht hat. Mal sehen, was ein erster richtiger Test auf anspruchsvollerer Kurvenstrecke ergibt.
Aufstehen!
Hallo Straßenkönig, hallo Sporty! Aufstehen! Der Winterschlaf ist vorbei! Und das ist kein Aprilscherz. Die Saisonkennzeichen haben wieder Gültigkeit. Also nichts wie hin zum Lieblings-Harley-Schrauber und die Bikes aus dem Winterlager abgeholt. Und weil auch das Wetter wieder mitspielt, wird es mein vierter Biketag in dieser Woche. Meine Rockerbraut hat allerdings keine Lust zu fahren, ihr ist nicht ganz wohl und ihr ist es auch noch zu frisch. Da kann ich mich also - wie schon zum Ende der letzten - auch zum Start der neuen Saison gleich auf ein doppeltes Vergnügen freuen.
Als erstes ist die Sporty meiner Rockerbraut dran. Die fahre ich auf direktem Weg nach Hause. Was für ein Spaß! Das Ding begeistert mich immer wieder. Die Leichtigkeit, mit der sie sich bewegen lässt. Die Power, mit der der Motor das Bike voranschiebt. Der Sound, mit dem der Sportster-Motor zu Werke geht. Einfach herrlich.
Dann geht es wieder zurück zur Werkstatt, wo schon mein Straßenkönig auf mich wartet. Mit dem möchte ich jetzt noch eine schöne Runde drehen und den wohl bekannten und beliebten weiten Bogen um den Chiemsee schlagen. Schließlich wäre es ja schön ein bisschen zu testen, ob die Maßnahmen gegen die von mir festgestellte Fahrwerksunruhe Wirkung zeigen.
Bei der gründlichen Prüfung und Durchsicht meines Straßenkönigs in den letzten Wintermonaten konnte mein Lieblings-Harley-Schrauber seinen ersten Verdacht ausschließen: Das vordere Radlager, das er als Ursache vermutet hatte, war in Ordnung. Allerdings stellte er eine minimale Unwucht am Vorderrad fest, die natürlich behoben wurde, aber nicht die Ursache für die von mir beschriebenen Unruhen sein konnte. Auch andere Fehler am Fahrwerk oder den Reifen konnte er nicht finden. Deshalb hat er einen Stabilisator eingebaut, der hinter dem Motor sitzt und den V2 mit dem Fahrwerk verbindet. Das soll, so hat er mir versichert, deutlich mehr Ruhe und einen stabileren Lauf vor allem in langgezogenen Kurven bringen - also genau das beheben, was ich bemängelt hatte.
So starte ich also von der Werkstatt aus zunächst nach Eggstätt, dann über Seeon nach Truchtlaching. Der erste Eindruck von meinen Straßenkönig: Der Fahrwerksstabilisator tut sein Werk durchaus spür- und brauchbar. Aber so richtig auf die Probe stellen kann ich ihn heute nicht mehr. Denn am Horizont ziehen schwere, dunkle Wolken heran. Ein Gewitter ist im Anmarsch, dem ich natürlich aus dem Wege gehen möchte. Also breche ich meine geplante kleine Tour ab und düse auf dem kürzesten Weg nach Hause. Da komme ich auch tatsächlich gerade noch rechtzeitig an, bevor die ersten kräftigen Böen über das Land fegen und die ersten fetten Tropfen auf den Asphalt klatschen.
Kick it!
Diese Woche meint es das Wetter aber wirklich gut mit mir! Auch an diesem Mittwoch, dem letzten Tag im März, ist Bike-Wetter. Deshalb nehme ich mir wieder die Zeit, wenigstens eine kleine Runde um den Chiemsee zu drehen. Ein kurzer Tankstopp, eine mehr oder weniger schnörkellose Runde auf den wohlbekannten Straßen rund um das Bayerische Meer, dann stehe ich schon wieder vor der heimischen Garage.
Nachdem ich das Garagentor geöffnet habe, reitet mich der Übermut und ich versuche zum ersten Mal, den Shovel-Motor anzukicken. Nach ein, zwei zaghaften Tritten auf den Kickstarter spüre ich den Druckpunkt, lasse den Hebel noch einmal nach oben kommen und trete beherzt durch. Und was soll ich sagen: Unter mir blubbert und brabbelt es munter los! Ich habe mein Schäufelchen angekickt! Mit stolz geschwellter Brust tuckere ich in die Garage, stelle den Oldtimer ab und eile flugs zu meiner Rockerbraut ins Haus, um ihr von dieser Heldentat zu berichten.
Nachholbedarf
Was gestern so viel Spaß und Freude gemacht hat, kann heute doch nicht falsch sein! Also gibt es einen ordentlichen Nachschlag in Sachen Oldtimer-Fahrt. Da ich mich wegen des noch gar nicht so lange zurückliegenden Winterwetters noch nicht in die Berge traue, starte ich also in den Rupertiwinkel. Dafür brumme ich mit meiner alten Dame E-Glide erst einmal zum Waginger See, an dessen Ostufer über Kühnhausen bis Tettenhausen, dann nach Fridolfing und wieder zurück nach Kirchanschöring. Von dort geht es weiter nach Leobendorf, zu einem kleinen Stopp an den Abtsdorfer See und weiter nach Saaldorf - das alles natürlich auf kleinen und kleinsten Nebenstrecken. Pures Vergnügen. In einem wilden Schlenker über Schönram und Teisendorf nehme ich dann wieder Kurs auf Zuhause. Vor allem das Teilstück zwischen Oberteisendorf und Neukirchen macht wieder riesigen Spaß mit seinen perfekt geschwungenen Kurven entlang der Oberteisendorfer Ache.
Glückliche Wendung
Wettergötter, Meteorologen, Hochs und Tiefs über Nordeuropa - sie alle hatten ein Einsehen mit mir. Sogar die Urlaubsregelung im Job, die mir mehr oder weniger zwangsweise den Resturlaub des Vorjahres auf die letzten Märztage gelegt hat, passt perfekt. Und so kann ich schon heute, an diesem 29. März, bei überraschend warmem, sonnigem Wetter mein Schäufelchen aus dem Winterschlaf erwecken und mich gleich auf eine Runde durch den Chiemgau machen. Denn als Oldtimer hat die Shovel kein Saisonkennzeichen.
Munter knattere ich auf der alten E-Glide am Westufer des Chiemsees entlang, zweige ab Richtung Eggstätt und fahre dann in einem weiten Bogen nördlich um das Bayerische Meer nach Truchtlaching. Von dort halte ich mich ostwärts nach Stein an der Traun, Palling und Taching, um dann über zwei meiner Lieblingsstrecken, den Wonneberg und die kleine Straße von Surberg nach Neukirchen, wieder nach Hause zu rollen. Was für ein Vergnügen, was für eine Freude und was für eine tiefenentspannende Oldtimer-Runde.
Ob’s was wird mit dem Start in die Saison?
Frühlingsanfang. Es sind nicht einmal mehr zwei Wochen bis zum 1. April und damit zum Start in die diesjährige Motorradsaison. Aber was hält der Blick aus dem Fenster für mich parat? SCHNEE! Satte 15 cm der weißen Pracht sind heute Nacht gefallen. Das braucht kein Mensch mehr. Von wegen Frühlingsgefühle, erste wärmende Sonnenstrahlen und zart sprießende Blütenpracht. Die Schneeschaufel darf ich heute schwingen!
Dieses Jucken in den Fingern
Ende Februar, bisher habe ich die Winterpause und den Bike-Entzug gut verkraftet. Aber dieser Tag stellt mich vor eine echte Herausforderung: Draußen herrscht Frühlingswetter vom Feinsten und immer wieder dringt das Knattern und Brummen von Zweirädern an mein Ohr, die offensichtlich ohne Saisonkennzeichen in den Garagen ihrer Besitzer nur auf solch einen Tag gewartet haben, um endlich wieder auf die Straße zu dürfen. Sollte ich vielleicht doch mein Schäufelchen aus dem Winterschlaf bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber holen? Nein, lieber nicht. Dafür ist noch viel zu viel Salz bei uns hier auf den Straßen, wie die weißen Flecken und Schlieren auf dem dunklen Asphalt beweisen.
Zu allem Überfluss erreicht mich heute Abend auch noch eine E-Mail aus der Werkstatt: Alle Arbeiten an der Shovel sind abgeschlossen und die Inkontinenz der alten Dame ist behoben. Das hat mein Lieblings-Harley-Schrauber bei diesem tollen Wetter mit einer ausgiebigen Testfahrt überprüft, die auch ihm die besonderen Eigenschaften meiner Oldtimer-E-Glide live vorgeführt hat: totale Entspannung durch sanfte Entschleunigung.
Winterlager und Winterservice
Freitag, 30. Oktober. Heute müssen Sporty und Straßenkönig mit ihren Saisonkennzeichen ins Winterlager zu unserem Lieblings-Harley-Schrauber. Und die alte Dame Schäufelchen geht auch gleich mit. Morgens im Büro schaue ich alle paar Minuten aus dem Fenster, ob es denn nun endlich - wie auf meiner Wetter-App vorhergesagt - aufhört zu regnen. Sonst wird das heute Nachmittag eine ziemlich feuchte Pendelei zwischen zuhause und Werkstatt.
Der Wettergott hat ein Einsehen mit mir, vielleicht hat auch einfach nur die Wetter-App recht: Pünktlich zum frühen Feierabend an diesem Freitag hört es tatsächlich auf zu regnen. Meine Rockerbraut überlässt mir trotzdem die Ehre und Freude der letzten Fahrten. Sie chauffiert mich lieber immer wieder mit dem Auto zurück, während ich die Bikes eines nach dem anderen in den Winterschlaf schicke.
Obwohl: Winterschlaf werden die Harleys wohl eher nicht haben. Denn für diesen Winter gibt es eine ganz schön lange Aufgabenliste zusätzlich zu den ohnehin regelmäßig anstehenden Service- und Wartungsarbeiten:
Nachdem ich also zum Saisonabschluss gleich das dreifache Vergnügen hatte, unsere Motorräder in den Winterschlaf zu chauffieren, und auch noch alle anstehenden Arbeiten mit unserem Lieblings-Harley-Schrauber besprochen sind, geht es wieder ab nach Hause. Jetzt heißt es, fünf lange, kalte, dunkle Monate durchzuhalten, in Erinnerungen an vergangene Touren zu schwelgen, von zukünftigen Touren zu träumen und Pläne für die nächsten Runden zu schmieden. Und natürlich müssen alle Klamotten, Schuhe, Ledertaschen, Helme und sonstigen Accessoires, die bei uns zuhause den Winter eingelagert sind, gereinigt, gepflegt und für die neue Saison vorbereitet werden.
Nutze die Lücke
Der letzte Sonntag im Oktober. Der letzte Sonntag für eine Ausfahrt mit meinem Straßenkönig. Und tatsächlich eine Schönwetterlücke nach ein paar ziemlich nassen, regnerischen Tagen. Sogar die Temperaturen sind durchaus angenehm für diesen späten Zeitpunkt im Jahr. Trotzdem hat meine Rockerbraut keine Lust mitzufahren. Ihr steckt noch die nass-kalte Rückfahrt aus Niederbayern in den Knochen. Also geht es heute noch einmal alleine auf Tour.
Über den Samerberg fahre ich erst einmal hinunter ins Inntal. Dann will ich weiter nach Bad Feilnbach, aber die Strecke ist gesperrt. Die Umleitung führt mich nach Rosenheim ins Stadtgebiet hinein, wo ich eigentlich überhaupt nicht hin wollte. Aber egal, da muss ich jetzt durch - im wahrsten Sinne des Wortes. Von Süden kommend quere ich also Rosenheim, fahre nach Norden immer parallel zum Inn bis Wasserburg und von dort noch weiter bis kurz vor Haag in Oberbayern, bevor ich in einer Schleife wieder nach Süden Richtung Soyen, noch einmal Wasserburg und dann Amerang abbiege.
Ein Blick auf den Tacho zeigt mir, dass ich da gerade mal eben 200 km genossen habe. Und Blicke gen Himmel und auf die Uhr zeigen mir, dass ich die Zeitumstellung der letzten Nacht noch gar nicht verinnerlicht habe. Dass es heute nämlich wieder eine Stunde früher dunkel wird, daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht. Also heißt es jetzt sich sputen, damit ich noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zuhause ankomme. Außerdem wird es jetzt mit untergehender Sonne auch ziemlich schnell ziemlich frisch.
Schwarz auf Weiß
Heute Morgen habe ich einen der ersten Termine in der Zulassungsstelle, um die Eintragungen von Luftfiltern und Auspuffanlagen für die Sporty meiner Rockerbraut und meinen Straßenkönig vornehmen zu lassen. Der ganze Verwaltungsakt ist in wenigen Minuten vorüber, ich zahle noch einmal Gebühren für diese unselige Geschichte und halte alsbald die heißersehnten Papiere in den Händen. Am Abend nach der Arbeit fahre ich dann auch noch zur Polizeiinspektion und gebe dort zusammen mit einem Begleitschreiben für die zuständigen Beamten eine Kopie der Eintragung für meinen Straßenkönig ab. Das sollte es dann wohl endlich gewesen sein.
Oktober-Shovel
Auch wenn der Straßenkönig jetzt wieder alle amtlichen Segen hat: Die Eintragungen im Fahrzeugschein sind noch nicht erfolgt. Also hole ich an diesem sonnigen Sonntag mitten im Oktober noch einmal mein Schäufelchen aus der Garage und drehe eine Runde durch den Chiemgau. Viel Zeit für diese kleinen Fluchten bleibt mir schließlich nicht mehr. In zwei Wochen ist November und die fünf finsteren, motorradlosen Monate beginnen. Umso mehr genieße ich die heutige Tour, auch wenn es nur eine kleine Runde über die wohlbekannte Hausstrecke ist.
Ein Tag voller Wendungen
Ganz früh an diesem Mittwochmorgen krabbeln wir aus den Federn unseres kuscheligen Hotelbetts. In der Nacht hat es schon angefangen zu regnen. Das war in unserem Zimmer direkt unter dem Dach und mit großen Dachflächenfenstern nicht zu überhören. Wärmer ist es damit natürlich auch nicht geworden, nachdem es gestern bei Sonnenschein schon ziemlich frisch war. Das spüren wir am kalten Wind, der durch ein offenes Fenster zu uns herüber streicht. Wie gut, dass wir jetzt schon hier in unmittelbarer Nähe unseres rettenden Umbauexperten sind und bei diesem Sauwetter nicht zu nächtlicher Stunde anreisen mussten!
Unsere sieben Sachen der einen Nacht sind schnell zusammengepackt. Etwas mehr Zeit nehmen wir uns für das Frühstück. Wer weiß schon, wann es heute wieder etwas zu beißen gibt! Allerdings ist ein Frühstücksbuffet im Hotel zu Coronazeiten durchaus gewöhnungsbedürftig. Irgendwie ist alles Plastik: Plastikhandschuhe für die Gäste zum Überziehen während der Selbstbedienung; Plastikdöschen und -töpfchen mit fertigen Müsli-, Frischobst-, Joghurt- und Quark-Portionen; mit Folien abgedeckte Platten mit Wurst, Schinken, Käse; Einwegpäckchen für Marmeladen, Honig, Butter und Margarine sowie sonstige Aufstriche; Semmeln und Brezen in abgedeckten Körben, auf abgedeckten Platten vorgeschnittenes Brot - das alles dürfen die Gäste natürlich nur mit Zangen nehmen. Und an jeder Ecke steht Desinfektionsmittel.
Keine Frage, die Auswahl ist absolut großartig und insbesondere Semmeln, Brot, Wurst, Käse, Obst sind von bester Qualität, absolut frisch und größtenteils aus der Region. Aber die Verpackungs- und Hygieneorgie drum herum lässt zumindest am Buffet keine richtig gute Frühstückslaune aufkommen. Die entwickelt sich erst am Tisch, nachdem all die eingesammelten Leckereien ausgepackt und ausgewickelt sind und sich zum Kaffee- und Teeduft endlich auch das Aroma frischer Back-, Wurst- und Käsewaren ausbreiten kann. Da die aufmerksame Wirtin den Plastikmüllberg auch schnell von unserem Tisch wegräumt, steht nun in der Tat einem königlichen Frühstück nichts mehr im Wege. Mmmh, lecker!
Auch wenn wir hier nur allzu gerne noch sitzen bleiben würden, um uns vor dem Sauwetter draußen zu verstecken: Wir müssen jetzt los. Also schnell noch die Rechnung bezahlt und unsere Tasche samt Helm und Bikerklamotten aus dem Zimmer geholt. Dann geht’s raus zu unseren Maschinen. Die stehen trotz des schützenden Überdachs triefnass hinterm Haus. Dumm, wenn der Regen aus der falschen Richtung kommt! Dass die Südseite des Hotels heute die Schlagseite sein würde, konnten wir ja nun wirklich nicht ahnen.
Das ist aber noch nicht die böseste Überraschung. Nachdem wir die Regenhauben von den Sitzen genommen, unsere Tasche verstaut und uns fertig angezogen haben, verweigert die Sporty meiner Rockerbraut ihre Dienste. Beim Druck auf den Startknopf lässt sie nur noch ein leises Klick-Geräusch hören. Was tun? Da überlegen wir gar nicht lange, ich rufe direkt in der Werkstatt an, die heute ja sowieso unser Ziel ist. Der nette Werkstattmeister fackelt auch nicht lange: „Wo seid Ihr denn? Ich schick Euch `nen Mitarbeiter mit dem Transporter vorbei. Dann schauen wir uns das hier im Betrieb an.“ Unser Bikerhotel ist ihm wohlbekannt, sodass gar keine lange Wegbeschreibung nötig ist. Jetzt heißt es also erst einmal warten. Wir kuscheln uns so dicht wie möglich an die Hauswand, schauen den Regentropfen zu, die vor uns herunterrieseln, und spekulieren über die Ursachen für die Startprobleme.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und real nicht einmal einer Viertelstunde Wartezeit kommt schon der Transporter des Umbau-Spezialisten vorgefahren. Der nette Mechaniker verstaut die Sporty mit reiner Körperkraft schwuppdiwupp im Laderaum und zurrt sie fest. Sein Angebot, meine Rockerbraut im Fahrerhaus mitzunehmen, nimmt sie dankbar an. Ich kann sie gut verstehen, ist der trockene, warme Platz im Auto doch sicherlich deutlich angenehmer als der nass-kalte Sozius auf meinem Straßenkönig, mit dem ich dem Transporter nun endlich in die Werkstatt folge.
Im Harley-Betrieb folgt nun ein langer Morgen des Wartens. Die Sporty ist sowieso direkt in die Werkstatt gefahren worden, meinen Straßenkönig habe ich davor abgestellt. Zutritt ist hier für uns erst einmal verboten. Dafür übergeben wir dem Werkstattmeister an der Reparaturannahme alle Unterlagen rund um die vorhergesehenen Eintragungen und schildern auch noch einmal die Startschwierigkeiten der Sporty. Dann verschwindet er und wir sind uns selbst überlassen. Und was macht ein Biker dann in einem Harley-Laden? Ganz genau und richtig: Stöbern und shoppen, um die Nervosität ob des Kommenden zu kompensieren. Und so wandern ein paar schicke Pullis für meine Rockerbraut und eine Mütze für mich in die Einkaufstüten.
Irgendwann taucht der Werkstattmeister wieder auf und fragt uns, ob das tatsächlich noch die erste Batterie in der Sporty meiner Rockerbraut sei? Ja, wir können uns jedenfalls nicht daran erinnern, dass die Batterie schon einmal erneuert wurde. „Zuhause stehen Eure Bikes immer schön in der Garage, oder? Dann ist das kein Wunder, dass die Batterie heute Nacht schlapp gemacht hat. Bei knapp über 0 Grad ist so ein sieben Jahre altes Teil schneller durch, als Du den Startknopf drücken kannst“, erklärt er uns. „Da hilft auch nichts, dass Ihr gestern ordentlich gefahren seid und die Batterie abends voll geladen war.“ Tja, die Rechnung dieses Tages erhöht sich dann wohl auch noch um den Obolus für einen neuen Energiespeicher.
Es ist schon deutlich nach Mittag, als wir endlich wieder an die Reparaturannahme gerufen werden. Dort liegen die Abnahmeberichte für Straßenkönig und Sporty bereit. Und natürlich eine ordentliche Rechnung. Aber das Einzige, was uns jetzt wirklich interessiert, ist der Vermerk auf den Abnahmeberichten. Und der enthält, was wir erhofft hatten: Alle Prüfungen und Messungen sind bestanden, die Kombinationen von Luftfiltern und Auspuffanlagen an unseren Bikes erfüllen alle Anforderungen, sie können auch in Verbindung miteinander in die Papiere eingetragen werden. Hurra! Die Freude über die Lösung überwiegt bei weitem den Schmerz über die Abbuchung, die gerade per EC-Karten-Zahlung von meinem Konto vorgenommen wird.
Glücklich beschwingt davon, dass unsere Tour in den Bayerischen Wald einen so erfolgreichen Höhepunkt gefunden hat, steigen wir auf unsere nun total legalen Bikes und machen uns auf den Heimweg. Es wird ein ziemlich kalter, nasser und auch anstrengender Trip. Es gießt in Strömen, die Temperaturen liegen geschätzt irgendwo bei 5 Grad, dazu kommt noch ein unangenehm böiger Wind. Mir geht es dabei hinter der Scheibe meines Straßenkönigs noch recht gut. Aber meine Rockerbraut auf ihrer Sporty bekommt die Unbill des Wetters ungefiltert zu spüren. Sie hält sich tapfer und will auf mein Nachfragen irgendwann nach rund einer Stunde Fahrt auch keine Pausen machen, sondern alles nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. Spricht’s und donnert mit ihrem Bike davon.
Kurz vor Burghausen hat das Sauwetter urplötzlich ein Ende. Wie mit dem Lineal gezogen, wechselt der Straßenzustand von nass auf trocken. Und genauso hört es von einem auf den anderen Augenblick auf zu regnen und die Sonne lugt zwischen den Wolken hervor. Was für eine Wohltat ist das in diesem Augenblick! Angesichts des nun trockenen Restwegs bis nach Hause legen wir doch eine Pause ein und stärken uns in einem Fastfood-Restaurant, an dem wir vorbeikommen. Das warme Essen, so schlecht es auch sein mag, tut jetzt einfach gut. Und auch die Wärme die langsam wieder in unsere Glieder und Knochen zurückkehrt.
Als wir nach dem Essen aufstehen und wieder in unsere Funktionsjacken schlüpfen, stellen wir auch fest, warum uns die Gäste an den Nebentischen so verwundert beobachtet haben: Aus unseren Klamotten - vor allem aus den Jacken, die wir über die Stuhllehnen gehängt haben - ist so viel Wasser herausgelaufen, dass wir inmitten einer gewaltigen Pfütze sitzen. Und noch während wir auf dem Weg zum Ausgang sind, sehen wir aus den Augenwinkeln auch schon einen Mitarbeiter mit Wischmopp und Eimer zu unserem Platz marschieren, um die von uns verursachte kleine Seenlandschaft aufzuwischen. Sorry, tut uns leid! Wir wären bis hierher auch lieber warm und trocken unterwegs gewesen!
Gestärkt und aufgewärmt ist der restliche Heimweg jetzt nur noch ein Klacks. Und zuhause gibt es nur noch drei nennenswerte Aktivitäten an diesem Abend: Die nassen Klamotten ausziehen und notdürftig zum Trocknen aufhängen. Dann nichts wie unter eine heiße Dusche. Und schnell noch den Rechner hochfahren um zu checken, wann bei der Zulassungsstelle der nächste für mich brauchbare Termin frei ist. Das ist leider erst nächste Woche Dienstag der Fall. Macht aber nichts. Hauptsache, wir können diese nervige Stilllegungsgeschichte noch in dieser Saison zu den Akten legen.
Auf zur Lösung aller Probleme
Der heutige Dienstag überrascht uns mit trockenem und sonnigem, aber ziemlich kühlem Wetter. Das war so zwar nicht ganz vorhergesagt, kommt uns aber natürlich sehr recht. Denn heute geht es ab nach Niederbayern, um die Einzelabnahmen unserer Bikes durchführen zu lassen. Ich bin morgens schon mit meinem Straßenkönig ins Büro gefahren, weil das auf der Strecke liegt, und mache früh Feierabend. Meine Rockerbraut ist pünktlich nachgekommen und wartet schon vor der Parkplatzausfahrt auf mich. Wir können also durchstarten und kommen hoffentlich noch vor Einbruch der Dunkelheit im Hotel im Bayerischen Wald an.
Es ist eine schöne Tour, mir kommen die kühleren Temperaturen jetzt Mitte Oktober sehr entgegen. Schließlich hält die Funktionskombi schön mollig warm. Nur leider kommen wir in Burghausen in den Feierabendverkehr, der uns völlig unerwartet fast eine Stunde aufhält. Damit fällt die geplante Pause ins Wasser, wir wollen lieber die verlorene Zeit wieder reinholen. Immerhin ist auf den Bundesstraßen Richtung Norden wenig Verkehr, und entgegen der Routenplanung nehmen wir ab Landau an der Isar auch lieber die Autobahn für die letzten Kilometer, als weiter die Landstraßen zu genießen, selbst wenn das deutlich weniger Spaß bringt.
Mit hereinbrechender Dunkelheit füllen wir noch an einer Automatentankstelle unsere Spritvorräte auf, bevor wir wenige Kilometer weiter unser Ziel erreichen. Die eigentlich erwartete Unterstellmöglichkeit für unsere Harleys können wir leider nicht nutzen, aber immerhin können wir die Maschinen einigermaßen geschützt unter einem Balkon mit Vordach abstellen. Also satteln wir unser Gepäck ab, ziehen wegen des vorhergesagten Regenwetters die Schutzhauben über die Sitzbänke und beziehen unser wunderschönes Zimmer im Dachgeschoss des Hauses - ein riesiger Raum mit hoher Decke und einer offenliegenden Dachbalkenkonstruktion, scheinbar noch vor gar nicht allzu langer Zeit frisch renoviert und ausgebaut. Das aller Beste ist für uns allerdings die heiße Dusche, denn auf den letzten Kilometern nach Sonnenuntergang ist es doch empfindlich kühl geworden.
Frisch geduscht und aufgewärmt geht es jetzt noch ins Restaurant, wo uns der Koch mit einem leckeren und reichhaltigen Abendessen verwöhnt. Vor allem der Nachtisch begeistert mich. Den favorisierten Kaiserschmarrn bekomme ich zwar nicht mehr, da eigentlich schon Küchenschluss ist. Dafür rückt der Küchenchef aber eine extragroße Portion Whiskeysahnelikör-Parfait im Baumkuchenmantel heraus. Die muss er ja auch nicht kochen, sondern nur noch aus der Kühlung heraus anrichten. Und das ist ihm hervorragend gelungen. Damit ist die nötige Bettschwere an diesem Tag erreicht und wir kriechen schnell in unser Bett. Schließlich müssen wir morgen sehr früh aufstehen. Um 9 Uhr werden wir in der Werkstatt erwartet. Und diesen Termin wollen wir auf keinen Fall verpassen.
Vorfreude
Weil wir am Mittwoch schon gleich früh am Morgen um 9 Uhr zu Abnahme unserer Bikes in der Werkstatt sein müssen, haben wir inzwischen unsere kleine Reise geplant: Dienstagnachmittag und natürlich den Mittwoch habe ich mir frei genommen. Wir werden schon am Vortag anreisen und in einem Motorradhotel in der Nähe der Werkstatt übernachten, das ich im Internet gefunden habe, das auch jetzt - Mitte Oktober - noch geöffnet und ein Zimmer für uns frei hat. So müssen wir nicht in aller Herrgotts Früh im Dunkeln und mit Zeitdruck im Nacken los, sondern können entspannt nach Niederbayern fahren. Den erfolgreichen Abschluss dieser Planung feiere ich an diesem wundervollen Freitagnachmittag mit einer weiteren Shovel-Hausrunde über Reit im Winkl, die drei Seen, Ruhpolding und Inzell.
Lichtblick
Mitten in der Woche erreichen mich gute Nachrichten von meinem Lieblings-Harley-Schrauber. Er hat einen Kontakt in Niederbayern, der sich auf Umbauten und Eintragungen spezialisiert hat und mir eventuell bei der Re-Legalisierung meines Straßenkönigs und der vorauseilenden Legalisierung der Sporty meiner Rockerbraut helfen kann! Ich soll ihm meine Unterlagen von den Bikes, den Luftfiltern und den Auspuffanlagen sowie den Mängelbescheid der Polizei schicken, damit er sich alles ansehen und prüfen kann, ob eine Eintragung möglich ist. Das mache ich natürlich sofort. Und bekomme auch prompt noch am selben Tag eine Rückmeldung: Die notwendigen Prüfungen und Eintragung sollten kein Problem sein. Einziger Haken an der Sache: Wir müssen für die Abnahmen fast 200 km nach Niederbayern fahren und ziemlich tief in die Tasche greifen. Aber das ist uns die Sache allemal wert! Also machen wir für den nächsten Mittwoch einen Termin aus. Jetzt müssen wir nur noch die kleine Tour organisieren.
Wiederholung
Zwei Wochen sind heute seit der Stilllegung meines Straßenkönigs vorüber. Und eine Lösung für das Problem ist noch nicht gefunden - zumindest keine, die mir gefällt. Denn ein Rückbau ist die allerletzte Option, die ich nur im äußersten Notfall in Erwägung ziehen würde. Also gibt es für die Polizei erst einmal ein freundliches Schreiben mit der Bitte um Fristverlängerung. Und für mich gibt es heute, sozusagen als Wiederholung zum vergangenen Sonntag, wieder eine Oldtimer-E-Glide-Frust-Wegschaufel-Runde.
Dieses Mal geht es über den Samerberg hinunter ins Inntal und dann nach Norden, um den Chiemsee in einem weiten Bogen zu umfahren. Auf meiner Runde komme ich auch an einem beliebten Bikertreff vorbei, vor dem sich an diesem herrlichen Sonntag natürlich viele Motorradfahrer tummeln und der unmittelbar an einer Kreuzung liegt. Was soll ich sagen: Ich muss genau an dieser Kreuzung anhalten und mein Oldtimer geht ausgerechnet bei diesem Stopp vor der versammelten Bikerschar aus. Zu allem Überfluss macht er auch noch Zicken beim Neustart, bevor er sich nach einigen Drückern auf den Startknopf wieder zum Leben erwecken lässt. Zum Glück war eine E-Glide die Basis meines Schäufelchens! Sonst stünde ich jetzt wahrscheinlich zur Belustigung der Zuschauerschaft hier und würde verzweifelt auf dem Kickstarter herumspringen! So aber tuckert der Motor bald wieder in seinem ruhigen Takt vor sich hin und ich kann mich aus dem Staub machen.
Frust wegschaufeln
Im Laufe der vergangenen Woche hat sich herauskristallisiert, dass der Mängelbescheid für meinen Straßenkönig korrekt ist. Die Polizei beruft sich auf einen sehr strengen Richterspruch, der die Kombination von Luftfilter und Auspuff tatsächlich nur erlaubt, wenn beide Teile in Verbindung miteinander geprüft und freigegeben wurden - auch wenn beide Teile für sich ein Gutachten oder eine allgemeine Betriebserlaubnis haben. Diese Zulassungen gelten aber, so die Sicht der Dinge, immer nur in der geprüften Konstellation. Also: Luftfilter mit der Original-Auspuffanlage, Auspuffanlagen mit dem Original-Luftfilter. Und natürlich kann kein Hersteller - weder von Luftfiltern, noch von Auspuffanlagen - mehrere Kombinationen prüfen und zertifizieren lassen. Das wäre viel zu aufwendig und teuer. Bleibt als Lösung für uns tatsächlich nur ein Rückbau oder die Einzelabnahme unserer Bikes.
Was für ein Glück, dass ich mein Schäufelchen habe! Mit ihm kann ich an diesem Sonntag nach einer Woche voller schlechter Nachrichten wunderbar meinen Frust abbauen. Weil meine Rockerbraut das Risiko einer Stilllegung wegen der vergleichbaren Luftfilter-Auspuff-Konstellation an ihrer Sporty nicht eingehen möchte, gehe ich alleine auf Tour. Meine Rockerbraut will heute stattdessen lieber im Garten werkeln. In wilden Schleifen fahre ich also mit meinem Oldtimer zum Waginger See, dann nach Feichten an der Alz, weiter nach Amerang, von dort nach Prien und dann südlich am Chiemsee vorbei wieder nach Hause. Vielen Dank, liebe alte Shovelhead, dass Du mir mit Deiner rauen Art so wundervoll den Frust von der Seele schaufelst!
Krisensitzung
Nach der gestrigen Stilllegung meines Straßenkönigs gibt es heute erst einmal ein ausführliches Telefonat mit unserem Lieblings-Harley-Schrauber. Der ist von der sehr engen Auslegung der Rechtslage auch überrascht, verspricht aber natürlich, sich bis ins Detail kundig zu machen - bei seinen Lieferanten, Kollegen und Prüfern, die ja auch regelmäßig zu ihm in die Werkstatt kommen. Bis er irgendwelche verlässlichen Auskünfte hat, heißt es Geduld zu haben. Schließlich haben wir ja zwei Wochen Zeit.
Kurzes Vergnügen
Wochenend und Sonnenschein, da muss eine kleine Harley-Tour einfach sein! Meine Rockerbraut hat keine Lust, sie möchte lieber daheim chillen. Also mache ich mich alleine auf die Reise. Ziel ist ein Besuch am Pillersee, und auf dieser wohlbekannten Strecke möchte ich noch einmal das Fahrverhalten meines Straßenkönigs ohne Scheibe testen. Denn nach meiner Montags-Shovel-Runde unmittelbar nach den ganzen Kärntentouren mit meinem Straßenkönig kann ich im direkten Vergleich nicht wirklich glauben, dass ein fast 50 Jahre alter Oldtimer eine bessere Straßenlage haben soll als ein knapp 15 Jahre alte Road King, die für ihr gutes Fahrverhalten bekannt ist. Und so möchte ich mich noch vor der Winterruhe auf die Suche nach möglichen Ursachen machen, um im Winter entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Leider endet meine Tour ohne große Tests an einer Polizeikontrolle in Marquartstein. Wohl um die in die Berge fahrenden und auf dieser Strecke auch zurückkommenden Biker wissend, winken die Herren so ziemlich jede Maschine auf den Parkplatz heraus, die sie mit ihrer Mannstärke kontrollieren können. Glück hat nur der Motorradfahrer, der zu einem Zeitpunkt vorbeifährt, an dem alle Beamte schon mit Kontrollen beschäftigt sind. So viel Glück habe ich nicht. Eine Polizeikelle weist mir unzweifelhaft den Weg herunter von der Straße auf den Parkplatz, wo mich auch gleich ein - das muss ich an dieser Stelle ohne jede Ironie betonen - sehr netter Beamter in Empfang nimmt. Aber was soll’s: An meinem Straßenkönig gibt es ausschließlich legales Zubehör, das auch abgenommen und eingetragen ist. Also kann ich ja ganz entspannt bleiben.
Denkste! Es entwickelt sich das alt bekannte Spielchen: Führerschein und Papiere, dann beginnt der Rundgang um die Maschine. Erstes Objekt des Zweifels ist der Lenker. Der ist zwar eingetragen, aber ist auch tatsächlich der eingetragene Ape montiert? Zum Glück ist die Typbezeichnung des Lenkers im sichtbaren Bereich ins Chromrohr eingeprägt, sodass diese Frage schnell beantwortet ist. Aber dann ist der Stein des Anstoßes gefunden: Zwar sind Auspuffanlage, für die es eine ABE gibt, und Luftfilter, für den ein TÜV-Gutachten vorliegt, in den Papieren eingetragen. Aber als einzelne Positionen, ohne den expliziten Zusatz „in Verbindung mit“ oder kurz „i.V.m.“.
Das alles erklärt mir der Polizist in aller Seelenruhe, und auch auf meine mehr oder weniger intelligenten Einwürfe gibt er mir immer wieder seine Sicht der Dinge zu verstehen: Wegen der Luftfilter-Auspuff-Kombi ist die Betriebserlaubnis für mein Bike erloschen, ich darf den Straßenkönig heute nur noch nach Hause fahren und dann für Fahrten zur Behebung des Missstands zur Werkstatt und zur Prüfstelle bewegen. Ansonsten ist meine Road King stillgelegt. Bei Zuwiderhandlung samt Erwischen drohen Bußgeld, Punkte und so weiter, außerdem ist der Versicherungsschutz nicht gegeben. Ach ja, ein Verwarnungsgeld ist übrigens jetzt schon fällig. Und soweit ich das alles verstehe, darf ich auch nur nach Hause fahren, weil von den Umbauten wohl keine schwere Verkehrsgefährdung ausgeht, wie ja die vorhandenen Gutachten vermuten lassen.
So sprachlos wie jetzt war ich selten in meinem Leben: Zwei geprüfte Zubehörteile, eines mit allgemeiner Betriebserlaubnis, das andere mit einem TÜV-Gutachten, beide von einer Prüfstelle abgenommen und in den Fahrzeugpapieren eingetragen, sind zusammen nicht zulässig. In der Schule hatte ich schon Schwierigkeiten zu verstehen, dass Minus mal Minus Plus gibt. Das Plus und Plus jetzt Minus ergibt, ist eine Erkenntnis, die in mein kleines Bikerhirn nun gar nicht hinein will. Sicherheitshalber schaue ich mich noch einmal um, ob vielleicht irgendwo ein Kamerateam herumsteht und plötzlich ein überdrehter Fernsehmoderator aus dem Gebüsch springt, der „Vorsicht Kamera“ oder so etwas brüllt. Aber das hier ist tatsächlich bitterer Ernst. Und so trolle ich mich nach dem Bezahlen meiner Verwarnung und Entgegennahme des Mängelbescheids mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung im Bauch nach Hause. Der Austausch von Geld und Dokumenten wird seitens des Polizisten übrigens mit den Hinweisen verbunden, dass die Behebung binnen zwei Wochen bei einer Polizeidienststelle durch Vorführung des Bikes oder Vorlage entsprechender Unterlagen über einen Rückbau bzw. die korrekte Eintragung der bemängelten Teile nachgewiesen werden muss.
Als ich zuhause vorfahre, wundert sich meine Rockerbraut darüber, dass ich schon wieder zurück und in solch einer seltsamen mentalen Verfassung bin. Ich erzähle ihr sofort die Geschichte und sie ist genauso fassungslos wie ich. Ändern lässt sich daran aber hier und jetzt nichts - und so beschließe ich kurzer Hand, den aufgestauten Frust mit meinem Oldtimer abzubauen. Ganz bewusst entscheide ich mich für eine Hausrunde über Reit im Winkl, Ruhpolding und Inzell. Denn dann muss ich wieder durch Marquartstein fahren - und hoffe ein ganz klein wenig, dass die Biker-Kontrolle dort noch stattfindet und ich jetzt mit der Shovel angehalten werde.
Dieser Spaß ist mir allerdings nicht vergönnt, die Polizisten sind inzwischen ab- oder weitergezogen, wohin auch immer. Auf meiner weiteren Runde sehe ich sie auf jeden Fall nicht mehr. Dafür begreife ich, während ich meinen Oldtimer durch die Kurven treibe, warum der Motor den Namen Shovel bekommen hat: Das hat nämlich in Wirklichkeit rein gar nichts mit der angeblichen Schaufelform der Rockerboxen zu tun. Vielmehr schaufelt eine Shovel Frust und Ärger aller Art in wenigen Augenblicken hinweg! Und so taufe ich meine Oldtimer-E-Glide heute irgendwann während dieser Frust-Abbau-Fahrt auf den Namen „Schäufelchen“.
Zurück daheim bin ich deutlich entspannter, will aber natürlich doch genauer wissen, was es mit dieser Polizeiaktion und der Argumentation heute auf sich hatte. In den einschlägigen Internet-Foren werde ich schnell fündig und stelle fest, dass ich nicht allein mit meinem Problem bin. Die Posts quellen über von Fragen, Berichten, Tipps und Tricks, die sich mit der Luftfilter-Auspuff-Konstellation beschäftigen. Demnach wird Abhilfe nur ein Rückbau von Luftfilter oder Auspuff oder eine Einzelabnahme bei einer Prüfstelle schaffen. Das wird also ein Fall für meinen Lieblings-Harley-Schrauber - und das nicht nur bei meinem Straßenkönig. Denn auch die Sporty meiner Rockerbraut hat eine vergleichbare Kombination von TÜV-begutachtetem Luftfilter und ABE-zugelassenem Auspuff, aber ohne die „i.V.m.“-Eintragung im Fahrzeugschein. Das muss natürlich auch gleich mit bereinigt werden, bevor sie das Opfer der nächsten Kontrolle ist.
Nachgeholter Reparatur- und Putztag
Meine Rockerbraut war heute Morgen bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber, um endlich den immer noch mit einem Kabelbinder notdürftig befestigten, gebrochenen Riemenschutz abmontieren zu lassen. Den Ersatz haben wir auf den Winter verschoben, aber der geschäftstüchtige Bike-Pfleger und -Verschönerer hat ihr natürlich gleich ein paar Optionen gezeigt, aus denen wir die perfekte Lösung aussuchen können: schwarz oder verchromt, gelocht oder massiv usw. Da werden wir wohl noch den einen oder anderen Abend vor dem Rechner verbringen und auf den Webseiten der Harley-Zubehörausstatter die für uns perfekte Lösung heraussuchen müssen.
Für mich steht an diesem Abend das Nachholen der am Montag zugunsten der Shovel-Tour verschobenen Putzaktion an, damit die Bikes wieder einigermaßen vorzeigbar sind bei den eventuell noch anstehenden Touren in diesem Jahr. Ach ja, die verloren gegangene Schraube für meine linke Lenkerarmatur hat meine Rockerbraut heute Morgen auch noch aus der Werkstatt mitgebracht, sodass ich sie einsetzen kann und ich alles wieder bombenfest im Griff habe.
I like Mondays
Den Montag nach der Bike Week-Woche nehme ich mir immer noch frei. Eigentlich um unser Gepäck aufzuräumen, die Bikes zu putzen und nach einer in der Regel anstrengenden Faak-Woche und der Heimfahrt am Sonntag ein wenig zu entspannen, bevor es wieder in den Arbeitsalltag geht. An diesem Montag und bei diesem tollen Wetter lockt allerdings noch eine ganz besondere Entspannungsoption: Meine Shovel will doch auch wieder bewegt werden, nachdem sie eine gute Woche einsam und alleine in der Garage warten musste, während ihre jüngeren Geschwister das schöne Kärnten erkunden durften. Also starte ich nach Erledigung der wichtigsten Pflichten mit meinem Oldtimer zum großen Unverständnis meiner Rockerbraut auf eine Hausrunde. Was für ein herrlicher Spaß! Wenn mein Straßenkönig die Straßenlage der Shovel hätte, würde ich wohl gar nicht mehr absteigen und nur noch fahren, fahren, fahren ...
It’s a long way home
Schon früh - zumindest für unsere Verhältnisse - an diesem Heimreisetagmorgen von unserer diesjährigen September-Kärnten-No-Bike-Week-Motorrad-Tour ist es ziemlich warm. Entsprechend bin zumindest ich komplett durchgeschwitzt, nachdem wir unsere sieben Sachen aus der Ferienwohnung zu unseren Harleys geschleppt und auf den Bikes verstaut haben. Am liebsten würde ich jetzt noch einmal duschen gehen. Aber das geht natürlich nicht mehr. Schließlich haben wir die Rechnung schon bezahlt, die Schlüssel abgegeben und für das nächste Jahr gleich wieder gebucht. Jetzt kann also nur noch der Fahrtwind für Kühlung sorgen und die schweißnassen Klamotten trocknen. Angst vor einer Erkältung muss ich bei diesen Temperaturen wirklich nicht haben.
Von Drobollach geht es über Villach zuerst noch einmal auf unsere Lieblingsstrecke vorbei an Arriach nach Inner- und Außerteuchen. Am Ende dieser wundervollen Straße biegen wir links ab Richtung Ebene Reichenau und Turracher Höhe. Oben auf der Höhe am Turrachsee gibt es nach dieser herrlichen ersten Etappe für den heutigen Tag eine Pause bei der Höhe entsprechend moderaten Temperaturen.
Von der Terrasse eines Hotels beobachten wir bei einem kühlen Erfrischungsgetränke ein für Corona-Zeiten durchaus befremdliches Schauspiel: Vor dem Hotel hält ein Reisebus vollgepfropft mit Reisenden, die geschätzt alle jenseits der 80 Jahre sind und damit der höchsten Risikogruppe angehören. Sie stolpern und klettern aus dem Bus heraus und verschwinden umgehend in einem Speisesaal des Hotels, wo sie offensichtlich ohne große Abstandsregeln gemeinsam Mittagessen wollen. Masken trägt, soweit wir das sehen können, niemand der alten Herrschaften. Da sind wir doch froh, dass wir auf der Terrasse an der frischen Luft mit viel Abstand zu anderen Gästen sitzen und gleich auch wieder mit viel frischer Luft um die Nase auf unseren Motorrädern ganz individuell weiterfahren.
Die Weiterfahrt von der Turracher Höhe hinab ins Murtal wird allerdings überhaupt nicht das erwartete Vergnügen. Die Straße ist zwar frisch geteert und sieht tipptopp aus. Allerdings muss die Teermaschine ein Unwucht und eine Fehlstellung der Achsen gehabt haben. Der Asphalt ist das reinste Waschbrett und rüttelt uns ordentlich durch. In unserer Fahrtrichtung gibt es genau bei zwei Drittel der Spurbreite einen Knick in der Fahrbahn, sodass wir nicht wie gewohnt versetzt fahren können. Schade, dass dieser eigentlich herrliche Straßenabschnitt so verhunzt wurde!
Im Tal angekommen, folgen wir zunächst der Bundesstraße parallel zur Mur, bevor wir bei Madling ins Thomatal abzweigen und hier über die kleine Landesstraße ins Lungau hinüber fahren. Mit einer Schleife um das Schloss Moosham herum wechseln wir dann auf die B99 und machen uns auf die Anfahrt zu den Radstädter Tauern und nach Obertauern. Doch bevor es auf die Passhöhe hinauf geht, gibt es für alle - Bikes und Biker - noch eine Stärkung in Tweng. Nachdem die Spritvorräte aufgefüllt sind, füllen auch wir unsere Akkus im gleich an der Tankstelle liegenden Gasthaus mit Speis und Trank auf. Meine Rockerbraut schießt dabei den Vogel ab: Die von ihr ausgesuchte Suppe ist leider ausverkauft, aber die nette Bedienung empfiehlt Omas Gulasch - allergiebedingt für meine Rockerbraut mit Reis statt Butternudeln. Und dieser Gulasch ist eine wahre Augenweide und Köstlichkeit! Herrlich geschmort und ordentlich gewürzt, mit einer wunderbaren sämigen Sauce.
So gestärkt kurven wir nach Obertauern hinauf und wedeln auf der anderen Seite hinab - bis uns eine Baustelle mit Wechselampel ausbremst. Von der Ampelschaltung können wir aufgrund des Verkehrsgeschehens allerdings erst einmal nur etwas ahnen. Wir stehen nämlich zunächst einfach nur in einer Schlange, die sich langsam Schub für Schub voranschleicht. Vorbeifahren ist auf diesem kurvigen Geläuf für uns - im Gegensatz zu vielen anderen Bikern - keine Option. Schließlich gibt es genauso schubweise, wie wir uns voran bewegen, auch Gegenverkehr. So nähern wir uns im Stop-and-Go der Baustelle und können bald auch die Ampel in der Ferne sehen. Sieben Minuten zeigt sie als Wechselrhythmus an, und wenn ich richtig mitzähle, sind es fünf Phasen, die wir warten müssen, um zu den Durchfahrenden zu gehören.
Das, liebe Bikerinnen und Biker, hätte allerdings schneller gehen können. Wenn Ihr nicht nach vorne durchgefahren, sondern wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch in der Schlange geblieben wärt. Effekt Eurer Vorfahrerei ist nämlich eine blockierte Durchfahrt für den Gegenverkehr, weil vorne überhaupt kein Platz für Euch ist und Ihr Euch an der roten Ampel auf der Gegenfahrbahn staut. Und entsprechend geht dann beim Herannahen des Gegenverkehrs, der nicht an Euch vorbeikommt, gar nichts mehr. Bis sich das große Gekuddel und Gemuddel auflöst, ist dann unsere Grünphase fast schon wieder vorbei, sodass entsprechend wenig Fahrzeuge überhaupt durch die Engstelle fahren können.
Eine Dreiviertelstunde verlieren wir hier in der Hitze und sind entsprechend fertig, als wir nach der Baustelle wieder freie Fahrt haben. Trotzdem macht die Fahrt vorbei an Werfen und durch das anschließende schattige Salzachtal einen riesen Spaß. Während einer eigentlich sehr schönen Nebenstrecke zwischen Golling und Kuchl, auf die uns das Navi dank seiner Routenführung über kurvenreiche Straßen lotst, die wir aber heute überhaupt nicht genießen können, beschließen wir, auf schnellste Strecke umzuschalten. Jetzt wollen wir wirklich nur noch nach Hause.
Und so geht es von Hallein hinauf nach Berchtesgaden und weiter Richtung Inzell. Bei Unterjettenberg wartet allerdings noch eine böse Überraschung auf uns: Die Durchfahrt nach Schneizelreuth ist gesperrt, wir müssen eine Umleitung über Bad Reichenhall nehmen. Das hätten die schlauen Verkehrsplaner auch schon in Berchtesgaden ankündigen können! Dann wären wir von dort nämlich direkt über Bischofswiesen gefahren und hätten uns diesen Umweg sparen können.
Müde, kaputt und durchgeschwitzt halten wir nach über acht Stunden Fahrzeit und am Ende mehr als 300 km Strecke zuhause an. Was war das für eine geile Woche! Auch ohne Festivalstimmung, Budenzauber und große Live-Konzerte in Faak und Arneitz hatten wir ein tolles Programm. Wir sind so viel in Kärnten gefahren wie noch nie in den Jahren zuvor. Wir haben eine so herzliche Gastfreundschaft genossen, wie sie in der Hektik einer Bike Week wahrscheinlich nie möglich sein wird. Es war einfach der perfekte Motorradurlaub, wenn auch nicht die Partysause der normalen Jahre.
Am letzten Tag noch Neuland entdecken
Nun ist sie fast schon wieder vorbei, unsere lang und heiß ersehnte September-Urlaubswoche in Kärnten. Untrügliches Zeichen dafür sind die Koffer, die wir nach dem Frühstück gepackt haben und die jetzt schon im Flur unserer Ferienwohnung stehen. Wir wollen heute nämlich lieber etwas später los, dafür aber die Gewissheit haben, dass wir unsere heutige Tour und den Abend ohne jeglichen Zeitdruck wegen irgendwelcher noch zu packenden Utensilien verbringen können.
Aus den vorbereiteten Touren für die Woche haben wir gestern Abend noch die Runde über den Schaidasattel ausgewählt. Sie ist nicht allzu lang - etwas über 150 km - und führt uns in eine Region, die wir aus irgendwelchen Gründen bei unseren bisherigen Faak-Besuchen nie unter die Räder genommen haben: den südlichsten Zipfel Österreichs am Fuße der Karawanken.
Zuerst geht es südlich des Wörthersees durch das Keutschacher Seental und dann hinauf zum Pyramidenkogel, den wir in diesem Jahr auch zum aller ersten Mal in all den Bike Week-Jahren besuchen. Allerdings haben wir uns dafür wohl den falschen Tag ausgesucht. Denn oben am Turm herrscht an diesem Samstag reger Trubel. Auch wenn wir als Biker das Privileg genießen, bis zur exklusiv für Motorradfahrer reservierten obersten Parkebene durchzufahren - vielen Dank dafür übrigens, liebe Back-to-the-Roads-Organisatoren! -, ist es uns hier viel zu voll. Wir werfen nur einen kurzen Blick auf den über uns aufragenden Turm, beobachten ein wenig die von oben herabschwebenden, mutigen Flying Fox-Flieger und genießen die Aussicht auf den unter uns in der Sonne liegenden Wörthersee, dann brechen wir wieder auf.
Jetzt geht es hinunter an den Wörthersee und weiter nach Klagenfurt. Von dort fahren wir Richtung Süden und Drautal, biegen aber vor Erreichen des Flusses Richtung Maria Rain und Radsberg ab, um durch die Hügel und Wälder eine wundervolle Schleife zum Stausee Annabrücke zu ziehen. Dort legen wir direkt am Wasser unterhalb der Brücke über die Drau in einem kleinen Biergarten eine Pause ein. Während wir uns erfrischen, stecken wir uns gegenseitig mit unserer Begeisterung über die bisher zurückgelegte Strecke und die kleinen und kleinsten Sträßchen an. Vor allem der winkende Harley-Eigner, der uns frenetisch von seiner Terrasse herab grüßte, als wir vor wenigen Kilometern an seinem Haus vorbei ins Tal hinunter kurvten, hat uns gefreut.
Aber wir müssen natürlich weiter, auch wenn diese Location an der Drau sehr einladend ist. Gleich nach dem Biergarten biegen wir rechts ab auf die Brücke und peilen Bad Eisenkappel als nächstes Zwischenziel an. Dabei machen uns zweisprachige Ortsschilder und für uns doch recht ungewöhnliche Ortsnamen klar, dass wir nun unzweifelhaft im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet unterwegs sind. So dachten wir bisher, dass Gallizien in Nordspanien liegt und auch nur mit einem „l“ und „c“ geschrieben wird. Hier und heute werden wir eines Besseren belehrt und lernen einen kleinen Ort mit diesem Namen in der Doppel-l- und z-Schreibung kennen.
Obwohl es kurz nach dem Örtchen Gallizien über eine Bundesstraße nach Bad Eisenkappel geht, kommt auf den nächsten Kilometern der Fahrspaß nicht zu kurz. Ab Miklauzhof folgt die Straße nämlich den Windungen und dem Verlauf der Vellach, die hier nach Norden der Drau und damit unserer Fahrtrichtung entgegen fließt. Entsprechend kurvig und landschaftlich schön führt die Strecke durch das Vellachtal, bis wir in Bad Eisenkappel nach Westen zum Schaidasattel abzweigen.
Was nun folgt, ist die perfekte Strecke für meine Rockerbraut und mich. Ein kleines Nebensträßchen schlängelt sich durch eine wundervolles Tal und dann hinauf zum Schaidasattel. Okay, die Straße ist nicht unbedingt perfekt asphaltiert, dafür aber sehr abwechslungsreich in Sachen Streckenführung und Aussichten. Am Schaidasattel machen wir auf dem Parkplatz halt und genießen das Berg- und Talpanorama und die Aussicht auf die noch vor uns liegende Strecke. Die sieht auch weiterhin sehr vielversprechend aus, wie sie sich hinab ins Tal schlängelt.
Also starten wir wieder, nachdem wir uns darauf geeinigt haben, dass wir am nächsten Gasthof auf jeden Fall Rast machen. Denn unsere mitgeführten Getränke- und Essensvorräte sind jetzt aufgebraucht. Und weil die Temperaturen an diesem Tag wieder durchaus schweißtreibend sind, werden wir die ganze Rückfahrt ohne eine weitere Erfrischung sicherlich nicht locker und entspannt genießen können. Leider macht sich bei der Suche nach einer Einkehrmöglichkeit auf den nächsten Kilometern bemerkbar, dass wir hier nicht in einer der touristischen Hochburgen Kärntens mit durchgehend geöffneten Restaurants und Cafés unterwegs sind. Viele Gasthäuser sind schon ganz oder zumindest zu dieser Nachmittagsstunde geschlossen. Dafür entschädigt zwar die wundervolle Landschaft, durch die wir hier cruisen dürfen, und die weitestgehend leere Straße. Aber Hunger und Durst nagen doch zunehmend an uns.
Irgendwo in einem kleinen Örtchen entdecken wir einen Gasthof, der gleich mehrere Vorzüge aufzuweisen hat, die uns zum Anhalten und Einkehren animieren:
Also schwenken wir ein und nehmen an einem der Tische Platz. Die freundliche Inhaberin kommt sofort zu uns und fragt nach unseren Wünschen. Die Getränke sind schnell bestellt, aber auf meine Frage nach einem Stück Kuchen, muss sie leider passen: „Tut mir leid, zum Verkauf habe ich leider keinen Kuchen da.“ Nicht schlimm, Hauptsache wir können etwas trinken. Und die Toilette besuchen.
Als ich von diesem dringend nötigen Gang an unseren Tisch zurückkomme, stehen darauf gleich mehrere verschiedene Plundergebäckstücke, zugeschnitten in mundgerechte Happen. Beim Näherkommen stelle ich dann fest, dass es sogar genau meine Lieblingssorten sind: Schoko, Nougat und Nuss. Meine Rockerbraut sieht meinen fragenden Blick und erklärt mir, dass die nette Wirtin ihre privaten Bestände für mich „geplundert“ hat. Das nenne ich mal Gastfreundschaft! Da schmecken die süßen Kalorienbomben gleich doppelt gut. Und so verschwinden sie Stück für Stück in meinem leeren Magen und verbreiten von dort aus auch gleich ihre zuckersüße, euphorisierende Wirkung. Damit steht einer tollen Rückfahrt an den Faaker See von meiner Seite jetzt nichts mehr im Wege. Zuvor müssen wir natürlich noch zahlen. Und da wartet die nächste freudige Überraschung auf uns.
Weil es sich um ihre privaten Gebäckvorräte handelte, die ich vor wenigen Minuten vertilgt habe, will die Wirtin die Plunderstücke gar nicht bezahlt haben. Das kommt natürlich nicht in die Tüte, zumal auch die Getränke hier im Vergleich zum Faaker oder Wörthersee zu Spottpreisen abgerechnet werden. Aber ich bekomme einfach keinen Preis aus der netten Dame herausgepresst. Also gibt es ein ordentliches Trinkgeld, das die Gute zunächst auch nicht annehmen will. Aber da hat sie keine Chance bei mir, soviel Gastfreundschaft muss einfach belohnt werden. Schade nur, dass meine Rockerbraut hier in Sachen Essen leer ausgegangen ist. Bei Kuchen und Gebäck muss sie allergiebedingt passen. Immerhin entdecken wir vor der Abfahrt in meinen Koffern noch einen Müsliriegel, den sie für den schlimmsten Hunger schnell vertilgt. Dann brummen unsere Motoren wieder, Straßenkönig und Sporty rollen die Waidischer Straße hinunter nach Ferlach. Meine Rockerbraut und ich genießen einmal mehr an diesem Tag die wundervolle Landschaft und die kaum befahrene Straße.
In Ferlach erwartet uns dann eine weitere schöne Überraschung. Als wir in den Ort hinein fahren, sehen wir noch die Wolke aus dem Schornstein einer Dampflok hinter den Häusern entlang ziehen. Doch scheinbar ist die Lok gerade vor uns weggefahren, jedenfalls ist der kleine Bahnübergang, an den wir jetzt rollen, gerade wieder freigegeben. Pech gehabt, fahren wir halt weiter. Während ich mich noch über die seltsame Schleife wundere, mit der uns das Navi durch den Ort führt und auf die an ihm vorbeiführende B91 lotst, stelle ich auch fest, dass wir den langsam dahin stampfenden Dampfzug auf unserer Route gerade überholen. Und tatsächlich: Auf der B91 blinken praktisch direkt vor uns die Ampeln an einem Bahnübergang rot auf, um den Verkehr für das herannahende Stahlross anzuhalten. Mir bleibt gerade noch genug Zeit, den Fotoapparat hervorzukramen, um ein paar Schnappschüsse zu machen und den Fahrgästen der Bahn zuzuwinken. Obwohl sie wirklich im Bummelzugtempo unterwegs ist, zieht die Dampflok viel zu schnell vorbei.
Das kleine Züglein verschwindet und die Ampel beendet ihr rotes Blinkkonzert. Wir starten unsere V2-Motoren und bollern über die Bundesstraße zum Ferlacher Stausee, den wir noch auf der Bundesstraße überqueren, die nach der Brücke über die Drau übrigens eine wundervolle Schleife zieht. Danach verlassen wir die Bundesstraße allerdings auch gleich wieder, um nördlich der Drau eine Dörfer-Tour zu fahren: Zuerst geht es nach Köttmannsdorf, dann folgen Wellersdorf, Ludmannsdorf und Franzendorf. Die ganze Zeit begleitet uns eine wundervolle Aussicht hinab ins Drautal und auf die dort immer wieder aufgestauten Wassermassen.
Irgendwann stoßen wir dann wieder auf wohlbekanntes Terrain. In Unterjeserz erreichen wir die Verbindungsstraße von Velden und dem Wörthersee hinüber nach Rosegg und weiter an den Faaker See. Nach der durchaus als sehr einsam zu bezeichnenden bisherigen Tour ist die folgende Fahrt auf der Rosegger Straße ein regelrechter Kulturschock. Hier rollen Harleys fast wie zu normalen Bike Week-Zeiten in beiden Richtungen. Und dazwischen patrouilliert Polizei in allen Varianten: als Laser-Pistolen-bewaffneter Polizist am Straßenrand, als Radarwagen im fließenden Verkehr, als Motorradstreife, bei Verkehrskontrollen an irgendwelchen Parkplätzen und Haltebuchten.
Entsprechend achten wir auf unsere Tachos und halten uns strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, was zu einem überraschenden Moment auf diesen letzten Kilometern des Tages führt: Eine Gefällstrecke hinunter, auf der 50 km/h erlaubt sind und wir uns redlich in dieses Limit hineinbremsen, überholt uns plötzlich ein rasender Rennradler, indem er rechts an uns vorbeischießt, uns einen ordentlichen Schreck einjagt und dann eine Vollbremsung hinlegen muss, weil er im nächsten Ort an einem Fußgängerüberweg anhalten muss, an dem die über die Straße defilierende Menschenmenge nicht einmal genug Platz zum Durchrauschen für einen Radfahrer lässt.
Verkehr und Polizeipräsenz nehmen tatsächlich bis nach Drobollach hin nicht mehr ab. So sind wir froh, als wir unsere Bikes wieder in der Garage an der Ferienwohnung abstellen können und diesem Trubel entkommen. Schon seltsam, wie schnell wir uns an das relaxte Back-to-the-Road-Geschehen in diesem Jahr gewöhnt haben und das für einen Samstag natürlich immer noch vergleichsweise überschaubare Verkehrsgeschehen als too much empfinden.
Als entspannten Ausklang der diesjährigen No-Bike-Week treffen wir uns noch mit Freunden zum Essen, Quatschen und Kartenspielen - und hängen jetzt schon den Erinnerungen an diese sensationelle Motorrad-Urlaubswoche nach.
Mit Speck fängt man Biker
Déjà-vu am Freitagmorgen: Nachdem wir gestern den Tag mit dem Demontageversuch des Riemenschutzes der Sporty meiner Rockerbraut begonnen hatten, starten wir unseren Bikertag auch heute mit einer Reparatur: Vor unserer Tour muss die linke Lenkerarmatur meines Straßenkönigs befestigt werden. Dazu gehört als erstes, dass wir uns wieder Bordwerkzeug ausleihen. Dann geht es in die Garage, in der unsere Harleys gut geschützt die Nächte verbringen dürfen.
Die verlorene Schraube an der Armatur kann ich hier und jetzt natürlich nicht ersetzen. Aber immerhin bekomme ich alles mit dem passenden Schraubendreher aus dem ausgeliehenen Bordwerkzeug so fest, dass ich die noch vorhandene Schraube sicher nicht auch noch verlieren werde und die Armatur wackelfrei und verdrehsicher sitzt. Damit steht unserer für heute geplanten Tour nichts mehr im Wege.
Bei - schon wieder - bestem Wetter starten wir ins Gailtal, um dort Speck als Mitbringsel für unsere Housekeeper und natürlich für uns selbst als leckere Urlaubserinnerung zu kaufen. Die Idee für diese Tour habe ich von der tollen Back-to-the-Roads-Seite des Kärntner Tourismus-Verbands geklaut. Dort gehört unser Zielpunkt - ein Direktvermarkter von Speck und Wurstwaren in der Nähe von Hermagor - zum Programm einer der vielen geführten Touren in dieser Woche, die für das alternative Bike-Week-Programm organisiert wurden.
Die Anfahrt durchs Gailtal ist für uns fahrerisch eher so lala, um nicht zu sagen: ziemlich langweilig. Immerhin: Die Aussicht auf die umliegenden Berge können wir dadurch in Ruhe und ausgiebig genießen. Nur das letzte Stück der Strecke hin zum kleinen Örtchen, in dem der Speck-Verkäufer seinen Hofladen betreibt, ist so recht nach unserem Geschmack. Genauso wie das Angebot im Laden. Der nette Inhaber weiß genau, wie er mit seinen schweinischen Leckereien Biker ködern kann: Er hält uns einfach ein rustikales Holzbrett mit vielen kleinen Pröbchen unter die Nase und lässt uns hungrige Gäste nach Herzenslust naschen. Sein Plan geht auf, wir kaufen ordentlich ein, und es wandern verschiedene Speckseiten, Schinkenstücke und Hartwürste in die Koffer und Gepäckrolle meines Straßenkönigs. Alles natürlich eingeschweißt und vakuumiert, damit die empfindliche Fracht den Transport gut und unbeschadet übersteht.
Zurück an den Faaker See sollte es eigentlich wieder durch das Gailtal gehen, wenn auch auf einer etwas anderen Route. Aber weil uns die Hinfahrt nicht wirklich begeistert hat, fragen wir unseren Speckversorger nach einem Tipp für ein alternatives Ziel. Schließlich ist es noch recht früh an diesem Tag. Seine Empfehlung ist der Weißensee, zu dessen Westufer er uns in kurzen Worten den Weg beschreibt und das er in den höchsten Tönen lobt. Dort würden wir etliche Einkehrmöglichkeiten finden.
Also starten wir zu unserem neuen Ziel und folgen der Wegbeschreibung. In der Tat ist diese Fahrt deutlich mehr nach unserem Geschmack als die bisherige Tour. Der erste Teil führt uns über winzige Sträßchen aus dem kleinen Heimatort der Speckspezialitäten weg, dann folgt irgendwann die Bundesstraße nach Hermagor und weiter hinauf zum Weißensee. Hier ist zum Glück wenig Verkehr, sodass die Straße auch im unteren Abschnitt der Auffahrt zum Weißensee erträglich ist. Weiter oben freuen wir uns dann über die wohl geschwungenen Kurven, die uns zum Abzweig an den See führen.
Mit der hohen Erwartungshaltung, hier jetzt tolle Cafés direkt am Seeufer für eine wundervolle Nachmittagspause zu finden, zweigen wir in die Sackgasse ab, die durch die Orte am nördlichen Seeufer führt. Und fahren sie bis zum bitteren Ende durch, wo uns das absolut letzte Durchfahrtverbotenschild endgültig klar macht, dass es jetzt nicht mehr weitergeht. Ratlos schauen meine Rockerbraut und ich uns an: Wo sind nur die versprochenen Einkehr- und Rastmöglichkeiten? Entweder sind sie geschlossen, nur für Hausgäste geöffnet oder wenig einladend für unseren Geschmack. Und direkt am See liegt hier schon gar nichts. Entweder verpassen wir gerade die schönen Ecken oder wir haben schlicht und ergreifend eine völlig andere Vorstellung von einladenden Urlaubsorten. Verbaute Touri-Orte sind einfach nichts für uns! Was also tun? Wenden und das Weite suchen! Vorher zwingt uns der Riemenschutz allerdings noch zu einem kleinen Stopp am Straßenrand, weil der Kabelbinder wieder einmal durchgescheuert ist. Der ist aber schnell ausgetauscht und dann geht es weiter.
Für den Heimweg haben wir beschlossen, nach Greifenburg ins Drautal hinunter zu fahren und dann über Spittal zurück an den Faaker See zu düsen. Während die Abfahrt nach Greifenburg uns ein wenig mit dem Abstecher zum Weißensee versöhnt, folgt unten im Drautal leider die B100, die uns mit zunehmender Fahrtstrecke immer mehr nervt. Unter einer Bike-Week-Motorradtour stellen wir uns wirklich etwas anderes vor. Für die Anreise mag das noch gehen, aber unter der Woche ...
Beim Tankstopp in Spittal äußert meine Rockerbraut ihren berechtigten Unmut ziemlich deutlich. Ob ich vergessen hätte, am Navi die Option kurvenreiche Strecke auszuwählen? Das sei ja eine grausame Kilometerfresserei ohne jeden Fahrspaß, die wir da gerade absolvieren. Ich checke das Navi, aber da ist alles nach unseren Wünschen eingestellt. Und die Vorschau auf die weitere Strecke nach Drobollach verspricht wenig Besserung. Die B100 würde uns noch bis kurz vor Villach verfolgen, bevor es wieder auf ein Nebensträßchen ginge. Also fragen wir uns an diesem Tag zum zweiten Mal: Was tun?
Als uns der nette Speckverkäufer ans angeblich so tolle Westende des Weißensees geschickt hat, erwähnte er auch das Ostufer. Da sei nichts los, hatte er gesagt, das würde nicht lohnen. Aber vielleicht sollten wir uns besser selbst davon überzeugen. Und so programmiere ich das Navi zum dritten Mal an diesem Tag um und lasse es die Route zum Weißensee-Ostufer berechnen. Zwar rollen wir dafür noch ein paar Kilometer über die langweilige Bundesstraße, aber dann geht es ab in die Berge.
Warum nur sind wir nicht gleich hierher gefahren? Die Strecke hoch an den Weißensee ist sensationell. Auch das Ostufer ist genau nach unserem Geschmack: Vom Parkplatz aus gehen wir nur wenige Meter bis ans Wasser und können auf einer Bank nur fünf Meter von den leise an den Strand plätschernden Wellen ein wundervolles Nachmittagspicknick machen. Und dabei genießen wir eine fantastische Aussicht über den See. Vielleicht sollten wir einfach nicht auf andere hören. Und genau das Gegenteil von dem tun, was die uns empfehlen. Schließlich wissen wir ja schon länger, dass wir in Sachen Motorradfahren und schöne Orte irgendwie anders ticken.
Leider versinkt die Sonne bald hinter den Bergen rund um den Weißensee und wir müssen uns auf den Weg machen. Das Navi möchte uns zwar denselben Weg zurück lotsen, den wir schon hier herauf gefahren sind. Aber als wir nach wenigen Kilometern einen Abzweig erreichen, ignorieren wir den elektronischen Wegberechner und biegen ab. Was soll schon passieren? Irgendwann wird uns das schlaue Kästchen am Lenker schon wieder auf den richtigen Weg zum Faaker See führen.
Der Abzweig ist eine gute Entscheidung! Wir entdecken den Farchtnersee, der hier wildromantisch in die Landschaft eingebettet liegt. Und wir rollen an riesigen Weiden entlang, auf denen ganze Herden von Mutterkühen mit ihren Kälbern stehen. Es hat schon fast ein bisschen was von Wildem Westen, als die Herde über die Wiese neugierig auf uns zu trabt, während wir am Straßenrand halten, um diese Stimmung in uns aufzusaugen. Auch die weitere Rückfahrt hinunter ins Drautal ist den Umweg absolut wert! Und im Drautal können wir dann sogar tatsächlich von Feistritz aus direkt auf die Nebenstrecke nach Villach wechseln und müssen gar nicht erst großartig die langweilige Bundesstraße ertragen.
Am Ende des Tages stehen dann statt der ursprünglich geplanten knapp 120 km weit mehr als 200 km auf dem Kilometerzähler, zusammengesetzt aus einer wilden Mischung herrlicher Nebenstrecken, erträglicher Hauptstraßen und nervtötender Kilometerfresserei über die perfekt ausgebaute, aber ätzend langweilige Bundesstraße. Vor allem der ungeplante Abstecher ans Ostende des Weißensees entschädigt uns dabei voll und ganz für die weniger schönen Abschnitte der heutigen Tour. Einen versöhnlichen Tagesabschluss gibt es dann auch noch in Drobollach: Das von mir so heiß geliebte Cordon bleu mit der besonderen Käsefüllung!
Maltatal und ein kleines bisschen mehr
Sommer, Sonne, Biker-Wetter - so begrüßt uns auch dieser Donnerstag der Back-to-the-Roads-No-Bike-Week-Woche in Faak. Nach der abgebrochenen großen Mittelkärnten-Runde gestern wollen wir es heute etwas ruhiger angehen lassen und nur ins Maltatal zur Kölnbrein-Talsperre fahren. Entspannte round about 90 km hat das Navi für die einfache Strecke berechnet. Das sollte sich locker machen lassen, auch wenn wir heute ausgeschlafen haben und noch den gebrochenen Riemenschutz an der Sporty meiner Rockerbraut demontieren müssen.
Der Riemenschutz erweist sich allerdings als ziemlich widerspenstig. Besser gesagt: Die Schrauben, mit denen er befestigt ist. Das Teil selbst hat seine Schwäche ja schon offenbart. Allen Löseversuchen mit dem ausgeliehenen Bordwerkzeug halten die Schrauben jedenfalls unbeeindruckt Stand. Und so beschließen wir, dass es bei der Notsicherung mit einem Kabelbinder bleibt, bevor wir Werkzeug oder Schraubenköpfe runddrehen und den Schaden nur noch schlimmer machen. Den Kabelbinder können wir unterwegs immer wieder austauschen, wenn er durchscheuert - genug Kabelbinder haben wir auf jeden Fall dabei, um das wochenlang durchzuexerzieren.
Wir fahren also los: Zuerst nach Villach und von dort wieder einmal das wunderschöne Sträßchen an der Drau entlang Richtung Westen. Irgendwann geht es von der Straße rechts ab raus aus dem Drautal hinauf nach Fresach. Fahrvergnügen pur! Kurve um Kurve schwingen wir uns rauf auf die Höhe und nach kurzer Fahrt über einsame Sträßchen durch die Hügel dann wieder hinab an den Millstätter See. Dabei genießen wir die Aussicht auf den See, den wir von hier aus in seiner ganzen Länge überblicken können.
Vom Ostende des Sees geht es am Nordufer entlang bis nach Millstatt, wo wir allerdings Richtung Obermillstatt abbiegen. Bis hierher ist die Bundesstraße nämlich dank der Ausblicke auf den See erträglich. Aber eben nicht das Fahrvergnügen, das uns auf Dauer vorschwebt. Das finden wir wieder oberhalb des Sees abseits der ausgetretenen und vielbefahrenen Pfade. Allerdings endet unser Spaß ziemlich abrupt an einer plötzlich auftauchenden und vorher nicht angekündigten Straßensperrung am Ortsende von Treffling. Die Straße ist ab hier wegen Bauarbeiten an diesem Tag voll gesperrt.
Um zu sehen, wie wir weiterfahren können, machen wir auf dem Parkplatz des gleich an der Straße liegenden Tennisplatzes Halt. Aber das Navi bietet uns nicht die Lösung an, die wir gerne hören möchten: eine schöne Alternativstrecke hier oben durch die Hügel. Also fragen wir einen Passanten nach einem möglichen Weg nach Gmünd in Kärnten. Aber auch der schüttelt den Kopf und bestätigt, dass es hier tatsächlich kein Weiterkommen gibt und unser Navi wirklich die einzige Alternativroute weist: Zurück bis Schlossau, dann hinunter nach Seeboden und über die Katschbergstraße. Da müssen wir uns wohl arrangieren. Aber bevor wir das tun, stärken wir uns mit einer kleinen Brotzeit.
Die wird nach wenigen Minuten durch den vielstimmigen Wohlklang bestens bekannter Motoren unterbrochen. Zu uns auf den Parkplatz rollt eine lustige Gruppe Schweizer Harley-Fahrerinnen und -Fahrer, die offensichtlich dieselbe Strecke unter die Reifen nehmen wollten wie wir und jetzt ebenfalls von der Straßensperrung an ihrem Vorhaben gehindert werden. Nach einem kurzen Hallo, ein paar gegenseitigen Bike-Inspektionen und Glückwünschen zu den schicken Umbauten sowie natürlich dem Austausch der Informationen, die wir schon über die einzig mögliche Umfahrung bekommen haben, starten wir wieder unserem heutigen Ziel entgegen. Die Katschbergstraße ist dafür natürlich nicht die schlechteste Umleitung, die einem Biker empfohlen werden kann. Und so genießen wir die Fahrt durch das Liesertal und den Kurvenspaß entlang des Flüsschens durchaus. Es ist nur sehr viel mehr Verkehr auf der Straße, als wir uns wünschen würden.
In Gmünd fahren wir dann hinein ins Maltatal, wo wir deutlich Gas rausnehmen und unsere Aufmerksamkeit lieber auch einmal der Landschaft, den Bergen und den zahllosen Wasserfällen schenken als ausschließlich der Straße und dem Verkehr. Am Fallbach-Wasserfall legen wir deshalb auch einen Stopp ein, spazieren ein Stück weit vom Parkplatz zum Gasthaus unterhalb der Wasserfälle und erfrischen uns dort mit einem kühlen Spezi im Schatten des imposant vom Berg herunterstürzenden Nasses. Zu meiner großen Freude ist meine Rockerbraut von unserer bisherigen Tour hochbegeistert, vor allem das Maltatal ist so ganz nach ihrem Geschmack. Hurra! Da habe ich ihr ja auch in diesem Fall von meiner letztjährigen Tour nicht zu viel vorgeschwärmt.
Dann können wir uns dem fahrerischen Highlight unserer Tagesplanung widmen: Der Auffahrt zur Kölnbreinsperre über das kleine Mautsträßchen mit den spannenden Tunneldurchfahrten. Die Mautstelle ist schnell erreicht, hier müssen wir nicht einmal warten, sondern können sofort zahlen und durchstarten. Die Mautstraße ist entweder perfekt zweispurig ausgebaut oder an den engen Passagen mit Einbahnregelung und Wechselampeln ohne Angst vor Gegenverkehr durchaus flott zu befahren.
An den Wechselampeln haben wir dasselbe Glück wie an der Mautstation: Wir kommen immer genau so an, dass die Ampeln in wenigen Augenblicken umspringen werden. Und treffen auf supernette Autofahrer, die uns eifrig vorbeiwinken, damit wir vor ihnen auf die freie Strecke gehen können. Wir bedanken uns fröhlich winkend im Vorbeifahren und freuen uns über die freundliche Geste. So schrauben wir uns völlig ungestört auf freier Strecke hinauf zur Talsperre, können auf den offenen Abschnitten herrlich Kurven räubern und etwas gebremster durch die nassen, engen und dunklen Tunnelpassagen zirkeln. Es ist die reine Freude - genauso wie die Ankunft oben am Ende der Straße auf dem Parkplatz unterhalb des Berghotels bei strahlendem Sonnenschein und absolut klarer Sicht auf den Stausee und die umliegenden Berge.
Während Rockerbrauts Sporty und mein Straßenkönig auf dem Parkplatz warten, treten wir den kleinen Marsch auf die Talsperre hinaus an. Meine Rockerbraut will unbedingt ihren inneren Schweinehund herausfordern und auf die frei an der Talsperre über dem Abgrund hängende Aussichtsplattform hinausgehen. Mit unseren Biker-Wander-Wunderstiefeln erreichen wir bequem und sicher unser Ziel - und meine Rockerbraut steigt mutig die nur aus nach unten hin durchsichtigen Stahlrostmatten bestehenden Stufen hinab auf das Schwalbennest an der Staumauer, dessen Boden und Geländer ebenfalls weitestgehend durchsichtig sind. Als Materialien gab es beim Bau dieser rundum transparenten Mutprobenstation offensichtlich nur Stahlrostmatten, Sicherheitsglas und feinmaschiges Stahlgewebe. Total geflasht vom eigenen Mut die Höhenangst zu überwinden, steht meine Rockerbraut am Geländer und strahlt über das ganze Gesicht. Sie kann gar nicht genug von diesem irren Gefühl und der Aussicht bekommen.
Ist´s der Adrenalin-Kick vom Ausflug auf die Aussichtsplattform oder sind es einfach nur die Glückshormone, die sich an diesem tollen Tag sowieso in uns ansammeln? Vor der Abfahrt von der Kölnbreinsperre überlegen wir jedenfalls, ob wir wirklich einfach nur wieder zurück nach Drobollach fahren wollen - was letztendlich heißen würde, dieselbe Strecke wie bei der Hinfahrt unter die Räder zu nehmen - oder entgegen aller Vorsätze, heute keine Mammuttour zu fahren, doch noch eine Schleife über die Nockalmstraße ziehen. Zeit dafür wäre. Nicht gerade üppig, aber es wäre im Hellen durchaus zu schaffen.
Also geht es auf oder besser hinab ins Tal. Die Wechselampelschaltung meint es erneut gut mit uns, sodass wir hier keine kostbare Zeit verlieren und unsere Entscheidung gefestigt wird. Von Gmünd in Kärnten geht es über Eisentratten und Kremsbrücke nach Innerkrems. Über die jetzt überraschend leeren Straßen ist das an diesem Tag erneut - ich wiederhole mich nur allzu gerne - die reine Freude. Kurz vor 5 erreichen wir die Mautstation zur Nockalmstraße, zahlen unseren Obolus für die Fahrt und bekommen von der freundlichen Dame im Kassenhäuschen den Hinweis mit auf den Weg, dass Motorräder ab 18 Uhr auf der Nockalmstraße nicht mehr erlaubt sind. Wir sollten uns also ein kleines bisschen sputen. Andererseits haben wir noch über eine Stunde Zeit für die gut 30 km. Da sollte durchaus eine kleine Pause drin sein an einer der Hütten.
Was für ein Vergnügen erwartet uns jetzt auf den nächsten Kilometern! Wir sind praktisch die einzigen Fahrzeuge auf der Strecke und haben die herrliche Straße für uns allein. Also können wir Gas geben, wenn uns der Hafer sticht, und gemütlich dahinzuckeln, wenn wir einfach nur die Aussicht genießen wollen, ohne irgendjemanden zu stören oder auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Herrlich, göttlich, fantastisch!
An der Eisentalhöhe gibt es einen kurzen Stopp, bei dem eine kleine Erfrischung durch unsere Kehlen rinnt und eine Stärkung für daheim in Form einer der uns anlachenden Hartwürste aus dem Bauernladen in unseren Koffer wandert. Und schon geht es weiter. Allerdings wundere ich mich im weiteren Streckenverlauf plötzlich über das wackelige Lenkergefühl in meiner linken Hand. Da heißt es erst einmal das Gas zurückzunehmen und an einer sicheren Stelle am Straßenrand auszurollen. Und in der Tat stelle ich fest, dass sich an der linken Armatur eine der Klemmschrauben gänzlich verabschiedet hat und die zweite nur noch auf der letzten Windung hält.
Neun Motorradsaisons haben wir bisher durchfahren, ohne einmal Bordwerkzeug zu benötigen. Außer dem abgefallenen Blinker an der Sporty meiner Rockerbraut auf unserer letztjährigen Augusttour, bei dessen Reparatur nur das überaus freundlich zur Verfügung gestellte Gewebeband helfen konnte und Werkzeug wegen des weggeschliffenen Gewindes auch nichts genutzt hätte, gab es in dieser Zeit eigentlich nie nennenswerte Probleme, die wir nicht mit Kabelbindern und eben Gewebeband hätten reparieren können. Aber das scheint sich in diesem Faak-Urlaub nun schlagartig zu ändern. Nach der Sporty mit dem gebrochenen Riemenschutz gestern könnte heute mein Straßenkönig ein wenig Werkzeug durchaus vertragen. Dem lockeren Handgriff ist jedenfalls mit Kabelbindern und Klebeband nicht beizukommen. Also werde ich mir zu Weihnachten wohl ein brauchbares, aber tourentaugliches Werkzeugset wünschen. Denn das scheint doch nicht so überflüssig zu sein, wie wir bisher dachten. Und außerdem gibt es da ja noch die Shovel, die vielleicht auch einmal der einen oder anderen reparaturtechnischen Betreuung bedarf.
Jetzt und hier pfriemle ich die noch vorhandene Schraube so gut es geht mit den Fingern und unter Zuhilfenahme von allen möglichen Utensilien wie dem Hausschlüssel fest und sichere sie gegen den endgültigen Verlust mit einem kleinen Streifen Klebeband. Dann fahren wir sehr vorsichtig und deutlich langsamer als bisher weiter nach Ebene Reichenau. Schließlich geht es jetzt links am Lenker nicht mehr darum das Bike zu halten und zu dirigieren, sondern den Griff selbst festzuhalten, dass er nicht verloren geht. Dabei bin ich auch heilfroh, jetzt auf einer schaltfaul fahrbaren Harley zu sitzen, die ich letztendlich im dritten Gang durch die ganze Nockalmstraße treiben kann. Denn an Schaltorgien auf der kurvenreichen Strecke ist mit dem losen Griff und dem dadurch auch ziemlich wackeligen Kupplungshebel nicht zu denken. Stattdessen nutze ich lieber das Drehmoment aus dem tiefsten Drehzahlkeller, um durch die Kurven zu ziehen und aus ihnen herauszubeschleunigen - was erstaunlich viel Spaß macht.
In Ebene Reichenau hat zum Glück die Tankstelle geöffnet. Wir tanken nicht nur voll, sondern bekommen von der freundlichen Kassiererin auch Werkzeug für eine Notreparatur zur Verfügung gestellt - zwar kein zölliges Werkzeug passend zur Harley-Schraube, aber immerhin einen Schraubendreher, mit dem ich die Schraube soweit festziehen kann, dass die Weiterfahrt ohne große Verlust- und Unfallängste ob des losen Griffs weitergehen kann. So rollen wir über die B95 Richtung Himmelberg und nehmen kurz vorher wieder den Abzweig nach Innerteuchen und Arriach, unsere ausgemachte Lieblingsstrecke in jedem Faak-Urlaub.
Weil meine Rockerbraut und mich inzwischen ein ordentlicher Hunger plagt, legen wir in Treffen am dortigen Motorradhotel eine Abendessenpause ein und lassen uns wunderbar auf der Terrasse verwöhnen. Zu schon recht später Stunde geht es dann satt und glücklich heim in die Ferienwohnung, wo wir erschöpft, aber sehr zufrieden in die Betten fallen. Nach dem Lenker können wir morgen noch sehen ...
Auf großer Tour
Im vergangenen Jahr war ich allein auf die Mittelkärnten-und-Gurktaler Alpen-Runde des Tourenportals Kärnten gegangen. Obwohl ich sie wegen eines Erdrutsches nicht planmäßig fahren konnte und bei der Umfahrung dieser Straßensperrung eine ordentliche Off-Road-Einlage mit meinem Straßenkönig hinlegen musste, waren die Eindrücke dieses Tages doch so fantastisch, dass ich diese Tour in diesem Jahr unbedingt noch einmal zusammen mit meiner Rockerbraut unter die Räder nehmen will.
Weil die Strecke von unserer Ferienwohnung in Drobollach aus satt über 300 Landstraßen- und Nebenstreckenkilometer auf den Zähler bringen wird und damit inklusive Pausen ein überaus tagesfüllendes Format hat, starten wir für unsere Langschläferverhältnisse schon früh um 10 Uhr in Richtung Villach und Ossiacher See. Dann genießen wir eine unserer Lieblingsstrecken: Es geht vorbei an Arriach nach Innerteuchen bis nach Himmelberg. Dieses wundervolle Sträßchen gehört einfach auf unseren alljährlichen Tourenplan zur Bike Week.
Von Himmelberg geht es weiter nach Feldkirchen in Kärnten, wo wir auf den Abschnitt abbiegen, auf dem ich vor einem Jahr umkehren musste. Wir fahren durch St. Ulrich, dessen Name meiner Rockerbraut am Ortsschild ein kleines Hupkonzert abnötigt, hinauf nach Steuerberg und dann über eine herrliche kleine Serpentinenstrecke durch den Wald hinunter nach Weitensfeld im Gurktal. Hier gönnen wir uns in einem Gasthaus am Marktplatz eine erste Pause und Erfrischung. Zu meiner großen Freude ist meine Rockerbraut bis hierher schon total begeistert. Die Strecke ist aber auch einfach zu schön: kleine Sträßchen, wahnsinnig schöne Aussichten über das hügelige Kärnten und praktisch kein Verkehr, sodass wir auch jederzeit einfach anhalten können, um uns in Ruhe umzuschauen - die Tour ist keine extreme Alpintour, bietet aber jede Menge Kurvenspaß und Augenschmaus.
Von Weitensfeld geht es weiter nach Gurk, wo wir direkt am Dom den Abzweig auf die Wimitzer Landesstraße nehmen. Was nun folgt, ist schon Teil 3 des puren Bikervergnügens an diesem herrlichen Tag. Ein wunderbares Sträßchen führt uns den Berg hinauf, wo wir uns bei der Fahrt durch Pisweg das Schmunzeln ob des Ortsnamens nicht verkneifen können. Auch das wenig später folgende Finsterdorf ist mit seinem Namen sicherlich nicht besonders glücklich, zumal das Örtchen herrlich sonnig hier oben in den Hügeln liegt. Ab hier haben wir das Gefühl, die Strecke sei für uns gesperrt und wir hätten heute das exklusive Fahrrecht. Uns begegnen über etliche Kilometer keine Fahrzeuge auf der Straße - weder Autos, noch Lkw, Fahrräder oder auch andere Biker. Allenfalls steht mal ein Gefährt am Straßenrand oder auf einem Parkplatz. Die Straße und die grandiose Landschaft können wir entsprechend ruhig und ungestört genießen.
Umso größer ist der Kulturschock, als wir in Hunnenbrunn für ein kurzes Stück auf die Bundesstraße wechseln müssen und nach St. Veit an der Glan in die Stadt hinein- und dann auch wieder herausfahren. Der Verkehr hat uns wieder und von der Ortsdurchfahrt bleiben vor allem ziemlich ausgedehnte Industriegebiete in Erinnerung.
Ab St. Donat ist diese Episode unserer heutigen Tour aber wieder vergessen. Wir rollen in Richtung Burg Hochosterwitz. Und selten hat uns eine gerade Straße so gefesselt wie dieser Abschnitt unserer heutigen Tour. Schon aus der Ferne zieht die Burg auf ihrem Felsen unsere Aufmerksamkeit auf sich, sodass wir insgesamt dreimal stoppen, um den Anblick ausgiebig zu genießen. Mit jeder Annäherung entdecken wir immer neue Details an der faszinierenden Burgkonstruktion rund um den und auf dem Felsen. Vor allem beim letzten Halt auf einem Parkplatz unmittelbar vor der Burg präsentiert sich das majestätische Bauwerk in all seinen Details. Zu entdecken gibt es bei diesen Stopps übrigens nicht nur an Burg Hochosterwitz immer wieder Neues. Lohnend sind auch die Aussichten seitlich der Straße, z. B. auf Burg Taggenbrunn. Und während wir eine Stärkung genießen - leckeren mitgebrachten Kuchen und erfrischend kühles Wasser aus einer unserer Thermoskannen - beschließen wir, dass wir bei einer unseren nächsten Kärntenreisen unbedingt einen Besuch auf Burg Hochosterwitz auf die Tagesordnung setzen müssen.
Heute ist dafür der Zeitplan zu knapp. Nach all den Pausen während der Anfahrt auf Burg Hochosterwitz müssen wir jetzt nämlich auch mal wieder ein bisschen Strecke machen. Da kommt es uns ganz recht, dass uns die nächsten Kilometer zügig über die B82 führen. So rollen wir entlang der Gurk zunächst bis Brückl, dann ein kurzes Stück nach Süden, bis wir in St. Gregorn den Fluss verlassen und der Bundesstraße nach Osten folgen. Es ist wenig Verkehr, sodass wir flott voran kommen. Und obwohl es eine Bundesstraße ist, ist die Streckenführung durchaus attraktiv.
Hinter Mittertrixen verlassen wir die B82 und fahren Richtung Haimburg, wo wir zu unserem nächsten Etappenziel abzweigen: Wir fahren nach Diex, dem laut eigenem Bekunden sonnigsten Bergdorf Österreichs. Auch diese kleine Nebenstraße begeistert uns wieder mit Kurven, wenig Verkehr und toller Landschaft. Nur eins vermissen wir auf den nächsten Kilometern: eine Möglichkeit einzukehren, uns zu erfrischen und zu stärken. Die wenigen Gasthäuser am Wegesrand sind entweder geschlossen oder wenig einladend, sodass wir lieber weiterfahren und die Strecke genießen.
Leider hat diese wundervolle Schleife mit ihren fantastischen Aussichten über die hügelige Landschaft irgendwann ihr Ende und wir landen nach einer kurvenreichen Abfahrt wieder in Brückl, wo wir jetzt Richtung Norden auf die B92 fahren - den wohl am wenigsten erwähnenswerten Abschnitt unserer heutigen Tour. Hier heißt es tatsächlich nur noch Gas geben, um die nahezu gerade Straße, die zudem auch an ziemlich vielen Industrieanlagen vorbei führt, schnellstmöglich abzuspulen. Entsprechend froh sind wir, als uns das Navi irgendwann von dieser Straße weglotst und wir wieder kleine kurvige Nebenstraßen unter die Reifen nehmen können. Und nicht nur das. In Guttaring finden wir endlich einen Gasthof, der gleich drei erfreuliche Argumente für sich sprechen lässt: Er hat geöffnet, einen einladenden Biergarten und Parkgelegenheiten gleich vor der Tür.
Frisch gestärkt geht es nach dieser nachmittäglichen Pause weiter Richtung Althofen. Doch bevor wir dieses Örtchen erreichen, signalisiert mir meine Rockerbraut Probleme mit ihrer Sporty. Irgendein schleifendes Geräusch dringt an ihr Ohr, aber bei der Weiterfahrt können wir es nicht näher orten. Ich fahre mal langsam hinter oder neben ihr, lausche, schaue, aber das Geräusch bleibt mir verborgen. In Althofen halten wir dann auf einem Parkplatz an. Irgendwann nach der dritten oder vierten Umrundung des Bikes entdecke ich den Übeltäter: Der Riemenschutz ist gebrochen und schleift deshalb am Pulley. Nicht schlimm, sollte aber natürlich so nicht bleiben, wenn wir weiterfahren wollen. Mangels Bordwerkzeug zur Demontage des Riemenschutzes hier vor Ort bleibt also nur die Universalwaffe eines Motorradreisenden: Kabelbinder.
Der erste Versuch, den Riemenschutz nach oben an den Blinker und damit weg vom Pulley zu ziehen, scheitert nach wenigen Metern Fahrt, weil die Auf- und Abbewegungen des Hecks den Kabelbinder schlicht und ergreifend am Blinker aushängen. Also ziehen wir den Riemenschutz gegen das hintere Federbein. Damit sitzt der Kabelbinder zwar zwischen den unteren Federwindungen, aber in diesem Bereich tut sich ja federungstechnisch ohnehin nicht viel. Trotzdem: Die geplante weitere Runde über Straßburg, Metnitz, Flattnitz und dann sogar noch über die Turracher Höhe zurück nach Drobollach wollen wir mit dieser Behelfslösung nicht fahren. Schade, aber nicht zu ändern. Immerhin haben wir damit für das nächste Jahr schon eine Tour auf unserer Planungsliste. Denn das ausfallende Stück lohnt auf jeden Fall noch einmal eine separate Anfahrt ins Gurktal.
Jetzt rollen wir erst einmal auf die nahe Bundesstraße, fahren nach Klagenfurt und von dort sogar über die Autobahn zu unserer Ferienwohnung. Den Kabelbinder müssen wir unterwegs nur einmal austauschen, weil er sich an den Kanten des Riemenschutzblechs durchgescheuert hat. Eine dauerhafte Lösung ist das also nicht.
Zurück in Drobollach lassen wir diesen ereignisreichen Tag im nahegelegenen Steakhouse Revue passieren. Auf dem Weg dorthin genießen wir den Sonnenuntergang, der die Berge auf der gegenüberliegenden Seeseite in warmen Farben erstrahlen lässt. Im Restaurant genießen wir dann die leckeren Spezialitäten der Kärntner Küche. Wegen des gebrochenen Riemenschutzes überlegen wir, morgen nach Klagenfurt zu fahren und zu sehen, ob wir den Riemenschutz dort ersetzen lassen können. Aber wofür den vorhergesagten herrlichen Tag darauf verschwenden? Morgen früh schrauben wir das defekt Teil einfach ab und gehen lieber wieder auf die geplante Tour ins Maltatal. Dafür muss ich nur noch Werkzeug organisieren. Aber das sollte angesichts der zahllosen Biker und einem Harley fahrenden Wirt wohl kein Problem werden.
Bike Week light
So muss ein September-Urlaub in Faak sein: Einigermaßen erträgliche Anreise am Sonntag, Relax-Tag mit schlechtem Wetter zum Erholen am Montag und ab heute, Dienstag, strahlendblauer Himmel, der zu allen möglichen Aktivitäten animiert. Da wir uns ziemlich sicher sind, dass es im Laufe der Woche voller wird und noch mehr Biker nach Kärnten kommen, als wir bei der Anreise am Sonntag schon gesehen haben, beschließen wir, gleich heute die laufenden Aktivtäten des Back-to-the-Road-Programms abzuchecken, solange es noch etwas beschaulicher zugeht: In Velden sollen ein paar Customizer und Accessoires-Händler ausstellen, in Klagenfurt macht der lokale Harley-Dealer eine Woche lang Open House und bietet wohl auch ein bikergerechtes Burger-Essen an. Damit stehen die Eckpunkte für unsere heutige Tour fest.
So starten wir nach dem Frühstück erst einmal nach Velden. Dort sind tatsächlich - wie in normalen Bike Week-Jahren - Motorradparkplätze gegenüber dem Casino reserviert. Hier finden wir auch noch zwei freie Plätzchen und stellen die Sporty meiner Rockerbraut und meinen Straßenkönig standesgemäß ab. Dann schlendern wir hinunter zum Gemonaplatz, wo es tatsächlich so eine Art Mini-Event-Area gibt. Kein Vergleich zum Angebot der letzten Jahre an dieser Stelle oder erst recht in Faak. Aber heute reicht es immerhin, um für meine Rockerbraut einen weiteren Rucksack zu erstehen. Denn hier bietet derselbe Lederhändler seine Waren feil, bei dem ich auf der IMOT im Frühjahr schon einen Rucksack als Mitbringsel für sie erstanden hatte. Jetzt gibt’s die größere Version dazu, damit auch das umfangreichste Arsenal mitzunehmender Utensilien meiner Frau darin Platz hat. Mit dieser Anschaffung haben wir auch schon alles abgegrast und gesehen - einen schönen Anhänger für meinen Shovel-Schlüssel, nach dem ich schon seit einiger Zeit suche, finde ich hier leider nicht. Also gibt es zum Abschluss dieses Velden-Besuchs noch den obligatorischen Drink im Casino mit dem dazugehörenden Sehen und Gesehen-werden, bevor wir uns wieder auf unsere Moppeds schwingen, um die nächste Station Klagenfurt anzusteuern.
Am Nordufer des Wörthersees entlang tuckern wir also ans östliche Ende des Sees und kurven durch Klagenfurt ins Industriegebiet, in dem der Harley-Händler angesiedelt ist. Hier ist ordentlich was los! Die Motorradparkplätze auf dem eigentlichen Betriebsgelände des Händlers sind schon alle belegt und wir müssen auf den Parkplatz des gegenüberliegenden Supermarktes ausweichen, wo immerhin eine Sonderfläche für die Besucher des Harley Open House abgesperrt ist. Auch dieser Bereich ist schon ziemlich vollgeparkt. Das lässt uns zunächst zögern, überhaupt hier zu bleiben. Aber die Neugier auf das gebotene Event und die Hoffnung auf das eine oder andere Schnäppchen treiben uns doch in den Laden. So ganz ohne Mitbringsel und Erinnerungsstücke wollen wir schließlich auch dieses Jahr nicht nach Hause fahren. Und leerer wird es hier in den nächsten Tagen sicherlich auch nicht mehr werden.
Das Treiben im Store ist aus unserer Sicht allerdings grenzwertig für Coronazeiten. Im Außenbereich geht es ja noch, da können wir anderen Gästen ausweichen. Innen wird der Besuch dagegen zu einer Art Biker-Tetris: Suche die Lücke in den Gängen und an den Ständern mit T-Shirts und Pullovern oder anderen interessanten Dingen, stoße dann geschickt dorthin vor, wenn alles frei ist, und schaue Dir die Sachen an. Nimm bei Klamotten Deine Auswahl mit, suche eine Umkleidekabine für die Anprobe, warte darauf, dass sie frei wird und Du dann auch freie Bahn hinein hast. Hoffe, dass alles passt, denn sonst geht das Spielchen wieder von vorne los. Immerhin: Bevor es uns endgültig zu mulmig, eng und abstandsarm im Laden wird, ergattern wir ein schickes Shirt für meine Rockerbraut, eine Mütze für mich und tatsächlich einen schlichten, aber dadurch sehr schönen und passenden Anhänger für meinen Shovel-Schlüssel. Das geplante Burger-Essen im völlig überfüllten Gastgarten lassen wir aber ausfallen. Da suchen wir uns lieber eine etwas entspanntere Location.
Also fahren wir am Südufer des Wörthersees entlang wieder zurück Richtung Faaker See. Den geplanten Stopp in einem kleinen Restaurant direkt am Wörther See müssen wir leider mangels Parkplätzen ad acta legen. Stattdessen starten wir nun ohne weitere essenstechnische Experimente durch nach Villach. Hier gibt es schließlich auch ein tolles Biker- und Burger-Lokal an der Einfallstraße in die Stadt, in dem wir unseren ungestillten Hunger dann auch sehr entspannt befriedigen können. So gestärkt beschließen wir, an diesem Tag noch zwei - aus unserer Sicht und aus Sicht der bisherigen Bike Weeks - völlig verrückte Unternehmungen in die Tat umzusetzen, bevor wir in unsere Ferienwohnung zurückfahren und den Abend ausklingen lassen:
1. Wir fahren an einem Dienstag, wenn eigentlich schon die zu Bike Week-Zeiten herrschende Einbahnstraßenregelung gilt, im Uhrzeigersinn - und damit zum allerersten Mal bei einem unserer Faak-Aufenthalte - entgegen der sonst erlaubten Fahrtrichtung um den See. Das ist eine ziemlich spannende Runde. Denn wie so oft, wenn eine eigentlich schon bekannte Strecke zum ersten Mal in der Gegenrichtung gefahren wird, ergeben sich völlig neue Impressionen und Perspektiven. So entdecken wir tatsächlich Aussichten, die uns bisher völlig verborgen geblieben waren, z. B. den herrlichen Blick vom Seeufer zwischen Egg und Neuegg auf die Insel im Faaker See, der sich in dieser Fahrtrichtung bietet. Die Runde ist aber auch irgendwie ernüchternd, macht sie doch auf ganz eigene Art und Weise klar, dass dieses 2020 eben kein normales Jahr ist. Die leeren Flächen in Arneitz und Faak wirken so noch trister, als sie ohne Zelte und Buden ohnehin schon sind. Und die Strecke ohne Stau und Stopp-and-Go zu fahren, ist auch irgendwie seltsam.
2. Wir fahren zum Kreisel bei Finkenstein mit dem überdimensionalen Harley-Fahrer-Sozia-Monument. Den Besuch dieses Highlights haben wir bei unseren bisherigen Faak-Besuchen immer gemieden. Wir wollten nicht nur für den obligatorischen Schnappschuss mit Horden fotowütiger Biker auf den Straßen dorthin und dann im kleinen Kreisel um das Kunstwerk herum im Stau und zähfließenden Verkehr stecken. Heute haben wir die Location beinahe für uns allein. Wir können Straßenkönig und Sporty bequem direkt neben dem kleinen Kapellchen am Kreisverkehr auf der asphaltierten Einfahrt in einen Feldweg abstellen. Während meine Rockerbraut die Aussicht und ein Stück des noch von zuhause mitgebrachten Kuchens genießt, starte ich einen Fotospaziergang rund um den Kreisverkehr und die stählerne Skulptur. Passieren kann mir ja nichts: Auf den Straßen ist kaum etwas los und die beiden riesigen Harley-Passagiere sorgen mit ihren großen Back-to-the-Roads-Mund-Nase-Bedeckungen für besten Schutz vor Viren für alle Vorbeifahrenden und alle, die den Abstand von 1,5 Metern nicht einhalten und direkt vor ihnen für ein Foto posieren.
Wetterkarussell am Montag
Es ist schon eine kleine Tradition: Am Montagmorgen der beginnenden Bike Week und unserem ersten Tag am Faaker See schläft meine Rockerbraut erst einmal aus und ich marschiere in den nahegelegenen Supermarkt, um den noch leeren Kühlschrank in unserer Ferienwohnung mit allen notwendigen Frühstücks- und sonstigen Leckereien für die bevorstehende Woche zu füllen. So ist es auch heute ohne offizielle Bike Week.
Auf dem Weg zum Supermarkt macht der erste Blick gen Himmel sofort klar, dass dies kein Motorradtag wird. Trüb und grau hängen die Wolken über dem See - und nicht nur über ihm, sondern auch soweit das Auge reicht über den umliegenden Bergen. Also heißt es wohl chillen und relaxen. Was auch nicht schlimm ist, ganz im Gegenteil.
Der erste Blick auf den Supermarktparkplatz und in den Laden macht ebenso unmissverständlich klar, dass unsere Erwartungen von gestern sich weiter bestätigen: Es wimmelt nur so von Harley-Fahrern, die sich mit allem eindecken, was für eine Back-to-the-Roads-Woche notwendig sein könnte. Das gilt nicht nur für Lebensmittel und Getränke. Auch der Ständer mit den alternativen Bike Week-Devotionalien ist schon ordentlich geplündert. Das Herren-Shirt in meiner Größe ist z. B. schon ausverkauft.
Zurück in der Ferienwohnung gibt es ein ausgiebiges Frühstück, danach mache ich mich auf zu einem Spaziergang durch Drobollach. Ein bisschen Bewegung kann ja nicht schaden. Meine Rockerbraut möchte währenddessen lieber ein paar Seiten in einem ihrer spannenden Krimis lesen und macht es sich deshalb in der Ferienwohnung bequem.
Als ich die Unterkunft verlasse, ist es nach wie vor trocken. Und so spaziere ich erst einmal hinauf zur Seeblickstraße und dann Richtung Egg. Wo in den vergangenen Jahr jetzt schon Bierbänke und -zelte entlang der Straße aufgebaut waren und bereits die Straßensperren für die Einbahnstraßenregelung der nächsten Tage bereitstanden, ist jetzt bis auf ein paar Plakate für die Back-to-the-Roads-Veranstaltungen und Hinweise zu den Veranstaltungsorten der Kleinkonzerte nicht viel zu sehen. Und auch auf der Straße ist wenig los.
Weil es hier also nichts weiter zu entdecken gibt, erkunde ich einfach einmal Drobollach abseits der Ringstraße. Und finde dabei tatsächlich sehr schöne Ecken, die ich in unseren bisherigen Bike Week-Jahren noch nie zu sehen bekam. Zu-Fuß-Gehen erweitert manchmal durchaus auch den Horizont, nicht nur Motorradwandern. So spaziere ich auch zum ersten Mal hinunter an den See oder genieße an irgendwo auf meiner Runde die Aussicht auf den Harleywood-Schriftzug.
Just in dem Moment, an dem ich den am weitesten von der Ferienwohnung entfernten Punkt meiner Wanderung erreiche, fängt es dann doch noch an zu regnen. So gehe ich dann doch ohne weitere Umwege wieder zurück zur Ferienwohnung, wo ich meine Rockerbraut abhole, damit wir gemeinsam in die Gartenwirtschaft von gestern Abend gehen können um zu essen und mit Freunden beim Kartenspiel einen lustigen Abend zu verbringen.
Abwechslung bereichert das Leben - beim Wetter könnten wir allerdings auch mal darauf verzichten!
Der Wetterbericht hat für unseren heutigen Anreisetag an den Faaker See Dauerregen vorhergesagt. Die Realität will uns aber scheinbar ein gutes Zeichen für unsere bevorstehende Urlaubswoche senden. So ist es jetzt bei unserer Abfahrt am Sonntagmorgen bei uns zuhause zwar ordentlich bewölkt, aber niederschlagsfrei. Mein Straßenkönig und Rockerbrauts Sporty rollen also auf trockenem Asphalt über Kössen nach St. Johann in Tirol, wo wir einen Tankstopp einlegen, und dann weiter bis Kitzbühel. Bei der Auffahrt zum Pass Thurn macht das Wetter der Vorhersage dann aber doch alle Ehre. Es fängt an zu regnen, was die dunklen Wolken hergeben und auch schon länger angedroht hatten. Na, immerhin haben wir das erste knappe Drittel unserer heutigen Tour trocken hinter uns gebracht. Nur schade, dass wir die herrliche Abfahrt vom Pass Thurn nicht so richtig genießen können.
Unten in Mittersill machen wir bei etwas nachlassendem Niederschlag ein kleines Päuschen, essen und trinken eine Kleinigkeit, um dann weiter Richtung Felbertauerntunnel zu fahren. Der Verkehr ist schön übersichtlich, allerdings sind wir ganz offensichtlich und auch unüberhörbar nicht die einzigen Harley-Reisenden Richtung Süden. Wie wir haben sich wohl auch viele andere Bikerinnen und Biker dazu entschlossen, auch ohne großes Bike-Week-Event nach Kärtnen zu fahren. Davon zeugen die vielen Bikes, die uns überholen oder die an Gaststätten, Tankstellen und Parkplätzen entlang unserer Strecke stehen.
Hinter dem Felbertauerntunnel hat der ununterbrochene Regen zwar ein Ende, dafür wird das Wetter auf den nächsten Kilometern bis hinter Lienz extrem wechselhaft. Alle 10 km verändert sich die Wetterkonstellation. Von trocken mit blauem Himmel und Sonne bis nass, bewölkt und ziemlich herbstlich reicht das Spektrum, das der Wettergott hier in allen Varianten durchspielt. Dazu kommen punktuell auch noch ordentliche Böen. Trotzdem: Das alles ist natürlich besser als andauernder Regen!
Während wir Lienz noch bei Sonnenschein durchfahren, erwartet uns wenige Kilometer weiter Richtung Oberdrauburg der wettertechnische Tiefpunkt unserer heutigen Tour. Vor uns steht eine graue, schier undurchdringliche Regenwand, die alles zu verschlingen scheint: Das Tal, die Berghänge, der Himmel - alles vor uns ist plötzlich verschwunden bzw. von einer trüben Suppe verschluckt. Und weit und breit ist keine Unterstellmöglichkeit zu sehen, wo wir diese drohende Wetterunbill geschützt aussitzen könnten. Also Gashahn auf, Volldampf voraus und schnellstmöglich durch die Wetterwand hindurch.
Zehn Minuten später haben wir es geschafft, das Unwetter liegt hinter uns. Regen, Graupel und ordentliche Böen haben uns kräftig durchgeschüttelt, die Einschläge der dicken Tropfen und der Graupeleisbröckchen konnten wir sogar durch die dicke Funktionskombi spüren. Aber die hat ihre Dienste wieder einmal mit Bravour geleistet: Außen klatschnass, innen warm und trocken fahren wir bei nun glücklicherweise stetig nachlassendem Regen weiter.
Je näher wir an Spittal heranfahren, desto deutlicher verheißt uns ein heller, blauer Himmelstreifen über den Bergen am Horizont eine trockene Abschlussetappe und Ankunft an unserem Zielort Drobollach. Bei unserem letzten Tankstopp kurz vor Spittal hört es dann tatsächlich auf zu regnen, die Straße ist sogar trocken, also wäre hier heute noch kein Tropfen gefallen. Und es ist spürbar wärmer. Deshalb beschließen wir, auf den letzten Kilometern nicht die schnelle Route über die Bundesstraße zu nehmen, sondern doch der kurvenreichen Strecke zu folgen, die das Navi über herrliche Nebensträßchen vorschlägt. So wird die Anreise zum Schluss doch noch eine Schönwettertour, bei der unsere Klamotten mit jedem Kilometer weiter auftrocknen.
Im Dunstkreis von Villach nimmt die Harley-Dichte auf und neben den Straßen nochmals merklich zu. Keine offizielle Bike Week heißt offenbar tatsächlich nicht, dass hier in der Region nicht doch noch eine Bikerparty stattfinden kann. Das sehen wir auch nach unserer Ankunft in der Ferienwohnung beim abendlichen Gang in die nahegelegene Gaststätte. Deren rundum offener, aber überdachter Schank- und Restaurantbereich ist wohl gefüllt mit Bikerinnen und Bikern aus aller Herren Länder. Was uns an diesem Abend, verbunden mit einem ordentlichen Essen und dem einen oder anderen erfrischenden Kaltgetränk, zur positiven Einstimmung auf eine No Show Bike Week völlig ausreicht.
Kofferpacken für die No Show
Seit Juni steht ja bereits fest, dass die European Bike Week in diesem Jahr nicht stattfindet - zumindest der offizielle, von Harley organisierte und verantwortete Teil. Und auch die Organisatoren der Events in Arneitz mussten irgendwann ihre Pläne über Bord werfen und haben inzwischen alle Veranstaltungen abgesagt. Trotzdem haben wir schon vor längerer Zeit beschlossen nach Kärnten zu fahren, sofern die Reiseregeln das erlauben. Unsere Ferienwohnung ist schließlich wie immer bereits seit dem vergangenen Jahr gebucht, die Urlaubswoche auf der Arbeit fest eingeplant und Kärnten im September allemal eine Reise wert.
Letzteres beweist uns unter anderem der Tourismusverband seit ein paar Wochen mit seiner speziellen Bike Week-Webseite und der Back to the Roads-Aktion. Die scheinen echt ein tolles Alternativprogramm zu planen! Natürlich nicht das Mega-Event der letzten Jahre, sondern viele kleine Veranstaltungen. Und sie haben - für uns sehr interessant - unzählige Tourenempfehlungen auf der Eventseite veröffentlicht, von denen ich in den vergangenen Wochen an langen Abenden etliche für unsere Routenplanung ins Navi übernommen habe.
So wie es heute also aussieht, steht einer Motorradurlaubswoche und unserer ganz persönlichen Bike Week 2020 in Kärnten ab Sonntag für die kommende Woche nichts im Wege. Keine Reisewarnungen, keine Einreisebschränkungen, keine weiteren Absagen beim Restprogramm, keine Schließungen von Hotels, Ferienunterkünften und Gastronomie. Deshalb packen wir fleißig unsere Koffer und alles, was wir sonst noch so mitnehmen wollen. Und mit jedem Teil, das in die Taschen wandert, steigt die Vorfreude auf die bevorstehenden Tage.
Verdammt gut im Salzkammergut
Der heutige Freitag ist mit Abstand der heißeste Tag in dieser Woche und macht dem August alle Ehre. Wie gut, dass ich ihn mir kurzfristig freinehmen konnte und jetzt nicht im Büro dahinschmelzen muss. Aber was wäre eine angenehmere Alternative? Meiner Rockerbraut ist es selbst zum Motorrad fahren zu heiß. Sie hat gleich am Morgen schon signalisiert, dass sie heute nicht mitfahren, sondern lieber an einem schattigen Plätzen im Garten chillen würde. Aber mir juckt es doch in allen Finger- und den Fußspitzen. Wenn nicht bei so einem Wetter, wann sollte ich dann auf die Piste gehen?
So entschließe ich mich, mehr oder weniger aufs Geratewohl in die Berge zu fahren. Da wird es in luftigen Höhen schon nicht so heiß sein. Und das Navi wird mir zu gegebener Zeit dann den Rückweg weisen. So starte ich erst einmal über Inzell nach Berchtesgaden und freue mich auf dieser wundervollen Strecke über den - für einen Freitag in den Ferien - angenehm ruhigen Verkehr, der meinem Straßenkönig und mir eine äußerst spaßige Kurvenhatz ermöglicht.
Von Berchtesgaden geht es dann weiter nach Bad Dürrnberg und hinunter nach Hallein ins Salzachtal. Noch so eine Lieblingsstrecke, die am heutigen Tag trotz der Hitze auch noch mit einer sagenhaften Fernsicht begeistert. Bei der Abfahrt nach Hallein kann ich bis nach Salzburg und zur Festung Hohensalzburg schauen - und muss aufpassen, dass ich vor lauter Aussicht nicht den Blick auf die Straße vernachlässige. Mit der mehr oder weniger unbewussten Entscheidung, unten in Hallein in Richtung Süden zu abzubiegen, entwickelt sich jetzt in meinem Kopf auch ein grober Plan für die weitere Route: Bis Golling will ich der Bundesstraße folgen, um über den Pass Gschütt zum Hallstätter See zu fahren. Von da aus könnte es dann über Bad Ischl und den Wolfgangsee wieder nach Hause gehen.
Die Stadtdurchfahrt Hallein ist nur eine lästige Pflichtübung auf dem weiteren Weg nach Süden, die ich allerdings für einen denkwürdig peinlichen Tankstopp nutze: Ich rolle nämlich bei einer der Tankstellen an der Bundesstraße an die Zapfsäule, lege Helm und Handschuhe ab, öffne den Tankdeckel meines Straßenkönigs, greife nach der Zapfpistole, stecke sie in den Tank und ziehe den Hebel. Es passiert - nichts. Also noch einmal raus mit der Pistole aus dem Tank und wieder hinein damit, noch einmal den Hebel gezogen, zwischendurch den einen oder anderen Blick auf die Zapfsäule, auf der die Anzeige immer noch Preis und Tankmenge des Vorgängers verkündet, die Pistole noch einmal eingehängt und wieder herausgenommen. Es passiert - nichts.
Die ersten anderen Kunden schauen mich schon skeptisch an, eine Gruppe junger Leute, die die Tanke offenbar zu ihrem Treffpunkt ernannt hat, wirft mir auch zunehmend ungläubige Blicke zu. Was ist hier nur los? Versteckte Kamera? Erst als an der gegenüberliegenden Zapfsäule ein neues Auto hält und die Fahrerin nach dem Aussteigen als Erstes zu einer schmalen Säule zwischen den Tankplätzen geht und dort herumhantiert, kapiere ich, dass ich an einer Automatentankstelle gelandet bin und vor dem Tanken mit meiner EC-Karte die gewünschte Säule freischalten muss, um dann an das ersehnte brennbare Nass zu kommen. Das mache ich dann auch schnell, schließlich will ich den anwendenden Österreicherinnen und Österreichern nicht noch mehr gute Gründe geben, sich über den Piefke zu amüsieren!
So rolle ich wenige Minuten später endlich mit wohl gefülltem Spritfass zwischen den Beinen von dannen und über Kuchl bis nach Golling, wo ich auch nach Osten Richtung Scheffau am Tennengebirge abzweige. Während ich dahincruise, fällt mein Blick irgendwann auf einen Wegweiser zur mautpflichtigen Postalmstraße. Keine Ahnung, warum mich das jetzt gerade reizt. Aber Mautstraße klingt irgendwie nach einem schöneren Sträßchen als weiter hier auf der Bundesstraße Kilometer zu fressen. Und so biege ich ab, um dem Wegweiser zu folgen. Die ersten Meter der Strecke sind wenig begeisternd, es geht vorbei an Industrie- und Gewerbebauten. Dann aber schwingt sich das Sträßchen doch den Hang aus dem Tal hinauf. Und ich ahne, dass mich hier noch ein wundervoller Abstecher erwartet.
Die Aussicht auf den Dachstein und die kleine, immer kurvigere Straße sind so ganz nach meinem Geschmack. Da stören auch die Mautgebühren nicht. Ganz im Gegenteil, dieses Sträßchen ist jeden Euro wert. Genauso wie der leckere Kuchen, den ich bei meinem wohlverdienten Halt auf dem großen, aber sehr leeren Postalm-Parkplatz im nahegelegenen Restaurant genießen darf.
So gestärkt mache ich mich dann auf die Weiterfahrt, laut Karte führt mich der Weg direkt an den Wolfgangsee. Dieser Streckenabschnitt ist noch schöner als die bisherige Auffahrt von Süden her. Kurvig geht es einen steilen Berghang hinunter, bis die Straße einem wilden Bachlauf folgt und dabei auf der anderen Seite von hohen Steilwänden flankiert wird. Höchst erfreulicher Nebeneffekt dieser Streckenführung ist die angenehme Kühle, die an diesem heißen Tag vom rauschenden Wasser auf die daneben verlaufende Straße übergreift.
Eigentlich könnte dieses Sträßchen so bis in alle Ewigkeit weitergehen - oder zumindest wieder zurück bis nach Hause. Aber die Realität führt mich dann doch zum Wolfgangsee und auf die Bundesstraße. Zum Glück ist auch hier erstaunlich wenig Verkehr, sodass ich zügig und stressfrei am Wolfgangsee entlang und dann zum Mondsee fahren kann. Dort schalte ich angesichts der nun schon fortgeschrittenen Stunde das Navi ein und lasse mich über kurvenreiche Strecken nach Hause führen.
Vom Mondsee geht es jetzt über kleine und kleinste Nebensträßchen zum Wallersee, immer wieder begleitet von herrlichen Aussichten auf die Berge und die Seenlandschaft des Salzkammerguts. Dann tuckere ich weiter zum Südzipfel des Mattsees und von dort hinunter nach Oberndorf und über die Salzach nach Laufen. Selbst die letzten Kilometer von hier nach Hause sind noch die reinste Wohltat und Entspannung. Daheim genieße ich dann noch gemeinsam mit meiner Rockerbraut den Sommerabend auf unserer kleinen Lounge im Garten. Ein solcher Tag sollte einfach niemals enden.
Shovel & Burger
Im Urlaub durfte mein Straßenkönig ordentlich Kurven kratzen und Kilometer fressen, während meine Oldtimer-E-Glide daheim warten musste. Da ist es doch nur fair, dass sich heute das Shovel-Aggregat einmal wieder kräftig schütteln darf. Und weil ich Lust auf einen richtig guten Burger habe, ist das Ziel für die heutige Sonntagstour auch schnell ausgemacht: das tolle Biker-Lokal bei Scheffau auf der Südseite des Wilden Kaisers.
Also hole ich mein altes Schätzchen aus der Garage, drehe den Sprithahn auf, ziehe den Chokehebel, drehe zwei-, dreimal am Gasgriff und drücke erst dann das kleine Startknöpfchen an der rechten Lenkerarmatur. Der Anlasser braucht nur drei oder vier Umdrehungen, dann blubbert das fast 50 Jahre alte Motörchen munter unter mir los. Und aus dem Auspuff trötet es vernehmbar. Genauso unüberhörbar ist das Krachen des Getriebes beim Einlegen des ersten Gangs. Neben mir poltert auch schon die Sporty meiner Rockerbraut los. Na, dann können wir ja starten. Auf geht’s zum Burger-Mahl!
Die Fahrt über Schleching, Kössen und Schwendt nach St. Johann in Tirol ist ein wundervoller Kurvenspaß und das reinste Vergnügen mit dem alten Milwaukee-Eisen. Die weitere Etappe über die Bundesstraße bis Scheffau müssen wir halt hinter uns bringen, die Belohnung ist dann tatsächlich ein wieder einmal vorzüglicher Burger auf der gemütlichen Terrasse mit Bergblick und in der netten Gesellschaft einiger weiterer Bikergäste.
Die Heimfahrt treten wir frisch gestärkt über Kufstein an, fahren von dort hoch zum Walchsee und wieder nach Kössen, um dann noch eine Zusatzschleife über Reit im Winkl zu ziehen. Auch diese Strecke ist eine wundervolle Kombination aus Kurvenspaß und entspannten Cruising-Abschnitten - beides kann ich auf der Shovel einfach nur genießen. Und so rollen wir nach dieser wundervollen Acht rund um den Wilden Kaiser und durch die Chiemgauer Alpen tiefenentspannt wieder nach Hause.
Schweißgebadet ab nach Hause
Nun ist er also da, der allerletzte Urlaubstag und der Tag unserer Abreisetour aus dem Oberinntal. Die Taschen stehen gepackt bereit, das Frühstück haben wir zum ersten Mal in dieser Woche vor 9 Uhr absolviert, die Rechnung ist bezahlt. Jetzt heißt es also Abschied nehmen. Und das Gepäck auf meinem Straßenkönig und der Sporty meiner Rockerbraut verstauen.
Draußen knallt schon zu dieser - für uns frühen - Stunde die Sonne gnadenlos vom Himmel. Nach dem ersten Gang zu unseren Moppeds sind wir schweißgebadet - und da haben wir die Bikes noch gar nicht beladen! Nach dem zweiten Gang würde ich am liebsten noch einmal aufs Zimmer, duschen und mich umziehen. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Da muss mir dann gleich der Fahrtwind Abkühlung verschaffen und mich trocknen. Aber bevor der uns so richtig um die Nase wehen kann, stehen noch zwei weitere Stopps im Urlaubsort bevor: Volltanken und Einkaufen. Ersteres ist an der nur wenige Meter die Straße hinunter liegenden Tankstelle schnell erledigt. Und auch fürs Einkaufen müssen wir dann nur noch einmal wenige Meter weiterrollen.
Wenn wir schon in Tirol sind, dann muss ordentlicher Speck mit auf den Heimweg - für uns selbst und als Dankeschön an unsere Nachbarn für das Housekeeping. Eine der lieben Bedienungen im Hotel hat uns für den Einkauf einen Tipp gegeben: Statt der bekannten Massenmarke mit einer Niederlassung im Nachbarort sollten wir lieber beim örtlichen Metzger einkaufen und außer Speck und Schinken auch noch Boxerl mitnehmen. Was das ist, erfahren wir dann von der netten Verkäuferin hinter der mit Leckereien vollgepackten Theke: geräucherte Würste, ähnlich den Südtiroler Kaminwurzen, die wir auch gleich probieren dürfen. Lecker! Also wandern so viel Speck, Schinken und Würste in unsere Taschen, wie wir so gerade noch unterbringen können. Verhungern werden wir auf der Heimfahrt jedenfalls nicht - und wohl auch die nächsten Wochen zuhause nicht.
Nach diesen beiden Stopps geht es dann aber endlich los auf die für heute geplante Route. Die ersten Kilometer spulen wir unspektakulär auf der Bundesstraße Richtung Osten ab und grillen in der Sonne über dem heißen Asphalt. Dann führt uns das Navi zum Glück auf kleine Nebensträßchen, die am Nordhang der Berge durch den Wald führen. Was für eine Wohltat! Schatten, Kühle, Erfrischung! Da macht es gar nichts, dass es hier nur langsam vorangeht und bei manchen Ortsdurchfahrten nur 30 km/h erlaubt sind. Und erst die Ausblicke hinunter ins Inntal!
Leider gibt es keine durchgängig am Nordhang entlang führende Strecke, sodass wir irgendwann wieder hinunter ins Inntal fahren. Bei Roppen zweigen wir dann aber schon wieder ab auf eine Strecke, die wir bereits kennen: Dieses Nebensträßchen sind wir am Donnerstag auf der Heimfahrt vom Timmelsjoch gefahren. Macht aber überhaupt nichts, denn in der anderen Richtung ist es nicht weniger attraktiv und führt uns nach Sautens im Ötztal. Von da geht es weiter nach Ötz und dann hinauf aufs Kühtai.
Die steile Auffahrt von Ötz nach Taxegg ist die reinste Freude! Wie unter mir der V2 sein ganzes Drehmoment entfaltet und mich auf dem schmalen Sträßchen die Steigung hinauf und durch die Kurven und Kehren schiebt, dafür liebe ich meinen Straßenkönig! Und verzeihe ihm gerne die eine oder andere Schwäche, der er objektiv betrachtet natürlich auch hat.
Nachdem wir diese erste Auffahrt genommen haben, geht es erst einmal sehr ruhig und unaufgeregt weiter. Die Straße verläuft durch eine wundervolle Landschaft parallel zu einem kleinen Bachlauf. Aufpassen müssen wir hier nicht auf den Straßenverlauf. Gefährlich sind vielmehr andere Verkehrsteilnehmer, die plötzlich bremsen, weil sie an einem schönen Flecken Pause machen wollen und dafür ohne Sinn und Verstand in die Eisen gehen. Oder Tiere und ihre Hinterlassenschaften. Die Viehgatter im Asphalt geben uns einen ersten Hinweis darauf, dass wir jetzt in das Revier von freilaufenden Weidetieren vordringen.
Das Milchvieh, das dieser Gegend seinen Namen verliehen hat, und dazu noch jede Menge andere Huftiere haben ganz offensichtlich großes Vergnügen daran, entweder selbst hinter einer Kurve auf der Straße zu stehen oder dort zumindest die größeren Geschäfte zu hinterlassen. Beides wirkt sich auf unseren Fahrstil sehr beruhigend aus. Denn Kuh, Pferd, Esel, Ziege oder Schaf haben natürlich Vorfahrt bzw. Vortritt. Das zwingt auch zur einen oder anderen kurzen Pause, wenn eine Kuhherde mitten auf der Straße steht und keinerlei Anstalten macht, dem Verkehr Platz zu lassen. Zum Glück sind die Rindviecher so genügsam und an Autos, Fahrräder und Motorräder gewöhnt, dass wir uns vorsichtig an den Hörnern und Hinterteilen vorbeischleichen können - und uns später beim Stopp am Kühtai fragen, welcher Weg eigentlich der gefährlichere war: der vorbei am Vorder- oder am Hinterteil?
Apropos Kühtai: Auch oben im sommerlichen Örtchen dominieren Tiere das Bild. Kühe liegen direkt neben dem Parkplatz, käuen wieder oder halten sogar einen tiefen, festen Mittagsschlaf. Pferde und Esel traben munter mitten im Ort zwischen den Häusern und zwischen fahrenden oder parkenden Autos herum. Und auch Schafe und Ziegen gehen, stehen oder liegen herum - ebenfalls gerne auf Straßen und Wegen. Die Ruhe, die dieses Idyll ausstrahlt, verschafft uns auf jeden Fall eine sehr entspannte und zugleich doch kurzweilige Pause. Zumal die Temperaturen selbst an diesem heißen Tag jetzt zur Mittagszeit hier in 2000 m Höhe relativ erträglich sind.
Frisch gestärkt machen wir uns dann wieder auf und starten die Abfahrt hinunter ins Inntal. Die Strecke durch das Sellraintal ist für uns das reinste Vergnügen. Keine spektakuläre Kurvenjagd, eher relaxtes Dahingleiten und Cruisen mit viel Muße für den einen oder anderen Blick auf die wundervolle Landschaft.
Leider nicht vermeiden lässt sich danach ein kurzes Stück Stadtfahrt durch Innsbruck. Aber erstaunlicherweise ist das schnell erledigt, zum Glück hält sich der Samstagsverkehr in Grenzen. Und so können wir bald wieder von der Bundesstraße weg auf kleine Nebenstraßen oberhalb des Inntals ausweichen. Irgendwie kommt mir dieser Streckenabschnitt wieder sehr bekannt vor. Und tatsächlich: An einem außergewöhnlich gewachsenen Baum am Straßenrand erkenne ich den Weg wieder. Hier bin ich im vergangenen Jahr schon vorbei gefahren, als ich meine kleine Solotour ins Zillertal gemacht habe.
An einem kleinen, schattigen Parkplatz machen wir noch einmal Halt, um eine Kleinigkeit zu essen und vor allem noch einmal einen ordentlichen Schluck zu trinken. Die Hitze ist in der Tat grenzwertig heute! Bei einem kleinen Spaziergang, um mir die Beine zu vertreten, entdecke ich noch einen wundervollen Aussichtspunkt hinunter ins Inntal. Schade, dass es an diesem heißen Tag inzwischen schon so dunstig geworden ist! Talgrund und Fluss verschwimmen in der flimmernden, feuchten Luft. Ein paar Fotos müssen trotzdem sein.
Weiter geht’s. Kurz vor Wattens fahren wir von den Nebenstraßen zurück auf die Bundesstraße und wollen jetzt ein bisschen Strecke machen. Allerdings schaffen wir gerade einmal die 25 km bis Strass im Zillertal. Dann übermannt uns der Durst schon wieder. Die Thermosflaschen sind leer, also kehren wir in einem Gasthaus gegenüber dem Bahnhof ein. Ein weiterer Glücksfall in diesem tollen Urlaub! Denn zur kühlen flüssigen Erfrischung gibt es hier auch noch ein Stück vorzüglicher Haustorte - ein echter Genuss für einen hungrigen Biker und die notwendige Stärkung für den Rest der Strecke.
Ab jetzt ignoriere ich die Anweisungen des Navis allerdings: Wir haben bei unserer Rast am Eingang zum Zillertal beschlossen, den schnellsten Weg nach Hause zu nehmen. Und dafür brauche ich den elektronischen Wegfinder ab hier nicht mehr. Über die Bundesstraße geht es nach Wörgl und Kufstein und dann nach Hause in den Chiemgau. Und obwohl der Tag inzwischen schon ziemlich fortgeschritten ist, begleitet uns die Augusthitze wirklich bis vor die Haustüre und dann auch noch beim Abladen der Bikes. Den Abschluss dieses tollen Tages und der grandiosen Urlaubswoche bildet eine erfrischende Dusche, während unsere durchschwitzen Bikerklamotten auf dem Balkon zum Lüften hängen.
Grüezi in die Schweiz
Gestern Abend haben wir noch mit dem Wirt unseres tollen Biker-Hotels geplaudert und ihn nach Tourentipps für den heutige Tag befragt. Die Runde sollte nicht allzu lang und schwierig sein, wir wollen zwischen der 3-Pässe-Tour gestern und der Heimfahrt morgen nicht noch einen Marathon absolvieren, sondern lieber entspannt durch eine schöne Landschaft cruisen und die Aussichten genießen. Außerdem sollten wir nicht allzu spät zurückkehren, schließlich müssen wir ja auch schon wieder packen. Die Empfehlung: ein Abstecher in die Schweiz mit einem kleinen Schlenker nach Italien. Aber nicht aufs Stilfser Joch: „Tut Euch das jetzt im August in den Ferien nicht an! Da ist es nur eine Qual und kein Vergnügen, sich durch den Verkehr zu kämpfen. Fahrt lieber ins Val Müstair, ins Schweizer Münstertal, und über den Ofenpass.“
So rollen wir also heute Morgen nach einem wieder einmal grandiosen Frühstück von unserem Hotel im Oberinntal los in Richtung Reschenpass. Den Kirchturm im Reschensee wollte meine Rockerbraut schließlich schon immer einmal live sehen. Leider ist die Landstraße von Landeck in Richtung Reschenpass wegen Bauarbeiten gesperrt. Also geht es gleich zu Beginn unserer Tour wenig attraktiv durch den Landecker Tunnel. Das macht zwar keinen wirklichen Spaß, spart aber Zeit, die wir dafür später hoffentlich auf schöneren Streckenabschnitten umso mehr genießen können.
Viel besser als die Tunneldurchfahrt ist die Reschenstraße dann allerdings auch nicht. Nur die kurzen Passagen, für die uns das Navi von der Bundesstraße weg auf die kleine, parallel verlaufende Landstraße führt, und die wenigen Kurven zwischen Pfunds und Nauders lassen ein wenig Fahrvergnügen nach unserem Geschmack aufkommen. Eines gilt für diesen Streckenabschnitt allerdings trotzdem: Die Fahrt auf der gut ausgebauten Reschenstraße bei überraschend ruhigem Verkehr ist sehr entspannt!
Am Reschensee gibt es dann den unvermeidlichen Stopp zur Besichtigung des Kirchturms. Aber der hier herrschende Trubel ist uns bald zu viel, sodass wir ziemlich schnell wieder auf den Straßenkönig und die Sporty steigen, um weiter Richtung Val Müstair zu fahren. Bis Schluderns rollen wir im Tross des Reise- und Lkw-Verkehrs immerhin recht zügig mit, was trotzdem keine große Freude an der eigentlich schönen Strecke aufkommen lässt. Aber nach dem Abzweig Richtung Val Müstair sind die Straßen schlagartig wie leer gefegt und es kommt endlich der ersehnte Spaß auf. Wir cruisen entspannt dahin und sagen bald „Grüezi, liebe Schweiz“.
Weil es Zeit für eine kleine Stärkung ist, halten wir in Santa Maria Val Müstair an einer kleinen Bäckerei - ein sehr gute Entscheidung! Grund für unseren Halt sind eigentlich der Parkplatz direkt vor der Tür und die kleine, einladende Terrasse. Aber offensichtlich haben wir durch Zufall eine echte kleine Feinschmeckeroase angesteuert. Denn im Laden hängen zahllose Auszeichnungen für das Team, einzelne Produkte oder auch gleich das ganze Angebot. Auch die Mitgliedschaft bei Slow Food ist ein gutes Zeichen für die zu erwartenden Genüsse. Das darf ich wenig später bei einem köstlichen Stück warmem Käsekuchen selbst entdecken. Und sogar für meine allergiegeplagte Rockerbraut gibt es eine Leckerei im Laden: Das Schweizer Bauernbirnbrot ist eine milchfreie Spezerei ganz nach ihrem Geschmack. Also muss davon natürlich auch gleich ein Exemplar in unsere Packtaschen. Dass die Schweizer zumindest hier im Val Müstair auch sehr humorig sind, beweist der traditionell vor der Weiterfahrt angetretene Gang zur Toilette. Sie ist dekoriert mit lustigen Sprüchen und Gedichten, verfasst vom Bäckermeister selbst ebenso wie von Gästen aus nah und fern. Sie zaubern mir zusätzlich zur gefundenen Erleichterung ein Lächeln auf die Lippen.
Ein Lächeln ins Gesicht zaubert uns auch die weitere Strecke zum Ofenpass. Wir cruisen beschwingt und tiefenentspannt - nicht zuletzt auch wegen des schweizerischen Tempolimits -, genießen dabei die Aussichten auf die Graubündner Bergwelt und auf sehr spannende Baukonstruktionen entlang oder auch über der Straße bei den engen Ortsdurchfahrten. Die eigentliche Auffahrt zum Ofenpass ist dann ein Kurvenspaß, der planende Ingenieur war bestimmt Harleyfahrer. Die Straßenführung ist nämlich wie gebaut für unsere beiden Bikes. Keine engen Kehren, sondern herrlich geschwungene Kurvenbögen in weiten Radien mit allerfeinstem Asphaltbelag wedeln wir hinauf auf die knapp 2150 m hoch liegende Passhöhe.
Hatten wir uns bei der Passauffahrt noch über die nahezu leere Strecke gefreut, sind wir oben am Pass total verdutzt über den proppenvollen Parkplatz. Autofahrer, Motorradfahrer, aber vor allem Radler haben sich hier oben zu eine Stelldichein eingefunden. Zum Leidwesen meiner Rockerbraut starte ich deshalb lieber durch als mich in diesen Trubel zu stürzen.
Der weitere Streckenverlauf hinein ins Engadin und durch den Schweizer Nationalpark ist fahrerisch wieder eher unspektakulär, aber das hatten wir ja eigentlich für heute auch so gewollt. Und das wissen wir angesichts der grandiosen Aussichten auch sehr zu schätzen. So können wir nämlich der Landschaft die zusätzliche Aufmerksamkeit schenken, die wir hier nicht der Straße widmen müssen. Statt am Ofenpass gibt es einen Stopp an einem der Parkplätze im Nationalpark, leider nur mit einer Stärkung aus den Packtaschen und der Thermoskanne, dafür aber mit Wahnsinnsaussichten und ohne Lärm und Trubel zahlloser anderer Touris.
In Zernez erreichen wir dann wieder das Inntal, dem wir jetzt von hier wieder bis zum Hotel folgen werden. Landschaftlich herrlich, fahrerisch anspruchslos, leider immer wieder von Baustellen mit abgetragener Fahrbahndecke und Ampeln gestört, rollen wir entspannt unserem letzten Abend in diesem Urlaub entgegen. Der gestaltet sich sehr gegensätzlich: Einerseits wollen die Koffer und Taschen für die morgige Abreise gepackt werden, andererseits lassen wir uns auf der Terrasse noch einmal mit leckeren Schmankerln aus der erstklassigen Hotelküche verwöhnen. Schade, dass der Urlaub schon wieder vorbei ist. Andererseits: Die morgige Heimreise ist ja auch noch ein Urlaubstag. Denn wir rasen natürlich nicht nach Hause, sondern werden die Fahrt als herrliche Tour genießen..
3-Pässe-Runde
Der nächste strahlend schöne Sommer-Sonne-Biker-Urlaubstag! Wir haben uns entschlossen, heute auf die längste unserer geplanten Touren in diesem Urlaub zu gehen: Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch stehen in unserem Roadbook.
Um Zeit zu sparen, nehmen wir für die ersten knapp 80 km durchs Inntal bis Innsbruck erst einmal die Autobahn. Denn dieser Streckenabschnitt ist wenig attraktiv - selbst wenn wir Bundes- und Landstraßen nehmen würden. Deshalb konzentrieren wir uns doch lieber auf den Kurvenspaß, der uns danach erwartet, und spulen diese Etappe als Zubringer schnellstmöglich ab.
An der Abfahrt Innsbruck-West verlassen wir die Autobahn, fahren ein kurzes Stück durch den Stadtverkehr, legen einen kleinen Tankstopp ein und rollen dann auf die Brenner Bundesstraße den ersten Kurven entgegen. In Steinach am Brenner führt uns das Navi weg von der Bundesstraße auf ein wunderschönes Nebensträßchen. Das begeistert mit zwei wesentlichen Vorzügen: Wir sind weg vom Verkehr der Bundesstraße und wir bekommen spektakuläre Aussichten auf die Brennerautobahn geboten, die immer wieder ins Blickfeld kommt und sich entlang der Hänge und über gewagte Brückenkonstruktionen gen Süden schlängelt.
Und wir erleben noch eine sehr eigenwillige Interpretation von Mäharbeiten. Ein entsprechender Pylon warnt uns nämlich irgendwo auf dieser Strecke an einer Kurve. Also nehmen wir das Gas raus und tuckern in Erwartung Hand- oder Motorsensen schwingender Arbeiter am Straßenrand und auf der Straße liegender Grasreste vorsichtig weiter. Allenfalls an einen Traktor oder Unimog mit einem Mähwerk hätten wir vielleicht noch gedacht, doch dafür ist der Grünstreifen entlang der Straße - zumindest bisher - eigentlich viel zu schmal. Kaum sind wir um die Kurve, staunen wir allerdings nicht schlecht, was hier gerade tatsächlich „gemäht“ wird: der Wald! Die Gegenfahrbahn liegt voller Äste und kleinerer Baumstämme, die Arbeiter schwingen langschwertige Kettensägen und ein Stück weiter die Straße hinunter schneidet ein Unimog mit gewaltigem Sägewerkzeug die Straße frei. Ein Schild „Waldarbeiten“ hätte die Situation sicher besser beschrieben.
Leider ist dieser wunderschöne Streckenabschnitt in Gries am Brenner schon wieder zu Ende, hier geht es zurück auf die alte Brenner Bundesstraße Richtung Südtirol. Der Verkehr ist zum Glück sehr überschaubar, wir können die ansonsten stark frequentierte Strecke durchaus genießen und entspannt nach Sterzing fahren. Und dann geht’s endlich los mit dem ersten richtigen Pass-Spaß für den heutigen Tag. Wir starten rauf auf den Jaufen.
Allerdings hat die italienische Straßenbaubehörde offensichtlich für dieses Jahr alle Geldschatullen geöffnet und umfassende Bauarbeiten an der Strecke in Auftrag gegeben. Das ist durchaus dringend nötig, wie wir auf den noch nicht sanierten Abschnitten immer wieder feststellen müssen. Allerdings zwingen uns die Baustellen durch einspurige Verkehrsführung und Ampeln mit Wechselschaltung zu einigen unerwünschten Stopps, die keinen richtigen Rhythmus in unserem Kurventanz aufkommen lassen. Außerdem ist an vielen Stellen der Asphalt bis hinunter auf das Schotterbett abgetragen, sodass wir bei der einen oder anderen Off-Road-Einlage unsere Geschicklichkeit und die Geländetauglichkeit unserer Harleys unter Beweis stellen dürfen.
An der Panoramahütte am Jaufenpass gibt es dann erst einmal einen Stopp. Mit einer kleinen Erfrischung und Stärkung in den Händen genießen wir die Aussicht über Tal und Berge und schauen den Motorrädern zu, die den Jaufenpass heraufkommen, wie sie in Schräglage durch die Kurven ziehen und dann auf der folgenden Geraden beschleunigen, um kurz vor der nächsten Kehre wieder anzubremsen und das Spiel von Neuem zu beginnen.
Hier zuschauen könnten wir den ganzen Tag, aber natürlich wollen wir lieber wieder selber Teil dieses Karussells werden. Also schwingen wir uns in den Sattel und machen uns auf den kurvenreichen Weg hinunter ins Tal nach St. Leonhard und weiter nach Moos in Passeier, nur um von dort gleich wieder den Aufstieg aufs Timmelsjoch zu starten. Kehre um Kehre klettern wir die Passstraße hinauf, auf der leider sehr viel mehr Verkehr als auf unserer bisherigen Strecke herrscht und die einige Auto- und Motorradfahrer mit einer Rennstrecke verwechseln, die ihnen alleine zu gehören scheint. Spätestens wenn dann zum motorisierten Verkehr auch noch Radfahrer kommen, wird es in der Konstellation Raser überholt Normalo überholt Radler auf der schmalen Straße ziemlich eng.
Aber davon lassen wir uns nicht den Spaß verderben, lieber fahren wir unseren ruhigen Rhythmus hinauf zur Passhöhe, soweit das auch hier wegen der Baustellen möglich ist. Für ein Lächeln sorgt dabei immer wieder die Feststellung, dass die supersportlichen Möchtegern-Rennpiloten an so mancher Wechselampel wieder vor uns stehen. Lohn für ihre dynamische Hatz ist dann nur, dass sie umso länger auf das heiß ersehnte Grün der Lichtanlage warten müssen als wir, die entspannten Harley-Cruiser, die sich ihr Tempo so gewählt haben, dass sie während der Fahrt auch noch etwas von wundervollen Landschaft mitbekommen.
Apropos Landschaft: Am Timmelsjoch-Parkplatz kurz vor der Tunneldurchfahrt machen wir Stopp und werfen einen Blick zurück auf die gefahrene Strecke, ins Passeiertal und auf die umliegenden Berge. Allein dem grauen Geschlängel der Passstraße mit den Augen zu folgen, ist schon das reinste Vergnügen. Der Fernblick auf das Panorama ebenfalls. Wir können uns kaum entscheiden, was wir länger und genauer bewundern wollen.
Während wir so am Rand des Parkplatzes in die Aussicht versinken, gibt es plötzlich ein großes Hallo. Zuerst kapieren wir gar nicht, dass wir gemeint sind. Aber dann erkennen wir die auf den Parkplatz rollende Gruppe: Unser Hotelwirt macht heute ebenfalls eine seiner geführten Gästetouren - zum Großteil auf derselben Strecke, die auch wir unter die Räder genommen haben: Brenner, Jaufen, Timmelsjoch. Allerdings ist die Gruppe am Morgen schon sehr viel früher losgefahren als wir und hat noch das Kühtai mitgenommen. Das haben wir bewusst ausgespart, weil es für die Heimfahrt am Samstag auf der Tagesplanung steht. Und so sind wir durch unsere Autobahnetappe an der Gruppe vorbeigezogen und trotz deutlich späterer Abfahrt am Hotel ein paar Minuten früher auf dem Timmelsjoch angekommen.
Wir genießen die Aussicht noch ein bisschen, aber unseren Biker-Hotel-Mitbewohnern juckt die Gashand schon wieder. Sie düsen nach wenigen Minuten weiter. Wir machen uns auch bald wieder auf den Weg, kommen allerdings nur die paar Meter bis zum Rasthaus Timmelsjoch. Dringende menschliche Bedürfnisse und ein bohrendes Hungergefühl zwingen uns, hier sofort wieder anzuhalten - übrigens wider Erwarten eine gute Entscheidung: Eine supernette und gut gelaunte Bedienung, eine durchaus akzeptable Jause und außerdem weniger Touristennepp an dieser exponierten Stelle als befürchtet!
Weiter geht’s nach diesem Stopp mit frischen Kräften. Da die Uhr inzwischen schon deutlich fortgeschritten ist, sparen wir uns den Besuch des Motorrad-Museums für heute. Damit gibt es für zukünftige Urlaub in der Region immerhin einen Grund, noch einmal auf das Timmelsjoch zu fahren.
Die Abfahrt ins Ötztal gestaltet sich dann als eher ruhige Geschichte. Ein paar schöne Kurven sind natürlich dabei, aber so spektakulär wie die italienische Seite ist diese Strecke nicht. Dafür umso besser ausgebaut. Und ehrlich gesagt ist es auch heute wieder recht angenehm, die Tour mit den schon zurückgelegten Kilometern im Gesäß und in den Knochen fahrtechnisch ruhiger ausklingen zu lassen. Wirkliche Aufmerksamkeit verlangen hier nur noch die Ortsdurchfahrten. Vor allem Sölden fällt uns dabei mit seiner Ballermann-Atmosphäre und völlig überlaufenen Straßen und Gehwegen unangenehm auf. Allein die Namen der Kneipen und Bars entlang der Ortsdurchfahrt lassen uns wissen, dass wir hier völlig fehl am Platze sind und lieber Gas geben sollten, um schnell wieder auf kleine Nebenstraßen zu kommen.
Die finden wir allerdings erst wieder kurz vor dem Ende des Ötztals. Da führt uns das Navi nämlich endlich wieder weg von der Bundesstraße und durch Sautens auf eine kleine Nebenstrecke bis nach Roppen im Inntal. Es ist wieder eines dieser Sträßchen, bei denen wir überlegen müssen, ob das Navi spinnt oder dieser Weg uns wirklich unserem Ziel näher bringt, die aber unendlich viel Fahrspaß nach unserem Geschmack bringen und uns tolle Impressionen abseits der üblichen Routen bescheren.
Die letzten Kilometer reißen wir dann über die Bundesstraße durch das Inntal ab. Dabei sorgen immer wieder entgegenkommende Oldtimer für Abwechslung. Sie waren uns schon im Ötztal immer wieder begegnet und gehören zur Ötztal Classic, wie wir später im Hotel noch erfahren. Wäre doch glatt was für meine Shovel gewesen... Was für ein toller Tag! Das abschließende Abendessen im Hotel und der sommerlich-milde Abend auf der Terrasse bilden den perfekten Abschluss - und den Rahmen für die Planung des nächsten Tages.
Vertraue Deinem Navi!
Endlich erwartet uns heute an unserem dritten Urlaubstag das heiß ersehnte Biker-Wetter: Sonne, ein paar harmlose Wolken, noch recht kühle Temperaturen - einfach perfekt. Auf dem Plan steht die Arlberg-Silvretta-Runde. Also fällt das Frühstück heute deutlich kürzer, aber deshalb keineswegs hektisch aus. Dann holen wir die Sporty und den Straßenkönig aus ihrer Garage, füllen an der nahegelegenen Tankstelle den Spritvorrat auf und machen uns auf den Weg.
An der Ausfahrt aus der Tankstelle lotst mich mein Navi nach links. Allerdings bin ich mir ziemlich - also eigentlich absolut - sicher, dass es eigentlich rechts lang geht. Nach den Spinnereien des elektronischen Wegführers am Sonntag traue ich dem Braten einfach nicht. Ein Reset hatte am Sonntag zwar Wirkung gezeigt und das Navi hatte uns danach problemlos, wenn auch nicht auf der geplanten Route, ans Ziel geführt. Aber aus irgendwelchen Gründen und trotz völlig mangelnder Ortskenntnisse bin ich davon überzeugt, dass rechts die richtige Richtung wäre.
Erst 20 Kilometer später schwant mir, dass das Navi mit linksherum doch recht hatte. Ziemlich beschämt gestehe ich meiner Rockerbraut den Fehler und wir kehren um - eine Sonderrunde, die uns fast eine Stunde Zeit kostet. Aber zum Glück habe ich alle Touren sehr entspannt und mit Möglichkeiten zur Abkürzung geplant. Kein Grund also, in Hektik zu verfallen. Das bestätigt auch das Navi mit seiner neu vorausberechneten Ankunftszeit für die Rückkehr ins Hotel am Abend. Wir haben mehr als genug Zeit für unsere Runde und jede Menge Pausen.
Endlich auf der richtigen Route, führt uns das Navi gleich hinter Landeck weg von der Bundesstraße auf eine wundervolle Nebenstrecke. Das Sträßchen windet sich hinauf nach Tobadill und dann wieder zurück ins Tal zur Silvrettastraße. Das ergibt zwar eine kleine Schleife, für die aber neben der herrlichen Streckenführung auch noch die ziemlich ungewöhnliche, weil gegensätzliche Aussicht auf Schloss Wiesberg und die direkt daran vorbeilaufende Bahnstrecke mehr als entschädigt.
Dann geht es recht zügig rauf auf den Arlberg. Die Skiorte huschen an uns vorbei: In St. Anton erahnen wir noch den einen oder anderen Menschen und entdecken zumindest Anzeichen touristischer Aktivität, Zürs dagegen ist total menschenleer - zu sehen sind nur eine Handvoll Autos von Handwerkern, die hier wohl in den geschlossenen Hotels und Gaststätten oder an den Straßen Renovierungs- und Ausbesserungsarbeiten vornehmen. Während wir durch diese sommerliche Betonburgen-Geisterstädte fahren, fragen wir uns, wie diese ausgesprochenen Hässlichkeiten im Winter zu typisch österreichischer Ski-Urlauber-Heimeligkeit mutieren. Aber genügend Schnee und Après-Ski schaffen es wohl, alle Bausünden zu übertünchen.
Dagegen Lech am Arlberg: Geöffnete Gaststätten, Sommertouristen überall, zumindest auf den ersten Blick auch noch ein schöner Ort, dessen Bettenburgen gut versteckt oder einigermaßen gut getarnt sind. Wir machen Stopp an einem Biergarten gleich an der Durchgangsstraße und gönnen uns eine Erfrischung: zwei große Spezi lassen wir uns servieren, nein danke, essen möchten wir nicht. Die warme Sonne scheint uns ins Gesicht, wir beobachten die vorbeiflanierenden Touristen und unzählige vorbeirollende Biker. Aber irgendwann müssen auch wir weiter, also: „Zahlen bitte!“ Der überaus freundliche Ober reicht mir die Rechnung stilvoll auf einem Tablett in einer ledernen Mappe - und mich haut’s beinahe vom Stuhl. Okay, wir sind in Lech, Nobelskiort und so weiter. Aber 17 € für zwei große Spezi, das schlägt alles, was ich bisher in meinem Leben für die süße Brause gezahlt habe, Messen, Festivals und die Schweiz eingeschlossen. Immerhin: Die Rechnung beschert uns den Beweis für ein lustiges Ratespiel und reichlich Erzählstoff für eine amüsante Urlaubsanekdote, wenn wir wieder daheim sind!
Jetzt geht es erst einmal weiter bis Warth und von dort durch den Bregenzerwald zum Großen Walsertal. Was für eine herrliche Strecke! Wir können uns gar nicht satt sehen an der abwechslungsreichen Landschaft und genießen das kurvige bergauf und bergab. Und haben dazu noch jede Menge Spaß an den Namen der Orte, die wir durchfahren. Faschina und Fontanella, das klingt doch gleich nach Sommer, Sonne, Mittelmeer. Und gegen Sonntag haben wir natürlich erst recht nichts einzuwenden. Dass wir plötzlich am Thüringerberg und in Thüringen sind, verwirrt nur kurz, denn bald darauf rollen wir nach Bludenz und damit ins Montafon.
In St. Anton im Montafon klettern wir noch hinauf nach St. Bartholomäberg, die eigentlich geplante Runde durchs Silbertal streichen wir aber. Das ist der Tribut, den wir meiner Navi-Ungläubigkeit am frühen Morgen zollen müssen. Stattdessen geht es wieder steil bergab nach Schruns und dann weiter hinein ins Tal zu unserem ersten richtigen Passerlebnis dieses Urlaubs: die Silvretta-Hochalpenstraße hinauf zur Bieler Höhe. Kehre um Kehre schwingen wir uns hinauf bis zum Parkplatz am Silvretta-Stausee. Da es bei unserer Ankunft bereits nach 5 am Nachmittag ist, hat das Restaurant schon geschlossen. Und das, obwohl noch ordentlich Trubel auf dem Parkplatz herrscht. Egal, wir haben Wegzehrung dabei, stärken uns aus unseren Packtaschen und genießen die Aussicht auf die umliegende Bergwelt.
Eine halbe Stunde später geht es weiter. Im Hotel haben wir von unseren Tischnachbarn den Tipp bekommen, auf jeden Fall einen Abstecher an den Stausee Kops und den Zeinissee zu machen. Dort sei es sehr viel schöner als an der überlaufenen Bieler Höhe. Trotz der schon fortgeschrittenen Stunde folgen wir diesem Rat - zum Glück! Denn sowohl die kurze Fahrt zum See als auch die Ausblicke, die sich für uns eröffnen, lohnen jeden Extrakilometer und jede Extraminute.
Der Rest der Strecke durch das Paznauntal ist zwar landschaftlich durchaus schön, aber fahrerisch total unspektakulär. Die Straße führt ohne Kehren und ohne Kurvenhighlights durch Skiorte wie Galtür und Ischgl, bevor sie uns wieder nach Landeck und in unser nahegelegenes Hotel führt. Fast 300 km stehen am Ende dieses Tages auf den Kilometerzählern unserer Bikes, natürlich nicht zuletzt auch wegen der unnötigen Sonderrunde heute Morgen. Und es ist sehr viel später geworden als ursprünglich geplant. Deshalb war es auch gut, dass wir es auf den letzten Kilometern ohne größere fahrerische Herausforderungen einfach nur rollen lassen konnten.
Glaub immer Deinem Wirt!
Ja, ja, ja - der erste Blick aus dem Fenster an diesem Dienstagmorgen bestätigt alle Ankündigungen unseres lieben Wirtes von gestern Abend: Es regnet immer noch in Strömen, und dort, wo sich die Wolken mal ein wenig lichten, erkennen wir sofort den Schnee auf den Bergen - nicht nur auf den Gipfeln, sondern auch ein gutes Stück die Flanken und Hänge hinab. Wird also wirklich nichts mit einer Motorradrunde heute.
Stattdessen folgt Super-Relax-Tag 2: Ausgiebig und entspannt frühstücken, bei nachlassendem Regen am Mittag eine Miniwanderung ins nahegelegene Landeck, um uns das Städtchen einmal anzuschauen, abends lecker essen im Hotel und den nächsten Tag planen. Denn der wird schön! Das sagen die Wetter-App auf dem Handy, der Wirt und auch ein Blick zum Himmel, an dem sich jetzt am Abend schon die Wolken verziehen und den Blick frei machen auf den einen oder anderen funkelnden Stern.
Der Blick auf die Nachrichtenseiten des Handys an diesem Abend offenbart dagegen eine weniger gute Nachricht: Bei uns daheim scheint der Regen deutlich stärker ausgefallen zu sein als hier im oberen Inntal. Die A8 ist wegen Überflutung gesperrt, ebenso viele Landstraßen. Zahllose Keller sind vollgelaufen, kleinere und größere Bäche über die Ufer getreten. Ein Anruf bei unseren lieben Nachbarn, die das Housekeeping während unserer Reise übernommen haben, beruhigt uns aber. Sie haben schon alles gecheckt und waren auch im Keller. Alles trocken, kein Wassereinbruch, alles gut.
It's raining again
Der Montagmorgen ist - nach den Vorhersagen der letzten Tage wenig überraschend - auch noch total verregnet. Egal und kein Problem. Wir sind erst einmal froh, gestern so gut an unser Ziel gekommen zu sein. Schlafen wir heute halt aus, frühstücken sehr gemütlich und lassen es urlaubsmäßig tiefenentspannt angehen.
Als mittags der Regen ein wenig nachlässt, erkunden wir auf Schusters Rappen und bewaffnet mit einem Leihschirm des Hotels erst einmal unseren Urlaubsort. Und ziehen uns danach angesichts des erneut einsetzenden Regens noch für ein Nachmittagsnickerchen auf unser Zimmer zurück. Das genießen wir so ausgedehnt, dass wir uns abends beinahe sputen müssen, um noch rechtzeitig zum Abendessen zu kommen. Während wir also unser leckeres Menü genießen, tritt auch der Chef des Hauses an unseren Tisch, stellt sich vor und fragt, ob alles recht ist und was wir denn so vorhätten während unseres Aufenthalts in seinem Bikerhotel. Wir geben einen schnellen Abriss der geplanten Touren: Arlberg und Silvretta, Jaufenpass und Timmelsjoch, Reschen- und Ofenpass, Kaunertal und und und ...
Als begeisterter Motorradfahrer führt er selbst Touren für seine Hausgäste und hat natürlich jede Menge Tipps für uns parat. Auf unsere Frage, wo wir nach dem heutigen Pausentag denn morgen endlich hinfahren könnten, lacht er nur: „Bleibt am besten hier im Hotel. Heut Nacht und morgen regnet’s noch weiter und es wird so kalt, dass es sogar Schnee in den Bergen gibt. Über eine Pässefahrt braucht Ihr morgen überhaupt nicht nachzudenken.“ Unseren Einwand, dass die Wetter-App ab morgen Mittag aber deutliche Besserung versprechen würde und wir doch zum Motorradfahren da seien, lacht er genauso charmant weg: „Wenn Ihr Eurem Telefon mehr Glauben schenkt als Eurem Wirt, dann lasst Euch morgen überraschen. Aber bleibt flexibel in Euren Plänen.“
Auf geht's - allen Bedenken und Unbilden zum Trotz
Nach einer recht unruhigen Nacht und mit etwas mulmigem Gefühl im Bauch geht es heute los. Wir starten in unsere Woche Bike-Urlaub nach Tirol. Ein erstes gutes Zeichen ist schon einmal das Wetter. Ein dicht bewölkter Himmel mit Grauschattierungen in allen Helligkeits- und Dunkelheitsstufen droht zwar mit dem vorhergesagten Regen und den prophezeiten Gewitterschauern mit Hagel und allem was dazu gehört. Aber zum Glück fällt kein Tropfen Regen. Sogar die Straßen sind heute Morgen trocken. So starten wir also daheim bei deutlich besseren Wetterbedingungen als gedacht.
Bis zum Schliersee bleibt uns das trockene Wetter treu. Hier bekommen wir nur nasse Füße von den Wasserresten auf der Straße, die ein pünktlich zu unserem Erscheinen abgezogener Schauer hinterlassen hat. Auch am Tegernsee vorbei bis hinunter zum Sylvensteinsee bleibt uns das trockene Wetter treu. Die Wolken drohen immer nur, halten aber ihren nassen Inhalt fest, sodass wir auf der Staumauer sogar noch einen sehr entspannten Stopp mit einer kleinen Stärkung einlegen können.
Erfrischt und gestärkt geht es nun auf einen der landschaftlich faszinierendsten Streckenabschnitte, die ich kenne: das Isartal zwischen Vorderriss und Wallgau. Die kleine Mautstraße ist jedes Mal wieder jeden Euro der kleinen Gebühr wert, die die Durchfahrt kostet. Sehr gemütlich, damit wir die ständig wechselnden Aussichten auf die Isar und ihr steiniges Bett genießen können, tuckern wir das schmale Sträßchen entlang und vergessen fast die Zeit.
Aber irgendwann ist die Mautstrecke zu Ende, bei Wallgau geht es wieder auf die Bundesstraße. Mein Navi, das schon den ganzen Morgen ein gewisses Eigenleben auslebt, die Strecke immer wieder plötzlich neu berechnet und dessen unsinnige Anweisungen ich bisher dank guter Ortskenntnisse schon das eine oder andere Mal ignoriert habe, führt uns jetzt allerdings nicht wie ursprünglich geplant über Mittenwald nach Telfs, sondern über Garmisch vorbei an der Zugspitze zum Fernpass. Zwar nicht die Route der Wahl und Planung, aber auch gut und natürlich sehr schön, zumal es immer noch trocken bleibt.
Bei der Abfahrt vom Fernpass fängt es dann aber doch noch an zu tröpfeln. Wäre ja sonst auch zu schön gewesen. Mit dem ersten Hinweisschild Nassereith - nomen est omen - öffnet der Himmel seine Schleusen und der Regen, der den ganzen Tag drohend vor uns her gezogen ist, stürzt hier und jetzt auf uns herab. Aber wir sind ja gut vorbereitet. Ganz anders als so mancher andere Ausflügler. Der Lenker eines schönen alten Triumph-Cabriolets steuert hektisch an den Straßenrand, um das Verdeck zu schließen und seine Beifahrerin zu schützen - oder vielleicht doch eigentlich eher seinen automobilen Schatz?! Eine Motorradgruppe steht an einer Tankstelle und rettet sich in die mitgeführten Regenkombis, sieht aber schon ordentlich durchnässt aus.
Wir rollen weiter, allerdings nicht mehr so entspannt wie zuvor. Von einer genussvollen Passabfahrt kann hier gerade keine Rede sein. Das Wasser steht auf der Straße, Vorsicht ist jetzt die Mutter der Porzellankiste, zumal der eine oder andere Bitumenkünstler seine rutschigen Striche auf den Asphalt gemalt hat. So tasten wir uns hinunter ins Inntal bis Imst, wo der Wettergott ein Einsehen mit uns hat und die Wolkenschleusen wieder schließt.
Als wir 20 km später an unserem Biker-Hotel bei Landeck ankommen, sind wir schon fast wieder trocken. Der Prospekt von der IMOT und die Internetseiten haben nicht zu viel versprochen: Auf unsere Bikes wartet eine geräumige Garage, in der sie gut geschützt auftrocknen können und auf ihren nächsten Einsatz warten dürfen. Auf uns wartet nach dem Abpacken unserer sieben Sachen ein tolles Hotel mit einem großen, gemütlichen Zimmer, viel Platz zum Trocknen der noch nassen Klamotten und einer heißen Dusche. Und mit sehr aufmerksamem Personal, das uns beim Abendessen rundum verwöhnt, bis ins Detail auf die Allergien meiner Rockerbraut eingeht und penibelst auf Hygiene achtet. Wir genießen den Abend auf der schönen, überdachten Terrasse, bis wir die nötige Bettschwere erreichen und uns unter unsere Decken kuscheln. So muss ein Urlaub beginnen.
Trübe Aussichten
Egal, welchen Wetterbericht wir anschauen: Für unsere morgige Anreise in den Urlaub ist Regen vorhergesagt. Damit ist immerhin klar, welche Klamotten wir für die Fahrt auswählen. Wir werden in unsere super-praktische, aber ziemlich uncoole Funktionskleidung klettern und auf alle Wetter vorbereitet sein. Genauso packen wir heute auch unsere Bikes. Auf die Sporty meiner Rockerbraut kommt der Gepäckträger mit dem kleinen Köfferchen unter einer schützenden Regenhaube. Und das war's auch schon.
Mein Straßenkönig hat da mehr zu schleppen: In die Seitentaschen wandern die zugehörigen Innentaschen eingehüllt in feste Müllbeutel. Die Gepäckrolle füllen wir mit in wasserfesten Packbeuteln verstauten Klamotten und auf dem Sozius nimmt meine Sissybar-Tasche Platz, die ein hübsches Regenmützchen überzieht. Unter dieses Regenmützchen passt sogar noch eine Kühltasche mit der Wegzehrung für die morgige Tour. So dürfte alles gut vor dem zu erwartenden Nass geschützt sein. Und während die Bikes in der Garage schwer bepackt auf die Abreise warten, marschieren wir selbst spät am Abend ziemlich aufgeregt ins Bett.
Reisepläne
Anfang Juni hatte ich zwei Wochen Urlaub - eigentlich um zum Nova Rock-Festival nach Österreich zu fahren. Naja, das war ja nix in diesem Jahr. Und so verbrachten wir diese beiden Wochen zuhause. Ein richtiger Urlaub war das allerdings nicht, einerseits wegen des Wetters, andererseits war es uns einfach nicht so richtig gelungen abzuschalten und den Alltag zu vergessen. Seitdem haben meine Rockerbraut und ich immer wieder überlegt, ob wir in meinem nächsten Urlaub Anfang August nicht doch wegfahren wollen. Nach langem Hin und Her und nachdem klar war, dass Reisen wieder möglich sind, fiel dann irgendwann die Entscheidung, tatsächlich ein paar Tage auf Tour zu gehen. Aber wohin?
Auf der IMOT im Frühjahr hatte ich reichlich Prospekte und Tourenkarten der ausstellenden Bikerhotels und Ferienregionen eingesammelt, die wir in den letzten Wochen lange und eingehend studiert haben. Um dann als Ziel ein Motorradhotel im Oberinntal in Tirol auszuwählen. Es liegt nah genug, um jederzeit nach Hause fahren zu können, sollte es wieder Reisewarnungen geben. Und es macht den Eindruck, als böte es genügend Platz und Möglichkeiten Abstand zu halten und anderen Gästen notfalls aus dem Weg zu gehen. Ganz abgesehen davon: Es ist der ideale Standort für ziemlich tolle Touren! Also haben wir schon vor ein paar Wochen zunächst vier Übernachtungen von Montag bis Freitag gebucht. Und dann vor Kurzem noch einmal zwei Übernachtungen dazugepackt, weil die Reiselust immer stärker und die Coronaangst immer weniger wurde. So wollen wir nun also von Sonntag bis Samstag verreisen.
Warum ich das an dieser Stelle alles erzähle? Nun, heute ist Freitag und wir sind dabei, unsere sieben Sachen für die Reise zu packen, die geplanten Routen vom Rechner auf das Navi zu spielen und den Wetterbericht zu checken, damit wir auch wirklich die richtigen Klamotten mitnehmen. Die Vorfreude steigt mit jedem Paar Socken, das in die Taschen und Koffer wandert, und will jetzt einfach auch noch in Worte gefasst werden.
Shovel und Sporty
Heute darf der Oldtimer wieder auf die Piste. Meine Rockerbraut und ich starten eine kleine Runde zum Walchsee, weiter ins Inntal und dann über den Samerberg wieder zurück nach Hause. Die alte E-Glide macht mir wieder riesige Freude. Durch die Kurven hinauf nach Kössen zieht sie so sauber, dass es die reinste Freude ist. Im Inntal gleiten wir so entspannt dahin, wie ich es mir nur wünschen kann. Nur bei der Abfahrt vom Samerberg muss ich wieder daran denken, dass die Trommelbremsen keine so dynamische Kurvenhatz erlauben wie Motor und Fahrwerk. Also runter vom Gas und einen Gang zurückschalten. So macht auch die Bergabfahrt Spaß.
Werbetour
Ein bekanntes Pärchen träumt auch vom Motorradfahren und das natürlich mit einer Harley. Entsprechend begeistert und bewundernd stehen sie vor unseren Bikes, wenn wir uns begegnen. Dabei spüren wir jedes Mal, wie das Harley-Virus bei den beiden immer weiter um sich greift und sich fester einnistet. Allerdings stehen der Erfüllung des Traums noch einige Hindernisse im Wege, unter anderem die noch nicht vorhandenen Motorradführerscheine. Deshalb kommt eine Probefahrt beim Harley-Händler auch nicht in Frage als ultimativer Kick, um das Harley-Fieber vollends zum Ausbruch zu bringen. Also versuchen wir es erst einmal mit einer Mitfahr-Werbetour auf meinem Straßenkönig.
So habe ich heute Nachmittag eine Beifahrerin dabei, wenn meine Rockerbraut und ich ein Teilstück unserer Hausrunde unter die Räder nehmen. Schließlich bietet der Sozius meiner Road King einen herrlich bequemen und komfortablen Sitzplatz und ist damit der ideale Logenplatz für eine erste leibhaftige Begegnung mit schüttelndem V2 und glänzendem Milwaukee-Eisen. Beim Zwischenstopp ist die Begeisterung ob des Erlebten bei meiner Beifahrerin auch kaum zu übersehen. Die Augen strahlen, das Grinsen reicht von einem Ohr zum anderen. Das war wohl ein ziemlicher Erfolg. Mal sehen, wann er sich konkret niederschlägt!
Da muss ich tatsächlich nicht lange warten. Denn als wir wieder bei unseren Bekannten daheim vorfahren, muss nun auch er zumindest für eine kleine Runde auf dem Sozius Platz nehmen - obwohl er von dieser Idee zuerst so gar nicht angetan ist. Aber ihre Freude ist einfach zu groß, zu ansteckend, zu überzeugend. Also starten wir noch einmal für eine Mini-Männer-Werbetour um den Ort. Tja, was soll ich sagen: Auch diese kurze Fahrt sorgt für ziemlich große Begeisterung. Da haben wir wohl zwei neue Harley-Fans auf den richtigen Weg gebracht...
Solo mit Oldtimer
Einer dieser seltenen Tage mit der perfekten Kombination aus frühem Feierabend und strahlendem Sonnenschein - eine gute Gelegenheit für eine Solorund mit meinem Oldtimer. Schon gleich vor der Garage bin ich sofort wieder begeistert, wie schnell das alte Schätzchen anspringt und wie munter der Shovelhead-Motor dann vor sich her tuckert.
Heute geht es nicht in die Berge. Ich fahre lieber über Achthal und Freidling nach Teisendorf und weiter an den Waginger See. Von da will ich eigentlich westlich nach Palling. Aber nach einem Unwetter vor zwei Tagen gibt es vor Palling eine Straßensperrung. Also weiche ich südlich aus über Traunreut, hänge dann aber noch eine Schleife nach Seebruck an den Chiemsee an, bevor es wieder nach Hause geht.
Mit jeder gefahrenen Runde und jedem Kilometer mehr auf dem Tacho fasse ich auch mehr Vertrauen zu meinem Oldtimer. Sauber und ohne Stottern oder Ruckeln ist er heute im Schiebebetrieb und beim Beschleunigen dahingerollt. Das macht so viel Spaß, dass ich darauf achten muss, nicht zu viel am Gasgriff zu drehen. Der hinterherhinkende Tacho macht das nicht gerade leichter, gaukelt er mir doch permanent gemäßigtes Tempo vor. Aber die schwachen Bremsen erinnern mich immer wieder daran, was ich hier gerade über die Straßen bewege und dass ich nicht übertreibe!
Entspannung pur
Der Wetterbericht spielt seit ein paar Tagen Katz und Maus mit uns. Er sagt Regen vorher, tatsächlich gibt es aber feinstes Motorradwetter. Gestern, am Samstag, sind wir darauf noch hereingefallen und nicht gefahren. Heute lassen wir uns den Sonntagsspaß nicht verderben. Es geht auf eine Runde an den Pillersee.
Obwohl immer wieder dunkle Wolken aufziehen, wird es eine herrliche kleine Tour. Dass es keinen Regen gibt, verdanken wir wahrscheinlich dem ordentlichen, frischen Wind, der uns immer wieder entgegenbläst, der aber auch für angenehme Abkühlung sorgt. Leider ist der Biergarten am Pillersee, den wir immer wieder gerne besuchen, noch geschlossen - was uns etwas wundert, schließlich hat die Ferienzeit ja schon begonnen. Aber dieses Jahr ist wohl alles ein bisschen anders...
Wir machen trotzdem Stopp am See, um kurz durchzuatmen, uns ein wenig die Beine zu vertreten, die Aussicht auf den See und die um ihn herum liegenden Berge zu genießen, einen erfrischenden Schluck aus der mitgeführten Thermoskanne zu nehmen. Dann fahren wir wie geplant weiter nach Fieberbrunn, St. Johann und über Schwendt zurück nach Kössen. Weil die Fahrt so viel Spaß macht und die Straßen trotz Ferienbeginn so schön leer sind, drehen wir von hier aus noch eine Sonderrunde über den Walchsee, Sebi, Sachrang und Aschau, bevor es wieder zurück nach Hause geht. Solche Tage sind einfach Entspannung pur!
Nachholbedarf
Durch das lange Fahrverbot für Motorräder hat sich ein gewisser Nachholbedarf aufgestaut, der vor allem bei schönem Wetter seine Befriedigung nachhaltig einfordert. Deshalb habe ich mir angesichts des blauen Himmels und des Sonnenscheins heute frei genommen, um eine Runde mit meiner Rockerbraut auf der Hausstrecke zu drehen. Nach einem Arzttermin möchte sie allerdings nicht selbst fahren. Also gibt es heute eine Straßenkönig-Tour mit Sozia.
Wir rollen über Schleching, Kössen, Reit im Winkel und vorbei am Weitsee bis zu einem kurzen Stopp am Biathlon-Stadion bei Ruhpolding. Hier versüße ich mir die Runde mit einem ordentlichen Stück leckerem Mandarinen-Schmand-Kuchen. Und philosophiere mit meiner Rockerbraut einmal mehr über die tolle Straßenlage meiner Road King im Soziusbetrieb unter Beladung. Wieder starte ich die Überlegung, etwas am Fahrwerk zu machen, damit ich auch solo diese tolle Straßenlage genießen kann. Wenn man das nur einmal testen könnte, ohne gleich einen ordentlichen Batzen Geld in einen Umbau zu investieren, dessen Ergebnis in den Sternen steht...
Weil während unserer kleinen Pause zunehmend dunkle Wolken aufziehen, machen wir uns bald auf den Heimweg. Den Schlenker über Inzell lassen wir uns aber trotz des scheinbar herannahenden Regens nicht nehmen. Zurück daheim haben wir tatsächlich keinen Tropfen Regen abbekommen. Allerdings haben sich die dunklen Wolken in der Zwischenzeit auch schon wieder komplett verzogen. Da hätten wir also ruhig noch die eine oder andere Schleife mehr anhängen können, um verpasste Kilometer nachzuholen.
Die erste Auslandsreise in diesem verrückten Jahr
Seit Montag sind Reisen ins Ausland wieder ohne Auflagen möglich. Heute am Donnerstag ist das Wetter deutlich besser als vorhergesagt. Also nichts wie rauf auf den Straßenkönig und die Sporty, um den Nachbarn im nahen Österreich endlich wieder einmal ein herzliches "Grüß Euch" zu sagen. Meine Rockerbraut und ich fahren über Reit im Winkel zum ersten Mal in diesem Jahr wieder auf eine unserer Lieblingsrunden nach Kössen, zum Walchsee, dann über Sachrang und Aschau wieder zurück. Offensichtlich ist heute der Tag der Straßenbauarbeiten, denn gleich mehrfach auf der Strecke müssen wir entweder an Wechselampeln wegen einspuriger Straßenführung warten oder Umleitungen fahren. Macht nichts, wir sind ja auf einer Genießerrunde und nicht auf der Flucht.
Am Walchsee gibt es die obligatorische Pause, wir schauen den ersten mutigen Badegästen dabei zu, wie sie ins Wasser steigen und zu den Badeinseln im See schwimmen. Dürfte nach dem miserablen Wetter der letzten Wochen ein ziemlich frisches Vergnügen sein! Da schwingen wir uns lieber wieder in den Sattel und lassen uns den herrlich frischen Fahrtwind um die Nase wehen.
Es mag vielleicht ein bisschen verrückt klingen, aber wieder einfach so über die Grenze ins Nachbarland fahren zu dürfen, ist schon eine tolle Sache. Ohne Kontrollen und ohne Gründe einfach frei dahin zu cruisen, wo es schön ist und wo man gerade hin möchte - das ist auch ein Stückchen von der Freiheit, die wir als Biker so lieben!
Shovel um den See
Mein Lieblings-Harley-Händler hat angerufen. Für ein Bike, das er gerade umbaut, hat er zwei Spiegel in der Werkstatt, die er sich auch gut an meiner E-Glide vorstellen könnte. Wenn ich Zeit hätte, könnte ich ja mal mit meinem Oldtimer vorbeikommen. Dann könnten wir die Spiegel anhalten und sehen, ob sie meine Rücksicht verbessern. Gesagt, getan. Der Himmel heute ist zwar bewölkt und grau, aber Regen wird es wohl nicht geben. Also starte ich den Shovelhead-Motor und knattere zur Werkstatt. Da können wir auch gleich nachschauen, ob der Ölverlust des alten Schätzchens irgendwie bedenklich ist und kurzfristiger Maßnahmen bedarf.
Die Spiegel sind in der Tat sehr schön. Sehr schlicht gehalten, sitzen am Ende eines elegant geschwungenen Arms einfache runde Spiegel. Und sie lösen auch mein Rücksichtproblem. Denn die Spiegel sitzen ziemlich genau einen Spiegeldurchmesser weiter außen als die aktuellen Teile an meiner Electra Glide. Damit dürften sie mir tatsächlich nicht mehr nur meine Unterarme zeigen. Für sein Kundenbike hat mein Lieblings-Harley-Schrauber zwar die schwarze Variante bestellt, aber es gibt sie auch in Chrom. Die darf er dann für mich bestellen.
Der Ölverlust stellt sich als nicht besonders gravierend heraus. Am Getriebe tritt eine winzige Menge des edlen Schmierstoffs aus. Passieren kann da nichts, wir sollten nur ab und an mal den Ölstand prüfen. Gravierender wird da schon die Reparatur. Für den Austausch der nicht mehr ganz so dichten Dichtung muss nämlich das Getriebe ziemlich grundlegend ausgebaut und zerlegt werden - eigentlich eine schöne Winterarbeit, wenn sich der Ölverlust nicht verschlechtern sollte.
Den bis hierhin schon so erfolgreichen Nachmittag kröne ich für mich noch mit einer Shovel-Runde um den Chiemsee. Die Wolkendecke ist inzwischen immer weiter aufgerissen, die Sonne schickt schöne wärmende Strahlen auf mich herunter, also tuckere ich munter drauf los. Dabei stelle ich nun auch fest, dass nicht nur die Geschwindigkeitsanzeige auf dem Tacho meines Oldtimers erheblich untertreibt. Auch der Kilometerzähler geht deutlich nach. Er zeigt nämlich nach der Runde gerade einmal 55 gefahrene Kilometer an. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit dem Straßenkönig eher 65 Kilometer sind.
Ist jetzt Juni oder November?
Regen, Regen, Regen. Die ersten beiden Juni-Wochen waren sehr durchwachsen bei uns hier im Chiemgau und ähnelten temperaturmäßig eher dem Herbst als dem bevorstehenden Sommer. An eine spaßige Moppedrunde war daher seit Pfingsten nicht zu denken. Und das, wo ich doch seit Anfang dieser Woche Urlaub habe! Immerhin ist jetzt, an diesem Samstag des langen Fronleichnam-Wochenendes, endlich wieder schönes Wetter. Über den Bergen hängen zwar dunkle Wolken, aber Richtung Norden strahlt die Sonne von einem beinahe wolkenlosen blauen Himmel. Also geht es heute los Richtung Burghausen und Altötting.
Abseits der viel befahrenen und wenig begeisternden Bundesstraßen schlängeln wir uns vom Chiemgau durch den Rupertiwinkel, bis wir kurz vor Burghausen an einem wunderschönen Rastplatz oberhalb der Salzach eine Pause einlegen. Wir stärken und erfrischen uns mit dem mitgebrachten Kuchen und einem kühlen Schluck aus der ebenfalls mitgebrachten Thermoskanne, während wir einfach nur die wundervolle Aussicht über das Flusstal genießen. Meine Rockerbraut und ich sind wieder einmal einer Meinung: Für herrliche Plätzchen muss es nicht immer gleich eine Reise ans andere Ende der Welt sein. Sie liegen manchmal einfach um die Ecke.
Nach unserer ausgiebigen Genusspause an der Salzach fahren wir zunächst auf relativ direktem Weg weiter nach Altötting. Von dort aus geht es dann in einer reichlich komplizierten und verknoteten Schleife wieder Richtung Süden und damit nach Hause. Ab Garching rollen wir immer wieder weg von der Alz und zurück zur Alz, mal auf die westliche, mal auf die östliche Seite des Flüsschens. Die Straßen verwöhnen uns dabei mit schönem Kurvenzauber und angenehmer Leere, wie wir es an diesem Samstag nicht erwartet hätten. Das Bikevergnügen wartet tatsächlich vor der Haustür.
Pfingstvergnügen
Nach zwei eher durchwachsenen Tagen an diesem Pfingstwochenende begeistert uns der Montag mit herrlichem Wetter. Blauer Himmel, betupft mit Wattebausch-Wolken. Sonnenschein bescheint die Berge. Ein frischer Wind rauscht in den Bäumen und sorgt dafür, dass es unter den Lederklamotten nicht zu heiß wird. Also starten wir zu einer kleinen Pfingsttour. Mutig entscheiden wir uns für einen Ausflug ins Berchtesgadner Land. Ein paar ordentliche Kurven sollen es jetzt endlich sein.
Schnell stellen wir fest, dass wir nicht die Einzigen sind, die diese Idee hatten. Radler, Autofahrer, Wanderer und natürlich viele, viele Motorradenthusiasten sind heute auf demselben Weg. Macht nichts, wir genießen die Tour trotzdem und meiden die Hotspots wie den Hintersee, den Königssee oder Berchtesgaden selbst. Auch den ursprünglich ins Auge gefassten Abstecher auf die Rossfeld Panoramastraße verkneifen wir uns lieber. Stattdessen biegen wir vor Ramsau ab aufs Hochschwarzeck und fahren weiter nach Bischofswiesen. Von dort geht es wieder Richtung Berchtesgaden, um davor aber abzubiegen in Richtung Ramsau und Heimat. Kurz vor Inzell folgen wir dem Abzweig nach Ruhpolding, wo wir einen kleinen Tankstopp einlegen, um dann zu wenden und doch noch die Schleife über den Weitsee und Reit im Winkl zu ziehen.
Nach zwei Fahrten mit der Oldtimer-Electra Glide ist die heutige Ausfahrt mit meinem Straßenkönig ein schöne Gelegenheit einen fast direkten Vergleich zu ziehen. Mit der Road King aus dem Jahr 2006 ist das Fahren auf jeden Fall entspannter, lockerer. Es ist durchaus ein gutes Gefühl zu wissen, dass die Bremsen Wirkung zeigen, wenn ich sie betätige - auch wenn selbst mein Straßenkönig nicht unbedingt mit wahnsinnigen Verzögerungswerten begeistern kann. Und die Sitzhaltung auf meinem sanft gepolsterten Police-Seat in Kombination mit dem neuen hohen Lenker ist auch deutlich komfortabler als auf dem Oldtimer. Es ist tatsächlich eine andere Form von Fahrspaß: Aktives Fahren mit hohen Aufmerksamkeitsgrad auf das Bike beim Oldtimer, auch mal einfach rollen lassen und die Landschaft bestaunen beim Straßenkönig. Aber so hatte ich mir die Arbeitsteilung für meine Bikes ja auch gedacht: Zu besonderen Anlässen und für kurze Feierabendstrecken gerne mal die Electra Glide, für längere Touren und erst recht für Urlaubsreisen die Road King Classic.
Die erste (kleine) Oldtimer-Bergtour
Wider Erwarten bringt der Samstag schönes Wetter. Also beschließe ich kurzer Hand, die Electra Glide noch einmal auszufahren. Schließlich möchte ich ja wissen, wie sie sich auf kurvigeren Straßen in den Bergen macht und ob mein gutes Gefühl beim Fahrwerk des alten Schätzchens auch hier bestätigt wird. Also starte ich Richtung Reit im Winkel auf unsere Lieblings-Feierabend-Runde. Und es ist die reinste Freude, wie die Shovel durch die Kurven und die Steigungen hinauf zieht. Mit irgendwelchen selbsternannten Superbike-Rennfahrern kann und will ich natürlich nicht mithalten. Aber ein anderer Harley-Fahrer, der irgendwo vor Reit im Winkl zu mir aufgeschlossen hat, sieht offenbar keinerlei Grund mich zu überholen und begleitet mich die ganze weitere Strecke entlang der Seen und dann rüber nach Inzell. Hier trennen sich unsere Wege. Ich biege links ab Richtung Inzell und nach Hause, er fährt rechts ab Richtung Berchtesgaden - nicht ohne sich winkend von mir zu verabschieden. Lieber Biker, ich hoffe, Du hattest an diesem Tag auf Deiner Tour genauso viel Spaß wie ich! Ach ja, und sorry dafür, dass ich Dich einmal beinahe hinter mir übersehen hätte. Aber ich brauche definitiv andere Rückspiegel, wenn ich sicher und mit Rücksicht unterwegs sein will.
Die erste kleine Shovel-Tour
Zwei Tage ist meine Oldtimer-E-Glide jetzt zugelassen und steht endlich in der heimischen Garage. Heute ist Christi Himmelfahrt, die Sonne lacht vom Himmel, also nichts wir auf zur ersten Tour. Da wir befürchten, dass nach der Ausgangsbeschränkung einige den Vatertag ein wenig zu ausgiebig feiern könnten, soll es auf kleinen Nebenstraßen erst über den Wonneberg grob in Richtung Waginger See und dann über Petting und Teisendorf wieder zurück nach Hause gehen. Attraktive Ziele wie den Chiemsee oder den Waginger See selbst wollen wir meiden.
Nach dem Öffnen des Garagentors erwartet uns allerdings erst einmal eine nicht so erfreuliche Überraschung. Unter dem Motor oder besser unter dem Getriebe haben sich ein oder zwei kleine Fleckchen auf dem Garagenboden gebildet. Und auf der anderen Seite ist offensichtlich über den Überlaufschlauch aus dem Vergaser auch Flüssigkeit abgelaufen. Das müssen wir unbedingt im Auge behalten, soll uns aber von der geplante Tour nicht abhalten. Dafür sind die Fleckchen zu klein.
Vor der Garage vollziehe ich das neue Ritual der Startvorbereitung, das der Shovel-Motor meiner Oldtimer-Electra Glide auch gleich beim zweiten oder dritten Druck auf das Starterknöpfchen mit freundlichem Brabbeln quittiert. Was für ein Glücksgefühl, dass das alte Maschinchen so schnell zum Leben erwacht! Aber jetzt nichts wie los. Ich fahre vor, meine Rockerbraut auf ihrer Sporty hinterher. Natürlich möchte ich ihr auf der Landstraße doch einmal zeigen, dass es nicht immer ganz so gemütlich zugehen muss wie angedroht, und beschleunige auf einem langen, geraden Abschnitt einmal bis auf 90 km/h. Ansonsten rolle ich aber tatsächlich kaum schneller als mit 80 oder den darunterliegenden, zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten dahin.
Auf dem Wonneberg halte ich in einer kleinen Bucht am Straßenrand an, um die ersten richtigen Fotos meiner Electra Glide zu schießen. Meine Rockerbraut hält ein paar Meter weiter an und kommt dann ziemlich aufgeregt auf mich zu. Ist irgendetwas passiert? Habe ich vielleicht irgendetwas verloren? Nachdem sie den Helm abgenommen hat, blicke ich in etwas verwirrte, zugleich amüsierte und auch ein bisschen wütende Augen. "Willst Du mich veräppeln?", platzt es aus ihr heraus. Mir bleibt nicht viel mehr als ein fragender Blick und die dümmliche Antwort: "Ich wollte hier ein paar Fotos machen, schau mal, der Wald und die Wiesen als Hintergrund, das sieht bestimmt klasse aus." "Das meine ich nicht, dass Du hier angehalten hast", erwidert sie. "Von wegen, das werden gemütliche Touren und ich werde mich langweilen, wenn ich mit 80 hinter Dir hertuckere. Du fährst heute wie ein Wilder! Über 60 im Ort, fast 90 wo 70 war und dann mit 120 über die Landstraße. Was ist los mit Dir?"
Ich sehe meine Rockerbraut nur fragend an. Laut Tacho meiner E-Glide bin ich nicht schneller als 90 gefahren. Ich werfe sicherheitshalber noch einmal einen Blick auf die Armatur. Sie trägt eindeutig einen km/h-Schriftzug. Also kann mich kein Meilen-Tacho in die Irre geführt haben. Ergo: Der Tacho zeigt alles mögliche an, nur nicht die gefahrene Geschwindigkeit. Für die Weiterfahrt beschließen wir deshalb eine Geschwindigkeitstestfahrt: Zuerst fährt meine Rockerbraut vor und hält sich genau an die Geschwindigkeitsvorgaben, damit ich Realität und Tachoanzeige ein wenig miteinander abgleichen und mir die Abweichung merken kann. Dann fahre ich wieder vor und versuche mich nach meinem Gefühl und anhand der gelernten Abweichung an die richtigen Geschwindigkeiten zu halten.
Aber jetzt erst einmal die Fotos. Eine gute halbe Stunde umkreise ich meinen Oldtimer und fotografiere ihn aus allen Perspektiven und in vielen Details. Einfach schön, denke ich immer wieder, wie er so da steht. Einfach. Nur. Schön. Was für ein Glück, dass die Ära der analogen Filme vorbei ist und auf der SD-Karte meiner Digitalkamera mehr oder weniger unbegrenzter Speicherplatz zur Verfügung steht. So kann ich den Auslöser drücken und drücken und drücken... bis meine Rockerbraut mich auf den Boden der Tatsachen zurückholt und mich darauf hinweist, dass ich meinen neuen Liebling nicht noch ein zweites Mal umrunden und komplett noch einmal durchfotografieren muss, sondern wir heute vielleicht lieber auch noch einmal weiterfahren sollten.
Das ist natürlich ein unschlagbares Argument, fahren ist schließlich noch besser als fotografieren. Wieder bin ich ein wenig nervös, als ich den Starterknopf betätige. Das richtige Urvertrauen in den Shovelhead-Motor und seine Zuverlässigkeit hat sich noch nicht eingestellt. Aber auch jetzt springt das Aggregat ohne große Probleme an. Daran kann ich mich gewöhnen. Gewöhnen muss ich mich jetzt auch an das neue Geschwindigkeitsgefühl. Die Geschwindigkeitstestfahrt ergibt nämlich recht schnell ein ziemlich klares und glücklicherweise gut zu merkendes Schema. Ich fahre eigentlich in der Realität immer 25 Prozent schneller als der Tacho anzeigt: 40 auf meinem Tacho sind 50 km/h in der Realität, abgezeigte 55 entsprechen in Wirklichkeit 70 km/h und 100 km/h fahre ich, wenn der Tacho 80 anzeigt. Das sollte ich mir für die Zukunft dann wohl merken, wenn ich teure Erinnerungen an die Tachoabweichung vermeiden möchte.
Und noch zwei Erkenntnisse bringt mir diese erste Tour mit der E-Glide. Erstens: Die Bremsen verlangen absolut vorausschauendes Fahren. Nachdem meine Rockerbraut das erste Stück unserer Geschwindigkeitstestfahrt vorausgefahren ist, hält sie an einer Bushaltestelle an, damit wir uns kurz absprechen können und ich dann wieder vorausfahren kann. Für sie ist das Einbremsen ein völlig normales Manöver ohne besonders starken Griff in die Eisen. Ich bekomme meinen Oldtimer dagegen nur mit Müh und Not noch im Bereich der Haltestelle zum Stehen. Das hatte ich mir ja schon nach der ersten Heimfahrt gedacht. Heute wird es mit diesem Stopp bestätigt. Zweitens: Straßenlage und Kurvenverhalten meines 50 Jahre alten Bikes überraschen mich wieder. Wie schon auf der ersten Fahrt von der Werkstatt nach Hause vor zwei Tagen fühle ich mich in Kurven und bei Straßenverhältnissen jeder Art absolut sicher und gut aufgehoben auf dem Bike.
Die E-Glide wird zugelassen
Pünktlich zum gebuchten Termin bin ich an der Zulassungsstelle. Zur Feier des Tages - natürlich auch wegen des schönen Wetters und weil es schneller geht - bin ich mit dem Straßenkönig hingefahren. Standesgemäßer kann ich mir die Zulassung der Electra Glide nicht vorstellen.
Während ich im Vorraum noch warten muss, bis mein Termin aufgerufen wird, darf ich dem einen oder anderen Telefonat zu hören, das am Empfang geführt wird. Tenor der meisten Anrufe: Es gibt für die nächsten Wochen keine Termine mehr, das Online-Buchungssystem war Freitagabend schon auf Tage hinaus ausgebucht und die Anrufer versuchen nun, telefonisch irgendwie noch etwas zu erreichen. Was für ein Glück, dass ich letzte Woche am Donnerstag angerufen habe, dadurch von der Freischaltung des Systems wusste und gleich am Freitagmittag diesen Termin machen konnte!
Die Zulassung meiner E-Glide ist schnell erledigt. Den neuen Lenker meines Straßenkönigs habe ich bei dieser Gelegenheit auch gleich eintragen lassen. Aber das ist jetzt im Moment Nebensache. Jetzt heißt es, schnell bezahlen, das Kennzeichen prägen und die Plaketten aufkleben lassen. Dann ist dieser Amtsgang erledigt und ich halte stolz die Nummerntafel meines Oldtimers in den Händen: TS - FL 72H, die Typbezeichnung und das Baujahr.
Leider muss ich jetzt erst noch einmal ins Büro und arbeiten. Aber ich mache früh Feierabend und fahre auf schnellstem Wege zu meinem Lieblings-Harley-Schrauber, um ihm das Kennzeichen zu übergeben und einen Termin für die Abholung der Electra Glide auszumachen. Gegen halb 4 am Nachmittag tuckere ich vor sein Werkstatttor, hole das Nummernschild aus der Tasche und stürme freudestrahlend in die Werkstatt. Kaum begrüßt, platze ich natürlich auch gleich mit der Frage heraus, wann er das Schild - natürlich mit einer ordentlichen, stabilen, hochglanzpolierten Trägerplatte - montieren und ich meinen Oldtimer abholen könne. Zu meiner noch größeren Freude macht er diesen Tag mit seiner einfachen, kurzen Antwort zum perfekten Tag: "In einer Stunde!"
Damit hatte ich natürlich überhaupt nicht gerechnet. Und so heißt es, den weiteren Tagesplan über den Haufen zu werfen und die Abholung der E-Glide zu organisieren. Ich rufe also als erstes meine Rockerbraut an um sie zu fragen, ob sie mich mit dem Auto in die Werkstatt fahren kann, wenn ich jetzt gleich nach Hause komme. Na klar, kein Problem. Als düse ich im Sauschritt mit meinem Straßenkönig heim und lasse mich von meiner Rockerbraut mit dem Wagen wieder in die Werkstatt fahren. Wenn die E-Glide jetzt tatsächlich schon fertig zur Abholung ist, dann könnte ich ja noch eine kleine Testrunde um den Chiemsee drehen, träume ich während der Autofahrt vor mich hin...
Ziemlich genau nach einer Stunde stehe ich wieder neben meinem Oldtimer in der Werkstatt. Leider ist das Nummernschild noch nicht montiert, es gab zu viele Anrufe und unerwartete Besucher an diesem schönen Nachmittag, die den Zeitplan meines Lieblings-Harley-Schraubers durcheinander gewirbelt haben. Egal, ich warte gern. Und wir haben ja noch das eine oder andere rund um die Bedienung und Pflege des Oldtimers zu besprechen. Schließlich ist es bei der Vergaser-Shovelhead nicht einfach nur mit einem Druck auf den Starterknopf getan wie bei meinem Einspritzer-Straßenkönig. Also bekomme ich eine erste theoretische Einweisung: Den Zündschalter auf Ignition drehen, Benzinhahn öffnen, Choke ziehen, zwei bis drei Mal den Gasgriff drehen, starten. Wenn der Motor dann munter vor sich herblubbert, den Zündschalter, begleitet von einem Gasstoß, auf Lights drehen. Und natürlich - nicht zu früh, nicht zu spät - wieder den Choke zurückstellen, damit das Motörchen nicht zu lange zu fett läuft.
Irgendwann ist die Trägerplatte zurechtgeschnitten und blitzeblank poliert, sind die Montagebohrungen gesetzt, ist die Trägerplatte an den Halter geschraubt, ist das Nummernschild mit einem Spezialklebeband aufgeklebt. Eine saubere, cleane Sache. Damit steht der Heimfahrt nichts mehr im Wege. Doch bevor ich losfahre, zeigt mir mein Lieblings-Harley-Schrauber noch die hohe Schule des Shovel-Motor-Startens: Er kickt die Maschine an. Nach drei, vier kräftigen Tritten läuft der Motor los. Diese Art des Startens hebe ich mir aber noch ein wenig auf und werde es erst einmal ohne Publikum in der Garage üben. Mir reicht vorerst der Druck auf das Starterknöpfchen.
Mit vor Aufregung feuchten Händen und etwas zittrigen Knien steige ich endlich zum ersten Mal auf meine Electra Glide und fahre vorsichtig los, erst einmal von der Werkstatt zur nahegelegenen Tankstelle. Die geplante Runde um den Chiemsee streiche ich angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit. Schon auf diesen ersten Metern ist sofort klar, dass die Shovel-E-Glide eine andere Fahrmaschine ist als mein Straßenkönig oder die Sporty meiner Rockerbraut. Der Motor läuft 1a ohne Ruckeln und Zuckeln, nimmt sofort Gas an, das ist überhaupt kein Problem, auch nicht, als ich schon nach wenigen Metern Fahrt den Choke herausnehme. Auch Federung und Fahrwerk geben ein sicheres Gefühl, soweit ich das gleich zu Beginn und nach wenigen Metern schon beurteilen kann.
Aber die Bremsen: Die Vorderradbremse verlangt ein absolut beherztes Zupacken und zeigt trotz gewaltigem Zug am Handhebel kaum eine verzögernde Wirkung. Bei der Hinterradbremse tut sich etwas mehr, allerdings ist es da auch einfacher, ordentlich auf den Fußhebel zu treten. Nachdrücklich betätigt werden will auch die Schaltung. Für das Ziehen des Kupplungshebels würde ein bisschen Hand- und Unterarm-Muskeltraining nicht schaden. Und ich bin froh, dass ich eine Schaltwippe habe und zum Hochschalten den Schalthebel nicht mit der Fußspitze hochziehen muss, sondern beherzt mit der Hacke heruntertreten kann. Gangwechsel quittiert das Getriebe mit ordentlichem Krachen, vor allem der zweite Gang ist ziemlich widerspenstig - sowohl beim Hoch- als auch beim Runterschalten. Ach ja, dann sind da auch noch die Spiegel. In denen sehe ich momentan total schwarz: Mehr als die Unterarme meiner Lederjacke zeigen sie mir momentan nicht. Macht aber nichts, ich muss jetzt sowieso erst einmal tanken.
Der Stopp an der Tankstelle hält weitere Lektionen im Oldtimer- und Shovelhead-Fahren für mich bereit. Lektion 1: Das Einlegen des Leerlaufs funktioniert eigentlich nur bei rollender Maschine. Alle Versuche, den Leerlauf noch reinzubekommen, als ich schon neben der Zapfsäule stehe, scheitern. Auch sanftes Hin- und Herschieben hilft erst einmal nicht weiter. Zum Glück ist es an der Tanke leer und ich drehe einfach kurzer Hand noch eine Runde um die Säulen, um dann noch rollend und mit leichtem Spielen an der Kupplung gefühlvoll den Leerlauf einzulegen. Lektion 2: Um voll zu tanken reicht es nicht, den Sprit in den - bei auf dem Seitenständer abgestellten Bike - höherliegenden rechten Einfüllstutzen laufen zu lassen. Die Verbindung zwischen den beiden Tankhälften ist offensichtlich nicht so üppig dimensioniert, dass es schnell zu einer gleichmäßigen Befüllung kommt. Ich lege während des Tankens zwar immer wieder kurze Pausen ein. Bei etwa 10 Litern verliere ich allerdings die Geduld und denke, dass der Tank jetzt voll ist. Ein kontrollierender Blick in das Gefäß nach dem Bezahlen belehrt mich eines Besseren. Da wäre offenbar noch Platz für mehr des edlen Nasses gewesen. Ergo: Beim nächsten Tankstopp erst die linke, tieferliegende Seite betanken und dann die rechte Seite nachfüllen. Lektion 3: Die Spiegel bieten nur zwei Einstelloptionen: Sie zeigen entweder schwarze Unterarme oder die große weite Welt, aber definitiv nicht den hinter mir herfahrenden Verkehr. Da müssen Verlängerungen der Halter oder aber gleich andere Spiegel mit längeren Auslegern her. Zubehörhandel, du wirst da sicher reichlich Alternativen im Angebot haben!
Die Electra Glide ist vollgetankt, ich bin wieder ein kleines bisschen schlauer, also kann es jetzt auf den Heimweg gehen. Immerhin 20 Kilometer Landstraße und Ortsdurchfahrten, auf die ich mich jetzt freue und auf die ich sehr gespannt bin. Das erste Stück Landstraße, der erste Kreisverkehr, der erste Ampelstopp - alles kleine Abenteuer, die ich mit meinem Oldtimer meistere. Die 50 Jahre alte Harley überrascht mich total mit ihrer Handlichkeit und ihrem Fahrverhalten, mit ihrem Motor, dessen Durchzug, der Gasannahme, der Drehfreude. Zumindest bis Tempo 80. Darüber wird es ordentlich rüttelig und schüttelig auf der E-Glide, da ist dann Arbeiten angesagt. Die 100 km/h-Marke auf dem Tacho teste ich nur ganz kurz an, dann nehme ich das Gas wieder raus. Vergnügen ist was anderes. Und außerdem möchte ich mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ich bei Landstraßentempo bremsen müsste. In Sachen Verzögerung wahrscheinlich absolut gar nichts, in Sachen Angstschweiß wohl sehr viel. Nein, dann lieber gemütlich mit Tempo 80 dahinrollen.
Als ich vor die heimische Garage rolle, bin ich überglücklich, dass das Bike so gut läuft und sich nicht als totaler Fehlkauf erwiesen hat. Mit den Oldtimer-typischen Einschränkungen kann ich nur zu gut leben, es ist schließlich nichts dabei, an das ich mich nicht auch gewöhnen könnte und möchte. Meine Rockerbraut hat mich schon erwartet und freut sich nicht weniger als ich - vor allem über das Strahlen in meinem Gesicht und das verklärte Grinsen auf meinen Lippen. Allerdings beichte ich ihr auch, dass zukünftige gemeinsame Ausfahrten mit Shovel und Sporty für sie eher gemütliche Bummeltouren werden als dynamischer Kurvenspaß. Damit, sagt sie, kann sie gut leben. Sportlich sind wir ja eh nie unterwegs, und mein Straßenkönig will natürlich auch immer noch bewegt werden.
Maivergnügen
Sonntag und es herrscht bestes Maiwetter. Die Eisheiligen hatten diese Woche ihrem Namen noch alle Ehre gemacht und für kalte und nasse Tage und Nächte gesorgt, die sogar noch ein bisschen Schnee auf die Berge zauberten. Aber das ist jetzt alles vorbei und verschwunden. Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel und taucht den Chiemgau in frühlingshafte Temperaturen. Perfektes Biker-Wetter also. Deshalb nichts wie rauf auf den Straßenkönig und die Sporty. Wir wollen die große Chiemsee-Runde unter die Räder nehmen. Zu der gehört nicht nur die Straße rund um den See, sondern als Kurvenschmankerl auch noch ein Abstecher über den Samerberg hinüber ins Inntal und dann über den Simssee zurück ans Bayerische Meer.
Es ist das reinste Vergnügen. Im Gegensatz zur ersten Tour am vergangenen Wochenende habe ich heute die Scheibe an den Straßenkönig gebaut. Sieht zwar nicht so toll aus, steigert aber Fahrspaß und Komfort noch einmal merklich. Es war wirklich eine gute Entscheidung, diesen Lenkerumbau vorzunehmen.
Ich bin drin!
Freitagmittag, ich bin gerade aus dem Büro nach Hause gekommen und fahre sofort meinen heimischen Rechner hoch. Den Startvorgang kann ich kaum abwarten. Endlich bin ich auf der Web-Seite des Landratsamts und klicke erwartungsvoll auf die Online-Reservierung für die Zulassungsstelle. Da sind sie tatsächlich: Termine für die kommende Woche. Ich buche sofort einen für den frühen Dienstagmorgen, der erste Zeitpunkt, zu dem ich auf's Amt fahren kann.
Jetzt halte ich es nicht mehr aus
Nach der kleinen Tour vom Wochenende kribbelt es noch mehr in den Fingern und Füßen, endlich auch einmal meine Shovel zu fahren. Aber die Zulassungsstelle ist immer noch geschlossen. Obwohl rund herum alle Beschränkungen Schritt für Schritt aufgehoben werden, gibt es keinerlei Infos dazu, wann Privatleute wieder Fahrzeuge wie meinen Oldtimer zulassen können. Also rufe ich doch einfach mal auf der Zulassungsstelle an.
Ein supernette Dame erklärt mir, dass ab Montag wieder geöffnet wird - natürlich unter den notwendigen Vorsichts- und Hygienemaßnahmen, wozu auch eine unbedingt erforderliche Online-Terminvoranmeldung gehört. Das Anmeldesystem dafür wird Freitagnachmittag freigeschaltet, dann könnte ich einen Termin buchen und endlich meinen Oldtimer anmelden. Auf meine Nachfrage wegen des Wunschkennzeichens, dessen Reservierungsfrist durch die Schließung längst abgelaufen ist, erfahre ich, dass es tatsächlich nicht mehr im System für mich vorgemerkt, aber noch verfügbar ist und in diesem Augenblick auch wieder für mich hinterlegt ist. Was für ein toller Tag! Meine Kolleginnen und Kollegen im Büro schauen mich ziemlich verdattert an: Wie kann jemand nach einem Telefonat mit der Zulassungsstelle dermaßen freudestrahlend und aufgekratzt jubilieren? Ganz einfach: Weil es ein toller Tag mit guten Nachrichten ist!
Die erste Tour dieses verrückten Jahres
Endlich! Endlich! Endlich! Meinen heutigen Eintrag kann ich genauso beginnen wie den letzten von der Abholung der Motorräder nach der Winterpause. Den ganzen April über war Motorradfahren wegen der Ausgangsbeschränkungen verboten. Nur bei triftigem Grund hätten wir den Straßenkönig und die Sporty bewegen dürfen. Deshalb hatte ich mir eigentlich auch fest vorgenommen, an einem meiner Spätschichttage mal mit der Road King ins Büro zu fahren. Aber: Wie zu erwarten, hat es immer genau in meinen Spätschichtwochen geregnet. So wurde also aus diesem Vorhaben nichts.
Jetzt ist die Ausgangsbeschränkung glücklicherweise aufgehoben. Ich hätte zwar darauf gewettet, dass es nun drei Wochen am Stück Bindfäden regnet. Aber der Wettergott hat ein Einsehen mit uns und lässt eine herrliche Maisonne vom Himmel strahlen. Zeit also, nach über einem Monat des mehr oder weniger geduldigen Wartens zum ersten Mal die Straßen im Chiemgau unter die Räder zu nehmen. Und den Straßenkönig mit dem neuen Lenker auf kurvigem Geläuf zu testen.
Aufrecht sitzend trotze ich dem Fahrtwind und bin begeistert. Die Arme sind entlastet, der Rücken ist okay und der Lenker bietet ein erstaunlich gutes Handling und Fahrgefühl - beides hätte ich angesichts der Höhe des Apes nicht wirklich erwartet. Aber die 100 Kilometer, die wir heute über Reit im Winkel, die drei Seen, Ruhpolding und Inzell absolvieren, vergehen wie im Fluge und total entspannt.
Das Warten hat ein Ende
Endlich! Endlich! Endlich! Es ist inzwischen schon der 3. April und wir erwecken den Straßenkönig und die Sporty meiner Rockerbraut aus dem Winterschlaf. Die Saisonkennzeichen haben wieder Gültigkeit. Also holen wir die beiden Maschinen aus der Werkstatt ab. Mehr ist momentan nicht drin. Hier in Bayern herrscht Ausgangsbeschränkung, damit sind Motorradausfahrten ohne triftigen Grund verboten. Aber es ist immerhin die erste Fahrt mit dem neuen Lenker an meinem Straßenkönig. Was für ein Hochgefühl das doch ist! Aufrecht sitze ich auf meiner Maschine, der Police-Seat und der Ape sind ein verdammt starkes Team, das meinen Rücken und meine Arme entlastet. Schon die wenigen Kilometer von der Werkstatt zurück nach Hause sind die reinste Wohltat nach der Winterpause und den Corona-Beschränkungen der letzten Wochen. Und es ist ein verdammt gutes Gefühl, Straßenkönig und Sporty wieder zuhause in der Garage zu wissen.
Ein Traum liegt auf Eis
Das Gutachten ist bei der Versicherung, die Oldtimer-Versicherung abgeschlossen und die eVB-Nummer ist da. Aber jetzt hat die Zulassungsstelle geschlossen. Corona-bedingt. Auf unbestimmte Zeit. Die vollmundige Ankündigung, dass Zulassungen jetzt online in einem vereinfachten Verfahren möglich sind, gelten nicht für mich: Oldtimer sind, ebenso wie andere Sonderkennzeichen, ausgeschlossen davon. Der Traum, die Shovelhead-E-Glide bereits im März zuzulassen und damit schon vor dem 1. April und der Gültigkeit der Saisonkennzeichen von Straßenkönig und Sporty eine Runde zu drehen, liegt definitiv auf Eis - und das trotz beinahe sommerlicher Temperaturen in diesem Frühling.
Stippvisite bei den Bikes
Mittlerweile ist es schon Mitte März. Da ich heute einigermaßen früh Feierabend machen konnte, bin ich jetzt auf dem Weg zu meinem Lieblings-Harley-Schrauber um einfach mal zu schauen, was unsere Bikes so machen. In der Werkstatt erwarten mich nur gute Nachrichten. Für die Electra Glide war heute Morgen der Gutachter da und hat sie nicht nur als Oldtimer bestätigt, sondern sogar mit der Note 2+ eingestuft. Damit kann ich das Bike jetzt endlich als Oldtimer versichern und mit dem ersehnten H-Kennzeichen zulassen. Außerdem sind alle Restaurierungs- und Umbauarbeiten abgeschlossen. Die E-Glide steht also fertig da mit einem schicken Einzelsitz, einer besonders schicken Rahmenabdeckung darunter, ebenso schicken Weißwandreifen und einem schicken kleinen Gepäckträger - und natürlich mit allen technischen Instandsetzungen. Zeit, Platz zu nehmen auf dem neuen Sitz. Und außerdem Zeit, den Shovelhead-Motor für einen Sound- und Lauftest zum Leben zu erwecken. Was für ein Erlebnis! Er atmet hörbar durch den Luftfilter ein und noch hörbarer durch seinen 2-in-1-Auspuff wieder aus. Dazu vibriert und rasselt er munter vor sich hin. Das macht schon jetzt im Stand Lust auf mehr!
Auch meinen Straßenkönig nehme ich noch einmal genau in Augenschein. Mit dem hohen, cleanen Lenker und der Flames-Tankanzeige ist er jetzt ein echter Augenschmaus, an dem es kaum noch etwas zu verschönern und zu verbessern gibt. Für mich das perfekte Bike, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Ein klein wenig zu kurz gekommen ist in diesem Winter nur die Sporty meiner Rockerbraut. An ihr wurde nichts umgebaut, nur die notwendigen Wartungen durfte sie genießen.
Wäre doch nur eine der Maschinen zugelassen! Dann könnte ich bei diesem herrlichen Frühlingswetter am Wochenende schon mal die eine oder andere Runde drehen.
Wenigstens Biker-Luft schnuppern
Lange habe ich immer wieder hin und her überlegt: Fahre ich dieses Jahr zur IMOT nach München oder nicht? Am Ende hat die Lust darauf, ein bisschen Biker-Atmosphäre zu schnuppern, gesiegt. Als Vorwand dienen: die Suche nach einer Tasche mit nostalgischem Look, die zu meiner Oldtimer-E-Glide passt; ein Schloss für das historische Bike, das nämlich außer über ein Zündschloss über keinerlei Verriegelungsmöglichkeiten verfügt; Ersatz für das sich inzwischen auflösende Innenleben meines Helms.
Während ich die Biker-Luft in den Messehallen schnuppere und durch die Hallen schlendere, finde ich ein anständiges Kettenschloss und bei einem kleinen, supernetten Lederwarenhersteller eine schicke, rot-schwarze Rolltasche, die perfekt zu meiner rot-grauen Electra Glide passen wird. Nur die Suche nach einem neuen Innenfutter für meinen Helm bleibt erfolglos, angeblich ist das sogar beim Hersteller nicht mehr lieferbar. Da bleibt dann wohl nur noch die Suche im Internet.
Dafür entdecke ich an einem Stand einen tollen Lederrucksack für meine Rockerbraut. Ihr Lieblings-Rucksack hat nämlich erst kürzlich den Geist aufgegeben. Und dieses pfiffige Teil hier lässt sich im Handumdrehen von einem praktischen Rucksack in eine schicke Handtasche verwandeln. Und trägt dazu noch Totenkopf-Ziernieten. Das ist das perfekte Mitbringsel und muss unbedingt mit nach Hause.
Während ich bei den Klamotten-, Zubehör- und Accessoires-Händlern viele tolle Sachen entdecke und mich inspirieren lasse, gruselt es mich bei den meisten der ausgestellten Bikes - vor allem bei den Neuheiten. Zu viel Plastik, zu viel elektronischer Schnickschnack. Was soll ich bitte mit 170 PS und mehr Leistung, wenn ich das Fahren einem elektronischen Assistenzsystem überlasse, das dann die Traktion kontrolliert? Da habe ich lieber 100 PS weniger, die ich dafür selbst im Griff habe. Lieber schnell weiter in die Hallen mit den Reise- oder Tourenanbietern und Verkehrsvereinen der Urlaubsregionen aus ganz Europa. Da packe ich gleich kiloweise Karten- und Infomaterial zur Planung der nächsten Touren ein.
Polieren ohne zu frieren
Heute ist der 8. Februar und ich stehe tatsächlich im T-Shirt in der Sonne auf unserer Terrasse und poliere die Teile meiner E-Glide, die ich mit nach Hause genommen habe. Ich muss sogar darauf achten, dass die Chromteile schattig liegen, damit die aufgetragene Chrompflege nicht zu schnell eintrocknet und einbrennt! Felge, Zahnradkranz und andere Teile erstrahlen mit der Zeit tatsächlich wieder in altem Glanz, während mir der Schweiß von der Stirn rinnt. So kommt ein Saisonkennzeichenfahrer auch zu Biker-Frühlings-Feeling im Februar!
E-Glide in Teilen
Es ist soweit: Anfang Februar, mein Lieblings-Harley-Schrauber hat die E-Glide wie geplant auf die Bühne geholt und in zahllose Einzelteile zerlegt. Damit ist es auch Zeit, das weitere Vorgehen und die notwendigen Arbeiten zu besprechen. Abgesehen von den Umbauten, die ich mir wünsche - klassischer Einzelsattel, kleiner Gepäckträger und die von meinem Straßenkönig schon gewohnte und geliebte Schaltwippe -, und den von vorneherein offensichtlich notwendigen Arbeiten - neue Reifen, Bremsen, Batterie - gibt es auch noch ein paar unerfreuliche Überraschungen, die bei der Demontage zu Tage getreten sind: Eine Felge ist an der Nabe gebrochen und muss ersetzt werden. Und im Vergaser sieht es so aus, als wären die Monster aus Ghost Buster hineingefahren und hätten ihren typischen grünen Schleim hinterlassen. Da hilft reinigen allein wohl nicht mehr, es müssen neue Düsen und Dichtungen rein, sonst wird das nichts mit einer brauchbaren Gemischaufbereitung für den Motor. Für mein Sparkonto heißt das allerdings auch eine etwas größere Belastung als ursprünglich geplant. Während mein Lieblings-Harley-Schrauber die technisch schwierigen Arbeiten in Angriff nehmen wird, lade ich die intakte Felge und ein paar weitere Chromteile ins Auto, um ihnen in den nächsten Tagen mit reichlich Chromputz und Schweiß den nötigen Glanz zu verleihen.
An die Grenzen gehen
Weihnachten und den Jahreswechsel haben wir entspannt verbracht, heute - MItte Januar - geht es zum letzten Mal für diese Wintersaison zum Tätowierer. Das Sporty-Tattoo bekommt noch einen Himmel, außerdem fehlt dem Totenschädel noch die Schattierung seines Umhangs. Und dann gibt es hier und da noch ein paar Details vor der Sportster meiner Rockerbraut, die ausgearbeitet werden wollen. Einziger Nachteil: Die Tatowiernadel wird heute einige der aus meiner Sicht empfindlichsten Stellen am Bein traktieren. Die Knöchel innen und außen am Fuß werden dabei sein und die Kniekehle.
So wird die heutige Sitzung tatsächlich ein Wechselbad der (Schmerz-) Gefühle: die Vorfreude auf das fertige Tattoo, schmerzhafte Momente, das Zuschauen dabei, wie wieder tolle Elemente auf meinem Unterschenkel entstehen. Während der Umhang des Totenkopfs auf der Wade die reinste Entspannung ist, geht es an Knöcheln und Kniekehle - wie erwartet - tatsächlich an die Grenzen der Erträglichen für mich. Da hilft nur durchhalten. Und einen Tätowierer zu haben, der genau weiß, was er tut. Denn dass ich die drei Stunden heute tapfer ertragen kann, liegt auch daran, dass er mir durch geschickte Wechsel der gestochenen Stellen immer wieder die nötigen Verschnaufpausen verschafft. Irgendwann ist es dann so weit: Die Tätowiermaschine schweigt für diesen Winter, auf meinem rechten Unterschenkel gibt es Schwarz auf Haut ein weiteres fantastisches Tattoo.
Hintergründiges
Nachdem ich gestern zum Probesitzen für den neuen Lenker an meinem Straßenkönig bei meinem Lieblings-Harley-Schrauber war, geht es heute am letzten Samstag vor Weihnachten auch noch für einen weiteren Termin zum Tätowierer meines uneingeschränten Vertrauens. Schließlich fehlt der Sporty meiner Rockerbraut auf meinem rechten Unterschenkel noch ein ansprechender Hintergrund. Die Idee dafür ist ein herbstlicher Wald. Den zeichnet mein Lieblingstätowierer frei Hand auf das Bein - in meinen Augen ein undurchdringliches Gewirr aus Linien und Strichen. Seine Versuche, mir die Skizze zu erklären, scheitern an meinem mangelnden Vorstellungsvermögen. Er kann mir noch so sehr beschreiben, wie sich aus dem Wirrwarr später durch unterschiedliches Schattieren Bäume samt Ästen und Blättern entwickeln werden und ein tiefer Wald entsteht - ich erkenne nur einen undurchdringlichen Urwald, der auf meinem Bein wuchert - oder sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Aber mein Lieblingstätowierer wäre nicht der Schöpfer aller Kunstwerke auf meinem Körper, wenn ich ihm nicht blind vertrauen würde. Deshalb ist es mir jetzt auch egal, ob ich diesen Wald erkennen und mir seine Ausarbeitung vorstellen kann. Los geht's, lass die Nadeln schwingen und das Tätowiermaschinchen rattern! Ich bin sicher, am Ende wird mich das Ergebnis umhauen. Und so ist es dann auch. Baum um Baum entsteht, nebeneinander, hintereinander, sich gegenseitig verdeckend, mal mit deutlichen Konturen, mal leicht verschwommen im Hintergrund - und davor im Mittelpunkt steht die Sporty meine Rockerbraut.
Probesitzen
Kurz vor Weihnachten macht mir mein Lieblings-Harley-Schrauber noch ein vorzeitiges Geschenk: Schon letzte Woche kam der Anruf, dass der Lenkerumbau meines Straßenkönigs kurz vor der Fertigstellung sei und ich noch vor den Festtagen zum Probesitzen und Feinjustieren vorbeikommen könne. Jetzt habe ich - am letzten Arbeitstag vor den Weihnachtsferien - tatsächlich noch die Zeit gefunden, in die Werkstatt zu fahren. Und mein Lieblings-Harley-Schrauber hat auch Zeit für mich. Gespannt öffne ich die Tür zu Werkstatt. Was mich da wohl erwarten wird? Den Besenstiel vom Probesitzen wird er ja sicherlich nicht an meinen schönen Straßenkönig geschraubt haben!
Hui, was ist denn das? Da steht mein Straßenkönig auf der kleinen Arbeitsbühne. Und an ihm ragt ein ordentlicher Ape-Lenker in die Höhe. Ich staune nicht schlecht. So hoch hatte ich mir meinen neuen Lenker nicht vorgestellt! Oder täuscht der Anblick beim ersten Hinsehen nur? Vorsichtig und zögernd nähere ich mich meiner Road King, umkreise sie, betrachte sie, gehe einen Schritt näher heran und trete wieder zurück. Eine Road King mit so einem Ape? Und ist das wirklich die Höhe, die wir seinerzeit in der entwürdigenden Besenstilsitzung ausgemessen haben?
Während ich so um meinen Straßenkönig schleiche, kommt auch mein Lieblings-Harley-Schrauber dazu. Offensichtlich hat er meine Skepsis schon bemerkt. "Na mach schon, setz Dich und genieße", fordert er mich unverblümt zum Probesitzen auf. Also nehme ich auf meinen Police-Seat Platz und bin baff erstaunt: Meine Hände finden sofort den Weg zu den Griffen, die neue Haltung fühlt sich ebenfalls sofort passend an, gar nicht so hoch, erst recht nicht zu hoch. Die Arme ruhen entspannt und leicht angewinkelt am Lenker. Das hätte ich beim ersten Hinschauen niemals erwartet!
Mit jeder weiteren Sekunde Probesitzen schwindet meine Skepsis und verwandelt sich in restlose Begeisterung. Und je größer die Begeisterung wird, umso mehr öffnen sich meine Augen für die tolle Optik des cleanen Lenkers und die vielen schicken Details: die jetzt unsichtbaren, innenverlegten Kabel, die edlen Edelstahlzüge und Leitungen, den schicken Navihalter. Es gibt keine hässlichen schwarzen Kunststoffummantelungen mehr für die Elektrik, die meinen Straßenkönig verunstalten. Alles sieht sauber, perfekt und aufgeräumt aus. Wie lange dauert der Winter jetzt noch, bis ich endlich mit diesem neuen Lenker die erste Ausfahrt unternehmen kann?
Die Sporty erwacht
Dem Zwei-Wochen-Rhythmus folgend geht es heute schon wieder zu meinem Lieblings-Tätowierer. Die Schattierungen des Totenkopfs sind bestens verheilt, jetzt ist die Sporty an der Reihe mit der Ausarbeitung. Auch dabei kann ich wieder nur staunend zuschauen, was auf meinem Bein entsteht. War es vor zwei Wochen der Ausdruck, den das Gesicht des Totenschädels mit jedem Nadelstich entwickelte, ist es heute der Detailreichtum, der mich begeistert. Die Reifen der Mini-Sporty auf meinem Bein bekommen Profil, einzelne Speichen trennen sich voneinander ab, der Luftfilter ist klar zu erkennen, die Spiegel mit den Skullhänden, die Kühlrippen am Motor, sogar die Airbrush-Lackierung auf dem Tank ist angedeutet. Und die Chromteile scheinen regelrecht auf Hochglanz poliert zu strahlen.
Allerdings: Das Tätowieren auf engstem Raum mit den zahllosen dicht beieinander oder oft auch übereinanderliegenden Schattierungen ist, um es einmal so auszudrücken, nicht immer das reinste Vergnügen. Aber von nichts kommt auch nichts. Also Zähne zusammenbeißen, Augen zu und durch. Das Ergebnis nach dieser anstrengenden Sitzung entschädigt für alles!
Ein Totenkopf entsteht
Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass die Konturen für mein neues Tattoo auf den rechten Unterschenkel gestochen wurden. Heute geht es schon an's Schattieren. Der Totenschädel soll den Anfang machen. Wie immer bei meinen Tattoos gibt es als Farbe ausschließlich Schwarz, allenfalls mal etwas heller oder dunkler abgestuft ins Grau. Mit jedem Zug der Tätowiermaschine bekommt der Totenschädel mehr Struktur, mehr Tiefe, mehr Ausdruck, mehr Leben - wenn man das bei einem Totenkopf überhaupt so sagen kann. Wahnsinn, was mein Lieblings-Tätowierer da auf mein Bein zaubert!
Rockerbrauts Sporty kommt auf's Bein
Kaum sind die Bikes in der Winter-Unruhe-Pause, fröhne ich auch schon meiner Leidenschaft für die dunkle, motorradlose Jahreszeit: Die Sporty meiner Rockerbraut soll in diesem Winter als Tattoo unter meiner Haut verewigt werden. Ort des Geschehens wird der rechte Unterschenkel sein. Und weil die Sporty reichlich Totenköpfe zieren, soll sich auch beim Tattoo ein Schädel zum Mopped gesellen.
Natürlich darf wieder nur der Tätowierer meines Vertrauens die Nadeln unter meine Haut stechen. Bei dem habe ich heute den ersten Termin. Und damit die schöne Aufgabe, die Ideen und Spinnereien in meinem Hirn als künstlerischer Laie und Volldepp so in Worte zu fassen, dass mein Lieblings-Tatowierer mit seinem grafischen Genie versteht, was ich mir da so denke und vor meinem geistigen Auge sehe. Nur eines kann ich ihm konkret zeigen: die Sporty meiner Rockerbraut. Dafür habe ich eine ganze Reihe Fotos mitgebracht.
Während meines ganzen Gefasels und Gestammels schwingt der Tattoo-Künstler unablässig seinen Grafik-Pen und zaubert am Rechner einen ersten Entwurf auf den Bildschirm. Mit jedem Stiftstrich weiß ich wieder einmal mehr, warum er mein Lieblings-Tätowierer ist. Er bringt die Ideen aus meinem Hirn einfach perfekt auf seinen Bildschirm. Und anschließend auf's Papier. Denn die elektronische Variante ist auch für ihn nur ein grober Entwurf. Mit ein paar Ausdrucken der Photoshop-Daten verschwindet er jetzt nämlich erst einmal in seinem stillen Kämmerlein und zeichnet die eigentliche Vorlage von Hand.
Eine gute halbe Stunde später liegt dann die eigentliche Blaupause für mein neues Unterschenkel-Tattoo auf dem Tisch - und haut mich total um. Das Motiv ist nicht nur so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Seine Umsetzung ist viel, viel besser! Nur ein paar kleine, minimale Korrekturen und Feinarbeiten - dann wandert der Abzug auch schon auf mein Bein und wenig später rattert die Tatowiermaschine los. Kontur um Kontur, Linie um Linie, Umriss um Umriss entsteht auf meinem Unterschenkel und gewinnt hier durch die Rundungen des Beins noch einmal deutlich. Wenn schon diese Vorarbeit so genial aussieht, wie wird dann erst das fertige Bild?
Eine unruhige Winterpause steht bevor
War das ein wahnsinniger Oktober. So viel Gummi haben wir noch nie im letzten Monat unserer Kennzeichengültigkeit auf dem Asphalt gelassen. Aber das Wetter war einfach zu gut...
Als wollte der Wettergott uns den Abschied erleichtern, hat er uns nach unserer letzten Einmal-um-den-Chiemsee-Runde am Sonntag tatsächlich drei ziemlich gräusliche, nasse und kalte Tage beschert. Pünktlich zum Monatsletzten ist es heute aber immerhin trocken, wenn auch immer noch ziemlich kühl. Was meine Rockerbraut dazu veranlasst hat, mein Angebot anzunehmen, beide Bikes ins Winterlager zu fahren. So komme ich heute also zu einer doppelten Abschlusstour - auch wenn es jedes Mal nur auf direktem Weg zu unserem Lieblings-Harley-Schrauber geht. Meine Rockerbraut übernimmt dabei den Taxifahrer-Part im warmen Auto.
Los geht's mit der Sporty. Für die gibt es nämlich keine größeren Umbau- und Verschönerungsprojekte in diesem Winter, sodass wir sie ohne großes Tamtam und Gerede einfach nur vor der Werkstatt abstellen, die Schlüssel und Papiere überreichen und den üblichen Auftrag für eine Inspektion und gründliche Durchsicht erteilen.
Die nächste traurige Fuhre ist dann mein Straßenkönig. Und den stellen wir erfreulicherweise nicht einfach nur ab und das war's mit dieser Bikesaison. Nein, wir haben mit unserem Lieblings-Harley-Schrauber noch viel zu besprechen. So kann ich die schmerzliche Trennung und den Abschied von unseren beiden geliebten Motorrädern noch hinauszögern. Und die Realisierung zweier Winterumbauwünsche durchfantasieren: Eine neue Tankanzeige im Flames-Design passend zu Griffen, Trittbrettern und dem Tankdeckel auf der rechten Seite ist noch die leichteste Übung und schnell abgehakt. Das andere Projekt wird da schon komplexer: ein höherer Lenker.
Hatte die erhöhte Sitzposition durch den Police Seat auf meinem Straßenkönig zuerst für uneingeschränkte Begeisterung gesorgt, so hat sich im Laufe dieser Vielfahrsaison doch gezeigt, dass die vorgebeugte Haltung auf Dauer einfach zu viel Last auf Handgelenke, Arme, Ellbogen und Schultern verursacht. Entsprechend schmerzgeplagt vergingen manche Abende nach ausgiebigen Touren, vor allem dann, wenn ich vorwiegend schlechte Straßen unter die Räder meiner Road King Classic genommen hatte. So entstand die Idee, mit einem höheren Lenker Abhilfe zu schaffen und mir wieder zu einer aufrechten Sitzhaltung mit entlasteten Armen zu verhelfen. Und weil für einen Lenkerumbau ja ohnehin alle Leitungen und Züge neu verlegt werden müssen, soll auch gleich mit dem hässlichen schwarzummantelten Kabelsalat am Lenker aufgeräumt werden. Und schönere Züge und Bremsleitungen als die jetzt noch verbauten Originale gibt es im Zubehörhandel sicher auch.
Nachdem wir die grundlegenden Rahmenbedingungen soweit abgestimmt haben, geht es ans Maßnehmen. Zur Anpassung der richtigen Höhe des zukünftigen Lenkers kommt mein Straßenkönig in einen Werkstattständer und ich darf entspannt Platz nehmen und mir meine zukünftig gewünschte Sitzposition vorstellen. So rutsche ich auf dem Sitz vor und zurück, beuge mich nach vorne und hinten, spiele so herum und rudere dabei wie verrückt mit den Armen durch die Luft, um irgendwie ein Gespür dafür zu bekommen, welche Haltung mir in der nächsten Saison gut tun könnte. Ein bisschen komme ich mir so vor, als wäre ich wieder Kleinkind, säße auf meinem Schemelchen im elterlichen Wohnzimmer und spielte Motorradfahrer auf einem coolen Chopper, der durch imaginäre Kurven wedelt.
Als wäre das alles noch nicht entwürdigend genug, erscheint irgendwann mein Lieblings-Harley-Schrauber irgendwo aus den Tiefen seiner Werkstatt- und Lagerräume und hält mir einen uralten, abgegriffenen und an einer Bruchstelle schon mit Gewebeband getapeten Besenstil vor die Nase. "Hier, Dein neuer Lenker", lacht er und drückt mir das Teil in die Hände. "Dann ruderst Du schon nicht mehr wie ein Ertrinkender mit den Armen in der Luft herum." Damit soll ich jetzt den Lenker und die gewünschte Sitzposition simulieren, damit er alles ausmessen kann? Könnte es nicht wenigstens ein verchromtes, hochglanzpoliertes Eisenrohr sein?
Die Anweisungen des Meisters an mich, wie ich den Prügel zu halten habe, sind allerdings so präzise, dass ich meine Zweifel an der Genauigkeit seiner Messungen bald verliere. Mit diesem Besenstil wurden wohl schon mehrere Lenkerumbauprojekte vorbereitet. Griffweite am Stock messen, Höhe des Stocks zum Lenker messen, ein bisschen tiefer, ein bisschen höher - irgendwann nickt er zufrieden und verspricht mir, nun alle Maße zu haben, die er für die Wahl eines passenden Lenkers benötigt. Hoffentlich hat niemand Fotos oder gar ein Video von dieser peinlichen Aktion gemacht!
Mit Abschluss der Lenkervermessung gibt es nun keinen wirklichen Grund mehr, noch länger in der Werkstatt zu verweilen. Und so sehr ich es auch hinauszuzögern versuche - mit dummen Fragen oder weiteren verrückten Ideen zum Lenkerumbau, mit sinnlosem Benzingeschwätz -, der Zeitpunkt Abschied zu nehmen für die nächsten fünf Monate ist einfach da. Aber ich bin mir sicher: Die eine oder andere Stippvisite in der Werkstatt wird sicher noch nötig sein, um Dinge zu besprechen, zu testen und auszuprobieren, zu putzen oder zu polieren. Denn da gibt es ja auch noch eine Shovelhead Electra Glide, an der das eine oder andere restauriert und umgebaut werden soll... Also: Tschüss ihr drei, wir sehen uns bald wieder!
Verschlungene Wege
Während rund ums Haus der Garten darauf wartet, dass wir ihn für den Winter fit machen, verschließen wir die Augen vor Hecken und Sträuchern, Blumenwiese und Hochbeeten, die auf eine schneidende, stutzende, pflegende, mähende oder grabende Hand warten. Stattdessen haben wir zum definitiv letzten Mal in dieser Saison offene Augen und Ohren für unsere Harleys und gehen bei - und hier wiederhole ich mich gerne zum tausendsten Mal - allerfeinstem Wetter auf die Jahres-Abschluss-Tour, die zu fahren wir schon gar nicht mehr erwartet hatten: unsere große Chiemsee-Runde.
So starten wir Richtung Törwang, fahren dann hinunter ins Inn-Tal und tuckern weiter am Simssee vorbei. Auf der Suche nach einer Einkehr rollen wir über erstaunlich leere Straßen eigentlich ungeplant, aber wie von Geisterhand geführt, zu einem unserer Lieblingsstopps nach Sonnering. Was für eine glückliche Fügung, heute auf unserer Abschlussrunde tatsächlich auch hier noch einmal vorbeizufahren. Im proppenvollen Biergarten mit Südlage und Blick auf die Berge finden wir noch ein sonniges Plätzchen, stärken uns und verabschieden uns mit einem herzlichen Servus bis zum nächsten Jahr.
Der Weg nach Hause führt uns in einer großen Schleife über Pittenhart und Seeon nach Seebruck an den Chiemsee und auf die völlig überfüllte Uferstraße. Ich weiß schon, warum ich diese Strecke an schönen Wochenendtagen nur zu gerne meide! Denn auf der Hauptstraße reiht sich Auto an Auto und der Verkehr rollt im Schritttempo und Stop-and-Go an uns vorbei. Als Linksabbieger aus der Nebenstraße müssen wir uns in Geduld üben, bis sich eine Lücke auftut - will heißen: Irgendein netter Autofahrer in der nahezu geschlossenen Kolonne, die sich von rechts heran schiebt, erkennt, dass auch im von links nahenden Verkehr eine Lücke ist, und lässt uns einscheren.
Während meine Rockerbraut und ich so an der Kreuzung stehen - sie mit ihrer Sporty links, ich mit meinem Straßenkönig rechts -, kommt die Belohnung für unsere Warterei in Form eines netten Oldtimer-Cabriofahrers. Der hatte nämlich dank des Schneckentempos auf der Straße genug Zeit, meinen Straßenkönig genauer ins Auge zu fassen und ist offensichtlich ein Fan meines neuen Luftfilters: "Geiler Luftfilter" schallt es aus dem Cockpit über die Straße zu mir herüber, dazu ragt ein hochgestreckter Daumen über die Kante der Fahrertür mit der heruntergedrehten Seitenscheibe. Und dann winkt er uns auch noch zum Abbiegen herein.
Vielen Dank! lieber Oldtimer-Freund, Du hast mir für die Heimfahrt und den ganzen restlichen Tag ein zufriedenes, glückliches Lächeln ins Gesicht gezaubert und ganz viel Freude in die Bikerseele geschickt. Vielleicht sehen wir uns ja im nächsten Jahr wieder, wenn ich mit meiner Oldtimer-E-Glide unterwegs bin! Bis dahin wünsche ich Dir allzeit gute Fahrt.
Zum Abschied an den Pillersee
Dieser Oktober wurde ganz sicher von einem motorradfahrenden Wettergott gemacht. Denn selbst dieses letzte Wochenende bezaubert uns wieder mit bestem Wetter. Wir wollen es uns gar nicht ausmalen: In einer Woche ist es vorbei mit dem Harleyfahren. Dann sind unsere Saisonkennzeichen nicht mehr gültig und Sporty und Straßenkönig stehen bei unserem Lieblings-Harley-Schrauber in der Werkstatt für den Winterschlaf.
Schluss, aus, Ende! Weg mit diesen trüben Gedanken! Nutzen wir doch lieber diesen Sonnentag wieder aus und drehen noch eine Runde. Das Ziel ist schnell klar: Zum Abschluss dieser Saison wollen wir noch einmal an den Pillersee, zu einem unserer Lieblingsziele hier in der Region. Es wird eine total entspannte Tour mit einem nicht weniger entspannten Stopp im Biergarten am See. Allein der Jungbullengulasch, den ich genießen darf, ist die heutige Fahrt hierher wert!
Allerdings spüren wir auch bald, dass es nun doch bereits Ende Oktober ist. Denn schon relativ früh am Nachmittag verschwindet die wärmende Sonne hinter den umliegenden Bergen und der gerade noch hell erleuchtete und warme Biergarten versinkt im kühlen Schatten. Gut, dass wir unsere Motorradklamotten haben! So trotzen wir der herbstlichen Frische im Biergarten und essen in Ruhe uns leckeres Mahl auf, während viele andere radelnde und wandernde Gäste in den Gastraum flüchten.
Allzu lange bleiben aber auch wir nicht mehr sitzen. Schließlich kommen wir gerne noch im Hellen zurück nach Hause. Und das klappt auch heute wieder. Während die letzten Sonnenstrahlen dieses herrlichen Tages noch einmal ein faszinierendes Spiel aus Licht und Farben auf die herbstliche Landschaft zaubern, rollen wir vor unsere heimische Garage.
Auf zum Rossfeld
Es ist schon verrückt: Allein in der zweiten Saison-Hälfte dieses Jahres fahren meine Rockerbraut und ich so oft und so viel wie in mancher ganzen Saison der Jahre zuvor nicht. Und das Wetter verführt uns immer wieder, die Bikes aus der Garage zu holen. Wir können es schier nicht glauben, dass jetzt schon die zweite Oktoberhälfte erreicht und die Saison damit schon bald zu Ende ist!
Trotz der vielen Touren und gefahrenen Kilometer in diesem Jahr: Auf dem Rossfeld war ich noch nicht. Das muss ich unbedingt nachholen, auch wenn ich heute alleine auf diese kleine Tour gehen muss. Der Föhn sorgt für angenehme Motorradtemperaturen, trockenes Wetter, aber auch dramatische Wolkenformationen und Himmelsbilder.
Für die Hinfahrt nehme ich den direkten Weg und fahre erst einmal die Rossfeldstraße hin und wieder zurück. Am Kiosk gibt es eine kleine Pause mit einer schönen heißen Tasse Tee und ausführlichen Betrachtungen des Bergpanoramas, das sich durch die vorbeiziehenden Wolken sekündlich ändert, während der Blick ins Tal von einer dichten Wolkendecke versperrt ist. Damit wäre die Pflicht für heute erledigt und die Kür kann folgen. So geht es vom Rossfeld wieder hinab nach Berchtesgaden, weiter Richtung Bischofswiesen, von dort über das Schwarzeck wieder nach Ramsau und zum Hintersee. In wilden Schleifen tuckere ich durch das schöne Berchtesgadener Land, bis mich ein Blick auf die Uhr den Weg nach Hause einschlagen lässt. Aber auch den kann ich heute nicht einfach so nehmen. Statt von Inzell aus direkt heimzufahren, biege ich noch ab, um über Ruhpolding und an den drei Seen vorbei nach Reit im Winkl zu fahren. Bevor ich dann aus den Bergen wieder hinunter in den Chiemgau rolle, muss ich sogar noch den Abstecher über Kössen machen. Zu schön ist dieser Tag!
Goldener Oktober
Bei diesem herrlichen Spätsommerwetter mitten im Oktober wollen die Sporty meiner Rockerbraut und mein Straßenkönig einfach noch mal raus aus der Garage. Und so geht es heute am Sonntag auf eine kleine Tour in den Rupertiwinkel. Über kleine Nebensträßchen schlängeln wir uns im wilden Zickzack zum Waginger See und dann weiter in Richtung österreichische Grenze. In Fridolfing gibt es in einem netten Café die obligatorische Stärkungspause, bevor es baustellenbedingt auf ungeplanten Umwegen, aber umso schöneren, kurvenreichen Sträßchen, wieder nach Hause geht.
Der Tag danach
Da wir meine Neuerwerbung letzte Nacht nicht mehr aus dem Sprinter meines Lieblings-Harley-Schraubers ausgeladen haben, bin ich jetzt am Morgen nach unserer Oldtimer-Kauf-Tour wieder auf dem Weg zum ihm in die Werkstatt. Schließlich muss ich ja beim Abladen helfen und möchte meine neue alte Electra Glide noch einmal in Augenschein nehmen. Denn auch wenn wir sie gestern schon sehr genau unter die Lupe genommen haben: Das war mehr eine analytische Betrachtung, die Suche nach einem möglichen Haar in der prachtvollen Suppe, die Absicherung vor einer möglichen bösen Überraschung und einem Fehlkauf. Heute würde ich dagegen lieber hemmungslos meiner Begeisterung für dieses tolle Bike frönen und in verliebter Betrachtung versinken.
Als ich vor der Werkstatt vorfahre, steht mein Oldtimer schon vor dem Tor in der Sonne und funkelt mich verführerisch an. Und kaum bin ich ausgestiegen, erscheint auch schon der Herr der Werkstatt vor seinem Laden. "Servus und guten Morgen! Ich hab' schon mal ausgeladen und auch schon 'ne kleine Runde gedreht", strahlt er mich an. "Alles, was gestern noch geklemmt hat, war mit ein paar Tropfen anständigem Öl oder Fett und ein bisschen Bewegung ganz schnell wieder in Gang. Du kannst jetzt bis in den Vierten hoch und wieder runter schalten, der Gasgriff dreht sich wieder ohne Bodybuilding, das war alles nur mangels Benutzung festgegangen." Was für wundervolle Nachrichten! Aber wieso hat er nicht auf mich gewartet? Schließlich bin ich nicht zu spät, sondern pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt da. "Ach, ich konnte es einfach nicht abwarten genauer nachzusehen, was Du gestern mit meiner Hilfe gekauft hast. Da kannst Du echt zufrieden sein!" Und schon ist der wieder in der Werkstatt verschwunden.
Ich hole den Fotoapparat aus dem Auto und mache die ersten vernünftigen Aufnahmen von der Electra Glide, damit ich den Kaufzustand dokumentiert und natürlich auch ein paar Fotos für meine Rockerbraut habe. Die hat die Shovel ja schließlich bisher nur auf den Fotos aus der Anzeige und das Handyfoto vom Bike im Sprinter gestern gesehen. Während ich also mit meiner Kamera um die E-Glide schleiche und nicht nur fotografiere, sondern mir die Maschine auch noch einmal in Ruhe Stückchen für Stückchen und Eckchen für Eckchen anschaue, höre ich von hinten wieder meinen Lieblings-Harley-Schrauber herannahen: "Guck mal, wäre das nicht ein schicker Sattel? Ist mein Vorführer, aber der ist wie gemacht für Deinen Oldtimer." In den Händen hält er einen klassischen Ledersattel mit einer feinen weißen Ziernaht entlang der geschwungenen Kante und erstaunlich weicher Polsterung. "Wenn er Dir gefällt, bestelle ich ihn für Deine E-Glide." Weiße Ziernaht, Weißwandreifen - das würde doch passen. Ich will natürlich noch einmal darüber nachdenken. Aber das Korn ist gesät und keimt...
Doch erst noch einmal zurück zu meiner E-Glide, wie sie jetzt vor mir in der Sonne strahlt. Ja, wirklich, da haben wir einen guten Kauf gemacht. Natürlich: Das Bike ist fast 50 Jahre alt und diese Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Aber es sind edle Spuren. Bei der Restaurierung von 20 Jahren haben die Macher im Ruhrpott eine sehr ordentliche Arbeit abgeliefert. Und der Vorbesitzer hat die Shovel zwar nicht gefahren, aber liebevoll gepflegt. Die rot-graue Zweifarblackierung mit der feinen Linie, die Lederabdeckung auf dem Tank als Verlängerung des Dashboards, die blinkenden, blitzenden und spiegelblanken Chromteile - alles ist so, als wäre diese Maschine für mich gebaut worden.
Während ich so in meine Tagträumen versunken um die Maschine gehe, baut mein Lieblings-Harley-Schrauber noch schnell das Nummernschild ab. Mit den Worten: "Das brauchst Du für die Abmeldung nächste Woche" drückt er mir die Tafel in die Hände. Damit gibt es für mich außer zu gucken und zu träumen im Moment nicht mehr viel zu tun. Die Arbeiten an der E-Glide werden erst im Winter in Angriff genommen, die Details besprechen wir erst später, wenn es soweit ist. Also verabschiede ich mich schweren Herzens von meiner E-Glide und meinem Lieblings-Harley-Schrauber, der heute am Samstag sicherlich auch noch Besseres zu tun hat, als mir beim Schwärmen zuzuschauen. Und weil es - obwohl schon Mitte Oktober - wieder ein mehr sommerlicher als herbstlicher Tag mit Sonnenschein und strahlend blauem Himmel ist, könnte ich ja auch lieber mit meinem Straßenkönig auf die Piste gehen statt von meinem derzeit nicht fahrtauglichen Oldtimer zu träumen.
Zuhause angekommen, erstatte ich meiner Rockerbraut kurzen Bericht, zeige ihr die Fotos der E-Glide und frage sie, ob sie Lust zu einer kleinen Tour durch die nähere Umgebung hat. Zu meiner großen Freude ist sie sowohl von den Fotos meiner Neuanschaffung als auch von meiner Touridee begeistert. So starten wir endlich wieder einmal als Doppel mit Straßenkönig und Sporty auf unsere Hausstrecke durch den Chiemgau und die zugehörigen Alpen. Allerdings erinnern uns schattige Passagen mit feuchten, laubigen Kurven sehr bald daran, dass doch schon Herbst ist und die Gashand wohldosiert sein will. Nichtsdestotrotz: Es wird eine entspannte kleine Nachmittagsrunde, genau das Richtige nach dem aufregenden und durchaus auch anstrengenden Bike-Kauf-Tripp gestern.
Vom Wahnsinn befallen
Dass ich vom Motorradvirus in der besonders schweren Form Harley-Davidson befallen bin, ist mir durchaus bewusst. Aber dass es so schlimm ist, hätte ich selbst nicht gedacht. Es ist Freitagmorgen, halb 6, und ich sitze neben meinem Lieblings-Harley-Schrauber in dessen Sprinter und rolle Richtung Dortmund. Während es langsam hell wird und die vorbeiziehende Landschaft immer klarer zu erkennen ist, versuche ich mir auch klar darüber zu werden, warum ich jetzt hier sitze. Denn verrückt ist für diese Aktion noch viel zu wenig gesagt.
Verrückt war eigentlich schon die Idee, die hierher führte. Wie man ja schon an meiner Road King sehen kann, stehe ich auf die eher klassischen Varianten der Bikes aus Milwaukee. Lange Gabeln, fette Hinterräder und show-trächtige Umbauten sind nicht so mein Ding. Stattdessen schlägt mein Herz immer besonders hoch, wenn ich irgendwo eine wirklich klassische Harley bewundern darf. Eine Knucklehead, eine Panhead, eine Shovelhead. Schön reduziert im Erscheinungsbild, nahe dem Originalzustand, gut erhalten, ohne irgendwelchen Schnickschnack. Ja, so ein Bike in meiner Garage würde mich auch noch sehr begeistern. Allerdings: Ich habe zwei linke Hände, schrauben ist so gar nicht mein Ding. Und das Geld für einen Oldtimer wächst ja auch nicht auf den Bäumen. Das hielt mich bisher von so einem Bike ab. Und außerdem habe ich ja auch noch meinen Straßenkönig.
In diesem Sommer passierten allerdings drei entscheidende Dinge:
Schon während der diesjährigen Bike Week in Faak startete ich die mehr oder weniger ernsthafte Suche nach einem Harley-Oldtimer als Kapitalanlage mit hohem Spaßfaktor als Rendite. Das Beuteschema war schnell klar: Eine Duo Glide oder E-Glide mit Panhead- oder Shovelhead-Motor, aber eben abgespeckt ohne Koffer, Scheibe, voluminöses Zubehör. Sozusagen die klassische Naked-Bike-Version meiner Road King. Perfekt wäre noch ein Bike aus demselben Baujahr wie ich.
Mit dem festgelegten Beuteschema gingen auch gleich die entsprechenden Suchprofile auf den einschlägigen Portalen online. Die eingehenden Treffer teilte ich fleißig mit meinem Lieblings-Harley-Schrauber, der sich als wahrer Geduldsengel meiner Spinnerei annahm und mich immer wieder mit klaren, offenen Worten und eindeutigen Kommentaren zu den ins Auge gefassten Bikes auf den Boden der Tatsachen zurückholte. So brachte er mir beispielsweise einfühlsam und vorsichtig bei, dass eine Panhead oder gar Knucklehead für einen völlig unbegabten Schrauber mit zwei linken Händen wie mich wohl nicht das Richtige sei, wenn ich das Bike nicht nur putzen, sondern auch fahren wolle. Und er zeigte seine Expertise in Sachen Harley, wenn er gnadenlos Potemkinsche Harley-Luftnummern allein anhand der Fotos und Beschreibungen in den Online-Anzeigen entlarvte, auf deren schön polierte Fassaden ich gnadenlos hereingefallen wäre.
Weil mein Lieblings-Harley-Schrauber natürlich selbst eine gewisse Leidenschaft für Oldtimer aus dem Hause Harley-Davidson nicht leugnen kann, hatte ich mit meiner Idee auch bei ihm das Jäger-und-Sammler-Gen ein klein wenig angeregt und ihn mit meiner Begeisterung angesteckt. So begann er auf eigene Faust, die Augen nach einem adäquaten Bike für seinen Kunden offen zu halten.
Das Ergebnis dieser Unterstützung war eben jene Anzeige, die uns beide heute Morgen zu völlig unchristlicher Stunde im Fahrerhaus dieses Sprinters zusammen- und auf den Weg nach Dortmund geführt hat. Dort steht nämlich eine schicke Harley-Davidson Electra Glide aus dem Jahr 1972, in den Jahren 2000 oder 2001 schon einmal gründlich restauriert, mit einer wunderschönen rot-grauen Zweifarb-Lackierung und ohne allen Schnickschnack. Ein hundertprozentiger Treffer für mein Beuteschema - vielleicht ein bisschen zu jung, aber da will ich angesichts des restlichen Pakets nicht kleinlich sein.
Um mich vor einem Fehlkauf zu bewahren und weil ich im Falle eines Kaufs sowieso ein geeignetes Fahrzeug für den Transport des Bikes vom Ruhrpott nach Oberbayern bräuchte, hat mein Lieblings-Harley-Schrauber sich tatsächlich bereit erklärt, mich zu begleiten und seinen Sprinter für die 1500-Kilometer-Tour nach Dortmund und zurück zur Verfügung zu stellen. Und so rollen wir jetzt über eine erstaunlich leere Autobahn gen Norden, während ich meinen Erinnerungen und Träumen nachhänge.
Die störungsfreie Fahrt werten wir als gutes Omen für den bevorstehenden Besichtigungstermin. Und eine offensichtlich etwas spinnende Wartungsanzeige des Sprinters lässt uns darüber philosophieren, ob es sich bei diesem Fahrzeug vielleicht um die Transporterversion von Doc Brown's DeLorean aus "Zurück in die Zukunft" handeln könne. Schon bei der Abfahrt hat der Bordcomputer des Sprinters nämlich gemeldet, dass bald eine Wartung anstehen würde. So weit, so gut, so normal. Während unserer Fahrt stellen wir allerdings fest, dass sich der angegebene Zeitraum bis zur Wartung nicht mit jedem Kilometer verringert, sondern verlängert. Außerdem existieren die vom Navi des Sprinters angekündigten Staus nie, wenn wir die angeblich betroffenen Streckenabschnitte erreichen - zwei Phänomene, die wir uns nur durch eine Zeitmaschine wie den Fluxkompensator erklären können, die irgendwo in diesem Sprinter eingebaut sein muss und die uns nicht nur Raum, sondern eben auch Zeit durchqueren lässt.
Weil wir so gut durchkommen, bleibt uns mehr als genug Zeit, um kurz vor Dortmund auf den letzten Kilometern durch das nördliche Sauerland noch die Autobahn zu verlassen und ein schönes Lokal für ein ordentliches Mittagessen zu suchen. Verabredet sind wir für den Nachmittag nach 14 Uhr, weil der Verkäufer dann erst von der Arbeit nach Hause kommt. Jetzt ist es nicht einmal 12 und das Navi gibt maximal noch eine Stunde bis zum Ziel an.
Während des Essens und erst recht auf den letzten Kilometern danach bis zur ersten leibhaftigen Begegnung mit dem Objekt der Begierde werde ich zunehmend nervöser und angespannter. Was erwartet mich da gleich? Ist es wirklich das Bike meiner Träume oder platzt ein verrückter Traum an den spitzen Dornen der bitteren Realität? Lohnt sich dieser ganze Aufwand, durch halb Deutschland zu fahren, einen Urlaubstag zu opfern und meinem Lieblings-Harley-Schrauber einen Arbeitstag in seiner Werkstatt zu rauben?
Viel Zeit für solche Überlegungen bleibt mir glücklicherweise nicht. Das leckere Essen genießen wir schnell, aber ohne Hast, die restlichen Kilometer spulen wir zügig ab. Schon rollen wir pünktlich, wie es sich gehört, vor das Gartentor der Zieladresse. Offensichtlich werden wir schon erwartet, denn über den Zaun hinweg gibt es gleich beim Aussteigen eine herzliche Begrüßung. Kein Wunder, dass der gute Mann weiß, wer da vorfährt. Schließlich ist ja der Sprinter meines Lieblings-Harley-Schraubers unübersehbar beschriftet. Tja, und schon nach wenigen Begrüßungsfloskeln öffnet sich auch gleich das Garagentor. Die Shovel meiner Träume lacht mich zum ersten Mal an.
Nachdem ihr Besitzer sie aus der Garage geschoben hat, umkreisen mein Lieblings-Harley-Schrauber und ich das Bike und nehmen alles unter die Lupe. So, wie sie dasteht, bin ich sofort verliebt. Sie sieht aus wie auf den Fotos im Netz. Lack, Chromteile und Motor machen auf mich einen ordentlichen, sauberen Eindruck. Auch dem Garagenboden, wo sie stand, schenke ich noch einen schnellen Blick. Blitzblank und sauber ist er. Inkontinent scheint sie also nicht zu sein. Allerdings deuten sich am hinteren Fender rund um den Kennzeichenhalter Rostspuren unter dem Lack an.
Damals, nach der Restaurierung, habe er die E-Glide gekauft, erklärt uns der Verkäufer, während wir um die Maschine schleichen, auf dem Boden herumkriechen, uns vor ihr verbeugen und neben ihr niederknien. Aber dann habe er das Bike eigentlich nur noch alle zwei Jahre zum TÜV gefahren - für mehr war einfach keine Zeit. Und zum Fahren habe er schließlich auch noch eine andere, neuere Maschine. Die Reifen untermauern diese Aussage auf ihre ganz eigene Weise: Während ihr Profil taufrisch aussieht, offenbart der Datumsstempel, dass sie bereits 1999 hergestellt wurden - also vor 20 Jahren. Offensichtlich wurden sie noch bei der Restaurierung aufgezogen und durften seither in Würde, aber ohne großartigen Straßenkontakt altern. Für längere Strecken eignen sie sich auf jeden Fall nicht mehr, nicht einmal mehr für eine Fahrt zum TÜV. Aber für eine kurze Probefahrt an diesem Nachmittag werden sie wohl noch taugen.
Der Startversuch beschert uns allerdings die erste wirkliche Enttäuschung des Tages. Keinen, aber auch wirklich nicht den allerkleinsten Muckser gibt die Electra Glide beim Druck auf das niedliche kleine Starterknöpfen von sich. Die Batterie ist platt - wahrscheinlich ist sie auch schon 20 Jahre alt. Immerhin findet sich in der Garage des Verkäufers ein Starterkabel, sodass wir den Shovelhead-Motor mit der Energie aus der Sprinterbatterie zum Leben erwecken können. Erstaunlich schnell blubbert der geliebte Harley-Sound aus den Auspufftöpfen. Wieder schleichen wir um das Bike und vor allem mein Lieblings-Harley-Schrauber lauscht ganz genau dem mechanischen Getucker, Gerassel und Geklapper aus dem Inneren des Motors.
Dann lasse ich ihm den Vortritt für die erste Probefahrt. Einmal die Straße rauf und runter lässt er die E-Glide rollen, bevor er mit einem gar nicht so unzufriedenen Gesichtsausdruck absteigt. Jetzt bin ich dran. Die Kupplung verlangt alle Zugkraft meiner linken Hand, der erste Gang lässt sich nur durch einen beherzten Tritt auf den Schalthebel einlegen. Den zweiten Gang bekomme ich trotz aller Mühen und Verrenkungen nicht rein. Die Bremsen reagieren praktisch gar nicht auf die Befehle des Handgriffs und des Fußpedals. Selbst der Gasgriff lässt sich nur mit aller Kraft drehen. Und der Lenker wackelt in meinen Händen wie der vielbesagte Lämmerschwanz. Aber sie rüttelt und schüttelt und tuckert mit mir los. Und meine erste Begeisterung vertieft sich mit jedem Meter, den ich so dahin rolle.
Zurück auf dem Hof des Verkäufers steigen wir in die Preisverhandlungen ein. Neue Reifen, neue Bremsen, neue Silentblöcke für den Lenker, hier und da ein paar kleinere Lackstellen ausbessern, natürlich alles aufpolieren, vielleicht der eine oder andere Tropfen Schmieröl und Schmierfett, schlimmstenfalls das Getriebe ausbauen und grundüberholen - das bringen wir als Argumente ein. Aber Rückgrat und Herz der E-Glide, ihr Rahmen und der Motor, machen einen grundsoliden Eindruck, sind eine Basis, auf der wir wohl aufbauen können. Und so werden wir uns schnell handelseinig. Das den ganzen Tag lang gut gehütete Bare wechselt den Besitzer, der vorbereitete Vertrag wird unterzeichnet, Schlüssel und Papier werden feierlich übergeben, die Electra Glide wandert in den Sprinter und wird fürsorglich verstaut und verzurrt. Ich bin stolzer Besitzer eine Harley-Davidson Electra Glide mit einem Shovelhead-Motor aus dem Baujahr 1972! Aus einer verrückten Idee ist ganz normaler Wahnsinn geworden.
Auf der Rückfahrt werfe ich immer wieder einen Blick durch das Sichtfenster zwischen Fahrerkabine und Laderaum des Sprinters auf meine Kapitalanlage. Und spinne mit meinem Lieblings-Harley-Schrauber munter drauf los, was nun mit der E-Glide so alles zu tun wäre. Natürlich: Erste Prio haben natürlich alle Arbeiten, die meinen Oldtimer wieder fahrtüchtig machen. Also neue Reifen - mit Weißwand für den klassischen Oldtimer-Look -, neue Bremsen, neue Lenkerhalterung, neue Batterie. Eine gründliche Inspektion des Motors, des Vergasers, des Getriebes und der Kupplung. Wahrscheinlich der Austausch der einen oder anderen Dichtung. Und ein anderer Sitz. Denn der jetzt verbaute Sitz geht in meinen Augen gar nicht. Auf ein solches Bike gehört ein richtiger Sattel mit Federn! Außerdem brauche ich eine Schaltwippe. Die bin ich von meinem Straßenkönig gewohnt und möchte ich auch auf meinem Oldtimer nicht missen.
So vergeht die Rückfahrt wie im Fluge mit Träumereien und Pläneschmieden. Die Straßen sind wie schon am Morgen staufrei, der Sprinter rollt zügig zurück in den Chiemgau, wo er pünktlich um Mitternacht vor die Werkstatt meines Lieblings-Harley-Schraubers rollt. Hier wird die Shovel jetzt wohl erst einmal ihr Winterlager haben. Fahren werde ich sie in diesem Jahr nicht mehr, soviel steht fest. Aber davon träumen kann ich.